Protokoll der Sitzung vom 13.06.2007

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist nach dem Unfall in Lathen die Frage der Sicherheit des Transrapids von ganz besonderer Bedeutung. Deshalb haben der Bundesverkehrsminister und ich unmittelbar, also ein paar Tage nach dem Unfall ein gemeinsames Gutachten in Auftrag gegeben, um die Konsequenzen aus dem Unfall in Lathen für das TransrapidProjekt in München zu erkunden und um daraus weitere Vorschläge abzuleiten. Dieses Gutachten liegt vor; es ist auch in die weitere Beurteilung des Eisenbahn-Bundesamtes eingegangen.

Es hat gezeigt, dass relativ geringfügige Änderungen und Ergänzungen notwendig waren, weil das Sicherheitskonzept in München von Anfang an auf einer völlig anderen Grundlage stand als das Sicherheitskonzept der Versuchsstrecke im Emsland: Zum Ersten handelt es sich bei der Strecke im Emsland um eine Versuchsstrecke, nicht um eine Anwendungsstrecke wie in München. Zum Zweiten beruht das Sicherheitskonzept in Niedersachsen auf Beurteilungen aus den Siebzigerjahren. Ich sage nicht, dass diese Beurteilungen unzureichend sind, aber ich sage: Wer sich auch nur im Entferntesten bemüht, zu einer objektiven Bewertung zu kommen, Herr Kollege Wörner, wird selbstverständlich zu der Aussage kommen, dass man jetzt, 30 Jahre später, ganz andere technische Möglichkeiten hat. Es ist heute möglich, auf der gesamten Strecke alles in ein elektronisches Sicherheitssystem einzubinden, sodass nicht wie im Emsland

Einzelentscheidungen von Personen getroffen werden müssen. Das elektronische Sicherheitssystem sieht vor, dass das System automatisch reagiert, wenn zwei Fahrzeuge auf der Strecke sind.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Es fällt mir schwer, weil ich gar nicht glaube, dass Sie zuhören wollen.

Das elektronische Sicherheitssystem reagiert also automatisch. Das heißt: Ein vergleichbarer Unfall wie im Emsland ist in München per se nicht möglich. Das ist vom TÜV und von den einschlägigen Fachleuten bestätigt worden.

Erstens dürfen auf der gleichen Strecke nicht gleichzeitig zwei Fahrzeuge sein. Wenn sie dennoch dort sind – das gilt unter Einschluss von Wartungsfahrzeugen –, reagiert das System automatisch und schaltet ab. Das Sicherheitskonzept für München steht also auf anderen Beinen als das im Emsland. Das muss man zunächst einmal wissen. Zweitens. Das Sicherheitskonzept ist von der zuständigen Gesellschaft beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht worden. Es ist im April dieses Jahres genehmigt worden. Die zuständige Bundesbehörde hat das Konzept also genehmigt. Sicherheitsphilosophie des Transrapids ist es, dass das Sicherheitskonzept immer fortgeschrieben wird: Es handelt sich also nicht um ein einmaliges Konzept, das auf Dauer so bleibt, sondern es wird im Betrieb ständig fortgeschrieben. Auch all die weiteren Schritte unterliegen selbstverständlich der Aufsicht des Eisenbahn-Bundesamtes.

Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, dass wir den Transrapid in München nur dann realisieren, wenn alles, was menschenmöglich ist, für die Sicherheit von Mensch und Umwelt getan wird. Aber wenn man den Unfall von Lathen auswertet – das Fahrzeug ist ja auf der Schiene geblieben –, dann kommt man zu dem Schluss, dass ein vergleichbarer Unfall im Rad-Schiene-System vermutlich viel schlimmere Auswirkungen hätte als hier. Auch das ist zu berücksichtigen. Ich weiß, dass es nicht zulässig ist, das einfach so zu vergleichen. Aber bei der Bewertung der Sicherheit eines Technologieprojektes ist dieser Aspekt sicher wichtig und nützlich.

Die Frage nach der Herausgabe des Sicherheitskonzepts hat Kollege Rotter schon beantwortet: Dieses Konzept gehört der Magnetbahngesellschaft und wurde in einem besonderen Verfahren beurteilt. Wir dürfen über dieses Konzept nicht verfügen. Das heißt: Der Antrag der GRÜNEN ist objektiv nicht erfüllbar, weil wir über dieses Konzept nicht verfügen dürfen. Deshalb fi nde ich den Antrag der CSU passend, dass wir all das, was auch für die Öffentlichkeit interessant ist und was uns zugänglich ist, in einem Bericht an den Bayerischen Landtag darstellen. Ich sage selbstverständlich zu, dass dieser Bericht dem Hohen Hause so schnell wie möglich und in umfassender Weise, soweit uns die Informationen eben zugänglich sind, zur Verfügung gestellt wird. Ich werde auch die Magnetbahngesellschaft beeinfl ussen, dass sie, wenn es gewünscht wird, auch in einem Ausschuss des

Landtags Rede und Antwort steht. Auch dieses Angebot möchte ich dem Hohen Hause unterbreiten.

Die Vorlage des gesamten Konzeptes ist unabhängig von dieser Rechtsfrage deshalb problematisch, weil aus diesem Konzept schützenswertes Know-how erkennbar ist, das auch dem Schutz des geistigen Eigentums unterliegt. Ferner möchte ich unterstreichen, was Kollege Rotter gesagt hat: Nicht zuletzt wäre die völlige Offenlegung aller Informationen natürlich für Elemente, die wir nicht unterstützen wollen, geradezu eine Einladung. Wer für Sicherheit ist, meine Damen und Herren, der darf terroristischen und kriminellen Organisationen nicht den Zugang zu Informationen erleichtern, die bei der Vorbereitung von etwaigen Anschlägen nützlich wären.

(Beifall bei der CSU)

Das wird auch von keinem Industriebetrieb gemacht. Auch bei Ereignissen wie bei dem von Heiligendamm wird die Polizei nicht vorher das gesamte Sicherheitskonzept offen legen; denn es gibt leider Leute, die solche Informationen missbrauchen. Ein vernünftiger Mensch wird daran denken, wenn er will. – Das sind echte Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit.

Wenn ich das, was die Kollegen Volkmann und Wörner hier gesagt haben – auch beim Kollegen Runge klang es durch –, bewerte, muss ich sagen: Ich hege doch ganz erhebliche Zweifel daran, dass es Ihnen wirklich um die Sicherheit geht. Ich frage mich, ob es Ihnen nicht einfach nur um den Kampf gegen diese Technologie geht. Einer ernsthaften Diskussion stellen wir uns. Aber ich unterstelle Ihnen, dass die Fragen der Sicherheit missbraucht werden, um den Kampf gegen die Technologie zu führen, weil ich Ihnen die Ernsthaftigkeit nach dem Verlauf der Diskussion in den letzten zehn Minuten absprechen muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Simone Tolle (GRÜNE): Ha, ha!)

Jetzt kommen wir, weil sie damit in Verbindung stand, zu der Frage nach der Begründung des Projekts. Zunächst einmal ist die Frage zulässig und notwendig, warum wir für das Transrapid-Projekt sind: Es ist eben nicht nur ein Technologieprojekt, sondern es ist auch ein Verkehrsprojekt, das in München für die Verbindung vom Hauptbahnhof zum Flughafen außerordentlich zweckmäßig, nützlich und vorteilhaft ist. Es verbindet nämlich zwei Drehscheiben des Verkehrs. Der Flughafen München wird in wenigen Jahren 50 Millionen – manche sagen auch: 60 Millionen – Passagiere haben. Jeder weiß auch, dass die Verkehrsanbindung des Flughafens heute schon nicht gut ausgestattet ist. Sowohl die Straße als auch die Schiene erschließen heute den Flughafen nicht zureichend.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Woher kommt das?)

Wenn mit einer Verdoppelung der Passagierzahlen zu rechnen ist, muss ich Ihnen, wenn Sie Verantwortung in

München tragen wollen, sagen: Wer vermeiden will, dass München und Umgebung im Verkehr erstickt, muss etwas bauen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Dr. Simone Strohmayr (SPD): „Etwas“?)

Alles andere ist zukunftsblind. Das heißt: Die weit verbreitete Formel „Lasst uns doch den Transrapid einstellen, dann sparen wir zwei Milliarden Euro, dann haben wir mehr Geld; dann machen wir nicht ein Spielzeug- oder Prestigeobjekt!“ übersieht die Zusammenhänge. In jedem Fall muss etwas gebaut werden. Das ist dringend notwendig, weil sonst ein Verkehrskollaps im Raum München eintritt.

Die nächste Frage ist: Was bauen wir? – Diese Frage ist zulässig. Da gibt es zunächst die Möglichkeit, eine weitere S-Bahn zu bauen. Aber wir haben schon zwei S-Bahnen. Es wird auch keine eingestellt; die zwei S-Bahnen werden weiterhin fahren; das ist doch keine Frage. Gelegentlich wird so getan, als würden wir den Transrapid bauen und die S-Bahnen einstellen.

Die zwei S-Bahnen werden selbstverständlich weiter fahren. Wer an der Strecke zum Flughafen ist oder dort wohnt, der wird nicht erst zum Hauptbahnhof fahren und dann wieder dort hinaus.

(Rainer Volkmann (SPD): Genau!)

Die Leute sind vernünftiger als Sie, Herr Volkmann. Wer dort draußen wohnt, der wird den nächsten Zugang zum Flughafen nehmen. Wir stellen die zwei S-Bahnen also nicht ein, sondern wir brauchen eine weitere.

Nun ist aber in der Tat die Frage berechtigt: Was bauen wir? Nun bitte ich die Abgeordneten, die die Landeshauptstadt München vertreten, in besonderer Weise aufzupassen. Die Landeshauptstadt München möchte eine zweite S-Bahn-Stammstrecke. Diese Stammstrecke erfordert nach dem jetzigen Stand der Kosten 1,8 Milliarden Euro. Vermutlich wird sie sogar noch teurer. Diese S-Bahn hat einen Nutzenfaktor von weniger als eins. Zugleich will die Landeshauptstadt eine Express-S-Bahn. Diese S-Bahn kostet auch etwa 1 Milliarde Euro; hinzu kommen die laufenden Defi zite. Glaubt denn wirklich irgendjemand von Ihnen, dass wir in der Lage wären, Zuschüsse des Bundes, die ohnedies knapp sind, zur gleichen Zeit für zwei Nahverkehrsprojekte in München zu bekommen? – Das ist doch schlichtweg außerhalb der Realität!

Ich sage deshalb, wer von Ihnen den Transrapid bekämpft und meint, er kann zur gleichen Zeit die Express-S-Bahn und die zweite Stammstrecke realisieren, der wird auf die Nase fallen. Man kann nicht zur gleichen Zeit zwei Projekte, die zusammen drei Milliarden Euro kosten, in Berlin durchsetzen. Es ist deshalb ein enormer Vorteil, wenn wir den Transrapid nehmen, der außerdem eine TechnologieFunktion hat und in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt ist. Außerdem muss man hier auch noch sagen:

Das Konzept ist unter Rot-Grün auf den Weg gebracht worden.

(Rainer Volkmann (SPD): Nein! Das war schon vorher!)

Diese konkrete Strecke des Transrapids, die realisiert werden kann, machen Sie madig. Diese Strecke, sagen Sie, muss verhindert werden. Für Traumstrecken wie zwischen Paris und Bratislava erwärmen Sie sich, Herr Kollege Wörner. Das Leben ist konkret, Herr Kollege, wer nicht in der Lage ist, einem konkreten Projekt zuzustimmen, der ist auch nicht in der Lage, politische Verantwortung zu tragen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Wissen Sie, das kennen wir doch schon von Ihnen: Im Zweifel heben Sie ab, in idealistische, luftleere Sphären. Daran ergötzen Sie sich. Das Leben ist aber konkret. Doch da versagen Sie immer. Deshalb ist Rot-Grün auch abgewählt worden.

(Beifall bei der CSU – Rainer Volkmann (SPD): Nein! Sie heben gerade ab!)

Der Charme des Projekts besteht doch gerade darin, dass wir mit dem Transrapid eine Strecke bekommen, die für dieses Verkehrsmittel geradezu ideal ist.

(Rainer Volkmann (SPD): Der ist doch nicht für Kurzstrecken gebaut worden!)

Der Transrapid ist ideal, weil er in zehn Minuten vom Hauptbahnhof zum Flughafen fährt. Sie bewältigen mit keiner anderen Rad-Schiene-Technologie diese Strecke in weniger als 30 Minuten. Wenn Sie wollen, können Sie mit der rumpelnden S-Bahn fahren. Ich habe nichts dagegen. Jeder darf wählen, wie er fahren will.

(Rainer Volkmann (SPD): Wie lange fahren Sie denn bis Freising? – Zwanzig Minuten!)

Der eine fährt mit dem eigenen Auto, der andere mit dem Taxi, der Dritte mit der S-Bahn und der Vierte mit dem Transrapid. Warum wollen Sie das verhindern?

Der Transrapid hat außerdem den Vorteil – –

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Herr Kollege, unterstellen Sie doch nicht, einer von uns hätte die Strecke im Iran gepriesen, hervorgehoben oder erfunden. Wenn ein Münchner Unternehmen sagt, es bekomme einen Auftrag im Iran, dann bekommt es einen Auftrag. Wenn es realisiert werden soll, muss das Projekt sowieso vom Bund genehmigt werden. Schieben Sie uns das doch nicht unter. Das ist außerdem unredlich.

Jetzt komme ich zurück zum Transrapid. Mit diesem Verkehrsmittel hätten wir aufgrund der zwei unterschiedlichen Finanzierungstöpfe die Chance – weil der Transrapid eben auch ein Technologie-Projekt ist –, in einer überschaubaren Zeit zwei Verkehrsmittel zu fi nanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Nun kommt der Einwand: Was ist mit dem ländlichen Raum?

(Simone Tolle (GRÜNE): Genau!)

Eben weil der Transrapid ein Technologie-Projekt ist, bekommen wir eine Sonderförderung durch den Bund. Das wissen Sie genau; denn das Projekt ist unter Rot-Grün in den Bundeshaushalt hineingekommen. Wir bekommen 50 %, höchstens 925 Millionen Euro. Wir müssen dafür einen Anteil übernehmen. Es ist richtig: Ein beschlossenes Finanzprojekt zwischen Bund und Land gibt es noch nicht. Das muss ausgehandelt werden. Die Lücke, die wir haben, beträgt im Moment 340 Millionen Euro. Sie werden aber doch nicht behaupten, dass Bund und Land, wenn sie wollen, nicht in der Lage wären, in drei bis vier Jahren zusätzlich 340 Millionen Euro zu fi nanzieren. Das ist eine Frage des politischen Wollens, nicht der fi nanziellen Möglichkeiten. Das wird immer ausgetestet werden.

(Simone Tolle (GRÜNE): Aha! – Johanna WernerMuggendorfer (SPD): Das ist ja interessant!)

Es ist ein gemeinsames Projekt von Bund und Land. Ich füge ganz deutlich hinzu, wenn der Bund meint, das wäre nur ein Verkehrsprojekt des Freistaats Bayern, das er bezuschusst, dann wird die Sache scheitern. Entweder Bund und Land fi nanzieren das Projekt gemeinsam, oder der Transrapid wird nicht kommen. Dieses Verkehrsmittel hat einen Technologie-Aspekt und auch einen VerkehrsAspekt.

Nun noch einmal zur Frage des ländlichen Raumes. Ich kann heute für den Freistaat Bayern sagen, dass die Mitfi nanzierung für die Investitionen beim Transrapid niedriger ist als bei der Express-S-Bahn. Für diese S-Bahn liegen die Investitionen bei mindestens einer Milliarde Euro. Bei einem Anteil von 50 % wird der Freistaat mehr Geld brauchen als für seinen Finanzierungsanteil beim Transrapid nach dem jetzigen Stand der Verhandlungen.

Es kommt aber noch ein weiteres Argument dazu. Der Transrapid wird kostendeckend fahren, für die Deutsche Bahn wird er sogar noch einen Gewinn abwerfen. Deshalb hat die Deutsche Bahn auch gesagt, dass sie 185 Millionen Euro zusätzlich aufbringt, um die Finanzierung des Transrapids zu ermöglichen. Vielleicht ist das noch nicht das letzte Wort. Das kommt auch daher, weil man für den Transrapid ein höheres Beförderungsentgelt verlangen kann – 15 oder 16 Euro – als für die S-Bahn, deren Fahrpreis bei 8 Euro liegt. Das heißt, der Transrapid wird ohne Defi zite fahren. Die Menschen können aber frei entscheiden.

Das Entscheidende aber ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei der Express-S-Bahn werden wir pro Jahr 20 bis 25 Millionen Euro Defi zit zu berappen haben, die allein aus Regionalisierungsmitteln des Freistaats Bayern zu bezahlen sind. Dieser Betrag fällt dann für die Förderung des ländlichen Raumes weg. Das Defi zit tritt beim Transrapid nicht ein. Das Defi zit tritt hingegen bei der Express-S-Bahn ein. Das ist Ihnen aber eigentlich wurscht. Ich sage für alle im Lande: Die Finanzierung des Transrapids ist aus den genannten Gründen für den Freistaat Bayern günstiger. Sie ist günstiger, weil wir die Mittel, die sonst zur Verteilung für die Fläche verfügbar sind, weniger beanspruchen müssen. Deshalb wäre der Transrapid eine vernünftige fi nanzpolitische Lösung, wenn ich die Finanzierung von Investitionen und Defi zit zusammennehme. Wer die Express-S-Bahn will, schadet dem ländlichen Raum mehr als derjenige, der den Transrapid fi nanziert.