Protokoll der Sitzung vom 25.04.2017

Die Betriebe haben Berufsvorbereitung gemacht. Einer der Jugendlichen, ein Afghane, wird eine Woche nach Beginn der Lehre 18 Jahre alt. Da wird dann aber nicht unterschieden, sondern der wird jetzt abge schoben.

Ich frage Sie und bitte um Antwort, ohne dass Sie ir gendeinen Paragrafen totreiten: Bei einer Arbeitslo sigkeit im Landkreis von 2,1 %, bei mittlerweile 140 Ausbildungsplätzen, die verbrieft nicht besetzt sind – welchen Sinn macht es, diesem Betrieb, der den Jugendlichen über eineinhalb Jahre vorbereitet

hat, der genau zu den Betrieben gehört, die der Herr Staatssekretär vorhin gelobt hat, seinen Lehrling nicht zu belassen? Sagen Sie mir bitte, welchen Sinn das macht, ohne dass Sie dafür einen Paragrafen bemü hen müssen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Kollegin Schmidt, es erschreckt mich doch sehr, wenn Sie auf diese Weise mit dem Gesetz umgehen und sagen: bevor Sie einen Paragrafen totreiten. – Recht und Gesetz gelten für alle, und zwar gleichermaßen.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben gerade selber gesagt, dass es sich hier um keine qualifizierte Berufsausbildung gehandelt hat,

(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Doch!)

sondern um eine Berufsvorbereitungsmaßnahme, eine Qualifizierungsmaßnahme. Das haben Sie gera de selber gesagt.

(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Es gab einen Lehrvertrag!)

Ich muss jetzt noch etwas sagen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vollzieht das Asylgesetz entsprechend und entscheidet darüber, ob jemand ein Bleiberecht hat oder nicht.

(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Welchen Sinn?)

Das Recht und das Gesetz gelten für alle.

Ich sage Ihnen noch etwas: Sie versuchen hier etwas zu machen, was ich für äußerst problematisch halte. Sie sagen: Mir würde ein anderes Gesetz besser pas sen – um es einmal so auszudrücken –, und dann he beln wir mal alles aus, damit es für meinen Fall passt. – So funktioniert der Rechtsstaat aber nicht. In einem Rechtsstaat müssen sich alle an die gleichen Bedin gungen halten. Das gilt gleichermaßen für jeden, der unter ein solches Gesetz fällt. Man kann nicht mit sol chen Begründungen kommen und das Gesetz nach Belieben aushebeln wollen. Das halte ich einem Rechtsstaat für nicht dienlich, und das ist von einem Rechtsstaat auch nicht gedeckt.

Frau Kollegin Kamm, bitte.

Ich möchte Ihnen erklä ren, was der bayerische Sonderweg ist, aber lediglich an einem Beispiel, sonst dauert der Abend zu lange. Dieses eine Beispiel ist die Dreimonatsregel. Ich war

bei einem Treffen mit Abgeordneten der anderen Landtagsfraktionen, und als sie von der Dreimonats regelung hörten, haben sie mich einfach nur ange schaut. So etwas gibt es bei ihnen nicht. Die Dreimo natsregel ist eine bayerische Erfindung.

(Zurufe von der CSU: Nein!)

Wenn der Lehrvertrag am 2. September eines Jahres anfängt, dann soll die Ausbildung frühestens im Juni genehmigt werden. Das ist eine bayerische Erfindung, die es woanders nicht gibt. Diese Regelung ist unsin nig und blöd, und sie hat auch nichts mit dem Rechts staat zu tun, sondern sie ist einfach eine restriktive bayerische Besonderheit.

Das Ganze geht sogar noch weiter. Wenn jetzt der junge Mann eigentlich einen Ausbildungsvertrag zum 2. September hat, dieser aber von der Ausländerbe hörde nicht genehmigt wird, eben wegen dieser blö den Dreimonatsregel, dann kommt die Ausländerbe hörde – wahrscheinlich nicht jede, aber zumindest einige; manche sind ja besonders speziell – auch noch her und genehmigt nicht einmal eine berufsvor bereitende Maßnahme, die aber sinnvoll wäre, weil der junge Mann sowieso noch bis zum September warten muss. Aber nein, das darf er nicht; denn er hat ja den Ausbildungsvertrag nicht genehmigt bekom men.

Eine solch restriktive Logik begegnet einem, wenn Flüchtlinge mit Ausländerbehörden kommunizieren. Da kann man sich ganz schön viel Unsinn anhören, berichten die Ehrenamtlichen, die die Flüchtlinge zu den Ausländerbehörden begleiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH LERN)

Frau Kollegin, bitte.

Frau Kollegin Kamm, ich sage Ihnen jetzt mal, was mich schon vorhin bei Ihrer Rede sehr irritiert hat. Sie reden immer von "einigen Ausländerbehörden". Ich fordere Sie auf, benennen Sie doch bitte Ross und Reiter und sagen: "Das war der konkrete Fall, das war die konkrete Ausländerbe hörde", und dann wird das Innenministerium dem kon kreten Fall auch nachgehen. Sie aber bleiben nur im Nebulösen und sagen, da solle es irgendwelche Be hörden geben.

(Christine Kamm (GRÜNE): Ich rede von der Dreimonatsregel!)

Das halte ich nicht für die richtige Art des Umgangs, vor allem dann nicht, wenn man ein Problem lösen

will. Das scheint bei Ihnen aber nicht unbedingt im Vordergrund zu stehen.

Sie erwecken hier den Eindruck, jeder, der hierher kommt, wäre ausbildungsfähig, beherrschte die Spra che und könnte alles gleich supertoll.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Deshalb halten Sie die drei Monate für eine Zumu tung – –

(Christine Kamm (GRÜNE): Eine Zumutung ist das, was Sie reden!)

Einen Moment bitte, Frau Kollegin Guttenberger. Wir warten jetzt erst ein mal, bis sich die Gemüter wieder ein bisschen beru higt haben.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Frau Kollegin Kamm, man kann es aber auch ein bisschen anders zum Ausdruck bringen, wenn man sich ärgert. Ich will mich jetzt nicht weiter darüber aus lassen. – Frau Kollegin Guttenberger, Sie sind wieder dran.

Vielen Dank, Frau Präsi dentin. – Frau Kollegin Kamm, Sie wollen anschei nend gar keine Antwort hören; Sie wollen bloß dazwi schenschreien, wenn ich nur den Mund aufmache.

(Zuruf von der CSU: So ist es!)

Das finde ich schade.

Die Dreimonatsregelung ist eine verbindliche Festset zung. Und noch einmal: Es ist doch nicht so, dass je mand zu uns kommt und ohne Sprachkurs, ohne wei tere Maßnahmen, sofort erfolgreich eine qualifizierte Berufsausbildung aufnehmen könnte.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das sagt doch nie mand!)

Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Man braucht mindestens das Sprachniveau B2, um überhaupt er folgreich einem Berufsschulunterricht folgen zu kön nen.

(Christine Kamm (GRÜNE): Darum geht es doch gar nicht!)

Ich weiß wirklich nicht, warum die Dreimonatsrege lung so "blöd" sein soll. Ich sehe das auch nicht als eine bayerische Erfindung. Sie verwechseln immer

die Ebenen. Ich muss es darum noch einmal sagen: Wer hier eine qualifizierte Berufsausbildung aufnimmt, der kann hierbleiben, der kann die Ausbildung zu Ende führen und erhält danach, zumindest für zwei Jahre, eine Bleibeerlaubnis, die in der Regel dann auch fortgesetzt werden kann. Dann sagen Sie, das Problem sei die Dreimonatsregelung. Das überzeugt mich überhaupt nicht.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt darf ich für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Herrn Kollegen Dr. Fahn das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Prä sidentin, meine Damen und Herren! Frau Guttenber ger, ich lese Ihnen einmal ein paar Schlagzeilen vor, die in den letzten Wochen in der Zeitung gestanden haben.

"Münchner Merkur" vom 2. Februar 2017: "Streit um Jobs für Flüchtlinge –, Nichtstun ist das Schlimmste".

"Süddeutsche Zeitung" vom 5. Februar 2017: "Staats regierung lockert Arbeitsverbote für Flüchtlinge... Nach Kritik rudert die Staatsregierung nun zurück".

Weitere Schlagzeilen vom Februar 2017: "Der Frust auf allen Seiten ist groß", "‘Lotteriespiel‘ zermürbt Be triebe", "Wirtschaft kritisiert Durcheinander bei Be schäftigung von Flüchtlingen".

"Süddeutsche Zeitung" vom 6. April 2017: "Bayerisch es Gericht hebt Arbeitsverbot für Flüchtlinge auf". – Schon das zeigt, dass die gegenwärtige Praxis nicht mehr tauglich ist und verändert werden muss.

Frau Guttenberger, wenn Sie morgen die "Süddeut sche Zeitung" aufschlagen, können Sie dort auf der Titelseite Folgendes lesen: