Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Theoretisch kann man ab einer Beschäftigtenzahl von fünf einen Betriebsrat gründen. Aber weniger als 40 % der Unternehmen haben überhaupt einen Betriebsrat. Deshalb gibt es hier sehr viel Druck. Nach der Bun desratsentschließung sind Betriebsräte jedoch das "Gestaltungsmerkmal der sozialen Marktwirtschaft" und die "gelebte Demokratie in Betrieb und Unterneh men". Gerade bei der Digitalisierung der Wirtschaft werde es zu einem grundlegenden Wandel der Ar beitswelt kommen, der nur durch "faire Partnerschaft auf Augenhöhe…gestaltet werden kann". Daraus er

gibt sich ein Handlungskatalog, der in meinen Augen, in den Augen der Gewerkschaften und des Deutschen Gewerkschaftsbundes dazu führt, dass der Arbeitneh merbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes erweitert wird, und zwar um die prekären Beschäftigungen, die es regelmäßig in den Betrieben gibt.

Die rechtlichen Möglichkeiten einer Anpassung der Mitbestimmung müssen auch auf europäischer Ebene geprüft werden. Gleichzeitig müssen die Umgehungs tatbestände überarbeitet werden. Ich greife nur einen heraus: die SE – Société Européenne, einen klassi schen Umgehungstatbestand, um die Mitbestimmung dann doch nicht greifen zu lassen. Es gibt noch viele Felder, in denen wir tätig werden können. Die Be triebsräte von Audi, BMW, Siemens, MAN, Bosch, ZF, Schaeffler und auch der IGMetallBezirksleiter von Bayern, mein Kollege Jürgen Wechsler, haben einen Brief an Horst Seehofer geschrieben. Die Antwort kenne ich bisher nicht. Ich hoffe, sie kommt noch. Sie verfolgen das Ziel, das Arbeitszeitgesetz nicht in der Art und Weise zu korrigieren, wie das die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft – Vbw – will. Da ist die DEHOGA – der Bayerische Hotel und Gaststätten verband – besonders aktiv, denn sie erweckt den Ein druck, die Arbeitnehmer wollten anders als bisher ar beiten. Quer durchs ganze Land sieht man Plakatwände mit glücklichen Arbeitnehmern, denen es nicht reicht, 10 Stunden zu arbeiten. Die wollen länger arbeiten, mal 12, mal 14 Stunden oder noch länger. Da will man Flexibilität einbauen.

Ich könnte noch viel dazu sagen, das ist eine eigene Thematik. Unsere Bundesarbeitsministerin And rea Nahles hat dazu die richtigen Wege gewiesen: Wer Tarifbindung eingeht und einen Betriebsrat hat, dem kann zugestanden werden, mit den Gewerk schaften und den Arbeitnehmern höhere Flexibilität zu vereinbaren. Das ist der richtige Weg. Das gilt auch für die Überarbeitung in der Vermittlungspraxis. Be triebsräte haben keinen Hebel, wenn ihr Unternehmen nur befristet einstellt. Sie haben auch keinen Hebel, wenn das Unternehmen nur über das Vehikel der Leiharbeit einstellen will. Dort gehört mehr Mitbestim mung hin.

(Beifall bei der SPD)

Die Ausweitung der Arbeitsgesetzgebung für die Zu ständigkeit von Betriebsräten bei prekären Beschäfti gungsverhältnissen, die Betriebsaufspaltung wird gerne genutzt. Der jeweilige Tarifvertrag gilt dann zu mindest für eine begrenzte Zeit fort.

Mitbestimmungsflucht durch Rechtsformwechsel in nerhalb europäischer Rechtsformen: Ab einem Quo rum von 2.000 Beschäftigten gilt die qualifizierte Mit

bestimmung. Wenn ein Unternehmen 1.950 Beschäftigte hat, wird eben umgewandelt, um die Mitbestimmung zu vermeiden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss unterbunden werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes, das Transformationskurzarbeitergeld kommt auch aus dem Hause Nahles. Was meine ich damit? – Aufgrund der Digitalisierungsprozesse brauchen wir deutlich mehr Mitbestimmung und Angebote für Beschäftigte, um sich zu qualifizieren. Das kann das Unternehmen machen. Das muss auch von Arbeitnehmerseite be gleitet werden. Wir brauchen einen Rechtsanspruch für die Beschäftigten – direkt und individuell. Außer dem brauchen wir einen Rechtsanspruch für Betriebs räte auf volles Mitwirkungs und Mitbestimmungs recht. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag. Ich bitte die Staatsregierung, dafür zu sorgen, dass das in Berlin Fahrt aufnimmt.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Roos. – Unser nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Hopp. Bitte schön, Herr Dr. Hopp.

Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kollege Roos, mit Ihrem Antrag ziehen Sie ein Thema hoch, zu dem die Position der Staatsregierung und der CSUFraktion hinreichend bekannt ist. Darüber haben wir bereits diskutiert. Die Staatsregierung hat sich in den Ausschüssen und im Bundesrat schon klar positi oniert. Wir haben das als Fraktion im Sozialausschuss des Bayerischen Landtags noch einmal klargestellt. Gerne wiederholen wir heute unsere Argumente.

Wir sind uns darin einig, dass die gesetzliche Mitbe stimmung der Arbeitnehmer eine der wesentlichen Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft ist. Wir sind uns einig, dass sie auch in Zukunft für die Gestaltung der Arbeitswelt von ganz großer Bedeutung sein wird und sein muss. Wir wissen, dass uns die Digitalisie rung vor neue Herausforderungen stellen wird. Ge meinsam mit der Staatsregierung haben wir uns mit dem Dialogforum "Leben und Arbeiten 4.0" ganz in tensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Vor zwei Wochen haben wir hier im Plenum im Baye rischen Landtag über den Masterplan BAYERN DIGI TAL II diskutiert. Bayern steht an der Spitze Deutsch lands. Bereits jetzt stellen wir in Bayern die Weichen, dass alle Menschen die sich durch die Digitalisierung eröffnenden Chancen nutzen können. Sie können von hochwertigen Arbeitsplätzen profitieren.

Wir haben weder der Entschließung im Bundesrat noch Ihrem Antrag im Sozialausschuss zugestimmt, weil beide nach unserer Überzeugung vorschnell und einseitig sind. Sie zeichnen nicht das ganze Bild. Die Diskussion, ob und welche gesetzlichen Änderungen im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung richtig sind, ist noch nicht abgeschlossen. Wir wissen noch nicht, wie diese Entwicklungen ganz konkret verlaufen werden. Im Hinblick auf die gesetzlichen Änderungen gibt es mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gewerk schaften noch intensive Diskussionen. Die in der Ent schließung geforderten Änderungen, die Sie, Herr Kollege Roos, angesprochen haben, spiegeln einsei tig Gewerkschaftspositionen wider. Für einen einseiti gen Schnellschuss stehen wir als CSUFraktion nicht. Wir sagen – das unterstreiche ich –, dass eine fun dierte Analyse, eine Auseinandersetzung und eine sorgfältige Prüfung Vorrang vor übereilten weiteren Gesetzesänderungen haben müssen.

Das gilt beispielsweise für den Arbeitnehmerbegriff, den Sie angesprochen haben. Die Debatte, ob und in wieweit NichtArbeitnehmer in die betriebliche Mitbe stimmung einzubeziehen sind, steht am Anfang. Das sieht auch Ihr SPDgeführtes Bundesarbeitsministeri um so. Im Weißbuch Arbeiten 4.0, das im November letzten Jahres von Frau Nahles vorgelegt wurde, ist keine Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs vorgese hen. Im BGB ist erst vor drei Monaten erstmals defi niert worden, was unter dem Begriff "Arbeitnehmer" verstanden werden soll. Wir sollten erst Erfahrungen sammeln, bevor wir vorschnell weitere gesetzliche Regelungen fordern.

Genauso vorschnell ist unserer Meinung nach auch die Forderung, die Mitbestimmung auf der Ebene der deutschen Tochtergesellschaften oder das Unterneh mensmitbestimmungsrecht auf europäischer Ebene zu ändern. Sowohl der Entschluss, vom Ausland aus zu agieren, als auch die Wahl der Unternehmens rechtsform liegen bei den Unternehmen selbst. Wir wissen, dass das deutsche Mitbestimmungsrecht mit seinen umfassenden Mitbestimmungsrechten für die Arbeitnehmer bereits jetzt international eine Sonder stellung einnimmt. Wir als Politiker sind gefordert, die Rahmenbedingungen zu erhalten, damit Unterneh men auch in Zukunft in Deutschland investieren kön nen und Arbeitsplätze geschaffen werden. Deshalb reden wir nicht einseitig denen nach dem Mund, die stets Erweiterung von Mitbestimmung fordern, weil es sich gut anhört. Wir müssen und wollen als CSU auch den gesamten Wirtschafts und Arbeitsstandort im Blick haben. Im Übrigen ist über das Europäische Be triebsräteGesetz bereits jetzt sichergestellt, dass Ar beitnehmer grenzüberschreitend unterrichtet und ein gebunden werden müssen. Ich selbst habe das während meiner Tätigkeit bei EADS für den Euro

päischen Betriebsrat mitbekommen und begleitet. So wohl im Betriebsrat vor Ort als auch im Gesamtbet riebsrat habe ich immer selbstbewusste Betriebsräte gesehen und erlebt, die sich konstruktiv für den jewei ligen Standort und für den Erfolg des Unternehmens eingesetzt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das gilt auch für den Mittelstand. Konstruieren Sie doch kein Gegeneinander von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Gerade in mittelständischen Unterneh men gibt es ganz häufig ein Miteinander, weil sich alle den Erfolg des Unternehmens für die eigenen Arbeits plätze wünschen.

(Beifall bei der CSU)

In Bayern haben wir deshalb auch selbstbewusste Betriebsräte, weil sie Einflussmöglichkeiten haben und sich einsetzen können. Wir haben bereits Kon trollmöglichkeiten. Das gilt auch für den Bereich "Ar beiten 4.0", Personalplanung, Berufsbildung und Da tenschutz. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält bereits gute Vorgaben für die Betriebsräte. Inwieweit diese Kompetenzen durch die Digitalisierung verän dert oder sogar erweitert werden müssen, sollten wir nicht mitten in einem Diskussionsprozess einseitig festschreiben. Stattdessen – das wird unser Ansatz sein – sollten wir gemeinsam und im Dialog mit Unter nehmen und Arbeitnehmern Lösungen suchen. Des halb lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kol lege. Herr Kollege Roos hat sich zu einer Zwischen bemerkung gemeldet. Bitte schön.

(Vom Redner nicht autori siert) Lieber Herr Kollege Hopp, du hast gesagt, dass du Erfahrung mit diesem Thema hast. Deshalb müss test du wissen, dass wir sehr engagierte Betriebsräte haben.

Das habe ich doch gesagt.

(Vom Redner nicht autori siert) Es gibt jedoch Stellen, wo man gegen eine Wand läuft. Dort benötigen die Betriebsräte mehr rechtliche Mittel. Das ist die eine Bemerkung.

Die andere Bemerkung kleide ich in die Form einer Frage. Bist du nicht auch der Auffassung, dass sich Unternehmen, die mit starken Betriebsräten versehen sind, durch besondere Stärke im Wettbewerb auf dem Markt auszeichnen? Führt nicht die betriebliche Mitbe stimmung dazu, dass Unternehmen stabiler sind als andere? Dazu vergleiche ich den Wirtschaftsstandort Bayern und den Wirtschaftsstandort Deutschland mit

anderen Wirtschaftsstandorten. Wir stehen deshalb so gut da – Frage und Feststellung in einem –, weil wir das Instrument der Mitbestimmung haben. Das wäre ein wunderbares Exportmodell für Europa und den ganzen Globus.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Roos, gerne gehe ich auf Ihre Suggestivfrage ein. Ich unterstreiche noch einmal, was ich gesagt habe: Wir haben bereits sehr gute und ausreichende Instrumen te, um Betriebsräten Möglichkeiten an die Hand zu geben. Bayern steht deshalb gut da, weil wir in der Vergangenheit nicht den Fehler gemacht haben – das machen Sie immer wieder –, den Wohlstand zu vertei len und zu vergessen, woher der Wohlstand eigentlich kommt. Wir wollen den Ausgleich zwischen der Wirt schaft, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch in der Zukunft. Wir wollen für die Zukunft keine Schnellschüsse, die Sie immer wieder fordern. Des wegen haben wir mit unserer Wirtschaft in Bayern ein Erfolgsmodell. Wir haben eine soziale Gerechtigkeit, die sich andere Länder, auch andere Bundesländer, wünschen würden. Deshalb sollten wir uns genau überlegen, in welchen Bereichen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen schnell anpassen sollen. Des wegen werden wir die Diskussion mit dem Vorstoß, den Sie gemacht haben, nicht schnell beenden, son dern gemeinsam mit der Wirtschaft für die Zukunft nach Lösungen suchen, damit Bayern auch in Zukunft so stark dasteht, wie es jetzt der Fall ist. Natürlich werden wir auch gemeinsam mit konstruktiven und engagierten Betriebsräten nach Lösungen suchen. Das steht außer Frage.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Für die FREIEN WÄHLER hat jetzt Frau Kollegin Schmidt das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann weder dem einen noch dem anderen Redner zustimmen. Herr Kollege Hopp, den Wohlstand hat Bayern durch seine Arbeitnehmer und die Menschen, die vor Ort arbeiten, geschaffen. Jeder Arbeitnehmer hat Schutz und eine betriebliche Mitbestimmung verdient. Lieber Bernhard, wir möchten keinem der Tarifpartner die Autonomie wegnehmen. Das, was bei den Verhandlungen der Verbände herauskommt, bestimmen die immer noch selber. Wir stehen voll und ganz hinter der Tarifauto nomie.

Wir sprechen hier von einer Entschließung. Ich bin erst seit Beginn dieser Legislaturperiode in diesem Bayerischen Landtag. Eine Entschließung ist für mich

eine Aufforderung, auf Bundesebene tätig zu werden und gewisse Handlungshinweise zu geben. Diese Handlungshinweise kann jeder mitgestalten, der die Entschließung unterzeichnet. Ich habe den Antrag nach Ihren beiden Reden noch einmal nachgelesen. Die Entschließung ist keine verpflichtende Handlungs anweisung. Sie bietet noch die Möglichkeit der Ge staltung. Deshalb halten wir FREIE WÄHLER es für wichtig, für diesen Antrag zu stimmen; denn die Ent schließung stellt sehr wohl eine Handlungsaufforde rung dar. Sie fordert zu einer Veränderung des Ar beitsmarktes auf. Sie fordert dazu auf, darüber nachzudenken, wie Menschen in unterschiedlichen Anstellungsformen im Betrieb vertreten werden. Sie haben eine Vertretung verdient und müssen vertreten werden. Deshalb ist diese Entschließung wichtig. Wir bitten auch jeden, sich einzubringen. Ich habe einmal das Europäische Patentamt genannt, wo nicht jeder Mitarbeiter vertreten ist, wo bestimmte Mitarbeiter nicht mitbestimmen können und kein Gehör finden.

Zur CSU. Wo sind denn die drei Minijobber vertreten, von denen neulich Ihr Kollege gesprochen hat? Des halb müssen wir tätig werden. Diese Entschließung ist eine Aufforderung an uns alle, uns einzubringen, so wohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitge ber. Ich bitte auch die CSU, bei einer Entschließung über ihren Schatten zu springen. Ich habe genauso die Ausführungen der CSA gelesen, deren Vorsitzen der Herr Unterländer ist. Sie hat im Mai ihr 70jähriges Jubiläum gefeiert. Sie macht sich sehr große Gedan ken über die Mitbestimmung und die Zukunftsgestal tung. Herr Unterländer, ich habe noch nicht alles gele sen, es sind mehrere Seiten, aber die ersten zwei Seiten habe ich schon gelesen. Daher müssten Sie, Herr Unterländer, eigentlich auch zustimmen. Es ist doch Ihr Weg; bei Gestaltungen dabei zu sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Celina, bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD fordert von der Staatregierung nicht mehr, als sich auf Bundesebene für eine Umsetzung der Bundesratsentschließung vom Februar 2017 "Mit bestimmung zukunftsfest gestalten" einzusetzen. Ist denn das zu viel verlangt? – Nein, es ist nicht zu viel verlangt. Wenn sich die Arbeitswelt verändert, müs sen sich auch die Mitbestimmungsregeln verändern. In der Bundesratsentschließung werden der Erhalt und der Ausbau der gesetzlichen Mitbestimmung ge fordert. Bayern hat im Bundesrat gegen diese Ent schließung gestimmt und dies damit begründet – Herr

Kollege, Sie haben es gesagt –, vorschnelle Geset zesänderungen seien nicht sinnvoll.

Sehr geehrte Kollegen von der CSU, bei dieser Ent schließung ging es sicher nicht um eine vorschnelle Gesetzesänderung. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich rasant. Die Mitbestimmung, die Zahl der Betriebsräte, entwickelt sich rasant schnell nach unten. Die SPD hat völlig recht, wenn sie sagt, dass wir darauf reagie ren müssen. Sie sehen gar keinen Handlungsbedarf, Sie sind leider sehr, sehr langsam.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Hintergrund der Bundesratsentschließung ist ein starker Rückgang der Zahl der gewählten Betriebsrä te. In Deutschland haben weniger als 40 % der Betrie be einen Betriebsrat. Die Zahl der Personen in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis steigt dagegen stark. Dadurch wird die einheitliche Vertretung aller Beschäftigten eines Betriebs deutlich erschwert. Ar beitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer feh lenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und wegen der im Wesentlichen freien Zeitbestim mung nicht in gleichem Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer, aber sie sind von ihrem Arbeitge ber wirtschaftlich abhängig und verdienen es deshalb genauso wie Arbeitnehmer, geschützt zu werden.

Die vorgenannten Merkmale treffen hauptsächlich auf Heimarbeiter oder auf Handelsvertreter zu. Wer in einem Dienst oder Werkvertrag oder einem ähnlichen Rechtsverhältnis in wirtschaftlicher Abhängigkeit steht und seine Arbeit im Wesentlichen ohne Mitarbeit von anderen Arbeitnehmern erbringt, ist somit einem Ar beitgeber und sozial Schutzbedürftigen vergleichbar. Auch Berufe wie Künstler, Schriftsteller, Mitarbeiter bei Radio und Fernsehen gehören genauso dazu wie EinFirmenVertreter mit geringem Einkommen. Alle diese Arbeitsverhältnisse entwickeln sich rasant nach oben. Erzählen Sie mir doch nicht, dass bei diesen Arbeitsverhältnissen alles in Ordnung ist. Es sind keine Ausnahmen mehr. Die Zahl dieser Arbeitneh mer steigt, und die müssen in die betriebliche Mitbe stimmung mit einbezogen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich müssen wir in diesem Zusammenhang über Mitbestimmung reden. Genau diesen Gesprächen verweigern Sie sich mit Ihrer Ablehnung der Bundes ratsentschließung und dieses Antrags.

Der Bundesrat fordert deshalb zu Recht eine Anpas sung des Arbeitnehmerbegriffs nach dem Betriebsver fassungsgesetz, um eine gemeinsame Vertretung aller gewerblich Beschäftigten zu gewährleisten. Außerdem soll die Bundesregierung nur prüfen, wie

die Möglichkeiten der Mitbestimmung bei deutschen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen gestärkt werden können. Multinationale Konzerne tref fen inzwischen verstärkt im Ausland strategische Ent scheidungen, die sich auf die Beschäftigten in Deutschland auswirken. Da ist ein solcher Prüfantrag auf jeden Fall sinnvoll.

Zudem sollen Lücken im deutschen und im euro päischen Mitbestimmungsrecht geschlossen werden, damit junge Kapitalgesellschaften sich nicht ganz der Mitbestimmung entziehen können und so das Modell der Sozialpartnerschaft infrage stellen. Ich dachte, dass auch Sie für diese Sozialpartnerschaft stehen. Da habe ich mich aber, glaube ich, getäuscht.

Der Bundesrat beobachtet diese Entwicklung mit gro ßer Sorge, aber die CSU teilt diese Sorge anschei nend nicht. Die Bundesregierung sollte sich nach dem Beschluss des Bundesrates insgesamt für den Erhalt und den Ausbau der Mitbestimmung einsetzen. Es ist traurig, dass die CSU den gesellschaftlichen Konsens für eine faire Sozialpartnerschaft nicht mitträgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)