Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist wirtschaftlich sehr stark. Das ist ein Verdienst der klassischen DAX-Unternehmen, vor allen Dingen aber ein Verdienst der vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Bayern. Sie bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft, besonders im ländlichen Raum.
Wir sind uns sicherlich alle darin einig, dass es die kleinen und mittleren Unternehmen angesichts unnötig komplizierter rechtlicher Rahmenbedingungen und überzogener Aufzeichnungspflichten teilweise schwer haben. Diese kosten Geld und Zeit und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit.
Die SPD handelt durchaus konkret. Das Bundeswirtschaftsministerium, das SPD-geführt ist, hatte im August 2016 das Zweite Bürokratieentlastungsgesetz initiiert; es ist mittlerweile verabschiedet worden. Dieses Gesetz entlastet die Betriebe in Deutschland um viele Hundert Millionen Euro. Im Gegensatz zu dem Antrag der CSU werden darin ganz konkrete Forderungen aufgegriffen, zum Beispiel nach der Erhöhung der Schwellenwerte für Kleinstbetragsrechnungen, nach dem Wegfall der steuerlichen Aufbewahrungspflicht von Lieferscheinen, nach der Erhöhung des Schwellenwertes für das vierteljährliche Lohnsteueranmeldeverfahren und nach vielem mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das sind wichtige Bausteine. Aber wir sind uns einig: Wir brauchen mehr. Wir brauchen vor allen Dingen eine permanente Überprüfung aller Rechtstexte auf Mittelstandstauglichkeit. All das sind Aufgaben für die Bundesebene, genauso wie die Dringlichkeitsanträge, auf die ich gleich zu sprechen komme.
Ich möchte zunächst etwas anderes festhalten: Nirgendwo wiehert der Bürokratieschimmel so laut wie in Bayern. Alle bisher unternommenen Maßnahmen der Staatsregierung hatten reine Alibifunktion. Wir haben einen Bürokratieabbaubeauftragten, der vor allen Dingen die schlechte Lage referiert. Wir haben eine Paragrafenbremse, die sich komplett zum Rohrkrepierer entwickelt hat.
Lassen Sie mich dazu die Zahlen, die die Staatsregierung selbst geliefert hat, vorlesen: Im Jahr 2016 hat die Staatsregierung 16 Gesetze geändert oder neu aufgelegt, nur vier aufgehoben. Es wurden 57 neue Verordnungen erlassen, nur 17 aufgehoben. Es wurden 123 neue Richtlinien und Vollzugshinweise geschaffen, nur vier aufgegeben. Das ist Ergebnis eines Gesetzes, das vorschreibt, für jeden neuen Paragrafen müsse ein alter wegfallen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie doch erst einmal das um, was Sie schon längst beschlossen haben.
Selbst die CSU-Fraktion hier im Hause scheint von der Durchschlagskraft der Arbeit der Staatsregierung nicht wirklich überzeugt zu sein. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die CSU in ihrem Dringlichkeitsantrag sechs Punkte aus dem Kabinettsbeschluss vom 19. September 2017 praktisch wörtlich aufgreift und damit die Staatsregierung jetzt auffordert, doch bitte das, was sie als Staatsregierung selbst beschlossen hat, endlich auch zu tun. Das muss man sich einmal vorstellen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dies wird kein Dauerzustand; denn das ist wirklich Bürokratie pur.
Ich bleibe beim CSU-Antrag. Er enthält in aller Allgemeinheit notwendige und wichtige Schritte zum Bürokratieabbau, die wir auch, bis auf einen, mittragen. Bei dem Spiegelstrich, der den Mindestlohn betrifft, segelt die CSU nämlich sozusagen unter falscher Flagge. Die ehemalige Arbeitsministerin Andrea Nahles hat zum Thema Aufzeichnungspflicht beim Mindestlohn einmal sehr treffend formuliert: Es reicht, wenn der Arbeitnehmer seine Stunden auf ein Butterbrotpapier schreibt und diese Zettel in einen Ordner packt. Das Problem beim Mindestlohn besteht nicht darin, dass die Stunden aufgeschrieben werden müssen. Das Problem besteht darin, dass durch die Aufzeichnung dieser Stunden deutlich geworden ist, dass in vielen Betrieben die täglich zulässige Höchstarbeitszeit häufig überschritten wurde. Das wird nicht mehr möglich sein, wenn die Stunden aufgeschrieben werden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CSU will den Arbeitnehmerschutz einschränken. Sie sollte dies aber auch so sagen. Es kann nicht sein, dass Kontrollen abgeschafft werden, damit Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz gedeckt werden.
Die FREIEN WÄHLER sind mit ihrem Antrag etwas ehrlicher. Sie fordern, wie die Vbw, die Umstellung auf eine Höchstgrenze bei der Wochenarbeitszeit. Die SPD-Fraktion hält von diesem Vorschlag in seiner Absolutheit nicht viel; denn hier geht es um den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, aber auch um den Schutz der Bevölkerung, gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen. Ich möchte das einmal an einem banalen Beispiel plastisch machen: Mit einem Ober, der nach 14 Stunden Dauerarbeit einem Gast völlig übermüdet heiße Suppe in den Ausschnitt kippt, ist niemandem gedient.
Wir verschließen uns sicherlich nicht der Forderung nach einer Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes. Dieses Gesetz muss an die neuen Realitäten von Arbeit 4.0 angepasst werden. Die Anpassung an die Realität bedeutet aber nicht die Verschlechterung des Schutzes. Es gibt bereits gute Vorschläge, zum Beispiel den Vorschlag von Frau Nahles, der die Einführung einer Experimentierklausel für die Tarifverträge vorsieht. Ein weiterer Vorschlag stammt vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – IAB –, das sich für einen Pakt für Arbeitsbedingungen und Flexibilität ausspricht.
Das Arbeitszeitgesetz und dessen Anpassung an die Realitäten sind viel zu wichtig und zu komplex, um in einem Halbsatz eines Dringlichkeitsantrags hier im Bayerischen Landtag abgehandelt zu werden. Ich bitte deshalb um Unterstützung für unseren Antrag. Die beiden anderen Dringlichkeitsanträge werden wir ablehnen.
Danke schön, Frau Kollegin Karl. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Häusler für die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Bitte schön.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion ist der Mehrheitsfraktion der CSU für diesen eingereichten Dringlichkeitsantrag sehr dankbar. Warum? – Die CSU hält sich mittels dieses Antrags selbst den Spiegel vor.
Sie fordern im Landtag Verbesserungen ein, deren Notwendigkeit durch Ihre Regierungsbeteiligung in Berlin verursacht wird. Die CSU will etwas korrigieren, was sie uns selbst eingebrockt hat.
Dies gilt im Wesentlichen auch für den Dringlichkeitsantrag der SPD. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Dringlichkeitsantrag ist in vielen Punkten deckungsgleich mit dem Dringlichkeitsantrag der CSU. Die SPD lobt sich dafür, die Spitzen eines Zauns entschärfen zu wollen, obwohl sie selbst vorher unüberwindbare Hürden aufgebaut hat. Das ist nicht ehrlich, deshalb diese kritische Anmerkung.
Damit komme ich wieder zum Dringlichkeitsantrag der CSU zurück. Die CSU drückt mittels dieses Dringlichkeitsantrags ihre Skepsis gegenüber der eigenen Staatsregierung aus. Sie tut dies sowohl im Antrag selbst als auch in der Begründung des Antrags. Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich weiterhin für Bürokratieabbau einzusetzen. Die Deregulierung soll weiterhin Kernanliegen der Bayerischen Staatsregierung bleiben. Diese Formulierungen lassen den Umkehrschluss zu, die Staatsregierung spräche einer weiteren Verbürokratisierung das Wort. Das hat sich aus dem 100-Tage-Bericht, der vorhin angesprochen worden ist, ableiten lassen. Frau Kollegin Karl hat dies mit Zahlen belegt.
Möglicherweise ist dieser Antrag auf die überschaubaren Erfolge der großen Entbürokratisierer zurückzuführen. Das gilt im Besonderen für den großen europäischen Deregulierer Edmund Stoiber, der wenigstens für sich in Anspruch nehmen konnte, in Brüssel über einen großen Stab zu verfügen. Auch der Beauftragte der Staatsregierung, Herr Kollege Walter Nussel, konnte bisher keine durchschlagenden Erfolgsmeldungen verbuchen. Das hat er im Grunde gerade selbst bestätigt.
Der Dringlichkeitsantrag der CSU hat die Nachreichung der beiden anderen Dringlichkeitsanträge ausgelöst. Alle dort aufgeführten Punkte sind Teil der 9Punkte-Agenda für eine Reduzierung der Bürokratie im Handwerk. Diese Punkte hat die Staatsregierung bereits am 19. September beschlossen. Entweder wurde dieser Antrag gestellt, weil die CSU-Fraktion ihrer eigenen Staatsregierung misstraut, oder hier handelt es sich um einen lupenreinen Schaufensterantrag.
Lieber Herr Kollege Fackler, es ist schade, dass ich Ihnen das so deutlich sagen muss. Ich würde Ihnen
empfehlen, sich diesen Antrag durchzulesen. Die Deminimis-Regelung und die Gruppenfreistellungsverordnung beziehen sich beide auf das EU-Recht, auf EU-Verordnungen und auf das europäische Kartellrecht. Der Dringlichkeitsantrag der CSU hat aber keinen Bezug zur EU. Deshalb gibt es den Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER.
Wir haben dankenswerterweise einen eigenen Dringlichkeitsantrag nachgereicht, der die formalen Voraussetzungen erfüllt. Lieber Kollege Fackler, daran sieht man, wie wichtig die FREIEN WÄHLER sind. Wir haben die europäische Ebene explizit angesprochen. Um eine ganzheitliche Beschlussfassung zur Unterstützung unseres Handwerks und unseres Mittelstands zu ermöglichen, haben wir noch drei Spiegelstriche hinzugefügt, um wesentlichen Hindernissen und Vorverurteilungen entgegenzuwirken.
Seit 2006 gibt es die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Diese Regelung wurde 2006 aus der Not heraus geschaffen. Durch diese Vorfälligkeit bekommen kleine Unternehmen Liquiditätsprobleme. Außerdem entsteht dadurch ein unglaublich hoher Verwaltungsaufwand. Sollte die Vorschätzung nicht mit der tatsächlichen Abrechnung identisch sein, müssen Löhne doppelt berechnet werden. Das ist ein Bürokratie-Moloch, der auf breiter Ebene abgeschafft werden sollte.
Wir wollen außerdem eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Liebe Frau Kollegin Karl, in diesem Punkt sind wir uns nicht ganz einig. Wir wollen keine Ausweitung der Arbeitszeit, sondern nur eine praxisgerechte Handhabung. Diese würde insbesondere der Gastronomie und den dort Beschäftigten zugutekommen. Ich kenne viele Bedienungen, die gerne arbeiten wollen, dies aber nicht dürfen. Diese Leute wollen sich das nötige Geld hinzuverdienen, das sie benötigen, weil sie die Mieten von ihrem eigenen Arbeitslohn nicht bezahlen können.
Unsere dritte Forderung zielt auf die Überprüfung der Wirtschaftsbereiche im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einstufung der auffälligen Branchen nach § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes soll nach unseren Vorstellungen regelmäßig überprüft und, sofern erforderlich, korrigiert werden. Es darf doch nicht sein, dass ganze Gewerbe grundlos und per se diskriminiert werden. Ich nenne das Schaustellergewerbe, bei dem es diese Verstöße nicht mehr gibt, das aber trotzdem noch in dieser Aufstellung enthalten ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns im Grunde weitgehend darüber einig, dass unsere Hand
werkerschaft und unsere mittelständischen Unternehmen das Rückgrat unserer Volkswirtschaft bilden. Rund 80 % der gewerblichen Ausbildungsplätze werden dort geschaffen. Wir haben heute die Chance, diesen Unternehmen zu helfen, wenn wir alle dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER zustimmen. Dieser Antrag geht am weitesten, sieht auch formal die Dinge im richtigen Lot und kommt auch den kleinen und mittleren Unternehmen insbesondere in Bayern zugute. Ich bitte um Unterstützung dieses Antrags.
Vielen Dank, Herr Kollege Häusler. – Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Mütze für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nussel hat nicht zu seinem Antrag geredet, sondern hier seinen 100Tage-Bericht nochmals dargelegt und seine Wünsche geäußert. Herr Kollege Nussel, Sie haben vollkommen recht: Sie haben uns angeschrieben und zur unterfränkischen Konferenz eingeladen. Ich musste Ihnen leider absagen, hoffe aber, Sie nehmen es nicht persönlich. Ich hatte andere wichtige Termine. Das heißt nicht, dass ich Ihre Arbeit nicht achte.
Lieber Herr Kollege Nussel, ich spare mir heute alle bereits oft genug gehörten Gemeinplätze, etwa den, der Mittelstand sei das Rückgrat der Wirtschaft und sehr wichtig. Das ist alles unbestritten. Das kennen und wissen wir alles. Wir GRÜNE müssen seit Jahren, nahezu seit Jahrzehnten solche Anträge der CSU lesen, zum Beispiel den vorliegenden Dringlichkeitsantrag. Wir fragen uns, was Sie in den letzten zwölf Jahren auf Bundes- und Europaebene – da waren Sie nicht unmaßgeblich beteiligt – für die Durchführung von Anliegen getan haben, die Sie uns heute zum wiederholten Male auf den Tisch legen.
Ich will nicht darauf eingehen, ob die einzelnen Maßnahmen sinnvoll sind oder nicht oder zum Beispiel beim Mindestlohn nur dazu dienen, die Überprüfungen einzuschränken und den Mindestlohn auszuhöhlen. Dieser Eindruck wird uns oft vermittelt.
Lieber Walter Nussel, was hat Herr Stoiber getan? Herr Stoiber ist schon länger als Sie Entbürokratisierer. Es war immer sehr wichtig, dass Herr Stoiber diesen Job übernimmt und auf EU-Ebene für Entbürokratisierung sorgt. Doch davon hören wir nichts mehr. Anscheinend hat Herr Stoiber zur Entbürokratisierung wenig beigetragen.
In diesem Haus trägt vor allem die Mehrheitsfraktion selber dazu bei, dass es mit der Entbürokratisierung nicht so weit her ist. Ich möchte an die gestrige Debatte im Haushaltsausschuss erinnern, nachdem alle – auch die CSU – die Erbschaftsteuerreform diskutiert und das neue Gesetz beschlossen haben. Aber dann kommt das Gesetz nach Bayern, und dann sagt die CSU: Die 15 anderen Bundesländer können machen, was sie wollen; wir machen es anders. Das bedeutet nichts anderes als eine Bürokratisierung des Prozesses; denn jetzt müssen die Steuerberater prüfen, um welches Land es sich handelt. In diesem Fall sorgen Sie selber für Bürokratisierung. Ihr solltet in Bezug auf die Entbürokratisierung euer eigenes Handeln überprüfen und erst dann solche Anträge schreiben. – Vielen Dank.
Kommen wir auf die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen – KMU – in Bayern zu sprechen. Die Staatsregierung und die ausführenden Organe – so will ich sie einmal nennen – hintertreiben immer noch die 3-plus-2-Regelung. 5.000 willige Flüchtlinge – das ist angesichts der Anzahl der gesamten Flüchtlinge keine große Zahl – hätten einen Ausbildungsplatz, aber nur 2.000 Flüchtlinge dürfen ihre Ausbildung antreten. Diese Flüchtlinge hätten bei kleinen und mittleren Unternehmen einen Job und könnten zum Ausgleich des Fachkräftemangels beitragen. Aber die Staatsregierung verbietet diesen willigen Flüchtlingen, einen Ausbildungsplatz anzunehmen und zu arbeiten. Setzen Sie sich damit auseinander und unterstützen Sie somit kleine und mittlere Unternehmen.