Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

Und das geht noch weiter. Wer pauschal Rentnerinnen und Rentner gegen Zuwanderer ausspielt, indem er ständig Kostenvergleiche anstellt, die völlig an den Haaren herbeigezogen sind, hat auch die Glaubwürdigkeit verloren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen werden wir diesen Artikel und dieses ganze Gesetz selbstverständlich ablehnen.

Ich möchte zu der Formulierung, Sie verlangen unabdingbare Achtung vor der Leitkultur, etwas sagen. Was das bedeuten soll, hätte ich gerne einmal erklärt bekommen. Sie verlangen unabdingbare Achtung vor der Leitkultur. Sie waren noch nicht einmal in der Lage – weder Sie auf den Abgeordnetenbänken noch Sie auf der Regierungsbank –, die Leitkultur zu erklären, schreiben aber in ein Gesetz hinein, dass Sie von allen Zuwanderern die unabdingbare Achtung verlangen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Unabdingbaren Gehorsam!)

Wie wollen Sie das denn kontrollieren? Dazu fehlt mir völlig die Information. Frau Staatsministerin, vielleicht erbarmen Sie sich einmal und kommen hierher an dieses Mikrofon und erklären uns, wie Sie das kontrollieren wollen. Vielleicht kann es auch der Herr Innenminister erklären.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Wie oft sollen wir das noch erklären?)

Wollen Sie eine Leitkulturpolizei einführen, oder wie wollen Sie das machen? Dieses Gesetz ist ein Beispiel dafür, dass Sie die Integration nicht ernst nehmen. Sie wollen mit diesem Gesetz eine Firewall gegenüber Zuwanderern errichten. Darauf ist dieses Gesetz ausgerichtet, auf nichts anderes. Der Beweis dafür, dass Sie die Integrationsziele, die Sie in diesem Artikel anführen, nicht ernst nehmen, ist das Eingangsstatement Ihres Fraktionsvorsitzenden. Es ist mir wirklich wichtig, das hier noch einmal zu erwähnen.

Lieber Herr Kreuzer, das, was Sie hier abgeliefert haben, hat nichts mit Integration und Menschenachtung zu tun, aber auch gar nichts. Es ist nur das Predigen von Zwietracht und sonst nichts.

(Beifall bei der SPD)

Sie predigen Zwietracht, und das Schlimme dabei ist, dass Sie in der Gesellschaft Zwietracht predigen und sich ganz eindeutig gegen Zuwanderung positionieren. Sie positionieren sich gegen die Schwächsten in der Gesellschaft.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Damit ignorieren Sie das christliche Weltbild, das Sie selber umsetzen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Pfaffmann. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Vorweg ist auch hier über die einschlägigen Änderungsanträge der Fraktionen abzustimmen. Es ist dies die Nummer 2 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13211 und der Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/13417.

Mit der Nummer 2 des Antrags der SPD soll Artikel 1 neu gefasst werden. Inhaltlich verweise ich auf die Drucksache 17/13211. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum der Nummer 2 des SPD-Änderungsantrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen, bitte. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Nummer 2 des Änderungsantrags der SPD abgelehnt.

Mit dem Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN soll in Artikel 1 Satz 2 das Wort "Leitkultur" durch die Wörter "Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes" ersetzt werden. Der federführende Ausschuss empfiehlt auch hier die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FREIE WÄHLER. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Enthaltungen? – Die SPD-Fraktion. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Zum Artikel 1 des Gesetzentwurfs der Staatsregierung empfiehlt der federführende Ausschuss Zustimmung mit der Maßgabe, dass in Artikel 1 Satz 2 das Wort "Gastrechts" durch die Wörter "Gast- und Aufenthaltsstatus" ersetzt und in Satz 3 nach dem Wort "Landes" die Wörter "und seiner kommunalen Ebenen" eingefügt werden. Ich verweise auf die Nummer 2 der Beschlussempfehlung. Wer dem Artikel 1 mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion.

(Christine Kamm (GRÜNE): Was ist denn der Gaststatus? Beschreiben Sie das erst einmal!)

Frau Kollegin Kamm, wir sind in der Abstimmung. – Also Zustimmung bei der CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – SPD, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf:

Artikel 2 "Begriffsbestimmungen"

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Nummer 3 (Drs. 17/13211)

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 24 Minuten. Die Verteilung ist bekannt. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Dr. Reichhart. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Artikel über die Begriffsbestimmungen ist in diesem Gesetz sicher nicht der bedeutendste Artikel. Lassen Sie mich trotzdem mit ein paar Worten darauf eingehen. Wir haben mit den Begriffsbestimmungen eine Systematik gewählt, wie sie in der aktuellen Gesetzgebungstechnik und in der aktuellen Gesetzgebungspraxis üblich ist. Wir stellen dem Gesetz voran, welche Begriffe wie definiert werden, sodass beim späteren Lesen des Ge

setzes klar und verständlich ist, wie man etwas auslegen soll, für wen welche Artikel gelten sollen. Insoweit, Herr Kollege Pfaffmann, haben wir auch im Sozialausschuss sehr, sehr lange über die Begriffsbestimmungen gesprochen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Aber nicht Sie!)

Wir haben sehr, sehr intensiv darüber gesprochen. Ich habe im Innenausschuss dazu gesprochen; da waren Sie leider nicht da. Es hätte Ihnen gut getan, wenn Sie dort gewesen wären. Es war leider nicht so.

Wir haben auch eine sehr deutliche Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung durch Herrn Gruber bekommen, der sehr, sehr deutlich machte, welcher Begriff wie zu interpretieren ist, und wer die Begründung des Gesetzestextes liest, für den bleiben keine Fragen offen.

Lassen Sie mich kurz noch darauf eingehen, dass in Artikel 2 bewusst nicht darauf eingegangen wird, den Anwendungsbereich des Gesetzes darzulegen. Wir legen ganz bewusst den Schwerpunkt auf die Frage, wer wie behandelt werden soll. Wenn dann der Begriff "Migrant" bzw. "Ausländer" später im Gesetz fällt, ist das ein sehr guter und intelligenter Weg.

Und noch kurz ein anderer Punkt: Wenn wir den Begriff "Migranten" bringen, dann meinen wir jeden Ausländer, der rechtmäßig und dauerhaft in Bayern lebt. Wir zeigen damit die Thematik auf, die sehr vielfältig ist. Und wir gehen auch auf die aktuelle Situation ein. Wir gehen darauf ein, dass das Bundesamt für Migration leider immer noch nicht in der Lage ist, die Verfahren in der Geschwindigkeit zu Ende zu bringen, wie wir uns das vorstellen. Deswegen haben wir auch noch den Satz 2 hinzugefügt. Wir wollen einfach, dass für die Personen, die eine gute Bleibeperspektive haben, eine Gleichstellung mit den rechtmäßig und dauerhaft in Bayern lebenden Personen erfolgt.

Zur Klarstellung noch einmal: Es ist ein Gesetz, das vielen Personen, die sich im Asylverfahren befinden und auf ihre Anhörung und auf die Entscheidung durch das Bundesamt warten, Klarheit gibt. Insoweit haben wir eine zukunftsgerichtete Lösung, von der wir hoffen, dass Satz 2 bald wieder Vergangenheit sein wird, wenn das Bundesamt für Migration seinen Ankündigungen nachkommt und eventuell das Verfahren in zwei bis drei Monaten entscheiden kann.

Ich glaube, insoweit brauche ich nicht weiter auf die Systematik einzugehen. Nach den Begriffsbestimmungen ist deutlich ersichtlich, dass manche Bestimmungen für alle Personen gelten, seien es Deutsche oder Ausländer oder seien sie sonst irgendwie geduldet.

Wir haben eine große Gruppe die dem Fördern und Fordern unterliegt und eine andere Gruppe, die nur dem Fordern unterliegt. Insofern ist das eine ganz deutliche, verfassungsrechtlich gebotene Lage; denn Gleiches ist gleich zu behandeln und Ungleiches ist ungleich zu behandeln. Dem kommt dieser Gesetzentwurf sehr gut nach.

Damit haben wir eine Systematik gefunden, die auf Bundesebene vollkommen akzeptiert ist und die verfassungsrechtlich geboten ist. Sie schafft sehr viele gute Angebote und beste Chancen für alle und hält das Prinzip Fördern und Fordern insoweit hoch.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu Artikel 2 im Entwurf der Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Jetzt erteile ich Kollegin Kamm für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Thomas Kreuzer (CSU): Noch mehr Sachverstand! Immer die Gleichen!)

Schön, Herr Kollege, dass Sie sich um alles kümmern. Aber Sie sollten sich lieber um Ihr Integrationsgesetz kümmern; denn da liegt einiges im Argen.

Bei den Begriffsbestimmungen werden sehr umfänglich alle Gruppen von Einwanderern aufgezählt. Unklar bleibt jedoch, welcher Artikel dieses Gesetzes für welche Zielgruppe gelten soll.

Unklar bleibt auch, wer als integrationsbedürftig gelten soll.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Zumindest entbehrt die Beschreibung, wer als integrationsbedürftig definiert ist, einer sinnvollen inhaltlichen Begründung. Damit erscheint mir das Ganze als sehr unausgegoren.

Nach Ihrem Gesetzentwurf fallen darunter auch Deutsche, wenn sie Spätaussiedler sind, und Personen, die die deutsche Sprache nicht auf dem Niveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens beherrschen, nicht aber EU-Bürger, egal, welches Sprachniveau sie aufweisen. Das halten wir für unsinnig.

Wir plädieren für eine klare Definition der Zielgruppen in diesem Gesetz und zwar nach einem Integrations

verständnis, das die Integrationsansprüche klar definiert und regelt.

Als mehr als ungut empfinden wir, dass Sie hier Gruppen aufzählen wie beispielsweise Menschen, die schon lange hier leben, möglicherweise schon seit 1960, oder die hier geboren sind, die aber beispielsweise einen Eltern- oder Großelternteil haben, der nach 1955 zugewandert ist.