Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

entzieht sich der staatlichen Regelung. – Wenn also wer auch immer wie auch immer und warum auch immer erkennt, dass das Niveau, das nicht näher definiert werden kann, nicht erreicht wird, können Kosten für Kurse in Rechnung gestellt werden. Wie das mit Leben gefüllt werden soll, können jetzt die Behörden, die Kommunen und die Gerichte in Einzelfällen feststellen, weil sie ja sonst nichts zu tun haben.

Sie haben auch bei der großen Anhörung, die wir durchgeführt haben, mitbekommen, dass alle kommunalen Spitzenverbände – Städtetag, Landkreistag, Bezirketag – alle ihre Bedenken dahingehend formuliert haben, was aufgrund der unklaren Formulierung erstens an unklaren Aufgaben und zweitens an Rechtsstreitigkeiten auf sie zukommen könnte. Das ist unverantwortlich. In der ersten Runde, als Sie noch mitdiskutiert haben, hat der Kollege Huber ausdrücklich erwähnt, dass die Integration und der Erwerb der Sprache gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind, für die ausdrücklich alle in die Mitverantwortung genommen wurden. Dann ist es doch unverantwortlich, diese Partner mit so einem unausgegorenen und schwammigen Gesetz alleinzulassen.

Im zweiten Teil des Artikels, in Absatz 4, wird dazu Stellung genommen. Darin geht es um die Dolmetscherkosten. Weder bei den Debatten in den Ausschüssen noch bei der Lesung hier im Plenum oder sonst wo konnten die dabei strittigen und offenen Fragen geklärt werden. Dolmetscherkosten können auferlegt werden, wenn dieses beliebige, nicht definierte Niveau nicht erreicht wird. Auch da können sich Behörden, Kommunen und Gerichte darauf einstellen, dass sie sich mit jeder Menge mühseliger Einzelfälle herumschlagen werden können. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD)

Noch krasser aber erscheint der Widerspruch, dass bei diesem Verfahren – ich habe das vorhin, in der ersten Runde, schon angesprochen – ein Fehler unterlaufen kann, der möglicherweise von Behörden begangen werden wird. In der Praxis ist das ausgesprochen wahrscheinlich. Man könnte nämlich einen Dolmetscher erwischen, der möglicherweise nicht ganz korrekt übersetzt. Bei der Übersetzung geht es ja nicht nur darum, Wörter aneinanderzureihen, sondern auch darum, Rechtsbegrifflichkeiten verständlich zu machen, unsere Behördensprache zu verstehen und das jemandem nahezubringen, der vielleicht aus einem Land mit ganz anderem Rechtsverständnis gekommen ist. Da gibt es viele Missverständnismöglichkeiten.

Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Übermittlungsfehlern kommt, in der Praxis gar nicht so gering. Deswegen ist es in diesem Fall nicht zulässig, dass die Behörde einseitig zulasten der Migranten abspatzen kann und Haftungsansprüche einfach par ordre du mufti ausgeschlossen werden können. Dabei können wir noch gar nicht sagen, wie hoch die Beträge sind, mit denen wir es zu tun haben können. Die Beträge werden den Migranten dann finanziell angelastet. Sie wissen dann erst recht nicht mehr, wie ihnen geschieht.

Auch das zeigt, dass dieses Gesetz noch unausgereift ist. Es ist noch nicht genügend abgestimmt und deswegen in dieser Form leider noch nicht zustimmungsfähig. Wir werden leider mit den genannten offenen Punkten noch viel zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wer dem Artikel 4 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen! – Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist es so beschlossen. Artikel 4 ist angenommen.

Ich rufe auf:

Artikel 9 neu "Kommunen"

Der Artikel 9, "Kommunen", wurde in der Zweiten Lesung neu in das Gesetz aufgenommen. Zum Inhalt verweise ich auch hier auf den Beschluss zur Zweiten Lesung.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Mistol. Der hat heute Großkampftag. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Aus Sicht der Kommunen möchte ich festhalten: Erstens. Viele Regeln taugen nicht für die Praxis. Das ist wirklich handwerklicher Murks.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Die Staatsregierung ist für das Fordern zuständig, die Kommunen für das Fördern. Das ist schon eine sehr merkwürdige Aufgabenverteilung.

Drittens. Das Gesetz sieht neue Aufgaben für die Kommunen vor, die einen Mehraufwand bei den Investitionen und beim Personal mit sich bringen; aber Sie lassen sie finanziell im Regen stehen.

Ich möchte nochmals den Herrn Buckenhofer vom Städtetag zitieren. Er hat gesagt: Leider drückt sich der Gesetzgeber um die Lösung konkreter Probleme, die den Kommunen auf den Nägeln brennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zur Debatte hier sagen. Dass sich die CSU heute ab 22.00 Uhr der Diskussion verweigert hat, ist das eine. Dafür sind Sie für sich verantwortlich. Es verstört mich aber wirklich, dass sich auch die Staatsregierung als Verfassungsorgan zu der ganzen Reihe von Kritikpunkten nicht mehr gerührt hat, keine Silbe mehr gesagt hat. Das hat mich wirklich befremdet. Dass Sie sich aus dieser Diskussion verabschiedet haben, hat noch mal eine ganz andere Qualität.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön. – Der nächste Redner ist Herr Dr. Wengert. Bitte schön, Herr Doktor.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits in der Zweiten Lesung erhebliche Mängel aufgezeigt, die der Gesetzentwurf der Staatsregierung im Hinblick auf die Kommunen enthält. Auf einen ganz grundsätzlichen Mangel und auf Versäumnisse dieses Gesetzes will ich nun eingehen. Dieser Mangel, den auch die kommunalen Spitzenverbände leider vergeblich kritisieren, besteht in der absoluten Unverbindlichkeit hinsichtlich der Förderung. Statt klarer Handlungsanweisungen einerseits und konkret formulierter Verpflichtungen andererseits enthält der Entwurf häufig bloße Programmsätze. Das bringt für die Kommunen große Unsicherheiten beim Vollzug, etwa bei der fehlenden Adressatendifferenzierung für die Verpflichtung, sich angemessen in Deutsch verständigen zu können. Denn "es besteht … auch für bereits länger in Deutschland lebende Zuwanderer zum Teil kein Zugang zu Deutschkursen", so die kommunalen Spitzenverbände.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Und wer entscheidet eigentlich darüber, was erwartbar oder angemessen ist und ob das Lernziel erreicht wurde oder nicht? Wie bereits in der laufenden Debatte kritisiert, ist auch aus kommunaler Sicht die Drohkulisse geradezu ärgerlich, die der Entwurf gegen Kindertagesstätten errichtet, die sich häufig in

kommunaler Trägerschaft befinden, indem ihnen Artikel 5 völlig überflüssigerweise Widerruf oder Rücknahme der Erlaubnis für ihren Betrieb androht, wenn sie nicht zentrale christlich-abendländische Kultur vermitteln, Achtung vor religiösen Werten entwickeln und Migranten und ihre Integrationsbereitschaft fördern. Nach dem BayKiBiG droht ihnen ja bereits heute der Entzug der Betriebserlaubnis, wenn sie sich nicht an die dort nahezu identischen Vorgaben halten.

Den Kommunen obliegt auch die Ahndung von Verstößen gegen Regelungen dieses Gesetzes. Zum einen werden die dafür entstehenden Kosten bei ihren Verwaltungen anfallen, zum anderen werden sie beim Vollzug viel Freude haben, weil die Verletzung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geradezu charakteristisch für dieses Gesetz ist und Sie sich bei den Gesetzesformulierungen in eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen flüchten, mit der Folge, dass der Vollzug der Vorschriften mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein wird, wie die kommunalen Spitzenverbände mit der ihnen eigenen vornehmen Zurückhaltung kritisieren.

Ein Musterbeispiel für einen solchen zweifelhaften unbestimmten Rechtsbegriff enthält etwa der neue Artikel 5a, der nach Artikel 17a des Entwurfs zur Vermeidung einseitiger Bewohnerstrukturen in das Wohnungsbindungsgesetz eingefügt werden soll. Wann ist denn eine Bewohnerstruktur einseitig? Liegt Einseitigkeit schon vor, wenn 30 % der Bewohner das gleiche Merkmal aufweisen, oder erst ab einem Anteil von 50 % oder 80 %? Die unverzügliche Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, eine Wohnung nur an Wohnungssuchende zu vermieten, deren Zuzug die Gemeinde vorher zugestimmt hat, ist faktisch für die Kommunen nicht nachvollziehbar.

Was da auf unsere Kommunen zukommt, lässt die Stellungnahme des Vertreters des Innenministeriums im Kommunalausschuss zum Begriff der Beharrlichkeit erahnen. Die Sicherheitsbehörden müssten sich die Frage stellen, wie dieser Begriff zu deuten sei. Die Argumentation der CSU zu einem entsprechenden Vorhalt im Ausschuss ist so verblüffend wie juristisch unhaltbar. Kollege Reichhart sagte, das Integrationsgesetz lebe auch davon, dass es in vielen Bereichen nicht ganz, ganz konkret werde, sondern abstrakt bleibe und zum Teil unbestimmte Rechtsbegriffe verwende. Das sei in diesem Bereich sehr, sehr gut.

Ich muss hier auch noch mal auf das Thema Konnexität zu sprechen kommen, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ja nicht berührt sehen. Das sehen die kommunalen Spitzenverbände ganz anders. Ich darf aus deren Stellungnahme zitieren:

Erforderlich ist, dass der Freistaat die Förderungen, Angebote und Begünstigungen auskömmlich finanziert. Der Staat darf die Folgekosten der Integration nicht auf die Kommunen und Kommunalverbände abwälzen.

Der Vertreter des Innenministeriums sah im Kommunalausschuss die Konnexität erst dann tangiert, wenn sich eine tatsächliche Mehrbelastung ergebe. Unwesentliche Mehrbelastungen seien nicht ausgleichspflichtig. Es bleibe abzuwarten, wie oft solche Fälle vorkommen. Gemeint waren die beharrlichen Regelverstöße nach Artikel 18. Ausgleichsverpflichtungen bestünden nur bei nicht unerheblichen Mehrbelastungen. Ob dieser Rahmen erreicht werde, bleibe abzuwarten.

Wenn das zweifelhaft ist, frage ich mich schon, welche Relevanz und daraus folgend welche Berechtigung diese Bestimmung dann überhaupt hat und ob sie nicht tatsächlich nur Popanz ist. Aber ganz unabhängig davon: Was hindert die Staatsregierung eigentlich daran, eine Bestimmung aufzunehmen, die im Erheblichkeitsfall die Konnexität anerkennt? So müssen die Kommunen später ihren Ansprüchen einmal mehr hinterherlaufen.

Ich könnte diese Mängelliste noch weiter fortführen, etwa weil dieser Gesetzentwurf die kommunalen Integrationsbeiräte überhaupt nicht erwähnt, obwohl sie auf kommunaler Ebene eine ganz wichtige Rolle spielen, oder weil dieser Gesetzentwurf wichtige gesellschaftspolitische Erfordernisse schlichtweg nicht zur Kenntnis nimmt, wie etwa die interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltung oder die Förderung von Integrationsmaßnahmen freier Träger zur Entlastung der Kommunen.

Ich komme zum Schluss. Dieser Gesetzentwurf stellt nicht nur für Migranten ein umfangreiches Pflichtenheft dar. Nein, auch die Kommunen bekommen ein solches Pflichtenheft in die Hand gedrückt, werden damit in den ungewissen Vollzug entlassen und mit nicht unerheblichen Kostenrisiken, zusätzlichem Personalaufwand und drohenden Prozessen konfrontiert. Durch Drohkulissen, den eindeutig repressiven Charakter und den falschen Geist

Herr Kollege, Sie überschreiten Ihr Zeitlimit.

der Abschottung und Ausgrenzung, den dieses Gesetz verbreitet,

(Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet schaltet das Rednermikrofon ab – Dr. Paul Wengert (SPD): ist letztlich auch der örtliche Friede ge fährdet. Sie werden die Geister, die Sie riefen, nicht mehr loswerden! – Beifall bei der SPD)

Danke schön für Ihren Beitrag. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es geht um den neu eingefügten Artikel 9, "Kommunen". Wer dem Artikel 9 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen! – Die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Sehe ich keine. Dann ist der Artikel 9 so beschlossen.

Vorsorglich teile ich mit, dass auf Antrag der CSU die Schlussabstimmung in namentlicher Form erfolgen soll.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Machen Sie doch wieder mit?)

Ich rufe auf:

Artikel 10 neu "Verantwortung der Wirtschaft"

Der Artikel 9, "Verantwortung der Wirtschaft", wurde durch den neu in das Gesetz aufgenommenen Artikel 9 zum neuen Artikel 10. Bezüglich der beschlossenen Änderung verweise ich auch hier auf den Beschluss zur Zweiten Lesung.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Stümpfig. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

(Der Abgeordnete Martin Stümpfig (GRÜNE) ist nicht zu sehen – Thomas Kreuzer (CSU): Wortmeldung verfallen!)

Dann ist die Wortmeldung verfallen. Nächster Redner ist der Kollege Roos. Bitte schön, Herr Kollege.

Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser vermeintlich neue Artikel 10 ist im Endeffekt nur ein redaktionell leicht geänderter Artikel 9. Warum das so ist, kann uns die CSU-Fraktion, da sie sich im wilden Streik befindet, inklusive der von ihr getragenen Bayerischen Staatsregierung leider nicht mehr erläutern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wollen Unternehmen? Was will die Wirtschaft? Mit der "Wirtschaft" meine ich Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. – Investitionssicherheit! Die Investition in Menschen ist die edelste, die wir tätigen können. Ich darf an die Erwähnung der Kinder in der Bayerischen Verfassung erin