Ich finde es krass, dass Sie sagen "keine Ahnung vom Verfassungsrecht". Sie unterstellen also dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, er hätte nicht konform und richtig gehandelt, indem er die Zuständigkeiten Ihrer bayerischen Grenzpolizei aufgelöst hat. Das finde ich schon ein starkes Stück, lieber Herr Kollege.
(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Manfred Ländner (CSU) – Alexander König (CSU): Ich habe nur gesagt, was Sie persönlich anbelangt! Sie persönlich haben keine!)
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat das Polizeiaufgabengesetz beim Thema Grenzpolizei schon einmal korrigieren müssen, und jetzt müssen Sie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf ebenfalls korrigierend eingreifen, um einen Schaden auszubessern. Dieser Schaden ist damals unter Federführung der Union in der Bundesregierung verursacht worden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai 2020 mit seiner Entscheidung Bestandsdatenauskunft II den § 113 des Telekommunikationsgesetzes und mehrere Fachgesetze des Bundes, die die manuelle Bestandsdatenauskunft regeln, für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht stellt fest – das hat Herr Kollege Grob schon ausgeführt –, dass diese Rechtsgrundlage die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses erheblich verletzt.
Jetzt ein kurzer Blick in die Geschichte. Das ist schon das zweite Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es hat schon 2012 mit seinem Urteil Bestandsdatenauskunft I ebenfalls festgestellt, dass die Union keine verfassungskonformen Sicherheitsgesetze schreiben kann.
Jetzt haben wir einen Gesetzentwurf vorliegen, der die Bundesregelung nachvollziehen soll. Wenn ich mir diesen nun anschaue, lieber Kollege Grob, kann ich sagen: Sie haben leider die Chance versäumt, diesem Gesetz die dringend nötige Generalsanierung zu verpassen. Wir sehen eigentlich viel eher eine Flickschusterei. Sie klammern sich weiterhin krampfhaft an die Eingriffsschwelle der drohenden Gefahr, die wir als GRÜNE und die viele andere seit Jahren kritisieren.
Sie haben diese Umsetzung nicht richtig an die Maßnahme auf Bundesebene angepasst. Dort wurde nämlich auf den Begriff der drohenden Gefahr verzichtet. Sie als CSU lassen sich aber leider nicht durch Argumente und auch nicht durch Fakten überzeugen.
Wir GRÜNE fordern weiterhin, den Begriff der drohenden Gefahr aus diesem Gesetz zu streichen und einen grundrechtsschonenden Ansatz zu wählen; denn ich kann es nicht oft genug sagen: Die Polizei ist für die konkrete Gefahrenabwehr zuständig; für das Gefahrenvorfeld ist der Verfassungsschutz zuständig.
Das ist unsere Linie, und von dieser Linie weichen wir auch nicht ab. Ich warte sehnsüchtig auf das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs – Sie auch, Herr Kollege Grob –, und ich bin mir sehr sicher, dass sich dort unsere Lesart auch durchsetzen wird.
Man kann also erneut feststellen: Die CSU kann keine verfassungskonformen Sicherheitsgesetze. Der Gesetzentwurf, den Sie heute zum PAG vorgelegt haben, bleibt in unseren Augen auf einem Kollisionskurs sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit der Bayerischen Verfassung. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Frau Kollegin, es liegt eine Zwischenbemerkung vor. – Dazu erteile ich das Wort dem Kollegen Ländner, CSU-Fraktion.
Zwei Fragen. Erstens. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass Klagen vor dem Verfassungsgericht noch kein Urteil beinhalten? Zweitens. Sie haben gesagt, die Grenzpolizei sei aufgelöst worden oder verfassungswidrig. Weil ich unsicher war, habe ich in Google nachgelesen. Seit 1. Januar besteht die Bayerische Grenzpolizei aus einer Direktion, acht Grenzpolizeiinspektionen, drei Grenzpolizeistationen und sieben Grenzpolizeigruppen. Mir ist eine Änderung nicht bekannt. Wissen Sie mehr, dann bitte ich um Aufklärung.
Lieber Herr Kollege Ländner, ich kläre sehr gerne für Sie auf – gar kein Problem. Zu Ihrer ersten Frage: Natürlich ist eine Klage noch kein Urteil. Eine Klage beinhaltet aber, dass die Person, die klagt, große Bedenken hat, ob das, was Sie geschrieben haben, verfassungskonform ist.
Nun zur Bayerischen Grenzpolizei. Ich war bei der Verhandlung dabei. Das oberste bayerische Gericht hatte ganz klar gesagt, dass sie gerne noch den Namen "Bayerische Grenzpolizei" führen kann, dass der Freistaat Bayern sie gerne so nennen kann, aber die Kompetenz des Freistaates Bayern, selbstständig Grenzkontrollen durchzuführen, ist mit dem Grundgesetz und mit unserem föderalen System nicht vereinbar; Grenzschutz ist weiterhin Bundessache.
Natürlich kann die Landespolizei mit der Bundespolizei zusammen kontrollieren, aber nicht in alleiniger Verantwortung. Genau dagegen hatten wir geklagt.
(Manfred Ländner (CSU): Lesen Sie meine Rede zum Thema Grenzpolizei nach! Bereits damals wurde das gesagt!)
Danke schön, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist für die Fraktion der FREIEN WÄHLER der Kollege Wolfgang Hauber. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Kollegin Schulze, wenn Sie diesen Gesetzentwurf als ein Reparaturgesetz bezeichnen, müssen Sie nicht auf Bayern zeigen, sondern Sie müssen in Richtung Bund deuten; denn vor dem Bundesverfassungsgericht wurde nicht das bayerische Polizeiaufgabengesetz beklagt, sondern bundesgesetzliche Regelungen, und diese wurden als verfassungswidrig erklärt.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU – Katharina Schulze (GRÜNE): Die wollen der Ampel alles in die Schuhe schieben!)
Wir behandeln heute in Zweiter Lesung den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes. Ich habe den Eindruck, dass sich bei den Diskussionen in den Ausschüssen im Vergleich zur Ersten Lesung keine wesentlichen neuen sachlichen Gesichtspunkte ergeben haben. Wir haben zwar über Grenzpolizei, über Klimakleber und über drohende Gefahr diskutiert, aber nicht über den eigentlichen Sinn und Zweck dieses Gesetzes.
Die Änderungen waren nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 erforderlich geworden. Das Urteil befasste sich mit der Bestandsdatenauskunft nach § 113 des Telekommunikationsgesetzes alter Fassung und mehrerer Fachgesetze des Bundes, welche die Bestandsdatenauskunft regeln.
Die Bestandsdatenauskunft ist ein zweistufiges Verfahren – man spricht von einem Doppeltürverfahren. Gesetzliche Regelungen sind vonseiten der übermittelnden Stellen zu beachten. Die erste Türe öffnet sich, wenn die gesetzliche Befugnis zur Weitergabe der Daten gegeben ist. Genau diese Regelungen zur Öffnung der ersten Türe wurden vom Bundesverfassungsgericht bemängelt. Die entsprechenden Vorschriften wurden inzwischen auf Bundesebene angepasst.
Die zweite Türe, welche geöffnet werden muss, ist die Befugnis der abfragenden Stelle zur Datenauskunft. Diese ist für unsere Polizeibehörden im Polizeiaufgabengesetz geregelt und musste zwangsläufig an die Regelungen für die erste Türe und damit an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes angepasst werden, welche die Voraussetzungen für eine grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässige Bestandsdatenauskunft präzisiert hat.
Ich bin der Meinung: Diese Anpassung ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf im Sinne des Bundesverfassungsgerichts gut gelungen, zumal wir diese zweite Tür nicht so weit öffnen wie der Bund die erste Türe. Wir haben bei der Bewertung der gewichtigen Rechtsgüter strengere Vorschriften und haben in unserem Gesetzentwurf auch mehr Richtervorbehalte.
Änderungen im bayerischen Sicherheitsheitsrecht haben in der Vergangenheit immer für große öffentliche Diskussionen, intensive Kritik an der Staatsregierung gesorgt. Gerade im Bereich des Polizeiaufgabengesetzes wurde der angemessene Ausgleich von Freiheitsrechten und Sicherheitsbedarf stets kontrovers diskutiert. Die Mitglieder der Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER stehen für die Balance von bürgerlicher Freiheit und innerer Sicherheit. Wir achten darauf, dass unser aller Freiheitsgrundrechte die Basis unserer Staatsordnung sind und bleiben. An ihnen muss sich jeder staatliche Eingriff messen lassen.
Wir sehen die garantierten Freiheiten der Bürger aber auch als Herausforderung für jeden Einzelnen, verantwortungsvoll damit umzugehen. Wo dies nicht geschieht, müssen die Sicherheitsbehörden die notwendige Handhabe bekommen, um in angemessener Weise für Sicherheit sorgen zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unser Credo; an diesem orientieren wir uns.
Es ist kein Geheimnis, dass die Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER die vergangenen Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes aus dem Jahr 2018 kritisch begleitet hat und wir mit diesen Änderungen nicht zufrieden waren. Unsere Kritikpunkte gingen auch in die breite öffentliche Diskussion ein.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf schränkt den Anwendungsbereich der Bestandsdatenauskunft im Polizeiaufgabengesetz ein und knüpft diese an hohe rechtliche Hürden. Der Entwurf engt so in Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen wesentlichen Anwendungsbereich der schwierigen Rechtsfigur "drohende Gefahr" ein. Die vorgesehenen Änderungen sind aus unserer Sicht angemessen.
Der Entwurf bezweckt die Einschränkung einer Regelung, die laut Bundesverfassungsgericht zu weit geraten war. Er bezweckt einen angemessenen Ausgleich von Freiheitsrechten und Sicherheit. Das ist gut so. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Richard Graupner für die AfD-Fraktion.
Herr Vizepräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, gleich eines vorweg: Das Argument der Grenzpolizei ist natürlich ein Strohmannargument und hat hier eigentlich nichts zu suchen, aber ich muss leider einräumen: In der Sache stimmt es. Das Bundesverfassungsgericht hat ganz klar festgestellt: Die Bayerische Grenzpolizei hat keine grenzpolizeilichen Befugnisse. Deswegen ist das auch ein Stück weit eine Täuschung der bayerischen Bürger, weil ein Grenzschutz vorgegaukelt wird, der in der Sache überhaupt nicht stattfindet.
In der Ersten Lesung hatte ich schon meinem Erstaunen darüber Ausdruck verliehen, dass wir den geplanten Gesetzentwurf überhaupt diskutieren müssen; denn in der Sache ist er ja eigentlich klar. Wir sprechen über fällige Änderungen im Polizeiaufgabengesetz, welche sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben. Die müssen nun mal im Landesgesetz umgesetzt werden. Aber nach der Debatte im Plenum und auch in den Ausschüssen bin ich jetzt weniger
verwundert; denn was wir an Diskussionen erlebt haben und immer noch erleben, zeigt ja eines klar und deutlich: Es geht nicht um die Sache, sondern es geht um ideologische Befindlichkeiten der GRÜNEN und der SPD.