Protokoll der Sitzung vom 12.02.2021

Ist dies möglicherweise verfassungswidrig? – Zumindest bislang haben der Bayerische Verfassungsgerichtshof und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Ausgangssperre mehrfach – jedenfalls in Eilverfahren – bestätigt und anerkannt. Nur so viel zu dem Thema, auf welchem juristischen Boden dies passiert.

Aber klar ist auch: Wenn die Inzidenzen deutlich heruntergehen – ich habe es vorhin erwähnt, viele Bereiche sind unter 50, etliche auch schon unter 100 –, dann ist das nicht mehr angemessen und verhältnismäßig, weil das natürlich ein schwerer und starker Grundrechtseingriff ist. Er ist nur zu rechtfertigen, wenn ein Ertrag, nämlich Schutz von Leben und Gesundheit, dagegensteht.

Deswegen haben wir einheitlich entschieden – ich glaube, die Mehrzahl in der Bevölkerung akzeptiert das auch –, dass wir eine Änderung vornehmen: Die Ausgangssperre gilt nur noch bei einer Inzidenz über 100 – ab 100 besteht die Gefahr, dass die Zahlen schnell wieder nach oben gehen –, und zwar in der Zeit von 22 bis 5 Uhr. Ich denke, meine Damen und Herren, das zeigt Augenmaß. Im Moment sind noch 15 Landkreise und Städte betroffen. Wirksam wird das mit Inkrafttreten der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung am kommenden Montag.

Wenn die Entwicklung so bleibt und die Mutation vielleicht nicht in einem solchen Ausmaß auftritt – man kann das ja nicht sagen –, dann ist der Großteil der Bayern sehr schnell nicht mehr davon belastet. Sollten die Zahlen allerdings wieder deutlich steigen, meine Damen und Herren, dann wäre das natürlich wieder ein ent

sprechendes Instrument. Die Erleichterung bei der Ausgangssperre ist ein wichtiges Signal.

Zweitens brauchen wir eine Priorität für Familien, Jugendliche und Kinder. Ich glaube, meine Damen und Herren, da sind wir besonders gefordert; denn die Folgen, die wir da sehen, sind sehr viel langfristiger, als wir glauben. Im Handel geht es natürlich auch um viel Geld; ich komme gleich noch dazu. Aber bei Kindern geht es um die Entwicklung, um eine Güterabwägung. Schulen sind insbesondere dort, wo die Zahlen erkennbar hoch sind, Teil des Infektionsgeschehens und manchmal sogar Pandemietreiber gewesen. Gehen die Zahlen jedoch herunter, dann ist es umso wichtiger, eine Güterabwägung zu treffen. Was steht da an Gegenfragen im Raum?

Erstens. Bildungsabschlüsse: Abiturientinnen und Abiturienten haben mich gefragt: Werden wir Jahrgänge werden, die schlechtere Berufschancen haben, weil wir quasi gebrandmarkt sind, weil unsere Abschlüsse weniger wert sind? Wie wird es dann mit dem Studium oder mit weitergehenden Fragen bei der beruflichen Bildung sein?

Zweitens. Gerade bei kleinen Kindern stellt sich nicht nur die Frage nach dem Wissen, sondern auch der charakterlichen und der persönlichen Entwicklung. Wie gehen Kinder mit der langen Zeit ohne Schule um? Was ist, wenn Kontakt und Bezug fehlen?

Drittens – das darf man nicht unterschätzen – steht auch eine soziale Frage dahinter. Es gibt Familien, bei denen die Betreuung und die Begleitung im Distanzunterricht ganz hervorragend funktionieren. Aber es gibt auch Familien, die das wegen der Berufstätigkeit gar nicht leisten können. Viele Familien können das auch deswegen nicht leisten, weil sie vielleicht nicht so bildungsorientiert sind. Viele Kinder haben einen Migrationshintergrund und brauchen die Schule einfach, um dabeizubleiben und auch die Chance zu haben, die ihnen die Schule bietet.

Wir haben uns entschieden, bei dieser Abwägung vorsichtig vorzugehen. Ich sage ausdrücklich: Wir haben gemeinsam einen Schulgipfel gemacht. Wir haben insgesamt ein spannendes – ich gebe zu: nicht total einheitliches – Meinungsbild gesehen, sowohl bei Eltern als auch bei der Lehrerschaft. Bei den Schülern war das schon der Fall, muss ich sagen. Die waren da, wie immer, sehr gut. Wir haben uns dann gefragt, wie wir da vorgehen, und gesagt: Wir machen das vorsichtig.

Schule ist kein Versuchslabor, ist kein Experimentierfeld. Der Schutz der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte ist uns natürlich wichtig, meine Damen und Herren. Aber umgekehrt müssen wir für die Kinder auch eine dauerhafte Entwicklung sicherstellen. Deswegen haben wir uns entschieden, mit zwei Parametern zu arbeiten: nicht alles ab dem 15., sondern auch ab dem 22. Das hängt auch ein bisschen mit der Planungssicherheit zusammen, die in der Schulfamilie generell ein hohes Gut ist, wenn ich das sagen darf. Wir haben auch hier die Ampelregelung bei der Inzidenz ab 100 eingezogen.

Daraus ergibt sich: Bei den weiterführenden Schulen bleibt es zunächst einmal beim Distanzunterricht. Auch das darf ich hier berichten. Wir hatten darüber hier im Landtag schon sehr leidenschaftliche Debatten zwischen Frau Gottstein und Herrn Fischbach. Das waren Sternstunden am späten Abend.

(Heiterkeit)

Fakt ist aber, dass es heute, anders als im Januar, eine große Bereitschaft und sogar ein Lob für den Distanzunterricht gibt; das muss ich einfach einmal sagen. Deshalb kann man auch sagen, dass solche Debatten durchaus etwas bringen.

Man muss nicht alles verurteilen. Wenn man etwas besser machen kann, dann ist das ein lohnendes Ziel; das sage ich ausdrücklich.

Bei Abschlussklassen ist das etwas anders; denn wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Abschlüsse machen können: Abitur, Mittlere Reife in der Mittelschule. Aber auch bei den Berufsschulen ist das ganz wichtig. Uns sind nicht nur die Gymnasien wichtig, sondern auch die berufliche Bildung. Deswegen werden wir dort ab dem 22. in den Wechselunterricht einsteigen, aber nur – auch das ist klar – bei einer Inzidenz unter 100.

Bei der Grundschule ist es genauso: ab 22. unter einer Inzidenz von 100 von der ersten bis zur vierten Klasse.

Bei all denen, die jetzt wieder mit dem Unterricht beginnen – das werden natürlich, wenn die Lage besser wird, stückweise mehr werden, das ist klar –, ist uns wichtig, jetzt keine Notenjagd zu machen und in den nächsten Wochen keinen XXL-Leistungsdruck aufzubauen. Es gab immer wieder Forderungen: Schafft die Noten einfach ab! Erklärt das Schuljahr für ungültig! – Auch das wäre ein ganz schlechtes Signal an die Schülerinnen und Schüler. Das würden sie uns nicht verzeihen. Sie erwarten von uns, dass wir zusammen mit der Schule daran arbeiten, ihnen unter diesen Bedingungen einen gleichwertigen qualitativen Bildungsabschluss zu ermöglichen.

Ich möchte das nur an einem festmachen: Im letzten Jahr war die Lage relativ vergleichbar. Die Zahlen und Notendurchschnitte, beispielsweise beim Abitur, waren insgesamt genauso gut oder fast so gut wie in einem normalen Jahrgang. Ich will Ihnen heute sagen: Wir müssen unseren Schülerinnen und Schülern genauso wie den Eltern die Garantie geben, auch wenn dieses Jahr für sie schwierig ist, dass das kein verlorenes Jahr ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das sind unser Auftrag und unsere Verpflichtung, die wir gemeinsam haben.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Deswegen brauchen wir begleitend zu der Schule, neben den schulinternen Konzepten, auch Sicherheitskonzepte wie Masken und Testkonzepte. Wir müssen uns auch überlegen – das rege ich an –, ein Sozialkonzept zu entwickeln, um die langfristigen Folgen begleitend zu evaluieren und zu prüfen, was wir tun können, um gerade den Kleinsten noch ein Angebot zu machen. Es wird vielleicht nicht gelingen, die Zeit aufzuholen, wohl aber, den Anschluss besser und schneller zu finden.

Bei Kitas ist das Ganze ähnlich: Ab dem 22. haben wir hier die gleiche Entwicklung. Das alles ist einheitlich, damit es auch verständlich ist. Unter einer Inzidenz von 100 werden sie geöffnet, allerdings nur mit festen Gruppen. Das ist der sogenannte eingeschränkte Regelbetrieb. Bei einer Inzidenz von über 100 bleibt die Notbetreuung bestehen.

Als Zusatzsignal, weil es dort logischerweise keine Pflicht wie in der Schule gibt, übernehmen wir für alle diejenigen, die skeptisch sind, ihr Kind in die Kita zu geben, oder die sich eine andere Form der Betreuung für diese Zeit wünschen, die Beiträge auch im März, weil wir den Eltern die Freiheit geben wollen, selbst zu entscheiden.

Wir geben übrigens auch Masken aus, zunächst einmal vor allem an unsere Lehrerschaft, aber zum Start, obwohl wir nicht der Arbeitgeber sind, auch an die Kommunen, an die Erzieherinnen und Erzieher. Das sind insgesamt acht Millionen Masken.

Meine Damen und Herren, Schule ist nie einfach. Aber Kinder müssen es uns wert sein, so klug wie möglich, so abwägend wie möglich und auch so sensibel wie möglich zu agieren. Ich weiß, alles ist wichtig. Jede Beschwer ist groß. Aber ich sehe meine persönliche Verpflichtung auch darin, der nächsten Generation einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Das sind wir den jungen Menschen schuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Deutlich schwieriger ist das alles im Wirtschaftsbereich; das weiß ich. Dort wird nach mehr Perspektive gefragt. Eine kleine Perspektive kann man geben. Ich wurde gestern Abend in einer Fernsehsendung gefragt, ob es denn angemessen sei, das Friseurhandwerk so besonders herauszuheben: Warum dürfen die Friseure schon ab dem 1. März öffnen? Können nicht auch die im Geleitzug mit den anderen sein? – Unabhängig davon, dass das ein tolles Handwerk ist, und unabhängig davon, dass es natürlich auch da um Existenzen geht, und zwar um viele, wird man der Situation an dieser Stelle nicht gerecht, wenn man die Friseure ganz normal in andere Berufsbereiche einordnet. Hier geht es für manche um Hygiene. Viele Ältere tun sich schwer, sich die Haare selbst zu waschen, wenn sie keine familiären Möglichkeiten dazu haben. Es geht vielleicht auch ein bisschen um Respekt. Gestern sagte ich: Würde. Da meinte jemand: Was hat das mit Würde zu tun?

Ich kann Ihnen eines sagen: Meine Mutter war vor ihrem Tod etliche Wochen im Krankenhaus. Wenn man in einer solchen Situation ist und Besuch kommt, will man sich ein bisschen hübsch machen, gerade wenn man vielleicht Geburtstag hat oder wenn der Vater kommt, der Geburtstag hat. Das hat auch etwas mit Selbstachtung zu tun. Ich verstehe jeden, meine Damen und Herren, der sagt, der Friseur ist ihm wichtig. Hier gibt es genug Frisuren im Raum, bei denen ich sagen würde: Hier muss es sein. Bei einigen würde ich sagen: Hier kann es sein.

(Heiterkeit)

Das ist völlig in Ordnung. Verstehen Sie, das kann man sehen, wie man will. Ich habe auch kein Problem, wenn mir Leute, die Visagisten haben, sagen: Das ist nicht so wichtig. Aber eines sage ich Ihnen: Wir müssen in einer solchen Zeit, in der wir leben, in der so vieles schwierig ist, auch ein bisschen die Lebensrealität sehen. Für viele Menschen ist dies einfach ein Stück Freiheit und Selbstachtung. Darum haben wir bei den Friseuren diese Entscheidung getroffen, meine Damen und Herren. Ich stehe dazu, das sage ich ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Was ist aber mit dem Rest? Welche Perspektive gibt es dort? – Wir werden am 3. März wieder beraten und haben dann vor, angesichts der Infektionslage verschiedene Perspektivstrategien für Handel, Kultur und auch Sport zu diskutieren. Wir haben die Zielmarke 35 in den Blick genommen. Dies wäre dann übrigens tatsächlich grünes Licht auf der Ampel. – Ich weiß, Herr Streibl, Sie hatten die Idee damals anfangs auf den Weg gebracht. Dies ist also nicht nur ein Projekt der Staatsregierung, sondern aus der Breite des Parlaments entstanden. – Die Perspektive muss landesweit sein, sonst hätten wir einen Tourismus im Handel. Das will, glaube ich, niemand. Wir werden sehen, ob es danach verschiedene Stufen geben kann. "Click and Collect" war eine Stufe. Vielleicht könnte "Click and Meet" oder eine Öffnung mit weniger Besuchern dann ein Einstieg sein. Wir werden das Stück für Stück diskutieren. Ich rege übrigens auch an, dass wir uns danach im Laufe des Jahres, und zwar unabhängig von ideologischen Positionen, einmal überlegen, ob es uns vielleicht gelingt, an drei oder vier Sonntagen zusätzliche Öff

nungen zu ermöglichen. Ich rege an, dass wir mit den Gewerkschaften und den Kirchen reden. Hier geht es auch um den Schutz der Arbeitsplätze der Zukunft.

Abschließend rege ich an, dass wir uns auch überlegen, für den Handel Hilfe zu geben; denn im Bereich der Gastronomie und bei den Hotels spüren wir, dass die Situation nicht entspannt, aber lange nicht so schwierig ist. Natürlich hofft man dort auch auf eine Perspektive, aber der Unterschied zum Handel ist einfach: Der Handel hat im Moment nicht nur die große Sorge, wann geöffnet wird, sondern sorgt sich auch, wann es die Hilfen gibt, die versprochen wurden. Die Wahrheit ist: Diese Hilfen sind noch nicht da.

Bei der Gastronomie war es anders, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben in Bayern durch das Wirtschaftsministerium und die IHK bis heute insgesamt über eine Milliarde Euro an die bayerischen Gastwirtinnen und Gastwirte und an die Tourismus- und Hotelbranche bezahlen können. Vor wenigen Tagen habe ich einen Brief des Verbands DEHOGA erhalten, der sich nicht nur hierfür bedankt hat, sondern auch dafür, dass wir eine weitere Perspektive eröffnet haben, nicht unbedingt zeitlich, aber zur dauerhaften Sicherung, wenigstens für die nächsten eineinhalb Jahre. Auch die SPD im Deutschen Bundestag und der Bundesfinanzminister haben sofort eingeschlagen, dass wir die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie verlängern. Dies ist ein wichtiges Signal. Darum ist es jetzt auch wichtig, für den Handel auf der einen Seite Signale zu setzen, ohne unsere Sicherheitsphilosophie zu verlassen, und auf der anderen Seite den Wunsch zu erfüllen, dass jetzt möglichst schnell die Auszahlung stattfinden kann. Das Programm des Bundes ist wirklich gut. Jetzt ist endlich auch die Programmierung erfolgt. Nun gab es die Nachricht der zuständigen Stellen, dass Anträge gestellt werden können. Jetzt kommt es darauf an – das Wirtschaftsministerium und die IHK stehen bereit –, so viel und so schnell wie möglich auszuzahlen, um die Überbrückung in dieser schwierigen Zeit zu leisten.

Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um Handel und Sport, sondern es geht auch um Kultur. Lassen Sie mich ein Wort zum Thema Kultur sagen. Ich spreche hier auch einmal ein Wort des Bedauerns aus – persönlich, aber auch für die gesamte Politik in Deutschland. Wir haben bei unseren Kulturschaffenden zu Beginn einen falschen Eindruck hinterlassen, indem wir den Satz stehen ließen, Kultur sei nicht systemrelevant. Ich bedaure das, das war falsch. Natürlich ist Kultur systemrelevant. Neben den Geld- und Öffnungsfragen war die Frage einer der Hauptpunkte in unzähligen Gesprächen: Nehmt ihr uns ernst? Nehmt ihr das, was wir leisten, ernst? Bei Kultur geht es übrigens nicht nur um die Allerhöchsten, sondern um unzählige Menschen. Kultur ist nicht automatisch auf Rosen gebettet, wenn man sich die finanzielle Situation ansieht. Deswegen unser Dank für die Leistung, und deshalb helfen wir jetzt auch länger und deutlicher als manch anderer.

Pate der Idee zu unserem Solo-Selbstständigenprogramm war damals BadenWürttemberg. Wir haben es jetzt übernommen, machen es aber länger als die meisten und verlängern es nun bis Juni. Es ist übrigens kumulativ zum Bundesprogramm, nicht abzüglich. Ich glaube, damit steht Bayern jetzt im Vergleich zur Bundessituation relativ gut da, auch wenn das nie ein ganzer Satz sein kann. Letztens stand in der "FAZ" sogar eine Empfehlung an Hessen, in der dortigen Situation einmal zu schauen, wie es die Bayern machen. Das war beim Thema Kultur lange nicht so.

Insofern freue ich mich, dass der Weg hier gut ist, und bedanke mich bei allen, die mitmachen. Meine feste Zusage steht: Wenn wir dann im Frühling oder vielleicht im Sommer bessere Perspektiven haben, sollten wir ein echtes Kulturevent daraus machen, und zwar in ganz Bayern: Kulturwochen und Kulturmonate. Ich wäre auch

dazu bereit, staatliche Flächen – die Idee kommt aus der Kulturszene –, Schlösser, Seen und Gärten zu nutzen, um dort auch Open-Air-Veranstaltungen durchführen zu können. Das Event wird auch finanziell unterlegt. Was ich damit sagen will: Kultur steht nicht als Letztes. Kultur ist uns wichtig, und wir stehen zu den Kulturschaffenden in Bayern. Vielen Dank für die Kreativität, die Sie leisten!

(Beifall)

Zu einem letzten Punkt der Perspektive, der natürlich ganz entscheidend ist, um es abzurunden: Das ist das Impfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist Impfen die einzige echte Langzeitstrategie. Alle anderen Wege, die wir gehen, dämpfen und helfen zwar temporär, aber Impfen hilft langfristig. Impfen rettet Leben, Impfen gibt Freiheit, und Impfen ermöglicht auch den wirtschaftlichen Neustart. In Bayern – Dank an die Kommunen, Dank an die Impfzentren – wird geimpft, was geht und was da ist. Die Impfzentren arbeiten gut. Nach derzeitigem Stand liegen wir im nationalen Vergleich, glaube ich, ganz ordentlich, bei den Zweitimpfungen sogar relativ weit vorne. Der Gesundheitsminister hat mir berichtet, dass wir gerade bei den Altenheimen jetzt wohl langsam – Ende Februar, Anfang März – "durch" sein könnten. 98 % der Alten- und Pflegeheime in Bayern sind für die Erstimpfung wohl besucht worden. 78 % der Bewohnerinnen und Bewohner und zusätzlich 52 % des Personals haben – inklusive Anmeldungen – zumindest die Erstimpfung. Das ist eine gute Nachricht. Hier gab es am Anfang große Zurückhaltung. Dieser Impfprozess ist somit ganz okay.

Fakt ist aber, dass man mehr und breiter impfen könnte, gäbe es mehr Impfstoff. Ich will mich jetzt nicht noch einmal an der Debatte beteiligen; dazu ist eigentlich alles gesagt, auch über die Art und Weise der Bestellung – zu viel oder zu wenig, wie und in welcher Form. Ich glaube, die Fehler sind relativ evident und wurden auch eingestanden. Das weiter zu diskutieren bringt uns aber auf Dauer nichts, im Gegenteil. Wir müssen mit der Situation umgehen, das heißt, im ersten Quartal mit weniger Impfstoff als erhofft, im zweiten Quartal dann steigend mit deutlich mehr und möglicherweise auch noch mit mehr Impfstoffen. Deswegen müssen wir dort die Impfkapazitäten erhöhen. Auch wird es so sein – darin sind wir uns einig –, dass wir dann zum Beispiel neben den Impfzentren auch mehr über Hausärzte, Praxen und Krankenhäuser impfen, um die Distribution zu erleichtern und zu vereinfachen. Der Hausarzt passt hier möglicherweise besser, zumal für die Verabreichung die neuen Impfstoffe, die dann immer mehr kommen, leichter aufbewahrt werden können und somit die Logistik einfacher ist. Das passt, glaube ich. Wir haben uns überlegt, die Prioritäten für den Bereich Kita und Schule noch einmal zu definieren. Die Impfstoffhersteller arbeiten daran, auch für Jüngere bessere Impfstoffe zu entwickeln. Wir müssen so breit wie möglich ansetzen.

Um eines bitte ich beim Impfen im Moment aber ganz dringend: Ich verstehe, dass jeder geimpft werden möchte – nicht jeder, aber die meisten –, aber ich bitte, Sensibilität zu zeigen. Man hat es in den letzten Tagen erlebt. Keiner sollte sich vordrängen. Man sollte sich auch nicht überreden lassen nach dem Motto: Hier haben wir noch eine Impfung übrig, die nehmen wir jetzt mal, sonst ist sie weg. Dieses System muss dann – ehrlich gesagt – besser sein. Ich habe Respekt davor, dass man dem einen oder anderen etwas Gutes tun will, der sich dazu bereit erklärt hat. Aber man sollte darauf achten, nicht sozusagen das komplette Personal eines Büros zu impfen, anstatt die über 80-Jährigen, die es dringend brauchen und darauf warten. Im Moment ist es so, dass noch zu wenig Impfstoff vorhanden ist. Die Impfdosen müssen an die gehen, die sie dringend brauchen, meine Damen und Herren, und nicht an diejenigen, die die Impfung vielleicht auch haben könnten. Ich bitte darum, dass wir das gemeinsam auf den Weg bringen.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Auch sage ich klar, dass Sie nicht jetzt, aber Mitte des Jahres mit Folgendem rechnen können: Wenn wirklich viel geimpft werden kann und sich viele impfen lassen, andere aber nicht, wird es natürlich eine Debatte über die Frage geben, wie man damit umgeht. Es wird keine allgemeine Impfpflicht geben. Jeder ist hier frei. Aber eines ist auch klar: Natürlich wird man dann die Frage stellen, ob es fair ist, dass sich einige nicht impfen lassen und die, die sich impfen lassen, dann immer noch mit den gleichen Beschränkungen leben müssen. Es wird eine gesellschaftlich spannende Debatte. Jetzt passt sie noch nicht, aber sie wird kommen. Ich sage auch: Impfen ist keine einmalige Sache. Corona wird wegen Mutationen nicht mehr verschwinden. Das wird nicht gelingen. Corona wird viele Jahre bleiben. Wir werden immer wieder impfen müssen. Deswegen hat es auch jetzt Sinn, am Fortschritt in der Impfstoffforschung und -produktion zu arbeiten. In beiden Fällen sind wir in Bayern mit Impfstoffherstellern im Gespräch, um das voranzubringen.

Ich sage Ihnen eines: Ich bin im Moment mit dem Impfen unglücklich. Aber ich bin für die Zukunft hoffnungsvoll. Es bleibt die beste und stärkste Antwort, die wir geben können. Darum kann ich jedem nur raten, die unendliche Fake-News-Debatte über Impfen oder Nichtimpfen bitte nicht fortzuführen. Bislang jedenfalls klappt das Impfen gut, auch bei den hochbetagten Patientinnen und Patienten. Das muss man sagen.

Meine Damen und Herren, wenn man sieht, wie freudig und liebevoll sich gerade ältere Menschen danach sehnen, endlich geimpft zu werden, dann sollten wir sie dabei unterstützen und ihnen nicht noch schlechte Gefühle machen. Das ist unfair und nicht richtig.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Fazit: Ich bin heute etwas erleichtert, aber natürlich noch nicht entspannt. Wir stehen besser da als gedacht. Es hätte schlimmer kommen können. Aber die jetzige Phase ist nicht einfach. Übergänge sind immer am schwierigsten, vor allem bei der Unsicherheit, wie groß mögliche andere Gefahren sein werden. Wir sind deshalb gut beraten, so klug wie möglich vorzugehen.

Aber natürlich ist dieses Jahr auch von Fehlern geprägt. Das sage ich Ihnen auch. Das ist eine persönliche Einschätzung nach einem Jahr der Pandemie, das wir gemeinsam gestalten. Nichts ist ohne Fehler. Manches hätte man vielleicht besser, manches vielleicht früher oder später machen können. Im November bei der Ministerpräsidentenkonferenz hatte ich ebenso wie Winfried Kretschmann, die Kanzlerin und andere Zweifel, ob der Lockdown light ausreichen würde. Ehrlich gesagt meinten wir, es müsse mehr passieren, aber wir haben uns dann überzeugen lassen. Wir hätten uns aber manches sparen können, wenn wir schon damals agiert hätten.

Wir haben oft nicht über Details gestritten, sondern manchmal auch über sehr Grundsätzliches wie beispielsweise die Frage, ob das überhaupt eine richtige Einschätzung ist, die wir treffen. Ich sage ausdrücklich: Ich respektiere jede andere Meinung, aber ich habe meine. Sie stützt sich auf eine breite wissenschaftliche Expertise und lautet: Wir haben im letzten Jahr an vielen Stellen Fehler gemacht, aber die grundlegende Linie stimmt, meine Damen und Herren. Wir haben das Land in der ersten und vielleicht auch in der zweiten Welle grundsätzlich in der richtigen Form geführt.