Protokoll der Sitzung vom 12.02.2021

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Horst Arnold, Klaus Adelt, Volkmar Halbleib u. a. und Fraktion (SPD) Bayerische Corona-Maßnahmen nachbessern und tragfähig ausgestalten (Drs. 18/13546)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Martin Hagen, Dr. Dominik Spitzer, Julika Sandt u. a. und Fraktion (FDP) Freiheitsstrategie 2021 V - Stufenplan aus dem Lockdown (Drs. 18/13547)

Nun erteile ich dem Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder das Wort zur Regierungserklärung.

Eine Bemerkung vorweg: Respekt, Frau Schmidt, das war mal nötig. Herzlichen Dank für die klare Aussage.

(Beifall)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir kommen in einem regelmäßigen Rhythmus zusammen, um über Corona zu beraten, und wir kommen in einer schweren Zeit zusammen. Heute ist es aber etwas heller; wir sehen etwas Licht am Horizont.

Vor Weihnachten, als ich das letzte Mal hier gesprochen habe, war höchste Gefahr in Verzug. Wir hatten ein ganz steiles, exponentielles Wachstum, und es drohten schlimme Gefahren für unser Land. Heute können wir jedoch eines feststellen: Wir haben diese zweite steile Welle gebrochen. Unsere Maßnahmen – das ist die gute Nachricht – wirken; sie waren nicht vergeblich. Der Einsatz war richtig und die Dosis nötig. Das gibt zwar keinen Anlass zur Freude, allerdings schon Anlass zu sagen: Wir haben den Menschen viel zugemutet, aber das war richtig.

Ich möchte mich bei unseren Bürgerinnen und Bürgern für dieses großartige Mitmachen ausdrücklich bedanken. Ohne die Menschen im Land würden all die Dinge, die wir hier beschließen, nicht wirken. Dafür ein herzliches Vergelts Gott und Dankeschön!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Dass dies nicht nur meine Meinung, sondern belegbar ist, kann man an den Zahlen sehen, die an dieser Stelle eine klare Sprache sprechen. Im Vergleich zum Höhepunkt der Welle bis zum Stichtag heute sind die Infektions- und Todesfallzahlen zum Teil um 90 % zurückgegangen. Bei der Inzidenz lagen wir in Deutschland mit einem Wert von weit über 200 zeitweise auf Platz eins. Jetzt liegen wir mit einer

Inzidenz von 62,5 am heutigen Tag auf Platz neun und damit im Mittelfeld. Das entspricht ziemlich genau dem Bundesdurchschnitt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Die Positivrate, also die Rate der positiv getesteten Fälle, ist um 58 % und die Zahl der belegten Intensivbetten um fast 40 % zurückgegangen.

Auch regional kann man erkennen, was sich alles verändert hat. Bei den Regionen mit Inzidenzwerten von damals über 200 verzeichnen wir im Vergleich zu heute einen Rückgang um 96 % und bei den Regionen mit einem Inzidenzwert von damals über 100 um 84 %. Ebenso verzeichnen wir bei den Regionen, die unter einem Wert von 100 lagen, eine Verbesserung von damals 1 auf jetzt 81 Landkreise und Städte. Damals lag keiner unter 50, und heute sind es 36.

Man kann eines sagen, meine Damen und Herren: Diese Zahlen belegen, dass die Entwicklung tendenziell gut ist und all die beschwerlichen Maßnahmen, die zu beschließen uns allen hier nicht leichtfällt, notwendig waren. Zudem sagt unser LGL: Wenn alles so weitergeht und wir nicht die Risiken erleben, von denen ich gleich sprechen werde, könnten wir Ende Februar, Anfang März vielleicht sogar wieder eine landesweite Inzidenz von unter 50 haben.

Deswegen will ich auch all denjenigen, die immer über andere Konzepte geredet haben, und all denjenigen, die gesagt haben, das würde nicht wirken, und all denjenigen, die gesagt haben, das wäre weder angemessen noch verhältnismäßig, deutlich sagen: Unser LGL hat nicht nur die Positivprognosen berechnet, sondern es hat auch die negativen Prognosen erstellt und damit nicht nur bedacht, was vielleicht sein wird, wenn es so weitergeht. Es hat also auch Einschätzungen – immer mit Fehlern behaftet – abgegeben, was passiert wäre, wenn wir nichts getan hätten oder den Vorschlägen von einigen gefolgt wären, die damals nicht mitgestimmt haben.

Diese Prognosen sind, dass wir dann auf jeden Fall doppelt so viele Fälle täglich gehabt hätten. Wir hätten auch mindestens 50 % mehr beatmete Intensivpatienten gehabt, und wir hätten wohl – das ist eine ganz entscheidende Schlüsselzahl, meine Damen und Herren – mit über 1.000 Todesfällen mehr rechnen müssen.

Ich weiß, dass Millionen Bayern Einschränkungen hatten. Aber ist es nicht ein großer Wert an sich, dass es uns vielleicht gelungen ist, tausend Menschen nicht nur für zwei oder drei Wochen, sondern grundsätzlich eine ganz andere Perspektive zu eröffnen? Ich persönlich sage als engagierter Christ: Das ist eine lohnenswerte Sache, und deswegen war es auch notwendig, diese Entscheidungen zu treffen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Heißt das jetzt, dass es nun vorbei ist und wir durchatmen können? Können wir nicht sofort aufhören, abbrechen und am besten alles gleich verändern? – Das heißt es leider nicht. Das wäre auch falsch; denn wir sind noch nicht am Ziel. Die Zahlen sind immer noch hoch – auch eine Inzidenz von 62 ist hoch –, und wenn wir einige Hotspots sehen, ist klar, dass die Gefährdung nach wie vor groß ist. Die Lage ist besser, aber wir sind nicht am Ziel.

Gleichwohl verstehe ich, dass die Stimmung gereizter ist. Es ist doch wahr: Viele sind müde, gestresst, genervt, und der eine oder andere ist überfordert. Familien und Kinder sind betroffen. Existenzen sind in Not. Es geht jetzt für viele ans Eingemachte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen aber versichern: Kein Schicksal lässt uns kalt. Jede Einzelsituation berührt uns alle hier im Haus. Wir bekommen unzählige Briefe, Mails und Anrufe, und wir nehmen alles ernst. Für uns ist aber nur eines wichtig: Wenn wir jetzt die Nerven verlieren und nicht die Kraft haben, den begonnenen Weg weiterzugehen, und wenn der als richtig erkannte Pfad verlassen wird, werden wir Erreichtes schneller verspielen, als wir glauben.

Zumachen erfordert Mut. Zu öffnen erfordert wiederum Weitsicht und Klugheit. Nur wer mit Weitsicht und Nachhaltigkeit agiert, wird das Erreichte dauerhaft sichern. Wer jedoch mit Hektik agiert und einer Stimmung schnell nachgibt, kann leider wieder einen Rückfall erleben, der stärker ist.

Diese Rückfälle gibt es auch, und das ist nicht meine Meinung, sondern das ist belegt. Wir haben es mitten in Europa – in Irland, in Portugal und in Tschechien – erlebt. Auch in dem von uns allen, glaube ich, sehr geschätzten Südtirol hat man zu schnell geöffnet. Das Ergebnis ist dann, dass man nach kürzester Zeit steigende Infektionszahlen verzeichnet und man wieder zumachen muss. Es ist ein Hin und Her, ein Stop-and-go, ein Vor und Zurück, was übrigens nicht nur gesundheitlich größte Schäden anrichtet und nicht nur die Medizin belastet. Auch die Wirtschaft erleidet mehr Schäden, wenn man öffnet, zulässt, dass eingekauft wird, und man dann wieder zumachen muss. Seien wir bitte aber auch ehrlich: Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist dann deutlich geringer.

Mein Eindruck ist, dass eine große Mehrheit der Menschen sagt: Wir finden das alles schwierig, es belastet uns, und uns wäre lieber, das würde so schnell wie möglich enden. Bitte überlegt euch aber, was ihr tut. – Lieber ein wenig länger und richtig als ein ständiger Hin-und-Her-Modus.

Diesen Menschen möchte ich sagen: Daran halten wir uns; daran halte ich mich. Wir schauen lieber voraus, als im Rückblick sagen zu müssen: Hätten wir es doch besser anders gemacht. Deswegen bleiben wir auch bei unserer Linie, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Wir tun das nicht, weil wir Spielverderber sind oder weil wir, wie es dann immer heißt, jemandem bewusst die Freuden nicht gönnen – das ist ein völliger Unsinn –, sondern weil es reale und reelle Gefahren gibt. Eine davon ist die Mutation.

Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, ob die angestrebte Inzidenz zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht ist. Darüber, ob einem die 50, 51, 49 wichtiger wäre, darf man sich auch streiten; das ist okay. Aber die reale Gefahr der Mutation besteht in ganz Europa, auch in Deutschland und Bayern. Wer die Gefahr der Mutation ignoriert, der verspielt Erfolge und riskiert Leben. Das könnte am Ende zu großen Schäden führen.

Alle Wissenschaftler sind sich einig, dass die Mutationen schon hier sind, und Mutationen übernehmen, weil sie dominanter sind. Die Mutation eines Virus ist nichts anderes als die Antwort des Virus auf unsere Maßnahmen, sie zu bekämpfen. Das Virus wehrt sich quasi und entwickelt vielfältige Mutationen. Viele davon sind ungefährlich, manche sind gefährlich.

Bei uns sind zwei Mutationen vorhanden, die uns große Sorgen bereiten. Die eine ist die britische Mutation, die eine höhere Übertragbarkeit aufweist – Experten schätzen zwischen 40 und 70 % – und die zum Teil mit höheren und schwereren Krankheitsverläufen einhergeht. Die andere ist die südafrikanische Mutation – diese haben wir im Moment eher in Tirol –, die ebenfalls eine höhere Übertragbarkeit hat und bei der – das ist besonders schwierig – Antikörper nicht so lange wir

ken. Das heißt, möglicherweise haben Impfstoffe nicht oder nicht auf Dauer die erhoffte Wirkung.

Eine Mutation bedeutet für uns nach den Einschätzungen der Wissenschaft, dass der R-Faktor höher und damit ein schnellerer Einstieg in ein exponentielles Wachstum verbunden ist. Wir haben versucht, Modellrechnungen anzustellen und gefragt: Was hätte es bedeutet, wenn die britische Mutation beispielsweise im Dezember schon dagewesen wäre? Dann hätte das – so die Aussagen –, was wir gemacht haben, wohl nicht gewirkt. Die Verbreitung wäre dann so schnell gewesen, dass die Maßnahmen nicht gereicht hätten.

Mutationen werden wir nicht verhindern können. Je niedriger aber die Infektionszahl ist, desto leichter ist der Umgang damit. Je höher die Infektionszahl ist, desto schneller geht der Sprung zu mehr Infektionen, zu mehr belegten Intensivbetten und – die Kurve ist immer die gleiche – leider auch zu mehr Todesfällen. Deswegen: Je weniger, desto besser; je weniger, desto sicherer.

Ist diese Gefahr jetzt nur eine theoretische? Will der Ministerpräsident mit dieser Gefahr nur ein Argument finden, um weiterhin Geduld für die Maßnahmen zu erwecken? – Leider nein. Eine unserer großen Herausforderungen ist es, dass wir im Landesinneren Bayerns zum Teil sehr gute Entwicklungen haben. Diese Entwicklungen bedeuten im Übrigen keinen Wettbewerb, sondern ergeben sich immer aus dem aktuellen Tagesblick auf das Ranking. Ein Landkreis kann heute gut und morgen ein Hotspot sein. Das ist keine Frage von besser oder schlechter, sondern eine Frage von Hoffnung oder Sorge.

Sehr gefreut hat mich, dass München als erste Millionenstadt einen Inzidenzwert unter 50 hatte. Das hat mich deswegen besonders gefreut, weil wir im Süden Bayerns zu Beginn der Pandemie stärker betroffen waren. Heute befinden sich alle unsere Hotspots in Ostbayern, überwiegend an der Grenze zu Tschechien oder auch im Grenzbereich zu Tschechien und den neuen Bundesländern. Das ist auffällig. Tirschenreuth, Wunsiedel und Hof sind besonders stark betroffen. Selbstverständlich kommt der Eintrag dort von der Nachbarseite, von der tschechischen Seite. Der Zusammenhang von Infektionen auf der einen Seite der Grenze mit Infektionen auf der anderen Seite ist unwiderlegbar. Die tschechische Regierung reagiert darauf und sperrt ganze Regionen ab. Wir reagieren mit unserer Hotspot-Strategie.

Mir macht aber nicht allein die Zahl der Infektionen, sondern die Art der Infektionen Sorge. Bei Proben und Untersuchungen, die gemacht wurden – sie sind nicht abschließend repräsentativ, aber sie werden gerade nachsequenziert –, stellt sich zum Beispiel heraus, dass die Proben von Tests bei Menschen aus Tschechien, die zu uns gekommen sind und die übrigens hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem und in vielen Wirtschaftszweigen sind, in Wunsiedel zu 73 % die britische Mutation aufwiesen und in Tirschenreuth zu 40 %. Nachdem nochmals alle Proben, also auch die Proben von unseren Bürgerinnen und Bürgern, nachsequenziert wurden, wurde in Wunsiedel in 25 % und in Tirschenreuth in 30 % der Proben eine solche Mutation nachgewiesen.

Deswegen dürfen wir diese Gefahr nicht einfach ignorieren. Deswegen reicht es auch nicht, wenn wir die Maßnahmen einfach nur fortsetzen. Wir brauchen eine Extrareaktion. Ich bin der Bundeskanzlerin, dem Bundesinnenminister und der gesamten Bundesregierung sehr dankbar dafür, dass sie unserem Antrag ähnlich wie Sachsen gefolgt sind und heute Tschechien und Tirol zu Mutationsgebieten erklärt haben. Das ist die reale Situation. Das ist ein wichtiger Ansatz. Wir sind für ein freies Europa, an der Stelle aber muss die Sicherheit zunächst das entscheidende Moment sein.

Das gilt übrigens auch deswegen, weil wir unseren Menschen eine Menge zumuten. Wir wollen in einer solchen Situation das Erreichte nicht aufs Spiel setzen. Deswegen wird sich im Mutationsgebiet auch ein neues Grenzregime ergeben. Auf unseren Antrag hin werden nach Auskunft des Bundesinnenministeriums, wohl von Samstag auf Sonntag, stationäre Grenzkontrollen eingeführt. Entscheidend ist, dass Einreisen dann nur mehr mit einem negativen Test möglich sind. Wer einen solchen Test nicht vorweisen kann, der kann an der Grenze zurückgewiesen werden. Für die Pendler, insbesondere für die wichtigen Beschäftigten in der medizinischen Versorgung und in der Wirtschaft, werden wir praktikable Lösungen finden. Ich sage aber auch: Ich glaube, dass die Grenzkontrollen eine ganz entscheidende Schutzmaßnahme sind. Wir brauchen den Hinweis auf mögliche Infektionen. Wir brauchen diese Sicherheit. Wir handeln auch vorausschauend gegenüber Tirol. Wien ergreift Maßnahmen. Ob die Regierung in Tirol diese Maßnahmen eins zu eins umsetzt, werden wir sehen. Ich darf nur sagen: Einmal Ischgl reicht. Lieber gehen wir an der Stelle auf Nummer sicher. Ich glaube, das ist der richtige Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Vorsicht und Umsicht sind geboten. Wir müssen sehen, was sich entwickelt, und alles im Blick haben. Wir brauchen auch wegen der Mutation diese Pufferentwicklung. Wir dürfen von den Menschen nicht erwarten, dass sie jedes Detail kennen, das wir kennen. Wenn einer dies oder jenes machen will, können wir nicht sagen, dann machen wir es halt. Wir müssen es einordnen, wir müssen aus Meinungen und Stimmungen Konzepte machen. Das ist der Unterschied zwischen etwas zu erzählen und zu regieren, und das ist für den Landtag entscheidend. Führen wir lieber die zweite Welle zu Ende und senken das Niveau, statt völlig unüberlegt in eine dritte Welle zu stolpern.

Perspektiven brauchen wir. Das ist klar. Der Mensch braucht Perspektiven. Man kann ihn nicht auf irgendetwas vertrösten. Wir brauchen Perspektive mit Vorsicht oder Vorsicht mit Perspektive. Jeder kann wählen, von welcher Seite er sich dem nähern will. Wir wollen kein Strohfeuer, sondern versuchen, eine längerfristige Entwicklung einzuleiten. Nur zum Vergleich: Im letzten Jahr waren wir in einer ähnlich schwierigen Situation. Damals haben wir auch geöffnet, aber die Inzidenzwerte waren ganz andere. Bei der Öffnung des Handels lagen wir damals zum Beispiel landesweit bei 23, bei der Öffnung der Schulen bei 16 und bei der Öffnung der Friseure bei 12.

Das heißt, wir sind heute näher an vielen Maßnahmen, und das ist auch begründbar, weil wir heute mehr wissen als damals. Deshalb brauchen wir eine Perspektive mit Vorsicht. Wir brauchen eine Perspektivstrategie, soweit man sie machen kann. In meiner Fraktion hat mich heute jemand gefragt, ob ich etwas dazu sagen kann, was in sieben Wochen sein wird, ob wir das schon festlegen können. Schön wäre es schon. Ostern ist in sieben Wochen. Vor sieben Wochen haben wir noch gar nicht gewusst, ob das, was wir tun, überhaupt wirken wird.

Die Perspektive, dass wir zeitlich genau festlegen könnten, wann was gilt, kann ich nicht geben. Ich kann aber sagen: Wenn sich die Zahlen positiv entwickeln, machen wir viel, viel mehr. Wenn die Zahlen es hergeben, öffnen wir aus Freude. Wenn die Zahlen aber schlechter sind, öffnen wir aus Sorge nicht. Dies wäre falsch. Dies wäre in etwa so, als würde man über einen gefrorenen See gehen und es würde zu tauen beginnen. Auch da kann man nicht einfach losrennen, sondern muss Schritt für Schritt fühlen, tasten und vorausschauen, ob das Eis hält oder nicht.

Deswegen geben wir Orientierung, aber nicht mit acht, neun, zehn oder elf Stufen, die wir zwar alle kennen und verstehen, die aber für die Bürgerinnen und Bürger

zum Teil schwer verständlich sind. Wir orientieren uns daran, was verständlich ist, nämlich an den Zahlen für die Corona-Ampel. Diese Zahlen sind klar: 35, 50, 100. Gestern wurde im Deutschen Bundestag darüber debattiert, die 35 sei eine völlig neue Zahl; damit sollten die Bürger noch einmal bewusst unterdrückt werden. Das Infektionsschutzgesetz des Bundes gibt in § 28a Absatz 3 einen ganz klaren Hinweis darauf, dass die Zahlen 35 und 50 vom Gesetzgeber gewollt sind. Allen denen, die heute sagen, diese Zahl sei nicht reell, gebe ich den Hinweis: Sie ist reell, sie ist sogar beschlossen worden. Wie sagte ein alter Juraprofessor bei mir im Studium? Ein Blick ins Gesetz fördert die Rechtskenntnis. – Diese Zahlen sind beschlossen und parlamentarisch und demokratisch legitimiert. Sie stehen damit auf einer anderen Basis als vieles andere. Das ist das Entscheidungsgerüst.

Wie gehen wir jetzt konkret vor? – Ich sagte schon: Vorsicht mit Perspektive, oder Perspektive mit Vorsicht. Erstens verlängern wir den Lockdown zunächst bis zum 7. März. Das ist keine leichte Entscheidung, weil alles überwiegend so bleibt, wie es war. Wir müssen die Kontakte beschränken, weil die Kontakte entscheidend für die Übertragung sind. Die Maskenpflicht bleibt. Welche Debatte gab es, als wir in Bayern gesagt haben, wir gehen mit FFP2-Masken voran? Welche Diskussionen gab es sogar in manch anderem Bundesland? Was ist jetzt das Ergebnis? – Wir haben die FFP2-Masken nicht nur für Deutschland beschlossen, sondern unsere Bevölkerung geht hervorragend damit um. Auch dafür gilt mein Dankeschön. Selbstverständlich ist die FFP2-Maske für einen selber mehr belastend als andere Masken. Die Menschen leisten aber auch Großartiges. Dafür, wie gut alle mitmachen, ein herzliches Dankeschön!

(Beifall)

Wir verlängern die Maßnahmen, schaffen aber an einigen Stellen Veränderungen und Verbesserungen und reagieren angemessen.

Erstens. Beispiel Ausgangssperre. Ich kann nur eines sagen: Die Ausgangssperre war ein zentrales Instrument und hochwirksam. Auch in Baden-Württemberg war sie sehr erfolgreich. Baden-Württemberg hat sogar noch niedrigere Zahlen, Herr Arnold, als wir. Daran zeigt sich, dass sie wirksam war.

Ist dies möglicherweise verfassungswidrig? – Zumindest bislang haben der Bayerische Verfassungsgerichtshof und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Ausgangssperre mehrfach – jedenfalls in Eilverfahren – bestätigt und anerkannt. Nur so viel zu dem Thema, auf welchem juristischen Boden dies passiert.