Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

(Beifall bei der SPD)

Aber vielleicht ist das auch nur die Potenzierung dessen, was man gestern in einer Bemerkung in der „Nordsee-Zeitung“ lesen konnte, da hat ein anonym gebliebener Staatsrat gesagt, jedenfalls wird er so zitiert: „Einige Große Anfragen gingen ihm und anderen Staatsräten ziemlich auf den Geist.“ Einmal unabhängig davon, ob ein Staatsrat sich so äußern darf, aber ich vermute, er muss diese Anfrage der CDU gemeint haben.

Wenn Sie sich anschauen, was die zentrale Frage der CDU in dieser Großen Anfrage ist, dann lesen Sie: In welchem Umfang haben die Bremer und Bremerhavener von der Wirtschaftsstrukturpolitik pro––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

fitiert? Eigentlich hätten wir das etwas konkreter formulieren können, so nach dem Motto: Wie viel Gutes haben wir für die Bremer und Bremerhavener getan? Dann wäre das eine Anfrage gewesen, die, glaube ich, das getroffen hätte, wie Sie es mit dieser Einfachheit beantwortet haben.

Die SPD-Fraktion hat das, obwohl wir manches im Wahlkampf für zulässig und auch für möglich halten, für peinlich gehalten. Wir haben uns an dieser Peinlichkeit nicht beteiligt, und deswegen haben wir diese Große Anfrage nicht mit eingebracht.

(Beifall bei der SPD)

Aber anders als Sie, Herr Eckhoff, will ich mich an der Debatte über diese Antwort des Senats beteiligen, zumal diese Große Anfrage doch weitgehend nichts anderes ist, als dass Sie den Versuch unternehmen, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, denn es war doch in den vergangenen vier Jahren die SPD, die immer wieder klar gemacht hat, dass die Sanierungspolitik eben kein technokratischer Vorgang ist, der nur an Zahlen zu messen ist, sondern der etwas mit den Menschen zu tun hat, eine Politik, die für die Menschen ist, vor allen Dingen auch mit den Menschen gemacht werden muss. Dass Sie augenscheinlich so ein bisschen zu dieser Einschätzung gekommen sind, das mag uns dann doch am Ende zusammenführen.

Meine Damen und Herren, wenn ich über Lebensqualität spreche, dann nicht zuerst über die Verschönerung in den Innenstädten Bremens und Bremerhavens. Das ist auch alles sehr hübsch, und das schätzen wir, aber die Grundlage von Lebensqualität ist, dass die Menschen Arbeit haben und nicht ausgegrenzt werden. Deswegen steht bei uns im Mittelpunkt, dass wir uns mit einer Arbeitslosigkeit von 40 500 im Lande Bremen nicht abfinden können und dass alle unsere Investitionsanstrengungen darauf gerichtet sind, mehr Beschäftigung für Bremen und Bremerhaven zu schaffen. Wir waren es, die am Anfang dieser Legislaturperiode letztlich mit einem einstimmigen Beschluss der Bürgerschaft dafür gesorgt haben, dass die Beschäftigungseffekte das maßgebliche Kriterium sind, an dem wir die Notwendigkeit von Investitionen messen, und das wird auch in der nächsten Legislaturperiode unsere Politik sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man über Wirtschaftsstrukturpolitik und die Wirkungen spricht, dann kann man nicht umhin, Herr Senator Hattig, auf Ihre bemerkenswerten Äußerungen von gestern zu sprechen zu kommen. Jedenfalls wäre es unvollständig, wenn man es nicht täte, und deswegen will ich das vorweg auch gern tun. Das Stichwort Space-Park spielt sicher auch in diesem Zusammenhang eine nicht ganz unwesentliche Rolle.

Ich kann nicht beurteilen, ob das Einkaufszentrum im Space-Park, wie es Senator Hattig gesagt hat, tatsächlich gestorben ist. Ich würde es für bedauerlich halten, wenn Herr Senator Hattig Recht hätte. Er hat es aber gesagt, und er wird seine Gründe dafür haben. Ich spreche es deswegen an, weil Herr Senator Hattig noch etwas anderes gesagt hat, nämlich: Wir müssen uns etwas völlig Neues einfallen lassen. Da ist meine Frage: Wer sind in diesem Zusammenhang eigentlich wir? Sind das wir, die Politik? Sind das wir, der Senat?

(Abg. T e i s e r [CDU]: Wir, der Senator für Wirtschaft!)

So weit sind wir noch nicht, Herr Teiser!

Meine Damen und Herren, es muss doch völlig klar sein, dass die Frage eines neuen, gegebenenfalls anderen geschäftlichen Konzeptes für den Space-Park eine Sache der privaten Eigentümer und der privaten Betreiber ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir übernehmen doch – und da kann man ja fast Herrn Senator Hattig aus früheren Debatten zitieren – keine Verantwortung für den geschäftlichen Erfolg des Space-Parks und erst recht keine zusätzlichen Kosten. Der Space-Park war kein Staatsunternehmen, und er wird kein Staatsunternehmen werden, und das muss sicher sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will aber gern noch hinzufügen, vermutlich muss das auch mit Blick auf die nachfolgenden Reden gesagt werden: Das alles, was wir darüber jetzt neu hören, ist doch kein Anlass für Häme, Schadenfreude oder rechthaberisches Gerede. Wer jemals auf dem Gelände des SpaceParks gewesen ist, der weiß, damit dürfen wir uns nicht abfinden. Wir dürfen uns erst recht nicht schadenfroh darüber hermachen, dass so große Gebäude irgendwann leer stehen werden oder könnten, sondern es muss auf diesem Gelände etwas passieren, es muss Leben herrschen, das alte AG-„Weser“Gelände war viel zu lange tot, deswegen brauchen wir Leben, und deswegen muss unsere Hoffnung dahin gehen, dass auf diesem Gelände auch etwas passiert, was gut für die Stadt, gut für Gröpelingen und gut für das Land ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte zur Großen Anfrage beziehungsweise zur Beantwortung durch den Senat kommen! Die CDU hat in ihrer Anfrage jenseits der Frage der Schlichtheit, auf die ich schon eingegangen bin, die Lebensqualität als eine

Art erfreuliches Nebenprodukt einer auf Haushaltssanierung gerichteten Wirtschaftspolitik betrachtet. Diese Sicht, das will ich hier ausdrücklich sagen, teilen wir nicht, weil diese Sicht falsch ist. Vielmehr ist es umgekehrt richtig. Alle Sanierungsanstrengungen ziehen ihre Berechtigung daraus, dass es um die Verbesserung der Lebensverhältnisse in Bremen und Bremerhaven geht. So müssen wir Sanierungspolitik verstehen, und genau das ist unsere Aufgabe, an der wir uns auch messen lassen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich verstehe die Antwort des Wirtschaftssenators so, dass er seine Parteifreunde durchaus darüber belehrt, dass Wirtschaftsentwicklung und Lebensqualität – so heißt es, glaube ich, ausdrücklich in der Antwort des Senats – die beiden Seiten der Sanierungsmedaille sind, und so ist es richtig, meine Damen und Herren.

Übrigens, die SPD vertritt diese Überzeugung schon lange, allerdings, auch darüber darf man hier einmal sprechen, anfangs unter dem durchaus manchmal sogar hämischen Widerspruch oder der hämischen Begleitung durch die CDU. Ich darf daran erinnern, dass wir ja geradezu als Abweichler, fast sogar als Verräter der Sanierungsidee beschimpft worden sind, als wir unter der Überschrift „Für Bremen und Bremerhaven begeistern“ gewisse Feinjustierungen der Sanierungspolitik gefordert und durchgesetzt haben. Das wird auch die Politik der nächsten vier Jahre bestimmen.

Meine Damen und Herren, es ist aber durchaus erfreulich, wenn man in der Antwort des Senats liest, dass wir uns am Ende dieser Legislaturperiode in der Koalition durchaus einig sind, dass das Sanierungsprogramm beide Aspekte beinhaltet, erstens, Unternehmen durch verbesserte Rahmenbedingungen an Bremen und Bremerhaven zu binden, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, und zweitens, die Städte so zu entwickeln, dass wir Einwohner halten und gewinnen.

Ich lese die Antwort des Senats so, dass die Mitteilung des Senats uns in der Absicht unterstützt, das Thema der Lebensqualität und der Einwohnergewinnung noch stärker zu gewichten, und deshalb werden wir die Entwicklung der Stadtviertel in den nächsten vier Jahren zu einem Schwerpunkt unserer Politik, zu einem Schwerpunkt der Investitionspolitik machen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Investitionssonderprogramm, das ISP, ist ohne Zweifel ein Erfolgsmodell. Das gilt nahezu ohne Einschränkung, aber, auch darauf muss man immer hinweisen, das entbindet die Politik nicht von der Pflicht, das Programm und vor allem seine Schwerpunkte fortlaufend auf Zielerreichung und Effizienz zu über

prüfen, wo nötig, muss man Umsteuerungen vornehmen. Vor uns liegt ja auch als große Aufgabe, das Anschlussinvestitionsprogramm zu definieren und in seinen Schwerpunkten zu bestimmen.

Die Realisierung touristischer Großprojekte, davon ist in dieser Antwort des Senats ja sehr viel die Rede, hat ohne Zweifel zusätzliche Gäste in die Städte gezogen, allerdings, auch das muss man sagen, war ja nicht jedes touristische Großprojekt ein Erfolg. Auch darüber haben wir hier gesprochen, und das darf man nicht verschweigen. Umso mehr hat es mich gewundert, dass der Wirtschaftssenator kürzlich, offenbar unbeeindruckt von diesen Erfahrungen, neue, und ich darf es so offen sagen, Herr Senator Hattig, aus meiner Sicht durchaus obskure Tourismusprojekte in die Debatte geworfen hat. Ich denke, wir müssen doch, und das darf man auch einmal am Ende einer Legislaturperiode und vor neuen vier Jahren Legislaturperiode sagen, auch aus unseren Fehlern lernen, und wir müssen mit neuen Ideen und neuen Vorschlägen unsere Städte voranbringen, aber nicht krampfhaft an alten Konzepten festhalten wollen.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass wir diese Debatte noch etwas weiterführen, dass die CDU vielleicht doch noch Lust bekommt, das eine oder andere zu sagen, dass sie sich aus dieser wichtigen Debatte nicht abmelden will. Deswegen will ich am Ende nur Folgendes zusammenfassend sagen: Ich glaube, dass das Investitionssonderprogramm dazu beigetragen hat, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern und damit die Defizite bei der Wirtschaftsentwicklung und dem Wirtschaftswachstum in Bremen zu verringern. Ich glaube auch, dass die Verbesserungen für die Bremerinnen und Bremer und für die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener durchaus spürbar sind. Investitionen und unsere Anstrengungen in die Wirtschaftsstruktur und Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit dem Ziel von mehr Arbeitsplätzen bleiben wie bisher, einschließlich der Förderung von Mittelstand und Existenzgründern, auch ein Schwerpunkt unserer Sanierungspolitik.

Aber, und das wiederhole ich noch einmal, das Sanierungsprogramm muss weiterentwickelt werden, dazu haben wir Gelegenheit, das in dieser Zäsur von zwei Legislaturperioden zu tun. Die SPDFraktion hat diese Aufgabe angenommen und das Programm „Vitale Stadtviertel“ entwickelt. Künftig werden Investitionen in die Stadtviertel deren Qualität als Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsräume verbessern und privates Kapital für die dezentralen Wirtschaftszentren akquirieren.

Unternehmen und Einwohner durch gutes Investitionsklima und Lebensqualität an die Städte zu binden ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen

Sanierungskurs. Das gilt für die Innenstädte und für die Stadtviertel, und dies umzusetzen wird die Aufgabe der kommenden Legislaturperiode sein. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, wir als SPDFraktion sind darauf vorbereitet, wir haben diese Aufgabe angenommen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Trüpel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bis gestern beziehungsweise bis heute Morgen war ich davon ausgegangen, dass diese Loberheischungsanfrage der CDU nach dem Motto „Was die CDU schon immer einmal fragen und was das Wirtschaftsressort schon immer einmal antworten wollte“ war.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, aber dann kam die Pressekonferenz des Wirtschaftssenators von gestern Mittag und die Presseberichterstattung von heute Morgen: Space-Shopping kommt nicht, Sanierungsziel nicht erreichbar.

Meine Damen und Herren, das ist schon eine Leistung besonderer Art zehn Tage vor der Landtagswahl und ein Geschenk für die Opposition, wenn der Wirtschaftssenator sozusagen by the way verkündet, die Grundlegitimation der großen Koalition, nämlich 2005 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, ist leider nicht erreichbar, und eines der absoluten Vorzeigeprojekte der großen Koalition, der Space-Park mit der Riesen-Shopping-Mall von 44 000 Quadratmetern, Entschuldigung, haben uns leider geirrt, war nicht so gemeint! Das ist der Offenbarungseid in der Wirtschaftspolitik der großen Koalition!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben ja schon vorgestern anlässlich der sportpolitischen Debatte eine Abschiedsrede gehört, und zwar die vom Senator für Inneres, Kultur und Sport Herrn Böse, der ist offensichtlich auch kein Parteisoldat genauso wenig wie Herr Hattig, der es offensichtlich nicht mehr aushalten konnte, nicht endlich einmal die Wahrheit zu sagen. Kann ich, ehrlich gesagt, gut verstehen bei dem, was immer schöngeredet worden ist. Der Einzige, der noch immer alles schönredet, ist Herr Perschau, der glaubt ja immer noch, aus jedem Schrottplatz eine Goldschmiede machen zu können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Wir kommen ja gleich noch zur Debatte über Ihre Entrümpelungsinitiative. Da kann ich allerdings nur sagen, der damalige Wirtschaftssenator Herr Perschau hätte seinen Schreibtisch ein bisschen entrümpeln sollen, denn dann hätte Wirtschaftssenator Hattig weder das Musical noch den Space-Park auf seinem Schreibtisch vorgefunden. Es ist nicht so, dass ich finde, dass auch er hätte etwas wegwerfen können, aber es wäre natürlich noch viel besser gewesen, die Entrümpelungsinitiative der Koalition hätte sich so ausgewirkt, dass man Projekte, die keine wirklichen Zukunftsinvestitionen sind, nicht in Beton gießt. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte eines gleich noch vorweg sagen, meine Damen und Herren, das sage ich mit vollem Ernst: Es ist nicht schön, Recht gehabt zu haben, vor allem dann nicht, wenn es für Bremen so schlimm ist, wenn wir eine Investitionsruine haben, aber es ist immer noch besser, als Unrecht gehabt zu haben.

Ich komme jetzt erst noch einmal zurück zu dieser Großen Anfrage. Wir haben von Anfang an, die SPD-Fraktion hat in weiten Teilen das dann aufgegriffen, immer gesagt, man darf die Sanierungspolitik nicht so eng denken, nicht im Sinne nur einer halben Modernisierung, dass ökologische und soziale und die Lebensqualität betreffende Investitionen nicht mit in die Sanierungsphilosophie hineingehören. Herr Böhrnsen hat völlig Recht, wenn er jetzt noch einmal sagt, dass nur ein solches Verständnis von Sanierungs- und Modernisierungspolitik, das die ganze Stadt im Auge hat, eine wirkliche Modernisierung und um Arbeitsplätze zu schaffen und den Standort interessant zu machen, sowohl für Unternehmen wie für die Einwohner wirklich zukunftsweisend ist.

Nur, die SPD hat in den letzten Jahren nicht so gehandelt. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, Sie sind oft angegriffen worden, wenn Sie die Lebensqualität ins Feld geführt haben, darf ich Sie an die Auseinandersetzung um das Musical und den Space-Park in der Wirtschaftsdeputation, den Wirtschaftsförderungsausschüssen und hier im Parlament erinnern. Wie oft haben Sie mich denn im Regen stehen lassen mit meinen kritischen Nachfragen, die ja offensichtlich nicht so ganz zu Unrecht waren, bei der Diagnose von Herrn Hattig, er würde das Musical nicht noch einmal machen, und auch der Space-Park ist angesichts der Situation des Einzelhandels eine falsche Entscheidung gewesen!

Die ganze Legislaturperiode ging der Streit darum, was sind eigentlich wirklich Zukunftsinvestitionen. Ich kann heute nur feststellen, dass Teile auch richtig gemacht worden sind wie Forschung und Entwicklung, dass aber wesentliche Vorzeigeprojekte im Bereich Tourismus schlicht falsch gewesen sind

und gerade Bremen nicht nach vorn gebracht haben und keine neuen Arbeitsplätze geschaffen haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben seit Jahren betont, dass es gerade um die richtige Mischung der Angebote geht, um diesen Ansatz neue Technologien, junge Talente und gesellschaftliche Toleranz. Studien aus den USA und anderen europäischen Ländern haben gezeigt, dass nur die Regionen ökonomisch wirklich erfolgreich sind, die genau diesen Ansatz in dieser Mischung von Clustern von anregenden Milieus verfolgen. Das ist der richtige Weg und eben kein Konjunkturprogramm in Beton, wie es für den Space-Park geheißen hat.