Wir müssen die Kreativität, die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung der Bürger wieder entwickeln. Wir müssen dafür sorgen, wenn die Bürger etwas aus eigener Kraft nicht mehr leisten können, dass dann zunächst einmal andere helfen, und nicht, dass sofort nach dem Staat gerufen wird. Der Staat soll erst dann eintreten, wenn der Einzelne oder die Solidargemeinschaft nicht mehr in der Lage ist zu helfen. Nicht sofort der Ruf nach dem Staat! Hier ist der Gedanke der Subsidarität gefragt. Eigeninitiative muss möglich sein, und dies müssen wir fördern.
Ein solches Gesellschaftsverständnis trägt unseres Erachtens dazu bei, dass jeder Einzelne für die Gesellschaft wichtig ist und aktiv an deren Gestaltung mitwirkt. Dies, meine Damen und Herren, gehört auch zu einem Teil Abbau von gesetzlichen Regelungen. Es gehört dazu, einmal die Bürokratie zurückzudrängen, sie auf ein Maß zu reduzieren, das notwendig ist, um die Regeln, die notwendig sind in einer Gesellschaft, wenn Menschen miteinander leben, zu gestalten, aber gleichwohl auch den Staat selbst auf den Prüfstand zu stellen und zu fragen: Muss der Staat alles selbst machen, oder kann nicht auch der Einzelne und muss nicht auch die Aktivität, die Initiative des Einzelnen viel mehr gestärkt werden, und muss darin nicht zukünftig eine Aufgabe liegen?
Herr Böhrnsen hat darauf hingewiesen, es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Aktivitäten in unterschiedlichen Bundesländern. Es gibt einen sehr zu empfehlenden ausführlichen Enquetebericht aus Baden-Württemberg zu Situation und Chancen mittelständischer Unternehmen, der in einer Vielzahl von verschiedenen Themenfeldern abfragt, welche Behinderungen mittelständische Unternehmen in Deutschland haben. Die Auswirkungen werden auch auf die Familien der Unternehmer bezogen. Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Aktivitäten auch aus anderen Bundesländern. Es gibt aus dem BAW hier in Bremen Vorschläge. Es gibt das, was Herr Böhrnsen erwähnt hat, und es gibt von der Deutschen Industrie- und Handelskammer Vorschläge.
Es ist an der Zeit, dass Politik sich dieses Themas intensiv annimmt. Die Bürger warten darauf, dass wir das tun. Wenn wir das nicht tun, auch hier aus dem Parlament heraus, werden wir nur begrenzt etwas bewegen. Herr Böhrnsen hat das eben auch angedeutet. Verwaltung ist so, wie sie ist. Wenn ich jemanden aus der Verwaltung frage, ob das, was er
tut, denn eigentlich noch notwendig ist, wird er mir selbstverständlich immer antworten, selbstverständlich ist das notwendig. Sonst würde er sich ja auch überflüssig machen. Von daher gesehen muss das unsere Aufgabe sein, Bürokratie zurückzudrängen. Wenn wir an dem vorliegenden Raster unseres Antrags, das wir vorgegeben haben, weiterarbeiten, haben wir hier gemeinsam eine gute Chance, tatsächlich etwas zu bewegen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Selbstverständlich werden wir diesem Antrag zustimmen, weil es geradezu eine patriotische Pflicht ist für Parlamentarier, der Exekutive Grenzen zu setzen, und darum geht es letztlich auch bei diesem Antrag.
Ich werde mich hier jetzt nicht auf die Debatte um das Staatsverständnis einlassen, Herr Kollege Schrörs, das wäre eine interessante Debatte, aber ich glaube, am Ende der Legislaturperiode ist der falsche Augenblick. Es ist eigentlich eine Aufgabe, die wir zu Beginn einer neuen Regierung lösen müssen, welche Aufgaben wollen wir dieser Regierung mitgeben, welche Aufgaben übernimmt das Parlament von sich aus, und was lassen wir lieber den Bürger machen. Ich glaube, das ist eine interessante Debatte, die eine neue Legislaturperiode auch prägen könnte und nicht nur etwas mit Bürokratie, nicht nur etwas mit Vorschriften zu tun hat, sondern sich auch damit beschäftigen muss, wie sich der Staat selbst in anderer Form ein neues Gesicht gibt, das zu neuer Bürokratie führt. Ich denke nur an das Gesellschaftsunwesen, das wir in den letzten Jahren in der Stadtgemeinde und im Land Bremen errichtet haben.
Der Kollege Böhrnsen hat Recht, wenn er sagt, dass die Kritik an der Bürokratie eigentlich bei uns selbst anfangen muss. Deshalb denke ich, der Antrag, den Sie vorgelegt haben, benennt viele Felder, aber er sagt eigentlich noch nichts Genaues und gibt die Aufgabe an den Senat. Wir selbst müssten eigentlich als Parlament, und das ist auch eine Anregung für das nächste Parlament, weil dieser Antrag mit Ende der Legislaturperiode in Wirklichkeit verfällt, die Initiative noch einmal erneuern, damit der neue Senat das auch tatsächlich tut, was wir jetzt beschließen werden. Das wissen Sie ja alle. Wir müssten eigentlich selbst eine Initiative ergreifen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ich beobachte das, wie wir hier mit Gesetzen umgehen, die uns der Senat vorlegt. Oft sind es nur Gesetze, die Bundesrecht nachvollziehen, oft sind darin aber auch noch ein paar kleine eigene bremische Vorschriften, die Abwandlungen auf Bremen beziehen. Wir schauen uns das alles nicht ernsthaft an, weder die Grünen als Opposition oft genug noch die CDU, noch die SPD, da müssen wir alle ehrlich sein.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Sie sagt, es stimmt nicht! – Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/Die Grünen]: Es stimmt nicht!)
Die Abgeordnete Mathes schaut sich vielleicht die umweltbezogenen Gesetze an. Aber nicht jedes Gesetz, das wir hier verabschieden, wird wirklich gründlich geprüft. Ich würde vorschlagen, dass das Parlament in der nächsten Legislaturperiode sich ein Gremium, das kann ja einer der bestehenden Ausschüsse sein, sei es der Rechtsausschuss, sei es der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss, ein Vorprüfungsgremium schafft. Das muss nicht bürokratisch sein, sondern das sich vornimmt, jede Vorschrift, die hier neu erlassen wird, letztlich durch mindestens einen Abbau einer alten Vorschrift zu ersetzen. Das wäre schon ein Weg. Wir haben nämlich in dieser Legislaturperiode mehr neue Gesetze geschaffen, als irgendwelche abgeschafft.
Auch in der letzten Legislaturperiode war es das Gleiche, obwohl wir den Senat schon einmal beauftragt hatten, Gesetze abzuschaffen. Da sind etliche Vorschriften abgeschafft worden, aber das, was wir im gleichen Zeitraum neu geregelt haben, war eigentlich mehr als das, was wir beseitigt haben. Deshalb wäre es sinnvoll, sich auch von parlamentarischer Seite noch einmal gründlicher mit dem zu beschäftigen, was wir selbst machen.
Ich will jetzt nur zwei Beispiele aus dieser Legislaturperiode nennen. Da haben die Grünen gut aufgepasst, aber dennoch haben wir das verabschiedet. Wir hatten hier zum Beispiel ein Ortsgesetz in der Stadtbürgerschaft, das sich mit dem Müll beschäftigte. Darin war eine wunderschöne Regelung über den gelben Sack, dass selbst diejenigen, die ihn ordnungsgemäß, was immer das sein mag, das will ich hier gar nicht definieren, füllen, aber zu früh hinausstellen, damit eine Ordnungswidrigkeit begehen und mit einem Bußgeld belegt werden können.
Es kontrolliert natürlich in Wirklichkeit niemand. Es ist ein völlig aberwitziges, unsinniges Gesetz, denn es soll eine erzieherische Wirkung haben, die es nicht hat. Also lässt man es doch, solche Gesetze zu machen!
Noch absurder finde ich die Debatte, die wir hier anlässlich der Änderung des Meldegesetzes hatten. Das sollte unbürokratischer werden, und diese Vermieterbescheinigungen sollten abgeschafft werden. Was haben wir stattdessen gemacht hier, nicht wir als Grüne, sondern die Mehrheit hier? Die hat jetzt die Vermieter beauftragt, doch die Mieter zu zwingen, sich in einer bestimmten Zeit anzumelden, und wenn sie das innerhalb von drei Wochen nicht getan haben, sind die Vermieter eigentlich dran.
Auch da gibt es niemanden, der das in Wirklichkeit kontrolliert. Ich weiß noch, dass sich der Kollege Kleen damals über diesen Vorschlag ziemlich lustig gemacht hat, aber aus Koalitionsgründen – –.
Das ist wunderschön, dass wir hier gleich einen Streit über Bürokratie bekommen, wo wir die Bürokratie abschaffen wollen. Herr Kollege Herderhorst, selbst wenn es jetzt im Detail juristisch noch ein bisschen anders ist, macht das die Vorschrift nicht sinnvoller, die Sie gemacht haben. Ich glaube, darüber haben wir hier schon einmal lang und breit debattiert.
Ich sage das doch nur als Beispiel dafür, dass wir selbst das, was wir beschließen, noch einmal ein bisschen ernster nehmen und sehen müssen, wo es einen Sinn macht. Fast jede Vorschrift, zu der es kein Vollzugsorgan, keinen Vollzugsauftrag, keine Vollzugsmöglichkeiten gibt, können wir uns im Regelfall auch sparen, denn es macht nur in ganz wenigen Fällen pädagogischen Sinn. Der Glaube, dass Menschen dieses Gesetz überhaupt kennen, wenn sich niemand darum kümmert, es umsetzen, ist, glaube ich, nur in Hirnen von Bürokraten verbreitet. Das kann kein Parlamentarier, der im Alltagsleben steht, ernsthaft glauben, also, lassen wir das!
Wir unterstützen ausdrücklich, Herr Kollege Böhrnsen, den Vorschlag über die Innovationszonen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Ich fürchte, es wird auch einen fürchterlichen Streit geben, welche Vorschriften hier in Bremen nicht angewandt werden sollen und welche ja. Der Bereich, den Sie gebracht
haben mit der Regionalstadtbahn, ist ein sehr gutes Beispiel, weil die Anwendung der Eisenbahnbetriebsordnung und der dazu erlassenen Rechtsverordnungen des Eisenbahnbundesamtes wirklich eine Ausgeburt von bürokratischer Schönheit sind. Es wäre ganz toll, wenn wir das umsetzen könnten.
Ich will aber noch einen einfachen Vorschlag machen. Lesen Sie noch einmal die Antwort auf die Große Anfrage, die die beiden Fraktionen zur Farge-Vegesacker-Eisenbahn gestellt haben, und all die Bedenken, die darin formuliert sind, und die Schwierigkeiten, die auftreten können! Dann, würde ich sagen, fangen wir ruhig bei der Farge-Vegesacker-Eisenbahn in Bremen an! Da werden nämlich auch alle diese Vorschriften schon einmal angewandt aus der Eisenbahnbetriebsordnung und aus anderen Vorschriften des Bahnbetriebes. Dann hätten wir nämlich schneller einen Probebetrieb und vielleicht sogar einen Echtbetrieb, und es würde vor allen Dingen wesentlich billiger werden, als es uns heute vom Bauressort noch vorgetragen wird.
Innovationszonen ja, Streit darüber, wo die Rechtsvorschriften aufgehoben werden! Wenn es nach mir geht, möglichst viele Rechtsvorschriften, die heute daran hindern, dass der Bürger in dieser Stadt sich einfacher bewegen kann, einfacher bauen kann und besser leben kann, wenn es der Lebensqualität dient, ja! Wir unterstützen das voll und ganz, was Sie gesagt haben, wenn es um Schutzrechte für den Einzelnen oder für gesellschaftliche Gruppen geht, dann ist Vorsicht geboten. Ich weiß, dass es hier um Ausgleich geht. Es geht nicht einfach nur darum, der Wirtschaft etwas Gutes zu tun. Es geht immer um sozialen Ausgleich in dieser Stadt, auch bei dem Abbau von Rechtsvorschriften.
Ich wünsche also jetzt dem nächsten Parlament viel Mut dabei, lebhafte Auseinandersetzungen und vor allen Dingen solche Auseinandersetzungen, die die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt verstehen, und nicht Streit um Dinge, die Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht verstehen. Dann schaffen wir vielleicht tatsächlich einen rechtlich so gestalteten Raum in dieser Stadt Bremen und im ganzen Land Bremen, dass das, was wir vorher hier diskutiert haben, die Lebensqualität, verbessert wird, ohne dass Sicherheit und Schutzrechte der Bürger abgebaut werden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße den Antrag sehr. Ich freue mich, dass er gestellt worden ist. Er ist in der Analyse zutreffend, er ist in der Zielsetzung zutreffend. Wir alle wissen, wie bedeutend es für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein wird,
eingeschlossen Bremen, auf diesem Gebiet, darf ich das so ausdrücken, endlich messbar und in angemessener Zeit tätig zu werden.
Wir kennen die Belastungen vornehmlich der kleinen und mittleren Betriebe, wir haben das in der Beantwortung der Anfrage dargelegt. 3500 Euro rechnet man etwa pro Arbeitsplatz bei Betrieben, die bis zu zehn Beschäftigte haben, und 150 Euro bei den Großbetrieben. Ich selbst versuche, das immer anschaulich zu machen: Das Kompendium der Arbeitsgesetze und Verordnungen, 820 Seiten auf dünnem Papier, nur Gesetze und Verordnungen, das muss ein kleiner Handwerker mit fünf Beschäftigten dann abends, wann denn, Sonntag abends, hintereinander bringen. Ich glaube, über die Notwendigkeit, es zu tun, gibt es keinen Zweifel.
Aber die Gefahren, die damit verbunden sind, sind eben immer die normative Kraft des Faktischen, dass man sich, wie soll ich sagen, zwar rhetorisch und in Parlamenten wunderbar damit beschäftigt, aber dann bleibt alles so, wie es ist. Deswegen habe ich in meinem Haus schon einmal eine – wie nennt man das vornehm? – Enquete für den Mittelstand veranlasst, die ist auch in den Antrag eingeflossen.
Ich warne darüber hinaus vor der Bürokratisierung der Entbürokratisierung. Liebe Damen und Herren, Sie glauben gar nicht, wie viele schon wieder in den Startlöchern mit ihren Hufen scharren, um neue Bürokratien zu schaffen. Das ist ja fürchterlich! Ich sage Ihnen, wenn Sie sich einmal Basel II, also die ganze Diskussion zur Finanzierung der Großbanken, überhaupt der Bankensituation, ansehen und dann die damit verbundenen schon in Gang gesetzten Fragetechniken, dann wissen wir, dass es der mannhaften oder frauhaften Taten bedarf, um diesem Unsinn ein Ende zu machen.
Wir haben in Deutschland rund 80 000 Gesetze und Verordnungen, und, Herr Mützelburg, ich bin sehr dankbar, dass Sie die eigene Nase im Gesicht von Herrn Enzensberger hier erwähnt haben. Wir müssen vor Ort aufpassen, dass wir nicht ständig Baumverordnungen und weiß der Kuckuck was sozusagen in die Perfektion unserer Gedanken bringen, um dann zu sagen, wenn es geordnet ist und im Gesetz steht, dann muss es auch funktionieren. Es funktioniert nicht! Sie haben mein uneingeschränktes Wohlwollen. Da Ihnen daran aber nicht so viel liegt, ich habe auch gehandelt und finde es sehr gut, dass dieser Antrag gestellt worden ist. – Danke!