Wir sind eine große Macht als Einkäufer, man kann Demokratie auch mit dem Einkaufskorb ausüben. Dabei sind die Stadt und das Land Bremen gefordert, aber auch wir Verbraucher, und wir müssen selbst auch darauf achten, was wir so kaufen, was wir uns anschaffen, um das Ganze nach vorn zu bringen. – Schönen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anfrage sollte klären, wie weit wir eigentlich mit dem Anspruch sind, dass öffentliche Beschaffung wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kriterien entspricht. Vorweg: Beim Lesen der Anfrage hatte ich den Eindruck, das ist eine Anfrage, mit der man fragt, ob wir eigentlich gute Dinge machen, gemacht haben und machen wollen. Die Antwort heißt, ja, wir haben gute Dinge gemacht, wir machen gute Dinge, und wir werden gute Dinge machen. Was mir in dieser Anfrage fehlt – das meine ich nicht despektierlich, sondern es ist auch wichtig, dass man es macht –, ist eine Einschätzung, wie weit wir eigentlich auf dem Weg fortgeschritten sind.
Es ist eine ganze Reihe von Projekten, Maßnahmen und Ideen in dieser Anfrage benannt worden, und es ist überhaupt keine Frage, dass vieles davon in Ordnung ist, aber wenn man weiß, wir haben 3 000 Produkte umgestellt und wir haben einen dreistelligen Millionenbetrag, den wir für Beschaffung ausgeben, hätte ich gern gewusst, wie hoch dieser dreistellige Millionenbetrag eigentlich genau ist, ob es sich um 111 Millionen Euro handelt oder um 999 Millionen Euro, vielleicht nicht auf den Euro genau. Man hätte, glaube ich, auch eine Idee entwickeln können, wenn man gesagt hätte, wie weit wir denn jetzt ungefähr auf dem Wege gekommen sind, wenn wir es auch eventuell bis zum Jahr 2020 noch nicht ganz geschafft haben. Sind wir bei 10, 15 oder 35 Prozent? ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Das würde, glaube ich, neben der Tatsache, dass man inhaltlich gute Dinge tut, auch eine Idee vermitteln, wie weit wir eigentlich in der Realisierung unserer guten Absichten sind. Das ist meine grundsätzliche Anmerkung zu dieser Anfrage, und da hätte ich mir mehr gewünscht.
Wir wissen, wir müssen eine ganz breite Palette Computer, Autos, Kleidung, Möbel, Verbrauchsmaterial und Lebensmittel kaufen. Die Lieferantinnen und Lieferanten kommen von nah bis fern, zum Teil vom anderen Ende der Welt. Wir wissen auch, dass diese Produkte ökologisch sein sollen, das ist schon gesagt worden, die Kleidung, die man trägt, das Essen, das man isst, das Papier, das man benutzt, darf diejenigen, die sie tragen, es essen und benutzen, nicht krank machen. Die Computer und die Leuchtmittel, die man benutzt, dürfen diejenigen, die mit ihnen arbeiten müssen, nicht krank machen. Das ist relativ selbstverständlich. Das war es aber in der Vergangenheit nicht. Wir wollen auch, dass die Produkte ökologisch hergestellt werden, es darf, wie gesagt, damit kein Raubbau an der Natur verbunden sein.
Wir wissen nicht nur aus den Skandalen, sondern auch aus dem normalen Leben, wenn man durch die Welt fährt und schaut, wie bestimmte Produkte hergestellt werden – ich habe es bei Kleidung vielfach gesehen, das ist nicht einmal ein großer Skandal, sondern das ist Alltag –, dass ein relativ hoher Grad an Umweltverschmutzung herrscht. Das, finde ich, muss man selbstverständlich verstärkt in Betracht ziehen, wenn man Bekleidung für die öffentliche Hand bestellt. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Bestellung hochwertiger Kleidung, die länger hält, für diejenigen, die sie tragen müssen, einfach besser ist. Daher ist der Ansatz, Lebenszyklen von Produkten zu betrachten, also wie lange ein Produkt eigentlich existiert und was es über die Zeit kostet, sinnvoll, dies gilt nicht nur für Autos, wie es hier in dem Beispiel genannt wurde, Computer und Rechner, sondern auch, glaube ich, für viele andere Produkte.
Wir wollen auch, und das ist ein für mich auch sehr wichtiges Kriterium, dass die Produkte unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Das können wir selbst in unserem Land nicht einmal mehr vollständig sicherstellen. Immer mehr Produkte werden auch in unserem Land unter schwierigen Bedingungen, unter Leiharbeit, prekärer Beschäftigung und mit sehr niedrigen Löhnen hergestellt. Dies gilt erst recht auf internationaler Ebene, wenn wir nach China, Indien, Bangladesch oder anderswohin schauen, wo auch Produkte produziert werden, die bei uns landen. Das ist nicht einfach und auch nicht von heute auf morgen umzusetzen, aber die ILO-Kernarbeitsnormen sind ein Anfang.
Jetzt habe ich mir diese Normen einmal näher angeschaut und habe festgestellt, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnorm ist jetzt Kriterium für die Beschaffung, das finde ich in Ordnung. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob wir als Exportnation überhaupt
für die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen garantieren können. Es gibt eine lange Passage über die Gleichheit der Entgelte und darüber, dass Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Das ist, glaube ich, in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren beschlossen worden. Es gibt diese Kernarbeitsnormen also seit mehr als 40 oder 50 Jahren, und wir haben immer noch hohe Gehaltsunterschiede in verschiedenen Größenordnungen. Damit bietet meines Erachtens selbst eine Exportnation Deutschland nicht immer die Garantie, dass diese Kernarbeitsnormen eingehalten werden.
Ich habe in den Kernarbeitsnormen auch nur wenige Aussagen zur Entlohnung und zu den Arbeitszeiten gefunden, das hat der Kollege Jägers schon gesagt. Wir wollen eben nicht nur die Basics, sondern wir wollen auch eine anständige Entlohnung, wir wollen, dass diejenigen, die das Produkt herstellen, auch davon leben können. Ich würde noch ergänzen: Ich will auf keinen Fall, dass wir Produkte teuer bezahlen und das Geld nicht bei denen ankommt, die sie hergestellt haben, sondern bei irgendwelchen Zwischenhändlern oder Betrieben hängen bleibt, die die Menschen einfach unter Bedingungen ausbeuten, die an Sklaverei erinnern, was, wie jeder weiß, bei vielen, insbesondere in der Textilindustrie, so ist.
Ich würde es gut finden, wenn wir bei dieser Anfrage, ähnlich wie bei der Frage bezüglich des Energieverbrauchs und der Energiekosten, dazu kämen zu sagen, ja, wir haben eine ganze Reihe guter Beispiele, aber wir können auch nachweisen, dass wir Jahr für Jahr Schritt für Schritt vorankommen.
Dann werden wir vielleicht auch an einen Punkt kommen, an dem wir feststellen, Moment einmal, die Zwickmühle oder der wirtschaftliche Druck für die öffentliche Hand, bei der Beschaffung relativ günstige Produkte zu wählen, ist so groß, weil einfach an vielen Stellen, an denen die Schuldenbremse und die Ansprüche, die wir an die Produkte haben, gegenläufig sind, das Geld nicht reicht. Ich möchte gern wissen, wann es so weit ist, dann ist nämlich ein Punkt erreicht, wo wir ein weiteres Mal nachweisen können, die Schuldenbremse und soziale Schulden sind unter Umständen zwei verschiedene Punkte, die einander bedingen. Das heißt also, dass die Schuldenbremse soziale Schulden erzeugt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das hochverschuldete Bremen hat sich bei der nachhaltigen Beschaffung an die Spitze der Bewegung gesetzt.
Seit Ende 2009 gilt in Bremen ein neues Tariftreueund Vergabegesetz, mit dem verstärkt soziale und ökologische Kriterien bei der Beschaffung in der Verwaltung berücksichtigt werden sollen.
Es verpflichtet die Einkäufer der Hansestadt bei der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen zur Berücksichtigung der Ökokriterien und der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO, die hier schon erwähnt wurden.
Als CDU-Bürgerschaftsfraktion unterstützen wir alle praktikablen Ansätze im Kampf gegen globale Armut und Umweltverschmutzung.
Für uns stehen dabei aber nicht Ideologien, sondern der tatsächliche Nutzen für die betroffenen Menschen im Vordergrund. Wir unterstützen den Ansatz, bei der öffentlichen Beschaffung vermehrt Fairtrade-Produkte zu berücksichtigen, dort, wo dies unter administrativen Punkten und auch unter Kostengesichtspunkten möglich und sinnvoll ist. Wir wollen allerdings nicht, dass kleinere Bieter im Vergabeverfahren chancenlos sind, weil sie die umfangreichen Nachweise, die der Senat von ihnen fordert, nicht erbringen können.
Das ist vor allem dann der Fall, wenn es für bestimmte Bereiche – das sind durchaus zahlreiche Bereiche – noch keine anerkannten Siegel und Zertifikate gibt und die Unternehmen Nachweise für die gesamte Lieferkette erbringen sollen.
Das Ziel des Bremischen Tariftreue- und Vergabegesetzes ist aller Ehren wert, bereitet uns deshalb aber schon einmal Kopfschmerzen. Der Leiter des Zentralen Vergabeamts der Stadt Bonn hat dies im Hinblick auf das nordrhein-westfälische Gesetz, das dem bremischen Gesetz sehr ähnlich ist, jüngst im „Behörden Spiegel“ auf den Punkt gebracht, indem er sagte, das Gesetz ist ein Papiertiger, die abgegebenen Erklärungen werden abgeheftet, und das war es!
(Beifall bei der CDU – Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ja unerträglich!)
Es gibt auch viele Unternehmen, die die geforderten Erklärungen über die Kernarbeitsnorm der ILO nicht für die komplette Lieferkette abgeben können. Sie beteiligen sich dann erst gar nicht an Ausschreibun
gen, infolgedessen geht der Wettbewerb zurück und die Kosten steigen. Im Extremfall können die Vergabestellen sogar zu rechtswidrigen Beschaffungen gezwungen sein, nämlich dann, wenn die Beschaffung alternativlos ist und nur bei einem einzigen Unternehmen eingekauft werden kann.
Ein Punkt bei der Antwort auf Ihre Große Anfrage bleibt unbeleuchtet, und das sind die Mehrkosten. Die öffentlichen Einkäufer werden entsprechend geschult, das haben Sie alles sehr detailliert in der Großen Anfrage dargestellt, aber Schulungen, Beratungen, Recherchen, Seminare, Kontrollen und auch die Beschaffung der doch teilweise viel teureren Produkte kosten Geld. Leider finden sich in der Antwort des Senats dazu keine Zahlen, darin ist nur von fallweise steigenden Prozesskosten die Rede. Mich würde das genauer interessieren, denn für ein Haushaltsnotlageland stellt sich schon die Frage, welche Extras es sich leisten kann, darf und sollte.
Bremen ist Vorreiter in Sachen sozial-ökologischer Beschaffung. Beim Lesen der Senatsantwort wird deutlich, mit welcher Akribie und mit welchem Aufwand die Ökologisierung der bremischen Verwaltung vorangetrieben wird.
Die zahlreichen Beispiele von Ökostrom, den ökologisch zertifizierten Hygienepapieren, den Pflastersteinen mit Naturgütesiegeln bis hin zum Senatsteppich aus nepalesischer Hochlandwolle – natürlich mit dem Nachweis der Einhaltung der Sozialstandards – zeugen davon.
Ein Beispiel bremischer Beschaffung fehlte mir allerdings in der Auflistung. Bei der Abschaffung der altbekannten Glühlampe zugunsten von Energiesparlampen hat sich die Beschaffungsabteilung des Rathauses erst einmal mit 7 000 herkömmlichen Glühlampen für ihre Kronleuchter eingedeckt. Da war der Nachhaltigkeitsappell wohl noch nicht so richtig angekommen!
Auch hier in unseren Räumen gibt es zahlreiche sozial-ökologisch einwandfreie Produkte. Wenn man die Fairtrade-Schokolade nicht so gern mag, muss man schauen, dass man etwas anderes findet. Die Bevormundung der Bürger hat aber aktuell Hochkonjunktur: Der von den Grünen jüngst vorgeschlagene Veggie Day für Kantinen stößt selbst in den eigenen Reihen auf Kritik.
(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Den haben wir doch schon!)
Wie der Bundesvorsitzende der SPD jüngst selbst gesagt hat, will auch er sich nicht vorschreiben lassen, wann und wie viel Fleisch er essen darf. Die Grünen gebärden sich als Oberlehrer, Jürgen Trittin hat in seinem Interview in „Die Welt“ vor ungefähr zwei Wochen noch einmal bestätigt, dass es die Pflicht der Grünen sei, die Gesellschaft zu verändern, zur Not auch über Verbote. In der Schulpolitik reden Sie der freien Pädagogik ohne Verbote das Wort, aber die Gesellschaft wollen Sie erziehen, auch dies ist eine interessante Erkenntnis.
(Zurufe – Beifall bei der CDU – Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Eine schlechte Rede!)
Ich beglückwünsche Sie zu dieser rot-grünen Nabelschau hier im Parlament vier Wochen vor der Bundestagswahl, bei der wieder einmal deutlich wird, wie gut es Rot-Grün mit uns Bürgern meint. Schauen wir einmal, was die Bürgerinnen und Bürger dann am 22. September machen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der CDU – Abg Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Kinderarbeit, schon klar!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Grobien, es könnte vielleicht rein theoretisch so sein, dass es unter all den vielen Schandtaten, die der Senat begeht, auch eine ganz kleine gibt, die nicht so schlecht ist. Sie sind eigentlich doch eine souveräne Frau, halten Sie es doch einfach aus!
Halten Sie es einfach aus, dass an diesem Punkt all die Vorurteile, die man gegen ökofaire Beschaffung ins Feld führen kann, nicht zutreffen! Weder wollen wir Volksbeglückung betreiben noch geben wir viel mehr Geld aus, als wir haben, noch wollen wir jemanden entmündigen oder bevormunden. Nein, das wollen wir alles nicht!
Es geht jetzt nicht um Herrn Trittin, er beschafft ja nicht, und wenn er zu Besuch kommt, dann gebe ich ihm einen Kaffee aus!