Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser aktuelles Wirtschaftssystem basiert unter anderem elementar auf Marktmacht. Wer über Macht am Markt verfügt, kann Bedingungen wie Quantitäten, Qualitäten und Preise bestimmen oder zumindest maßgeblich beeinflussen. Diese Marktmacht wird oft missbraucht für Ausbeutung, schlechte Qualität sowie für Preistreiberei oder Preisdumping. Anzustreben ist eine grundlegend andere Form des Wirtschaftens, eine Form, bei der nicht nur der möglichst günstigste Preis oder der Profit regiert, sondern die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick genommen wird,
eine Form, bei der die sozialen Bedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter, Produzentinnen und Produzenten und all die anderen, die an unserem globalen Wirtschaftsleben teilnehmen, menschenwürdig sind, bei der so produziert wird, dass es keinen Raubbau an der Natur und auch nicht an den Menschen gibt, sodass also im originären Wortsinn nachhaltig produziert wird, bei der die Produkte, die wir alltäglich benutzen und konsumieren, unser Wohl––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
befinden steigern und nicht voller Schadstoffe und voller Schande stecken, bei der jene, die unsere Waren herstellen, angemessen und auch würdig entlohnt werden.
In Sachen faire Löhne wird sich bei der Agrarministerkonferenz, die morgen und übermorgen in Würzburg stattfindet, etwas Schönes ereignen, hoffe ich, denn alle rot-grünen Minister werden einem Antrag des niedersächsischen Landwirtschaftsministers, Herrn Meyer, zustimmen, der einen Mindestlohn von 8,50 Euro in allen Bereichen der Lebens- und Ernährungswirtschaft vorsieht, also in den Schlachthöfen, in der Fleischindustrie und auch bei den Erntehelfern.
Das Land Bremen als Einkäufer hat eine immense Marktmacht. Der größte Konsument Bremens ist Bremen, die Bandbreite der Produkte reicht von Textilien und Naturstein über Tee und Kaffee bis hin zu Blumen und Spielwaren. Wo die Macht groß ist, ist auch die Verantwortung groß. Auch vor dem Hintergrund der schweren Unfälle in der Textilindustrie, der Meldungen über Gift in Kinderspielzeug oder der Skandale in der Lebensmittelindustrie ist es elementar wichtig, dass wir genau schauen, wie, wo und unter welchen Umständen all das, was Bremen beschafft, hergestellt wird.
Diese genannten Skandale sind ein Weckruf. Aus meiner Sicht gehören Ausbeutertextilien, Ausbeuterspielwaren und Ausbeuterfleisch nicht in öffentliche Einrichtungen und tunlichst auch nicht in die privaten Haushalte. Das ist meine Vision.
Seit der Verabschiedung des Tariftreue- und Vergabegesetzes im Jahr 2009, das die rot-grüne Koalition auf den Weg gebracht hat, ist viel passiert. Wir haben nun mit der Antwort des Senats eine sehr ausführliche und umfassende Übersicht darüber erhalten, was sich in Sachen sozialer und ökologischer öffentlicher Beschaffung tut, gleichzeitig aber auch, was sich noch nicht tut. Um es in ein Bild zu bringen: Die Antwort zeigt sehr schön, dass wir in Bremen inzwischen in die richtige Richtung sehen und auch richtige Schritte in diese Richtung tun, der Weg aber noch sehr weit ist.
Der Senat listet einige prominente Beispiele für faire Beschaffung auf, so etwa den Teppich im Senatssaal, der nachweislich nach den Sozialstandards des Zertifikats STeP und unter Einhaltung der ILO-Kernar
beitsnormen produziert wurde. Das ist gut, löblich und begrüßenswert, eben der Blick und der erste Schritt in die richtige Richtung. Dabei darf es aber nicht bleiben. Die für den Teppich im Senatssaal angelegten Kriterien müssen auch für alle anderen aktuellen und künftigen Teppichanschaffungen gelten.
Ich will das gar nicht als Kritik verstanden wissen, sondern eher als Sensibilisierung dafür, wie weit der Weg noch ist. Bisher wurde ein aus rund 3 000 Artikeln bestehendes Portfolio des klassischen Verwaltungsbedarfs auf Ökoprodukte umgestellt. Auf diesem Gebiet wird laut Antwort des Senats vorbildlich und verantwortungsvoll agiert. Der eingeschlagene Weg der Ökologisierung soll weitergegangen werden.
Positiv ist auch, dass für den Beschaffungsbereich Umwelt eine Stelle geschaffen wurde, die über die Haupteinkäuferin Immobilien Bremen hinaus auch die Beschaffungsstellen für Kraftfahrzeuge und für den Schulbedarf berät. Sie berät nicht nur bei zentralen Beschaffungsvorgängen, sondern – sofern nötig – auch bei dezentralen Einkäufen, wobei aus meiner Sicht die fairste und ökologischste Kfz-Beschaffung wäre, keine Kraftfahrzeuge mehr zu beschaffen und an ihrer Statt, sofern möglich, am Carsharing teilzunehmen.
Bisher macht leider nur das Umweltressort von der Möglichkeit des Autoteilens Gebrauch, das wünsche ich mir auch von den anderen Ressorts. Auch hier ist also noch viel zu tun.
Obwohl aber noch ein langer Prozess vor uns liegt, freue ich mich besonders darüber, dass der Blick nicht mehr nur auf Anschaffungspreise gerichtet ist, sondern auch und immer stärker soziale, ethische und ökologische Vorgaben eine Rolle spielen. Besonders gefreut hat mich, dass der Senat eine soziale und ökologische Beschaffung auch als Baustein für die Umsetzung globaler Gerechtigkeit sowie den globalen Umwelt- und Klimaschutz sieht. Wir können mit der Veränderung unseres Bremer Einkaufsverhaltens also durchaus über Bremen hinaus positiv auf die Welt einwirken.
Hoffnungsvoll stimmt mich auch die Einschätzung des Senats, dass eine Umstellung auf ökologische Produkte bis zum Jahr 2020 in weiten Teilen realisierbar ist. Das wäre in sieben Jahren, und sollte ich dann noch Mitglied dieses Hauses sein, werde ich natürlich wieder danach fragen.
Es befindet sich also vieles in Bremen auf dem Weg, aber ganz besonders vor dem Hintergrund, dass man Hauptstadt des fairen Handels sein möchte, darf das nicht alles sein. Es darf nicht nur ein paar Vorzeigeprojekte geben, mit denen man sich ganz groß als fair und ökologisch nach außen darstellt, wichtig ist für mich, dass das im Alltag auch außerhalb der Bezeichnung Hauptstadt des fairen Handels stattfindet. Faire Beschaffung muss Standard sein, muss im Alltag verankert werden.
Meine Vorstellung ist, fair und ökologisch werden der Normalfall, ohne irgendwelche Label und Siegel. Nur das, was am Ende nicht mehr sozial und ökologisch hergestellt wurde, bekommt zur Orientierung der Verbraucher ein Zertifikat, einen Stempel mit dem Aufdruck „Unfairtrade“.
Ein Beispiel zu den Siegeln: In der Mitteilung des Senats wird immer wieder auf die Zertifizierung durch das Siegel „OEKO-TEX Standard 100“ hingewiesen. Dieses Siegel gibt aber leider nur Auskunft darüber, welche Stoffe die Textilien enthalten, wenn sie bei den Endkunden angelangt sind und von ihnen getragen werden, also was hier an krebserregenden Stoffen, Pestiziden oder Ähnlichem eventuell enthalten ist. Es klärt aber überhaupt nicht darüber auf, wie die Lieferkette aussieht, also der Anbau der Baumwolle, die Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern und so weiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusätzlich zu dem, was schon passiert, hat sich der Senat letzte Woche noch einmal deutlich zur fairen Beschaffung und zur Ausübung seiner Marktmacht bekannt. Auch darüber freue ich mich sehr.
Nicht nur die öffentliche Hand ist bei der möglichst fairen und ökologischen Beschaffung gefragt, auch wir selbst als Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein wenig Marktmacht und sollten insbesondere mit Blick auf die Unfälle in Bangladesch und Pakistan beim Kauf unseres Anzugs, des schönen Sommerkleides oder des T-Shirts die immer größer werdenden Möglichkeiten des fairen Handelns nutzen und erweitern. – Ich bedanke mich beim Senat für die umfassende Antwort!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Saffe hat schon ganz viel sozusagen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
im Schnelldurchlauf gesagt. Wenn man sich die Antwort des Senats anschaut, hat sich da schon einiges getan. Das finde ich gut. Der Anstoß ist ja schon etwas älter, ich kann mich genau erinnern, wie wir lange und ausführlich über das Tariftreuegesetz diskutiert haben. Für die SPD geht es nicht immer nur um Sachen, sondern auch um Menschen, deswegen werde ich jetzt die Situation bezogen auf die Menschen und nicht auf die Sachen betrachten.
Die schönsten Regeln, die schönsten Selbstverpflichtungen, die es gibt, sind gut, aber sie nutzen nichts, wenn sie nicht kontrolliert werden. Um Vertrauen in die Produkte zu bekommen, die uns als ökologisch und biologisch, als unbelastet und frei von Kinderarbeit verkauft werden, fehlt mir immer noch ein bisschen das Vertrauen in die Wirtschaft. Das kann mit meiner Haltung insgesamt zusammenhängen, es kann aber auch damit zusammenhängen, dass man auf der Verpackung von Hähnchen, die man gekauft hat, irgendwelche Siegel sieht, die dann während einer Reportage im Fernsehen wieder auftauchen, und man ist völlig entsetzt, dass man doch wieder das Falsche gekauft hat. Das darf nicht passieren.
Wir haben die ILO-Kernarbeitsnormen, die sind im Übrigen im ständigen Umsetzungsprozess, das ist schon seit vielen Jahrzehnten so. Hier geht es übrigens darum, dass es grundlegende Rechte geben soll wie Vereinigungsfreiheit, Diskriminierungsverbot, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, faire Globalisierung. Natursteine sind schon genannt worden. Was machen wir eigentlich, wenn wir als Bremer etwas von einem Land kaufen wollen, das sich nicht unter den, ich glaube, 168 Ländern befindet, die die ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert haben? Dann müssten wir eigentlich sagen, das kaufen wir nicht, das geht nicht. Es muss also geprüft werden, ob das Land, welches liefern soll, diese Normen ratifiziert hat.
Meine Damen und Herren, im Vergaberecht ist es so, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot auszuwählen ist, das ist nicht das billigste Angebot. Daher haben wir bei der Vergabe auch durchaus Spielräume, darauf zu achten, dass wir eine faire Vergabe vornehmen.
Zusätzliche Kriterien sind möglich, wenn sie transparent und diskriminierungsfrei sind. Das Vergaberecht muss weiterentwickelt werden, wir können nicht auf diesem Stand stehen bleiben, da muss mehr passieren.
Ich will ein paar Beispiele nennen. Man kann zum Beispiel bei der Vergabe oder bei Subventionen schauen, ob die Betriebe Leiharbeiter beschäftigen, ob es Minijobs gibt oder ob es befristete Arbeits- und Werkverträge gibt, die wir nicht pauschal zulassen dürfen. Da müssen Quoten festgelegt werden, so se
hen wir das, die darauf hinweisen, dass Aufträge nicht unter prekären Beschäftigungsbedingungen vergeben werden, das wollen wir nicht!
Dazu kommt die Frage des Arbeitsschutzes. Auch hier kann man Kriterien festlegen, die in der Vergabeordnung als Kriterium gelten, auch da nenne ich einmal ein Beispiel. Ich finde es komisch, das habe ich schon einmal gesagt, dass der Baggerfahrer mit seinem Golf II Diesel nicht in die Umweltzone fahren darf, aber hier eine große Baumaschine anwerfen darf, wobei niemand schaut, ob ein Dieselrußfilter darin ist oder nicht. Das müssen wir dringend ändern, das ist ein Punkt, den wir angehen müssen und angehen werden. Es kann nicht sein, dass wir eine Umweltzone haben, in die einer hineindarf, und alle anderen nicht, da muss etwas passieren!
Die Tarifbindung kann ein wichtiges Kriterium sein. Die Anwendung von Tariflöhnen ist übrigens deutlich besser als nur die Anwendung von Mindestlöhnen. Wir haben das eine Zeit lang so gehabt, Mindestlohn ist gut, Tariflohn ist besser. Deswegen sagen wir: Wir wollen wieder die Anwendung von Tarifverträgen! Ich weiß, dass es ein dickes Brett auf europäischer Ebene ist, aber wir kennen uns ja im Bohren dicker Bretter aus, wir werden da weitermachen.
Die staatliche Schutzpflicht sagt, dass Arbeitsschutz ein Kriterium sein kann, der Staat ist verpflichtet, Arbeitnehmer zu schützen. Man kann zum Beispiel sagen, öffentliche Aufträge gehen nur an Betriebe, die ein Zertifikat zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben, oder wir sagen, wir geben öffentliche Aufträge nur an die Betriebe weiter, die eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, diese ist übrigens seit vielen Jahren Pflicht. Mindestens 50 Prozent aller Betriebe haben die physischen Gefährdungsbeurteilungen nicht durchgeführt, von den psychischen will ich gar nicht reden, da liegt die Zahl der Unternehmen, die sie durchgeführt haben, nämlich unter 20 Prozent. Wenn wir solche Kriterien festlegen, treiben wir auch den Arbeitsschutz voran, das müssen wir tun.
Dann, meine Damen und Herren, die Zeit ist knapp, zum Thema Ökologie! Ich finde, wir sollten noch einmal darauf hinweisen, dass lokale Produkte gut sind und nach vorn gehören. Bei lokalen Produkten, wo wir den Fleischer kennen, weil er in unserer Nachbarschaft wohnt, haben wir mehr Garantie, dass ordentlich produziert wird, als wenn die Ware von weit
Ich habe mir noch aufgeschrieben, Herr Saffe, ich finde es gut, dass die Fleischindustrie jetzt endlich sagt, 8,50 Euro Mindestlohn sollen auch für uns gelten. Ich weiß aber aus schlechter Erfahrung, dass die 8,50 Euro nur auf dem Papier stehen, wenn nicht kontrolliert wird. Es muss richtig lückenlos geprüft werden, sonst bekommen die Mitarbeiter für 8 Stunden einen Stundenlohn von 8,50 Euro und arbeiten 12 Stunden, das ist die gängige Art auf den Baustellen. So wird das gemacht. Das wird auch hier passieren, wenn wir es nicht überprüfen.
Wir sind eine große Macht als Einkäufer, man kann Demokratie auch mit dem Einkaufskorb ausüben. Dabei sind die Stadt und das Land Bremen gefordert, aber auch wir Verbraucher, und wir müssen selbst auch darauf achten, was wir so kaufen, was wir uns anschaffen, um das Ganze nach vorn zu bringen. – Schönen Dank!