Protokoll der Sitzung vom 01.07.2014

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir halten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit dem Neubau am Klinikum Bremen-Mitte für nicht gerechtfertigt.

Ich möchte noch einmal kurz an die bisherigen Untersuchungsausschüsse erinnern. Wir haben vor zweieinhalb Jahren an dieser Stelle mit den Stimmen aller Fraktionen den Untersuchungsausschuss „Krankenhauskeime“ eingesetzt. Ich möchte an die Situation erinnern, die wir damals hatten: ln der Frühgeborenenabteilung waren drei Neugeborene verstorben, die Umstände waren ungeklärt, die Staatsanwaltschaft hat ermittelt. Es gab durchaus den Eindruck, wir würden nur sehr scheibchenweise mit Informationen versehen. Es war daher für alle Fraktionen klar, dass ein dringender Bedarf bestand, diese Umstände auszuräumen und den Ursachen nachzugehen.

Als im Jahr 2006 der Untersuchungsausschuss „Kindeswohl“ eingesetzt wurde, war es ähnlich: Es gab einen Todesfall, die Staatsanwaltschaft hat wiederum ermittelt. Es gab den Untersuchungsausschuss „Klinikverbund“, es gab einen zu Bau und Immobilien mit durchaus auch strafrechtlichen Ermittlungen. Ähnlich, wenn wir noch weiter zurückschauen, war es auch in Bezug auf den Untersuchungsausschuss zur Bremer Vulkan AG: Es gab nicht nur eine Großpleite, es waren auch EU-Gelder veruntreut worden.

Ich will damit nicht sagen, dass in jedem Fall jemand gestorben sein muss oder strafrechtliche Ermittlungen vorliegen müssen, damit man einen Untersuchungsausschuss einsetzt, es ist aber davon auszugehen, dass wir das üblicherweise tun, wenn wir

ein bestimmtes Ausmaß an Missständen vorliegen haben, denen wir dringend nachgehen müssen und die einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, PUA, rechtfertigen.

Man muss die begründete Vermutung haben, dass es tatsächlich eine schuldhafte Verstrickung der politischen Institutionen gibt, eine schuldhafte Verstrickung, die über das normale Maß hinausgeht. Es gibt eine Vielzahl von Missständen, für die wir keinen Untersuchungsausschuss einsetzen. Wenn wir davon ausgehen und sagen, vielleicht sind die PISA-Ergebnisse für Bremen desaströs, das müsste man dringend untersuchen, wir haben einen Ausbildungsnotstand, warum haben wir hier eine relativ große Arbeitslosigkeit, oder auch von der Tatsache ausgehen, dass wir mit der Krankenhausfinanzierung ziemlich mit dem Rücken an der Wand stehen und nicht wissen, wie wir dieses Gesundheitssystem einigermaßen verantwortlich umsetzen können, alles das sind Dinge, die wir durchaus aufklären müssen und mit denen wir uns beschäftigen sollten, aber sie rechtfertigen keinen Untersuchungsausschuss.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Begründung dafür, die ich für notwendig erachte und die wir auch in unserer Fraktion für notwendig erachten, ist die CDU bislang schuldig geblieben.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Hier gibt es höhere Baukosten und eine verzögerte Fertigstellung, alles das liegt letztendlich vor, aber das würde in keiner Weise dieses parlamentarische Instrumentarium rechtfertigen, und das ist auch in der Rede von Herrn Röwekamp nicht deutlich geworden. Ich bin der Meinung – auch das wurde schon angesprochen –, wir hätten einen Unterausschuss in der Gesundheitsdeputation bilden können, wir hätten den Fragen, die vorgelegt worden sind, durchaus noch weiter nachgehen können, wir haben die Möglichkeit zur Akteneinsicht, und wir sind bislang nicht davon ausgegangen, dass dieser Senat und die senatorische Behörde hier gezielt Verschleierung betreiben.

Ich möchte noch einmal sagen, was hier stattfindet – und das ist keine Kleinigkeit –, ist eine Verkehrung von Ursache und Wirkung. Der Untersuchungsausschuss wird eingesetzt, um den Eindruck zu erwecken, dass hier Schuldhaftes Versagen vorliegt, und ich glaube, man kann es so formulieren, er wird auch eingesetzt, um diesen Klinikverbund und seinen Institutionen etwas zu unterstellen, was wir aktuell nicht feststellen können. Er wird eingesetzt, weil die CDU die Ergebnisse einer Wahlumfrage vorliegen hat, die anscheinend nahelegen, dass es schön wäre, ihre Finanzkompetenz noch einmal zu untermauern.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte aber noch auf eines hinweisen, und das geht weit darüber hinaus: Die CDU will mit ihrem Antrag weit zurück in die historischen Ereignisse, es geht hier um die Entscheidung für oder gegen ein sogenanntes PPP-Modell. Die Propaganda, die hier gemacht wird, heißt: Private können es besser. Das ist in einer derart blauäugigen Art und Weise vorgetragen, dass es geradezu provozierend ist.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass der ursprüngliche Plan dieses PPP-Modell ist – darauf möchte ich gern noch einmal genauer eingehen –, ein privater Konzern betreibt einen Klinikneubau und nimmt dazu Geld bei einer Bank auf zu Konditionen, die die öffentliche Hand sonst bekommen würde, und er kann das, weil er es im Auftrag der Kommune macht. Es ist also eine unverbrüchliche Forderung, weil die Kommune auf jede mögliche Einrede verzichtet, weil letztendlich die Bank auch die Möglichkeit hat, diese Forderung weiterverkaufen zu können. Wenn der Investor zahlungsunfähig wird und nicht liefert, muss dafür die Kommune einstehen, und das ist etwas, wo hier ein Mythos nach dem Motto verbreitet wird, die Privaten würden privat haften. Das tun sie nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Forderung an den Staat, unabhängig davon, ob auf dieser Baustelle. irgendetwas passiert er nicht, ist letztendlich ein hohes Risiko für die Kommune, die für die Folgen aufkommen muss.

Was man beim PPP-Modell wirklich nicht hat – und darum geht es ja hier im Moment –, ist Transparenz. Diese können wir an der Stelle in gar keiner Weise erwarten, auch nicht mit dem von der CDU so viel beschworenen Generalunternehmer. Man hat es mit einem Konzern zu tun, der seine Zahlen für sich behält. Welche Gewinnspannen er bei der Vergabe seiner Unteraufträge hat und wie er überhaupt genau kalkuliert, weiß man gar nicht, das heißt also, die gesamte Transparenz über die Pläne ist lange nicht so, wie es hier vorgegaukelt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Man hat ebenfalls keine Kontrolle über spätere Abläufe und Vergaben. Der private Erbauer ist nicht für Jahrzehnte der Betreiber des Baus, er wird auf Jahrzehnte für Leistungen bezahlt und macht Profit. Er macht das Facility-Management, übernimmt die Instandhaltung der Verwaltung und die Reinigung

des Gebäudes, so ist es jedenfalls oft, wenn ein PPPModell im Zusammenhang mit Krankenhäusern zur Grundlage gemacht wurde. Spätestens hier sollte man aufhorchen. Sie werden in dieser Republik keinen privaten Konzern finden, der Ihnen ein Krankenhaus schlüsselfertig zu einem Festpreis hinstellt, das beide Elemente enthält: volles Kreditrisiko für die öffentliche Hand, egal, was da passiert, und spätere Profite aus den Leistungsverträgen.

Ein PPP-Modell ist so etwas Ähnliches, wie wenn man sich einen Drucker kauft: Der Drucker ist günstig, aber dann müssen Sie die Farbpatronen zahlen, solange Sie diesen Drucker betreiben. Der Unterschied besteht darin, dass Sie den Drucker loswerden können, aber die Finanzierung des Krankenhauses haben Sie auf Jahrzehnte in der Verantwortung, falls das überhaupt ausreicht.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

ln weiten Teilen ist der Kampf der CDU für einen Untersuchungsausschuss tatsächlich so eine alte Werbekampagne für eine wiederzubelebende Ideologie. Er ist eine Verkaufskampagne für das Produkt privater Kapitalismus. Es ist geradezu von rührender Schlichtheit und Geschichtslosigkeit, wenn wir uns das ansehen. Wer sich heute hinstellt und sagt, mit einem PPP-Modell wäre alles besser gewesen, der soll sich doch die PPP- Modelle einmal ansehen! Die Elbphilharmonie wurde hier ja schon genannt, ganz spannend ist zum Beispiel auch die Londoner Metro. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Millionen im mehrstelligen Bereich ich letztendlich die britische Regierung dort inzwischen gezahlt hat.

Dann haben wir die Lkw-Maut mit Toll Collect. Können Sie sich erinnern? Auch eine ganz großartige Nummer, die dann glücklicherweise in der Versenkung verschwunden ist mit exorbitanten Verlusten! Es gibt viele Schulen, Krankenhäuser und Gefängnisse in Europa, bei denen die öffentliche Hand am Schluss gewaltige Summen gezahlt hat. Alle 16 Landesrechnungshöfe haben im Jahr 2006 gemeinsam ihre Skepsis gegenüber solchen Modellen geäußert.

Ich möchte noch einmal sagen, wenn wir schon bei der Werbekampagne für diese alte Wirtschaftspolitik sind, die wir in diese Große Koalition hineinführen lassen, jener Großen Koalition, die 150 Millionen Euro durch die Investition in den Space Park verloren hat, die Langzeitschäden wie die Rennbahn oder die Jacobs University verschuldet hat, die wir. heute mühsam entsorgen, die Geld mit vollen Händen ausgegeben hat für Großprojekte, an denen Private viel Profit gemacht haben, und die für die öffentliche Hand einen Rattenschwanz von Schäden hervorgebracht haben, wenn das die Botschaft ist, die über diesen Untersuchungsausschuss wieder in der Öffent

lichkeit verkündet werden soll, dann können wir wirklich gern darauf verzichten.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Sie sagen, wir hätten ja noch nichts in der Hand, womit wir den Untersuchungsausschuss begründen, aber wir könnten ja etwas finden. Es gibt viele Dinge, die schon sehr klar sind, die momentan schon auf dem Tisch liegen, und ich kann Ihnen genau sagen, was wir finden werden: Wir werden sehen, dass sich die PPP-Modelle für das Klinikum Bremen-Mitte auf eine Wirtschaftlichkeitsberechnung stützten, in der Alternativen nicht vorgesehen waren, das stand nämlich schon einmal im Bericht eines Untersuchungsausschusses von 2006/2007, oder dass ursprünglich öffentliche Investitionsbeteiligungen von 92 Millionen Euro genannt wurden, die dann ohne weitere Begründung wieder fallen gelassen wurden, oder dass es eine völlig irrsinnige Planung gab, nach der die Investitionskosten des Teilersatzneubaus vollständig daraus erwirtschaftet werden sollten, indem man von der Pavillonbauweise auf einen Monsterzentralbau umgelenkt hat. Auch das gab es, auch völlig absurd!

Es gibt auch eine lange Liste von privaten Beratungsfirmen, die an diesem durchaus nicht unerheblichen Prozess beteiligt waren und Geld daran verdient haben, und wir werden sehen, dass der damalige Masterplan aus dem Jahr 2008 völlig unrealistisch war und in der Versenkung verschwand. Es gibt viele Dinge, die wir da herausfinden werden, und es gibt vieles, was wir letztendlich schon herausgefunden haben, dafür brauchen wir aus unserer Sicht wirklich keinen Untersuchungsausschuss.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird auch nicht reichen, ein paar Horrorgeschichten von schlecht ausgeführten Bauarbeiten auszubreiten. Es wird nicht reichen, das Hätte, Könnte, Sollte, das hier schon erwähnt worden ist, brauchen wir nicht.

Ich möchte aus meiner Erfahrung des letzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses einmal darauf hinweisen, dass auch damals die CDU mit sehr großen dicken Backen begonnen hat, darauf hinzuweisen, was sie alles finden wird, und dann mit einem dünnblütigen mageren fünfseitigen Minderheitenvotum wieder herausgekommen ist.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte jetzt schon darauf hinweisen, wenn Sie es wagen, sich im April hierhinzustellen und das zu wiederholen, was wir aktuell schon wissen, und das auf ein paar Seiten ausbreiten nach dem Motto, wir von der CDU haben es ja schon immer gesagt, dann,

muss ich ehrlich sagen, geht der Schuss vollends nach hinten los.

Ich habe schon erwähnt, dass wir es nicht für wert erachten, diesen Untersuchungsausschuss zu unterstützen, wir haben das in der Fraktion auch gedreht und gewendet. Ich finde, man muss eine hohe parlamentarische Verantwortung haben, auch wenn man ein solches Instrument wählt. Ich bin nicht der Meinung, dass wir dieses Instrument über solche Entscheidungen in gewisser Hinsicht entwerten sollten. Dem können wir uns nicht anschließen, deswegen werden wir dem auch nicht zustimmen. Wir werden uns selbstverständlich daran beteiligen und in gewohnter Art und Weise auch sachlich, inhaltlich und kompetent daran mitarbeiten. Das sind wir uns letztendlich auch schuldig.

Ich möchte eines noch einmal sagen: Nach unserer Einschätzung hat sich die Haltung in der GeNo und die Auseinandersetzung mit den wirklich schwerwiegenden Problemen, die vorliegen, deutlich geändert, auch nach dem letzten Untersuchungsausschuss. Ich möchte das an der Stelle honorieren, und ich möchte das auch weiter unterstützen. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden, es ist nicht so, dass jetzt alles eitel Sonnenschein ist. Wir haben Defizite, wir haben Probleme, und das Ganze wird mit Sicherheit auch teurer werden. Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Eröffnung weiter hinausschieben wird. Wir werden da sicher auch noch weitere Probleme haben. Auf der anderen Seite haben es aber die GeNo-Leitung und insbesondere auch die Beschäftigten und die Patienten verdient, dass wir uns unterstützend in diese Arbeit einbringen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen – und das ist das, was mich eigentlich an dieser Art Untersuchungsausschuss ärgert –, dass ein Krankenhaus nicht einzig und allein eine Profitmaximierungsanstalt ist, und darauf läuft es ja zum Teil hinaus. Das ist es nicht, und ich hoffe, dass sich diese Haltung nicht weiter ausbreitet.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es gibt selbstverständlich die sehr große Problematik, dass wir uns nicht aus den Krankenhausinvestitionen herausziehen können. Wir setzen uns auf der Bundesebene verschärft dafür ein, dass die Finanzierung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens auf andere Füße gestellt werden muss. Das ist, finde ich, eigentlich der wesentliche Punkt, um den wir uns hier kümmern müssten. ln dem Zusammenhang wäre es wichtig, alle Kraft darauf zu verwenden und nicht auf Untersuchungsausschüsse, die eine derart dünne Grundlage haben. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Entschuldigen Sie bitte, dass ich mir während der Rede der Kollegin Frau Bernhard hin und wieder die Augen reiben musste, ich fühlte mich so ein bisschen in die Zeiten meines Studiums an der Bremer Universität zurückversetzt, an eine Vorlesung über Karl Marx und das Kapital.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Da haben Sie nicht aufgepasst! – Widerspruch bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ehrlicherweise wich das, was Sie gesagt haben, insbesondere aus ideologischer Überzeugung gegen private Unternehmen nicht sehr von dem ab, was Karl Marx seinerzeit einmal aufgeschrieben hat.

Sehr geehrte Frau Bernhard, ich finde, es ist schon bemerkenswert, mit welcher Unternehmerhatz Sie versuchen, hier in Bremen Politik zu machen, und ich finde das genauso unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich auch zu Ihnen, Herr Dr. Güldner, eben zwei Sätze sagen, weil Sie einmal so nonchalant unterstellt haben, ich hätte eine persönliche Nähe zur Bauindustrie! Das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück, die gibt es bei mir nicht.

(Beifall bei der CDU)