Protokoll der Sitzung vom 25.09.2014

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete

Bolayela.

Herr Präsident, meine Damen

und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sicher viele wissen, bin ich in einem Land geboren und aufgewachsen, in dem der Diktator sich mit internationalen Hilfsorganisationen vor dem Fern seher fotografieren ließ und immer sagte, hier sind meine Entwicklungspartner, die werden uns helfen, dieses Land aufzubauen. Seitdem ist aber nicht viel Positives für die Menschen dort passiert. Milliarden Dollar sind geflossen, immer noch werden Spenden für arme Leute in Afrika und Asien gesammelt, und die Menschen sind bis heute noch ärmer geworden.

Die Entwicklungspolitik ist an erster Stelle Sache

der Bundesregierung, aber die Länder tragen hier eine Verantwortung. Gerade hier, in unserer Hansestadt Bremen mit vielen Kontakten und internationalen Beziehungen, sind wir sehr gut aufgestellt. Wäh rend der Vorbereitung dieses Antrags hatte ich die Möglichkeit, mit vielen Menschen in diesem Land, in dieser Stadt zu reden, die seit Jahrzehnten in dem Bereich Zusammenarbeit wirken. An dieser Stelle möchte ich meine Anerkennung und Wertschätzung an die Menschen, an die Organisationen aussprechen, die hier in Bremen viel geleistet haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht umsonst

sind wir im Jahr 2011 mit dem Titel „Hauptstadt des Fairen Handels“ ausgezeichnet worden. Das war zuallererst Verdienst des zivilgesellschaftlichen En gagements in dieser Stadt, hier muss man stolz sein.

Vor einigen Jahren sprach man noch von Ent

wicklungshilfe nach dem Motto, der reiche Norden hilft dem armen Süden, heute ist die Realität längst anders. Die Gewichte in der Welt haben sich deutlich verschoben. Länder wie China oder Brasilien sind schon bedeutende Industrienationen geworden. Länder wie Südafrika, Mexiko und viele andere Länder haben sich wirtschaftlich verbessert, während andere Nationen noch ärmer geworden sind, und dazu kommen Länder, die als gescheiterte Staaten gelten, wie Somalia.

Parallel dazu machen Herausforderungen wie der

Klimawandel und die zunehmende Verknappung von Nahrungsmitteln den globalen Dialog notwendiger denn je. Daher meine Frage: Wie gehen wir mit sol chen Ländern wie China, Mexiko oder Somalia um? So verschieden diese Länder sind, so verschieden müssen auch unsere Beziehungen zu ihnen sein und unsere Unterstützung. Darum sprechen wir in unse rem Antrag von Umdenken und Weiterentwickeln.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Alle, die in der Entwicklungszusammenarbeit

aktiv sind, müssen ihre Arbeit an diese wechselnden Situationen anpassen, auch deshalb brauchen wir Leitlinien in unserem Bundesland Bremen für die Entwicklungszusammenarbeit.

Leider denken viele Eliten in den sogenannten

Entwicklungsländern bis heute noch, dass die Ent wicklung eine Sache der westlichen Länder allein ist und die betroffenen Länder in einer passiven Rolle bleiben und keine Teilhabe an Entscheidun gen haben. Mancherorts kam das Gefühl auf, dass Entwicklungshilfe keineswegs selbstlos ist, sondern dass es um handfeste wirtschaftliche Interessen der Geberländer geht. An dieser Stelle sage ich, der Grundgedanke der Entwicklungshilfe war richtig, aber hier muss man deutlich machen, dass es oft zu Missbrauch kam.

Heutzutage spricht man oft nicht mehr von Ent

wicklungshilfe, sondern von Entwicklungszusam menarbeit. Das zeigt, dass hier ein Umdenken statt gefunden hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entwicklungszusammenarbeit muss den Menschen in unserer heutigen globalisierten Welt dienen, sonst hat das alles keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD)

Die verschiedenen Ökonomen und Forscher sind

der Auffassung, dass die klassische Entwicklungszu sammenarbeit wirkungslos und in manchen Fällen sogar schädlich für die Länder des Südens ist. Wir müssen uns also fragen: Wir kann effektive Hilfe im 21. Jahrhundert aussehen? Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten wir den Senat, erstens einen Prozess zu erarbeiten, die Entwicklung politischer Leitlinien für das Land Bremen zu initiieren mit Akteuren von Organisationen und Initiativen aus den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und internationale Kooperation, Fairer Handel und Er nährung, Friedenssicherung und Menschenrechte, Umwelt- und Naturschutz, Flüchtlings-, Asyl-, und Integrationsarbeit, Bildung, Wissenschaft und Kultur, der bremischen Wirtschaft und in der bremischen Entwicklungspolitik erfahrenen Bürgerinnen und Bürgern. Ich denke an die vielen Kirchengemeinden, die hier aktiv sind.

(Glocke)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss!

Zweitens bitten wir darum, bis zum Ende dieses

Jahres einen Entwurf für die Leitlinien in der Ent wicklungszusammenarbeit vorzulegen. Drittens bitten wir, ein Konzept vorzulegen, wie bis zum Jahr 2020 im Rahmen des Projekts „Aktiver öffentlicher Einkauf in Bremen – ökologisch, sozial und wirtschaftlich“ die Umstellung auf soziale und ökologische Beschaffung angetrieben wird oder werden kann.

(Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die

sen Antrag bewusst nach dem Graswurzel-prinzip aufgebaut. Nicht die Politik soll vorgeben, wie die entwicklungspolitischen Leitlinien im Lande Bre men aussehen sollen, sondern Bremer Bürgerinnen und Bürger! Wir hoffen auf viele gute Ideen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte stimmen Sie für diesen Antrag!

(Beifall bei der SPD)

Auch von Bremen aus kann man die Welt etwas kleiner und besser machen. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD – Unruhe auf dem Besucherrang)

Meine Damen und Herren, man

darf von oben keinen Beifall bekunden.

Herr Bolayela, Sie haben Ihre Redezeit stark über

zogen.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Das war ein wichtiges Thema!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeord

nete Saffe.

Herr Präsi

dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bolayela hat ja jetzt schon viele der Bereiche der Entwick lungszusammenarbeit benannt, deshalb komme ich gleich – –.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Zum Schluss!)

Nein, vor dem Schluss kommen noch ein paar Sätze, die ich hier vortragen werde, das tut mir leid, Sie müssen ein bisschen etwas aushalten!

Mein Leib- und Magenthema ist ja in der Ent

wicklungszusammenarbeit, wie ich schon mehrfach hier sagte, der faire Handel, also der Bereich, in dem Bremen aktiv eingreifen in der Beschaffung Dinge lenken und dafür sorgen kann, dass wir mit Menschen in der Dritten Welt fairer umgehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte heute einmal nicht selbst eine Rede

halten, sondern eine Stimme zu Wort kommen las sen, die nie die Chance hat, hier in einem deutschen Parlament zu Wort zu kommen, eine Näherin aus Bangladesch, um einfach einmal ein Gefühl für die Situation derer zu vermitteln, die diese Billig-T-Shirts – zwei oder drei Euro bei Primark, H&M – oder ein Bettlaken für sechs Euro herstellen. Es ist die Näherin Shila Begum. Sie hat der „Zeit“ folgenden Text zu Protokoll gegeben:

„Wir kennen uns zwar nicht, aber vielleicht hatte ich

mal Ihre Hose in der Hand. Ich lebe in Bangladesch und habe als Näherin gearbeitet. Bis vor etwa einem Jahr, als die Textilfabrik Rana Plaza über meinem Kopf zusammenbrach. Seitdem kann ich nicht mehr arbeiten und warte darauf, dass die Hersteller, die dort nähen ließen, endlich eine Entschädigung zahlen.