Das passt natürlich angesichts des beginnenden Wahlkampfs sehr gut in Ihr Konzept. Das verstehe ich, wirklich ehrenvoll ist die ganze Sache jedoch nicht. Abgesehen davon, will ich gar nicht darüber nachdenken, welche Themen man in dieser Legislatur sonst noch in einem außerordentlichen Ausschuss hätte anpacken können.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dieser Antrag ist vom 16. Januar 2013! Vom Januar 2013! – Zurufe von der SPD)
Aber, Herr Dr. Güldner, zum Glück haben Sie mit uns eine starke Opposition, die Ihnen wie für den Bereich der Armutsbekämpfung gern aufzeigt, für welche Themen wir im Land Bremen dringend außerordentliche Ausschüsse brauchen. Für diese Themen hätten Sie von Anfang an mehr Zeit und Gehirnschmalz aufwenden müssen!
Weiterhin wollen Sie mit Ihrem Antrag bei den Betroffenen falsche Hoffnungen bestärken – das haben Sie selbst eingestanden – und führen diese Debatte als eine integrationspolitische Debatte fort. Diese Debatte ist jedoch keine integrationspolitische, sondern schlichtweg eine verfassungsrechtliche Angelegenheit. Auch das Wahlrecht kann und darf nicht zu einem integrationspolitischen Instrument degradiert werden, zumal dies vor dem gegebenen Hintergrund ohnehin völlig abwegig erscheint.
Es ist daher völlig falsch, die Ausweitung des Wahlrechts integrationspolitisch zu diskutieren, da die integrationspolitische Zielvorstellung Ihres Antrags schlicht und ergreifend verfassungswidrig und unvereinbar mit dem deutschen Grundgesetz ist.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Richtiger geht das gar nicht, als das integrationspolitisch zu diskutieren!)
Deshalb möchte ich Sie eindringlich warnen –, vielleicht hören Sie mir jetzt auch einmal alle zu, dann hören Sie das auch wenigstens! –, je ignoranter Sie mit dieser durch den Staatsgerichtshof bestätigten Sachlage umgehen, desto respektloser behandeln Sie unsere verfassungsrechtlichen Grundsätze und somit die Deutsche Verfassung insgesamt.
Die einzige Möglichkeit, das Wahlrecht ausüben zu dürfen, ist und bleibt momentan die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Lage stellt die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit mit der Folge der Erlangung aller politischen Pflichten und Teilhaberechte für die CDU-Fraktion den bevorzugten und den besten Weg einer gelungenen Integration dar. Deshalb ist es sinnvoll, den Erlangungsprozess der Staatsangehörigkeit so auszugestalten und gegebenenfalls so zu reformieren, dass er für die hier lebenden nicht deutschen Unionsbürger und Drittstaatler so bürokratisch wie nötig, aber so attraktiv und unbürokratisch wie möglich ist.
Genau an dieser Stelle zeigt der Staatsgerichtshof – dafür tut die CDU auf der Bundesebene einiges, was wir auch absolut unterstützen – Gestaltungsspielraum auf. Die Erlangung des Wahlrechts kann und soll dabei für uns einen großen Anreiz darstellen, weshalb wir die Ausweitung des Wahlrechts auch inhaltlich ablehnen. (Beifall bei der CDU)
Letztendlich können wir als CDU-Fraktion zum dritten Mal nichts anderes feststellen, als dass sowohl Ihr Anliegen als auch Ihr Antrag inhaltlich ins Leere laufen und mehr als am Ziel vorbeischießen, da die Ausweitung des Wahlrechts selbst auf Bundesebene mit erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken verbunden ist, und wir nicht das Wahlrecht, sondern die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit als Ziel eines gelungenen Integrationsprozesses sehen, zu der das Wahlrecht einen wichtigen und positiven Anreiz geben soll. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Staatsgerichtshof hat gesprochen, insofern ist der Streit nach unseren Regeln der Gewaltenteilung beigelegt. Eine zweite Lesung findet nicht statt, aber die Diskussion geht natürlich weiter!
Es ist doch ganz klar, und das zeigt ja schon die Formulierung einer sehr klaren und präzis abweichenden Meinung: Minderheitsvoten waren schon des Öfteren der Keim für Richtungsänderungen, auch deutscher Verfassungsgerichte. So ist es doch immer gewesen, und diese abweichende Meinung ist wirklich sehr klug; und überhaupt ist die Weiterentwicklung von Verfassungen und ihrer Interpretation nicht Sache der Gerichte allein, sondern der öffentlichen Erörterung. Das Gericht hat dann im Fall das letzte Wort, aber die Erörterung geht natürlich weiter. Deswegen erlauben Sie mir auch, bei allem Respekt für den Staatsgerichtshof, einige Anmerkungen. Es ist keine Respektlosigkeit, dass wir die erste Lesung durchgeführt haben und dann nicht die zweite Lesung gemacht, sondern den Staatsgerichtshof gefragt haben. Sie haben das gestern und heute wieder in Andeutungen als Rechtsbruch bezeichnet, das ist eine Unverschämtheit, genau das Gegenteil davon ist der Fall.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Vorlagebeschluss!)
Wir haben aus Respekt vor der verfassungsrechtlichen Diskussion vorher das zuständige Organ gefragt, wie es dazu steht, und wir respektieren das Urteil, aber wir bilden uns darüber auch unser eigenes Urteil und dazu möchte ich noch einige Dinge vortragen.
Kernpunkt der Kontroverse ist für mich das immer noch sehr enge nationalstaatlich orientierte Verständnis der europäischen Integration durch die Verfassungsgerichte. Das ist ja auch eine durchgängige Enge in den Urteilen aus Karlsruhe, aber auch in diesem Urteil. Wir haben in unserem Gesetzesentwurf damit argumentiert, dass die immer engere Verflechtung, die reale Verflechtung der Gesellschaften in Europa den Begriff des Volks verändert hat und – das ist das Entscheidende! – dass diese reale Veränderung auch verfassungsrechtlich durch den Vertrag von Maastricht umgesetzt worden ist, indem die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger das Recht bekommen haben, unabhängig von der Staatsbürgerschaft am Ort ihres Lebens und Arbeitens die kommunalen Organe zu wählen. Das ist doch eine Bestimmung, die nach dem Jahr 1990 neu gekommen ist.
Das heißt, die alte Gleichung Volk gleich Staatsangehörigkeit gleich Wahlrecht, auf der das hergebrachte Dogma, das Sie hier auch noch viermal referiert haben, beruht, stimmt einfach seit dem Vertrag von Maastricht nicht mehr!
Ein Kernsatz dieses Urteils aus dem Jahr 1990 hieß – ich zitiere! –: „Wahlen, bei denen auch Ausländer beteiligt sind, können demokratische Legitimation nicht vermitteln.“ Dieser Grundsatz gilt seit dem Vertrag von Maastricht nicht mehr. Sie müssen doch auch endlich einmal zu Kenntnis nehmen, dass sich dort etwas verändert hat!
Der Staatsgerichtshof geht jetzt mit der unbestreitbaren Veränderung der verfassungsrechtlichen Lage, die ja durch den Bundestag und durch den Bundesrat beschlossen worden ist, so um, dass der Staatsgerichtshof behauptet, die Änderung sei unwesentlich. Ja, da frage ich mich, wieso? Wieso ist diese Änderung, die ja eindeutig diesen Grundsatz durchlöchert und nicht mehr die Regel ist, unwesentlich? Es handele sich – Zitat – „um gewisse historisch und unionsbedingte Modifikationen“, es sei ein „integrationsbedingter Zurechnungstatbestand eigener Art, der nicht modifizierend auf sonstige Verfassungsbe
stimmung einwirken kann.“ Man muss schon ein klares Vorurteil haben, um einfach zu sagen, da ändern wir etwas, die Grundlagen gelten nicht mehr, aber eigentlich hat sich gar nichts geändert. Ich verstehe das nicht!
Der Tenor ist: Weil die Änderungen angeblich von außen kommen, seien sie unwichtig, und das ist der Kern des Irrtums. Der Vertrag von Maastricht kam nicht von außen, er ist nicht in Brüssel beschlossen worden, sondern in den Hauptstädten Europas, in Deutschland von Bundestag und Bundesrat. Wir selbst haben die Regel geändert, um unsere politische Ordnung in besseren Einklang mit der Realität zu bringen. Man muss doch zur Kenntnis nehmen, dass die Regeln verändert worden sind und dass die Grundsätze aus dem Jahr 1990 nicht einfach so weitergehen können.
Damit hat der Bundestag auch anerkannt, dass die Demokratie mit dem Kernstück Wahlrecht auf der Ebene der Kommunen, das ist ja eine andere Ebene des Staats, anders gestaltet werden kann. Das Homogenitätsprinzip, das Sie uns hier noch viermal erklärt haben, gilt deswegen nicht mehr. Wir machen es auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich, das ist eine Tatsache! Noch einmal: Wir verstehen den demokratischen Kernsatz, „alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, als Aufforderung zur Demokratie und nicht allein als Frage nach dem Pass, und die gemeinsame europäische Verfassung gibt uns Recht und nicht Ihnen!
Ein weiteres zentrales Argument – darauf möchte ich einmal hinweisen – der hergebrachten Lehre, das interessanterweise so auch nicht mehr auftaucht, hat sich verflüchtigt, nämlich dass Wahlrecht sei in der Schicksalsgemeinschaft der Staatsangehörigen gegründet, die auch Pflichten bedeutet. Die letzte Pflicht dieser Art war die Wehrpflicht, sie ist inzwischen abgeschafft.
Es ist formal korrekt, das ist in Ordnung! Wenn es hier jemanden gibt, der meint, dass sie in den nächsten Jahren wieder eingeführt wird, der soll sich melden. Real ist es allerdings so, dass wir keine Pflichten haben, die nicht für alle gelten. Wir haben hier keine Pflichten, die nicht für alle gelten, insofern gilt auch dieser Satz nicht!
der reinen Lehre und sowieso vom Grundsatz her sympathisch und auch richtig, es so allgemein zu formulieren, aber ich finde, wenn Sie so herangehen, dann haben Sie bei den gegenwärtigen Verhältnissen die Aussicht auf Realisierung schon von vornherein aufgegeben. Es würde sich nämlich nirgendwo in der europäischen Realität ein Anker finden, das ist mein Hauptargument, wenn wir das einfach in Deutschland machen, die europäische Realität um uns herum ist nicht so. Es würde auch keinen Widerhall in der Öffentlichkeit der Politik finden, anders als unser Vorschlag, der einen Schritt macht, einen Schritt, der mehrheitsfähig sein könnte.
Noch einmal zwei Beispiele zur europäischen Realität: Bei dem Referendum in Schottland – Sie erinnern sich – konnten auch alle EU-Bürger, die in Schottland leben, einfach mitwählen. Dort geht es schon. Viele Nachbarn sind beim Kommunalwahlrecht für Drittstaatler viel weiter. Was Deutschland angeht: Der Weg ist in der Tat weit, aber meine Kollegin hat darauf hingewiesen, in Nordrhein-Westfalen gibt es eine ausgedehnte Diskussion über diese Frage, sie diskutieren ganz intensiv unser Vorgehen. In Kiel gibt es entsprechende Beschlüsse des Landtags.
Mit Sicherheit wird es schwierig, der Weg ist weg, aber Sie wissen, auch in dieser Frage haben wir Grünen einen langen Atem und werden in dieser Sache nicht aufgeben! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Häsler, ich möchte einmal damit beginnen, Ihnen zuzustimmen! Der Staatsgerichtshof hat bestätigt, ja, die Landesgesetzgeber haben keinen abweichenden Spielraum bei der Definition des Wahlvolkes.
Das hat in dieser Debatte aber auch keiner behauptet, das stimmt. Welche Auswirkungen hat das? Der Staatsgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber die Definitionsmacht über das Wahlvolk hat. Daraus folgt, egal, welche juristischen Nebelbomben Sie werfen, dass es einfach einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag bedarf, damit es ein Ausländerwahlrecht gibt. So einfach wäre das.
Als politischer Diskurs bleibt dann übrig – und den fände ich wirklich spannend zu führen –, ob die CDU das will oder nicht.
Sie haben zum Schluss noch einmal gesagt, Sie wollen das nicht, und ich glaube, die politische Kontroverse in diesem Land wird wie bei so vielen Dingen in den nächsten Jahren davon geprägt sein, dass die CDU erklären muss, warum sie die einzige politisch relevante Kraft in diesem Land ist, die sich gegen eine notwendige Veränderung stemmt.
Kollege Röwekamp, man kann diese Debatte führen, und ich glaube, es ist die Debatte einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung. Wir werden sie austragen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass der progressive Teil dieses Parlaments diese Debatte gewinnen wird wie bei den Rechten der Homosexuellen, vielleicht nicht in fünf, aber in zehn Jahren.