Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es überrascht mich nicht, dass Sie unsere finanzpolitischen Vorstellungen ablehnen. Sie lehnen sie ja immer ab. Ehrlich gesagt möchte ich in diesem Fall dann einmal wissen, wie Sie Ihre Vorstellungen von einer vernünftig aus gestatteten Bildungspolitik von der frühkindlichen Bildung bis zu einem Schulabschluss, den im Übrigen ja auch die anderen Oppositionsparteien fordern, finanzieren wollen.

Bei der CDU habe ich totale Zweifel, denn heute Morgen hat ihr Fraktionsvorsitzender noch einmal die Gründe in epischer Breite dargelegt, warum die 400 Millionen Euro zur Schuldentilgung genommen werden sollten. Es ist mir ein völliges Rätsel, auf welche Weise Sie irgendein Bildungsprogramm finanzieren wollen, lieber Kollege Dr. vom Bruch.

Bei der FDP geht es mir ähnlich. Sie haben zum Haushalt lediglich Sparvorschläge unterbreitet, und zwar Sparvorschläge, die dermaßen absurd waren, dass sie Bremen eine Komplementärfinanzierung in hohem Maße gekostet hätten.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Stimmt nicht, Frau Vogt! Wir haben 70 zusätzliche Lehrer beantragt!)

Wir können hier natürlich noch weiter beraten, wel che Dinge ganz toll wären, aber ich muss mir dann von vier Fraktionen hier anhören, dass wir das nicht umsetzen können, weil kein Geld zur Verfügung steht oder weil die einen immer von der Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik reden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es Ihnen noch einmal: Sie reden immer von den zukünftigen Generationen, es sind aber im Augenblick Generationen von Schülerinnen und Schülern vorhanden, die schlechte Bildungschancen haben, und zwar mit einer hohen Segregation in be stimmten Stadtteilen. Daran hat sich überhaupt nichts geändert, und zwar auch nicht durch die Schulreform, lieber Kollege Güngör. Überhaupt nichts!

(Beifall DIE LINKE – Abg. Professor Dr. Hilz meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Es ist immer noch Fakt, dass die Schülerinnen und Schüler in Gröpelingen die niedrigsten Bildungs chancen haben.

Ich beantworte im Moment keine Zwischenfragen, nicht von der FDP. Die FDP muss hier erst einmal Haushaltsvorschläge machen,

(Lachen FDP)

wie sie ihre Forderungen finanzieren will, vorher nehme ich sie nicht mehr ernst. Man kann doch nicht immer sagen, wir wollen irgendetwas, aber letztlich nicht sagen, wie es finanziert werden soll.

Wir sagen ziemlich klipp und klar, liebe Kollegin nen und Kollegen von der FDP, dass wir Schatten haushalte wollen. Wir wollen Schattenhaushalte für Investitionen.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich denke, Sie sind für Transparenz und nicht für Schattenhaushalte!)

Im Übrigen machen das auch andere Sanierungs länder. Es wird Berlin immer mit den Worten ange führt, es stünde besser da. Warum denn? Sie haben Schattenhaushalte für Investitionen eingerichtet, und das wurde auch für die Zukunft im Koalitionsvertrag vereinbart. Es ist alles andere als nachhaltig, Investiti onen nicht zu tätigen. Das erleben wir im Augenblick.

Ich möchte noch einige Ausführungen zu meinen beiden Kollegen Dr. vom Bruch und Güngör machen. Es ist beileibe nicht so, dass die Beratungen, die wir hier durchführen, ein bunter Strauß irgendwelcher Maßnahmen wären, die man sich einfach einmal eben so ausdenkt. Wir haben Monate in einem Ausschuss zur Bekämpfung und Vermeidung von Armut ver bracht, Monate, nein, ich glaube, sogar zwei Jahre.

Die Forderungen, die wir in unserem Antrag erheben, sind Schlussfolgerungen, die wir aus den Beratungen des Ausschusses gezogen haben. Wir haben lediglich

eine Forderung nicht gemeinsam getragen, sie ist ausschließlich von uns unterstützt worden: Das war die Entlastung der Klassenleitungen in den Schulen mit ganz auffälligen Sozialindikatoren, in denen sehr viel Sozialarbeit geleistet wird und die Vermittlungen übernehmen, indem Kinder Erziehungshilfen oder psychologische Begleitung erhalten. Diese Forderung haben wir bisher allein unterstützt. Ich habe Sie, Herr Dr. vom Bruch, beim letzten Mal so verstanden, deswegen verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie jetzt sagen: ein nicht erklärbares Sammelsurium. Sie haben diese Forderung inzwi schen endlich – und ich finde das richtig – selbst in der Zeitung erhoben. Sie haben selbst gesagt, man müsse die Klassenleitungen entlasten, die viel Elter narbeit leisteten. Es gibt für mich keinen ersichtlichen Grund, das nicht zu tun. Klassenleitungen oder Lehrer, die beispiels weise „Jugend forscht“ oder „Jugend musiziert“ an den Schulen begleiten, erhalten Entlastungsstunden. Klassenleitungen, die sich jedoch von morgens bis abends darum kümmern, dass Eltern ihre Kinder nicht völlig aus der Spur geraten lassen oder dass Kindern Erziehungshilfen gewährt werden, damit sie eben nicht fremdplatziert werden, erhalten keine Entlastungsstunden. Ich finde, das geht nicht, und das müssen wir ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE)

Thema Sprachförderung! Herr Güngör, Sie müssen nicht den Kopf schütteln!

(Abg. Güngör [SPD]: Doch, ich schüttele den Kopf! Sie erzählen etwas von Armut! In Ihrem Antrag steht nicht ein einziges Mal das Wort Armut! Haben Sie eigentlich Ihren eigenen Antrag gelesen?)

Wir wissen, dass in den Schubladen schöne Konzepte zur Sprachförderung liegen, und wir wissen auch, dass das Ressort im Augenblick an einem durchgän gigen Rahmenbildungsplan arbeitet. Wir wissen aber auch, lieber Kollege Güngör, dass diese Pläne und Konzepte im Alltag der Schulen, in denen 70 bis 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen Deutsch nicht als erste Sprache haben, überhaupt keine Rolle spielen, weil schlicht und einfach die Ressourcen fehlen, die Konzepte zur Sprachförderung umzusetzen. Wenn man einmal die Schulen fragt, vor allen Dingen die Schulen, die es nötig haben, welche Mittel ihnen für eine gezielte Sprachförderung zur Verfügung stehen, dann bekommt man meistens nur ein sarkas tisches Lachen zu hören, weil die vier zusätzlichen Lehrerwochenstunden natürlich nicht ausreichen. Das ist nicht nur eine konzeptionelle Frage, sondern am Ende des Tages eine Frage der Ressourcen, die den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Wenn Sie sich unseren Antrag anschauen, dann ist lediglich ein Punkt vorhanden, der haushalterisch hin

terlegt werden muss. Es ist das Investitionsprogramm. Herr Dr. vom Bruch, ich möchte Ihnen einmal sagen, wie ich auf die Zahl 100 komme, also 50 zusätzliche Stellen: Es waren nicht nur unsere Haushaltsanträge in den letzten fünf Jahren, sondern schlicht und ergrei fend ist Frau Jürgens-Pieper die Senatorin gewesen, die die Schulreform und die Inklusion auf den Weg gebracht hat, glaubhaft berechnet hat und dies auch in einer Deputationssitzung, in der wir beide anwe send gewesen sind, gesagt hat, dass man eigentlich zusätzlich 100 Referendare einstellen müsse.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Seitdem ist doch ein bisschen passiert, oder? )

Ja eben, wir haben noch mehr Schülerinnen und Schüler und noch mehr Herausforderungen durch die Flucht und die Zuwanderung aus armen süd osteuropäischen Ländern! Der Lehrerbedarf ist ja nicht gesunken, sondern gestiegen. Wir haben einen Fachkräftemangel. Es gibt doch gar keinen sinn vollen Grund, hinter dieser errechneten Forderung zurückzubleiben.

Ich erinnere mich an eine weitere Beratung! Die Kol legin Böschen hat in der September-Sitzung unseren Änderungsantrag zum Gesetz über die Referendar sausbildung hier im Grunde begründet, indem sie sagte, dass wir auch zukünftige Lehrer aus Nieder sachsen für das Referendariat in Bremen zulassen.

(Glocke – Abg. Frau Böschen [SPD]: Alle Plätze sind besetzt!)

Sie hat unseren Antrag richtig begründet, und sie hat letztendlich auch gesagt, dass die finanziellen Mittel dafür nicht zur Verfügung stünden,

(Abg. Güngör [SPD]: Alle Plätze sind doch besetzt!)

und deswegen dem Antrag im Moment nicht zuge stimmt würde.

(Glocke)

Ich habe mir eben gerade die Antworten auf meine Anfrage in der Fragestunde angeschaut: 27 Lehrkräfte aus Niedersachsen, die am 1. Februar 2017 in Bremen mit dem Referendariat beginnen wollen, werden aufgrund dieser Regelung nicht aufgenommen.

(Glocke – Abg. Frau Böschen [SPD]: Nein, aber dafür werden Bremerinnen und Bremer aufgenommen!)

Trotzdem, Frau Böschen, ist es doch völlig klar, dass wir zusätzliche Referendare für das Referendariat brauchen, das haben Sie selbst gesagt. Die Zahl 50 ist nicht willkürlich, sondern sie ist berechnet.

(Glocke)

Sie sind deswegen nötig.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Frau Böschen [SPD]: Daran arbeiten wir!)

Herr Dr. vom Bruch, Sie haben ebenfalls einen Antrag gestellt, in dem Sie ein Benchmarking mit Hamburg verlangen. Auf das Ergebnis des Benchmarkings bin ich gespannt.

Ich finde, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr evaluieren oder ein Benchmarking durchführen müssen, sondern an dem wir handeln müssen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall DIE LINKE)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne den Generalkonsul der Ar gentinischen Republik in Hamburg, Herrn Fernando Brun, der heute die Freie Hansestadt Bremen besucht.

Seien Sie herzlich willkommen in der Bremischen Bürgerschaft!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Professor Dr. Hilz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vogt, Sie haben mich noch einmal quasi an das Rednerpult gerufen, damit ich noch einmal eines klarstelle, was vielleicht auch deutlich macht, wie viel Wahrheitsgehalt in Ihrer Rede war: Wir haben während der Haushaltsberatungen Anträge für 70 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer an den Schu len in Bremerhaven und Bremen vorgelegt, Finan zierungshöhe 4,2 Millionen Euro jährlich, und wir haben dazu auch im Zuge der Haushaltsberatungen weitere Finanzierungsvorschläge vorgelegt. Das ist die Wahrheit, Frau Vogt, und nicht das, was Sie hier verkünden! – Vielen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Dr. Bogedan.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Vogt, ich muss mich leider dem Reigen der Vorrednerinnen und Vorredner anschließen, auch ich finde diesen Antrag, ehrlich gesagt, in hohem Maße fantasielos und überflüssig.

(Beifall SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, LKR)

Er wird schon gar nicht den großen Herausforde rungen, die wir real zu bewältigen haben, gerecht.

Tatsächlich ist es so, dass ich hier als Mitglied des Senats stehen und versichern kann, dass gerade dieser Senat sich in höchster Weise den bildungspolitischen Themen verbunden fühlt.