Protokoll der Sitzung vom 10.05.2017

Den Polizeibeauftragten mit eigener Ermittlungstätigkeit halten wir zum anderen für kontraproduktiv. Unter dem Strich kommt dabei nichts heraus, es ist personal- und kostenintensiv. Ein solcher Polizeibeauftragter hat eben nicht die Möglichkeiten, wie die Polizei oder Staatsanwaltschaft, die Ermittlungstätigkeit in vollem Umfang durchzuführen.

Wir sind in einer parlamentarischen Demokratie hinreichend mit allen Möglichkeiten ausgestattet, um Fehlverhalten von Polizeibeamten und in den Behörden aufzuklären. Wir haben Personalräte,

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wir haben Gewerkschaften, wir haben persönliche Rechte des einzelnen Beamten selbst, die wahrgenommen werden können. Das Parlament verfügt über Ausschüsse, wir haben die Innendeputation, wir haben den Rechtsausschuss, und wir können letztlich auch einen Untersuchungsausschuss bei ganz gravierenden Vorfällen bemühen. Wir haben den Petitionsausschuss.

Wir haben die persönlichen Rechte des Einzelnen, der sich beleidigt fühlt, der sich körperlich verletzt fühlt und der eine Sachbeschädigung beklagt. Der Einzelne kann das Verfahren selbst privatrechtlich durchführen. Dann hat sein Anwalt die Möglichkeit, die Akten einzusehen. Er kann das Verfahren zum Gericht tragen. Er kann Leute als Zeugen benennen, und dann müssen sie gehört werden. Mehr werden Sie auch auf diese Weise nicht aufklären können.

Da diese ganzen Möglichkeiten bestehen, brauchen wir nicht mehr Misstrauen gegenüber der Polizei, und wir brauchen auch nicht unnötig Geld, für eine neue Bürokratie hinauszuwerfen.

(Beifall FDP)

Nutzen wir die Möglichkeiten, die wir haben. Sie sind für Bremen völlig ausreichend. Wir brauchen allenfalls eine noch besser ausgestattete Polizei hinsichtlich Personal und Sachmittel, damit Stresssituationen in der Polizei vermieden werden können. Ihr Antrag ist rundherum abzulehnen. - Danke schön!

(Beifall FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer kontrolliert eigentlich die Polizei? Dieser Frage gehen immer wieder verschiedene Menschenrechtsorganisationen und Parteien, wie die SPD, DIE LINKE oder wir, nach. Diese Frage ist aus unserer Sicht durchaus berechtigt, denn die Polizei hat eine besondere Stellung in unserer Gesellschaft. Sie übt für den Staat das Gewaltmonopol aus. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dürfen legal Gewalt anwenden, im Extremfall geht dies bis zum Einsatz der Schusswaffe.

Der Einsatz darf nicht willkürlich sein, und er muss darüber hinaus verhältnismäßig sein. Bei der Diskussion über Polizeieinsätze geht es auch immer wieder um diese beiden zentralen Punkte. Mir ist bewusst, dass diese Diskussionen in Teilen der Polizei und offensichtlich auch hier im Parlament

immer wieder kritisch gesehen werden, aber, meine Damen und Herren, diese Nachfragen, das kritische Hinterfragen, sowohl innerhalb der Polizei als auch außerhalb der Polizei, sorgen doch dafür, dass Entscheidungen und Handlungen transparent und verständlich werden.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Wir Grüne sehen darin keine mangelnde Wertschätzung, es ist kein Ausdruck von Misstrauen, sondern die Auseinandersetzung mit dem realen Arbeitsleben der Beamtinnen und Beamten.

Nun zur Frage einer unabhängigen Kontrollinstanz! Eine ganz wichtige Kontrollinstanz, nicht nur der Polizei, sondern auch der gesamten Verwaltung, sitzt hier in diesem Parlament. Die Landesverfassung und die einschlägigen Gesetze geben uns Abgeordneten weitgehende Befugnisse von der Befragung, über die Akteneinsicht bis zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Schon jetzt nutzen einige Fraktionen diese Mittel, um zum Beispiel in der Deputation für Inneres Einsätze der Polizei und Vorwürfe gegen die Polizei zu hinterfragen.

Auch bei den Grünen im Bund --.

(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Das ist etwas ande- res! Das wissen Sie auch!)

Ich bin auf dem Weg zu Ihnen, Frau Vogt, ich komme auch noch dahin!

Auch bei den Grünen im Bund und in den Ländern gibt es eine Diskussion, ob das ausreichend ist, oder ob nicht doch ein zusätzliches Instrument geschaffen werden muss, denn das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei ist ein hohes Gut. Zugleich haben Polizistinnen und Polizisten einen Schutz vor Diffamierung verdient.

Bei Vorwürfen unrechtmäßiger Polizeiarbeit haben alle Beteiligten ein Interesse an einer rückhaltlosen Aufklärung. Den einzelnen Polizistinnen und Polizisten muss eine unabhängige Ansprechpartnerin oder ein unabhängiger Ansprechpartner zur Verfügung stehen, an die sie sich auch bei Missständen wenden können. Deshalb haben wir Grünen in unserem Wahlprogramm auch die Position eines Polizeibeauftragten beim Landtag gefordert.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD haben wir diesen Gedanken gemeinsam weiterentwickelt und werden nun in der Bremischen Bürgerschaft eine Person benennen, die als Ansprechpartner für

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Eingaben und Fragen zur Verfügung steht, wenn es um die Gewalterfahrung von und gegen öffentlich Bedienstete geht. Es ist nicht nur die Polizei, die Gewalterfahrung erlebt. Wenn Sie sich beispielsweise einmal mit den Beschäftigten des Stadtamtes unterhalten, dann werden Sie feststellen, dass es dort entsprechende Vorfälle gibt. Auf der anderen Seite gibt es auch immer einmal wieder Vorwürfe, denen nachgegangen werden kann und denen nachgegangen werden sollte.

Der Gewaltbeauftragte soll, wenn es rechtlich möglich ist, nach dem Willen der Regierungskoalition unabhängig von Weisungen agieren können. Das ist auch eine Diskussion, die immer wieder bei der Frage unabhängiger Beurteilung eine Rolle spielt. Die grüne Fraktion arbeitet gerade an einem Gesetzentwurf, und wir sind ganz sicher, dass wir das Gesetzgebungsverfahren bis zum Ende dieses Jahres parlamentarisch abschließen können.

Es ist in der heutigen Debatte ein ganz wichtiger Aspekt aufgeworfen worden, nämlich die Fragen: Was kann eine solche Stelle leisten? An welcher Stelle muss man aufpassen, dass keine Doppelstrukturen entwickelt werden? Es gibt in diesem Land unterschiedliche Lösungsansätze. Ich bin absolut dafür, dass wir uns das in aller Ruhe anschauen, weil sich natürlich die Frage stellt, ob zusätzlich zur staatsanwaltschaftlichen Ermittlung eine weitere Stelle mit gleichen Kompetenzen notwendig ist.

Es sind Gründe vorhanden, die für eine entsprechende Lösung sprechen, es gibt aber auch eine ganze Menge Gründe - und das ist in der bisherigen Diskussion deutlich geworden -, die dagegen sprechen.

Das alles ist in einem vernünftigen Gesetzgebungsverfahren zu erörtern. Wir wollen uns diesem Prozess stellen, und zwar auch der Auseinandersetzung mit der Opposition und all denen, die sich daran beteiligen wollen. Ich gehe davon aus, dass wir Ihnen spätestens nach der Sommerpause einen entsprechenden Entwurf als Regierungskoalition präsentieren können.

Ich bin dann auch gern bereit, in die weitere Beratung einzutreten. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag der Linksfraktion heute ab. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Willi Hinners, ich bin ja manchmal ganz durcheinander, meine Fraktion sagt immer, ich habe zu viel Vertrauen in die Polizei, du sagst jetzt eben, dass es ein Misstrauensantrag sei. Ich werde das auf dem nächsten GdP-Ball klären.

(Heiterkeit - Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit Herrn Hinners? - Abg. Frau Grotheer [SPD]: Das war eine Drohung!)

Nicht mit Herrn Hinners!

Ich habe im Übrigen schon mit Polizeibeamten gesprochen, bevor wir den Antrag gestellt haben, weil sie mich angeschrieben haben. Ich habe gleich gesagt, wir können uns gern bei uns im Fraktionsbüro treffen. Wir haben alles miteinander besprochen. Ich habe aus den Gesprächen mit den Polizeibeamten ein paar andere Aufträge mitgenommen, die ich auch noch abarbeiten werde.

Herr Zenner, ich kann Folgendes beim besten Willen nicht akzeptieren: Wenn ich in einem Antrag Organisationen zitiere, die entsprechende Forderungen aufstellen, und eine Organisation nennt sich „Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ des Europarates, daraus dann zu konstruieren, dass ich der Polizei Folter unterstelle, das finde ich, ehrlich gesagt, abenteuerlich, und das hat mich von Ihnen ein bisschen enttäuscht.

(Beifall DIE LINKE, SPD - Zuruf Abg. Zenner [FDP])

Ich habe eben gerade gesagt, dass seit 2013 einiges geschehen ist. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben einen Ombudsmann installiert. Das ist etwas anderes als der Polizeibeauftragte, das stimmt, insofern war der Hinweis des Staatsrats an mich richtig. Es ist eben auch schon deutlich herausgestellt worden.

Der Polizeibeauftragte - und daraus habe ich im Übrigen gar keinen Hehl gemacht - steht im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün in Berlin, und er soll auch umgesetzt werden. Deswegen haben wir uns diesen Antrag genau angeschaut. Wir können ihn aufgrund der Größe des Apparats in Berlin nicht eins zu eins auf Bremen übertragen, und zwar insbesondere wegen der Verwaltungsvorschriften. Wir haben den Antrag allerdings zum Anlass genommen, einmal genau hinzuschauen. Ich will einmal zwei, drei Punkte zur konkreten Umsetzung sagen.

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Die oder der Polizeibeauftragte soll, wie zum Beispiel auch die Landesdatenschutzbeauftragte, vom Parlament gewählt werden. Die oder der unabhängige Polizeibeauftragte erhält ein eigenständiges Akteneinsichts- und Untersuchungsrecht. Er flankiert damit nur die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, er ersetzt sie selbstverständlich nicht, weil das nach den strafrechtlichen Vorschriften gar nicht möglich ist. Das fordern wir auch gar nicht. Wir fordern, dass die oder der unabhängige Polizeibeauftragte eigene Ermittlungsbefugnisse hat, aber eben nur die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergänzt. Das ist der eine Teil.

Der andere Teil, der uns auch wichtig ist - und das habe ich mit Polizeibeamten auch so besprochen , ist, dass die oder der Polizeibeauftragte auch Ansprechpartner für die Polizei ist, also eine Ombudsmannstelle. Ich empfinde es als hervorragend, wenn zum Beispiel in Rheinland-Pfalz dabei herauskommt, dass sich Polizeibeamte über dienstliche Probleme, die sich aus falschen Anschuldigungen ergeben, beschweren können und dass dann etwas unternommen wird. Ich glaube, hiermüssen wir im Übrigen in Bremen auch noch etwas tun. Ich werde für eine der nächsten Bürgerschaftssitzungen einen entsprechenden Antrag vorlegen, denn auch in Bremen ist das ein Problem für die betroffenen Polizeibeamten. Ich denke, dass uns diese Stelle auch in Bremen guttun würde.

Es gibt in vielerlei Hinsicht Nachbesserungsbedarf. Es gab 2013, als wir die Stelle gefordert haben beziehungsweise die Polizeikontrollkommission, tatsächlich einen Anlass. Das war der Vorfall im „Gleis 9“. Die Koalition hatte damals eine Anfrage gestellt, und sie mochte damals irgendwie nicht mehr so richtig darüber debattieren. Ich bin auf den Antrag der Grünen gespannt. Ich warte auf den Antrag ja schon seit einiger Zeit. Deswegen hatten wir unseren Antrag ja eine Zeit lang zurückgestellt.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn Sie zu uns wechseln, können Sie hineinschauen!)

Herr Fecker, das wird nicht passieren! Ich weise nur darauf hin, dass ich nicht so ganz daran glaube, dass der Antrag zum Gewaltschutzbeauftragten das Licht des Parlaments erblicken wird. Die Grünen haben in der letzten Legislaturperiode auch schon zweimal einen entsprechenden Antrag angekündigt, als wir eine entsprechende Forderung erhoben haben. Sie haben behauptet, dass der Antrag der Grünen viel besser sei. Wir haben ihn in der letzten Legislaturperiode nicht gesehen!

(Beifall DIE LINKE - Abg. Fecker [Bundes 90 die Grünen]: Jetzt finden Sie es gut!)

Ich weiß nicht, ob es daran gelegen hat, dass Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner nicht einigen konnten, weitere Initiativen einzubringen.

(Abg. Fecker [Bundes 90/Die Grünen]: Wir sind so etwas von dicht beieinander!)

Wir werden es sehen. Ich bin gespannt.

Ich hätte es deswegen gern erreicht, dass der Antrag überwiesen wird. Ich finde auch, dass man sich Berlin genau anschauen muss, um zu sehen, was auf Bremen übertragbar ist und wo es Doppelstrukturen gibt. Da zumindest der eine Teil der Koalition dazu nicht bereit gewesen ist, denke ich, schauen wir einmal, was von den Grünen kommt und warten einmal ab, was die SPD für dieses Parlament - und ob überhaupt - zulässt. Vielleicht debattieren wir das Thema dann in einem Dreivierteljahr erneut. - Ich danke Ihnen!