Protokoll der Sitzung vom 05.04.2003

Herr Abg. Kartmann, ich darf Sie für Ihre Ansprache an das Rednerpult bitten.

Herr Alterspräsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Präsident des Staatsgerichtshofes, verehrte Ehrengäste, meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sie haben mich heute zu Ihrem neuen Präsidenten gewählt. Für das mir entgegengebrachte Vertrauen bedanke ich mich von ganzem Herzen bei Ihnen allen. Das einstimmige Votum, gerade auch für einen Neuen – Sie wissen gar nicht, was Sie sich eingefangen haben –,

(Heiterkeit)

freut mich natürlich ganz besonders. Ich werte dies allerdings vor allem als Zeichen des Bewusstseins für unsere gemeinsame Verantwortung als Hessischer Landtag.

Ich darf Sie bitten, mich und die noch zu wählenden Mitglieder des Präsidiums dabei zu unterstützen, dass wir das, was wir uns vornehmen, in den nächsten fünf Jahren auch umsetzen.

Ich möchte mich an dieser Stelle besonders bei Frau Wagner für ihr Bild bedanken. Es ist eine Zeichnung von Frau Wagner, welche die Dächer von Hermannstadt darstellt. Hermannstadt ist die Heimat meines Vaters, deswegen ist

der Bezug da. Ich möchte das gerne erwähnen und mich ganz herzlich dafür bedanken.

Unserem Alterspräsidenten Armin Klein will ich für seine bisherige Amtsführung den Dank des Hauses aussprechen. Wir hätten nicht wechseln müssen, du machst das gut, lieber Armin.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist für dich auch ein besonderer Tag, dieses Amt auszufüllen, nicht nur deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil dieser Landtag in deinem Wahlkreis liegt, sondern weil es mit Sicherheit auch eine große Ehre ist, als Alterspräsident den Landtag in seine neue Legislaturperiode zu führen.

Ich will es auch nicht unerwähnt lassen: Die Tatsache, dass Armin Klein unser Alterspräsident ist, weist darauf hin, dass der 16. Landtag ein junger Landtag ist, lieber Armin.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Sie, die Abgeordneten des 16. Hessischen Landtags, können gewiss sein, dass ich mir der Aufgabe und der Verantwortung, die Sie mir übertragen haben, sehr wohl bewusst bin. Mir ist aber auch klar – dies bedarf heute auch von dieser Stelle aus der besonderen Erwähnung –, dass mit dem heutigen Tag nicht nur meine Amtszeit beginnt, sondern dass die Amtszeit unseres bisherigen Präsidenten Klaus Peter Möller endet. Ich will daher persönlich und im Namen des hohen Hauses Ihnen, Herr Präsident Möller, für Ihre langjährige, eindrucksvolle und Beispiel gebende Tätigkeit als Präsident des Hessischen Landtags herzlich danken.

(Anhaltender lebhafter Beifall – Die Abgeordne- ten erheben sich während des Beifalls von ihren Plätzen.)

Nicht nur innerhalb dieses Landtages, sondern in der gesamten hessischen Öffentlichkeit und über unsere Landesgrenzen hinaus haben Sie sich in Person und durch Ihre Amtsführung hohe Anerkennung erworben, die nicht heute endet, sondern über diesen Tag hinaus fortbestehen wird. Ich will Ihnen für den Hessischen Landtag – und ich bin sicher: auch für den Großteil unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger – deshalb heute und öffentlich den allergrößten Respekt für Ihre Tätigkeit bekunden.

In gleichem Maße gilt dieser Respekt unserer bisherigen Vizepräsidentin Veronika Winterstein.

(Lebhafter Beifall – Die Abgeordneten erheben sich während des Beifalls von ihren Plätzen.)

Auch Ihnen, liebe Frau Winterstein, gilt der Dank der Abgeordneten und vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger für Ihre Tätigkeit als Vizepräsidentin des Hessischen Landtags.

Ihnen beiden will ich sagen: Es war eine gute Zeit in schwieriger Zeit.Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können uns weder den Zeitpunkt noch die Umstände aussuchen, an denen wichtige Entscheidungen für unser Land getroffen werden müssen.Wenn wir heute zu unserer ersten Sitzung der neuen Wahlperiode zusammenkommen, dann leben wir natürlich unter dem Eindruck der weltpolitischen Ereignisse. Sie bedrücken uns alle sehr, daran besteht kein Zweifel.

Es ist sicherlich unser aller Wunsch,dass diese militärische Auseinandersetzung im Irak sehr bald endet. Dieses Ereignis wirft Fragen auf, die nur schwer zu beantworten sind. Selbst ein klares Nein auf die Frage, ob dies alles sein muss, ist wahrlich keine einfache Antwort. Und die Antwort: „Ja, es gibt Situationen, wo so etwas unvermeidbar ist“, ist es schon ganz und gar nicht.

Wir sollten uns aber davor hüten, uns die jeweils andere Antwort vorzuwerfen. Dies wäre angesichts der Schwere des Themas zu oberflächlich. Zugleich dürfen, ja müssen die erkennbar unterschiedlichen Meinungen kontrovers diskutiert werden. Dabei mahne ich uns alle zur Besonnenheit. Wenn etwas jetzt schon in aller Klarheit deutlich wird – wieder deutlich wird –,dann ist es die Tatsache,welche hohen Güter Frieden und Freiheit sind, die zu bewahren unsere vornehmste Aufgabe ist.

Es ist sicher ratsam, angesichts dieses Krieges, aber auch grundsätzlich in allen Lebenssituationen, die wir zu bewältigen haben, anderen zuzuhören, die uns Hilfe und Orientierung geben können.

Das Erlebnis des heutigen Gottesdienstes zeigt mir jedenfalls, dass dies ein guter Rat sein kann. Ich will Herrn Bischof Algermissen und Herrn Kirchenpräsidenten Prof. Dr. Steinacker persönlich und für alle Gottesdienstbesucher nicht nur dafür danken,dass sie heute Morgen diesen Gottesdienst gestaltet haben. Ich will vor allen Dingen Dank dafür sagen, dass sie uns Wege aufgezeigt haben, wie und wo wir Orientierung bei der Lösung schwierigster Probleme erhalten und woraus wir Kraft bei der Bewältigung der uns auferlegten Lasten schöpfen können.Vielen Dank, Herr Bischof Algermissen, vielen Dank, Herr Prof. Dr. Steinacker.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, vor nicht ganz 57 Jahren trat der erste Hessische Landtag zusammen. Mit einer Ausnahme dauerten die Legislaturperioden vier Jahre. Einmal hat eine Legislaturperiode nur acht Monate gedauert. Einige von uns waren dabei und haben daran, zumindest teilweise, schmerzhafte Erinnerungen. Aber man lebt aus Erfahrungen. Für die, die diese Legislaturperiode erlebt haben, war es zweifellos eine wichtige Erfahrung. Man wird stabiler, wenn man auf Zeit gewählt ist, wie wir es heute Morgen im Gottesdienst gehört haben.

Der 16. Landtag ist der erste in der Geschichte unseres Bundeslandes, der auf fünf Jahre gewählt ist. Die Bürgerinnen und Bürger Hessens haben dieser Verlängerung in einer Volksabstimmung mehrheitlich zugestimmt. Es gab aber auch etliche, die diesbezüglich skeptisch waren. Unsere Aufgabe wird es nun sein, zu zeigen, dass sich dieses Mehr an Zeit in der Art und Weise unserer Tätigkeit und in den Ergebnissen der Politik positiv auswirkt.

Der Hessische Landtag – dies ist wohl kaum zu bestreiten – gehört zu den lebhaftesten unter den deutschen Parlamenten. Dies hat weniger zu bedeuten, dass wir ein lebendiger Landtag sind – das sind wir auch –, als vielmehr, dass hier die Auseinandersetzungen etwas härter geführt werden als anderswo in deutschen Parlamenten – um es sanft auszudrücken.

(Heiterkeit)

Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, dazu beizutragen, dass der Konsens über die Grenzziehung zwischen gewollter und auch notwendiger harter parlamentarischer Auseinandersetzung auf der einen Seite und dem Verstoß gegen allgemein gültige Regeln des menschlichen Mit

einanders auf der anderen Seite klar definiert und letztlich eingehalten wird.

Meine Damen und Herren, dem Hessischen Landtag steht es gut an, sich über die verschiedenen berechtigten Interessen von Abgeordneten, Fraktionen und Parteien hinaus seiner eigenen Identität immer bewusst zu sein.

Der Hessische Landtag, das ist das Gesamte, das in der Verfassung verankerte und beschriebene höchste Staatsorgan unseres Bundeslandes. Er ist mehr als der einzelne Abgeordnete, mehr als die Fraktionen, mehr als die Parteien, so wichtig diese auch sind. Der Hessische Landtag ist das konstitutive Element der repräsentativen Demokratie in Hessen. Wir sind das Parlament des ganzen Volkes.

Daraus erwächst die besondere Pflicht, dass sich der Hessische Landtag den Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegenüber öffnet, seine Stellung und Bedeutung in der parlamentarischen Demokratie selbstbewusst darlegt und damit bei den Bürgerinnen und Bürgern das dauerhafte Bekenntnis zum freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat fördert.

Wir alle haben die hohe Verantwortung und besondere Verpflichtung, daran mitzuwirken, denn – dies ist die andere Seite dieser Medaille – jeder Einzelne von uns 110 Abgeordneten ist ein gleich bedeutender Teil dessen, was ich beschrieben habe. Wir Abgeordneten – dies will ich an alle in Hessen gewandt sagen, die uns heute zusehen und zuhören – sind die in freier, geheimer und unmittelbarer Wahl gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinnen und Bürger. Ein jeder Abgeordneter ist bemüht, der sich daraus ergebenden Verantwortung gerecht zu werden.

Dabei sind wir nicht ohne Fehler, und wir bekennen uns dazu nicht mehr und nicht weniger als andere. Wir haben Zweifel, wir haben Ängste und manchmal zu wenig Mut. Das mag sein.Aber wir wollen das Beste für unser Land – jeder aus seiner Sicht.Wir wissen, dass wir unter besonderer kritischer Beobachtung stehen. Das muss so sein, auch wenn es manchmal eine Last ist. Aber wir Abgeordnete haben den berechtigten Anspruch, an der Sache, die wir vertreten, gemessen, gelobt oder kritisiert zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin überzeugt davon, dass wir in diesem Sinne – und nur deshalb – in der kommenden Legislaturperiode auch Fragen an uns selbst stellen müssen. Diese müssen wir beantworten und nach außen vertreten. Dazu bedarf es einer deutlichen Verstärkung der Präsentation unserer Tätigkeit in allen Teilen der Bevölkerung, wobei wir einen besonderen Schwerpunkt auf die jungen Menschen in unserem Bundesland legen sollten.

Hinzu kommen die alltäglichen Dinge der Landtagsarbeit, z. B. die Fragestellung nach der Effizienz der parlamentarischen Arbeit und nach den Bedingungen, unter denen dieser Landtag arbeitet.Ich meine damit die Arbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Landtagsverwaltung, denen ich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit anbiete.Ich meine damit die Arbeit mit uns Abgeordneten,und ich meine damit die Arbeit mit denen, die als Vertreterinnen und Vertreter der Medien ein besonderes Merkmal in der Demokratie darstellen, nämlich die öffentliche Kontrolle der Politik.

Aus der Stellung des Hessischen Landtags als dem höchsten Verfassungsorgan des Bundeslandes Hessen ergeben sich Aufgaben, die über den parlamentarischen Auftrag

der Gesetzgebung und der Regierungskontrolle hinaus geboten sind. Dazu gehören die Darstellung der verfassungsgemäßen Pflichten in allen Teilen der Bevölkerung, die Verdeutlichung der Stellung des Landesparlaments in der repräsentativen demokratischen Struktur des Landes, die Verbesserung der Transparenz der parlamentarischen Arbeit durch Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit des Landtags und das Bemühen um mehr Akzeptanz des parlamentarischen Systems im Allgemeinen und des Hessischen Landtags im Speziellen. Das Hessenparlament als Identifikationsmerkmal unter der Überschrift „Unser Landtag“ könnte dabei ein Ziel sein.

Das kann man erreichen durch die Intensivierung der politischen Bildung in allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen, vor allem im Bereich der auszubildenden Jugend, durch die Verbesserung der Präsenz der Repräsentanten des Landtags in Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Ehrenamtsbereichen und Medien, die Verbesserung der Information und Betreuung von Besuchern des Hessischen Landtags, die Erhöhung der Zahl der Besucherinnen und Besucher, vor allem außerhalb der Plenartage, durch eine moderne effiziente Landtagsverwaltung als Dienstleistungsunternehmen der Volksvertretung und durch die deutlichere Differenzierung zwischen den Interessen des Landesparlaments als parteineutrales Organ und den berechtigten Interessen der Fraktionen.

Meine Damen und Herren, der Hessische Landtag ist nicht nur das Parlament; er ist Arbeitsplatz für viele. Er ist zudem das Haus der gewählten Vertreterinnen und Vertreter der hessischen Bürgerschaft. Er ist das Haus für die Besuche der hessischen Bürgerinnen und Bürger „ihres Parlaments“.Er ist das Haus der Gastfreundschaft für Besucherinnen und Besucher aus allen Teilen Deutschlands, Europas und der ganzen Welt. Er ist das sichtbare Symbol des freiheitlichen Rechtsstaats. Er ist ein historisches Element der städtischen, der regionalen und der hessischen Geschichte. Und er ist ein Bekenntnis zur Landeshauptstadt Wiesbaden.

Aufgrund der Bedeutung des Hessischen Landtags an sich und all seiner Funktionen ist nicht zu bezweifeln, dass dieses Gebäude einer dringlichen baulichen Verbesserung bedarf. Dies wird auch von allen Fraktionen, der Stadt Wiesbaden und der Öffentlichkeit anerkannt.

Zur jüngsten Geschichte dieses Gebäudes gehört aber auch die Feststellung, dass dieser Landtag Ende 2002 eine umsetzungsfähige Planung ad acta gelegt hat. Dabei spielen die Gründe, weshalb es dazu gekommen ist, bezüglich des zukünftigen Wegs eine nur untergeordnete Rolle.

Dieser zukünftige Weg der baulichen Entwicklung wird wesentlich geprägt sein müssen von einer auch transparenten Abwägung verschiedener Konzepte,einer politisch und fachlich kompetenten Projektsteuerung unter Einbeziehung des Präsidiums, der Arbeitsplatznutzer, der Landesregierung im Rahmen der Finanzsteuerung, der städtischen Ebene und externer juristischer und baufachlicher Kompetenz.

Meine Damen und Herren, die Frage der Gestaltung unserer parlamentarischen Arbeit beschäftigt uns schon seit einigen Jahren. Hier brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden.

Die Ergebnisse der Enquetekommission „Verbesserung der Landtagsarbeit“ aus der 14. Legislaturperiode müssen auf ihre Aktualität und Funktionalität überprüft, bei den baulichen Entscheidungen berücksichtigt und im Falle des Konsenses zwischen den Abgeordneten sukzessive

umgesetzt werden. Neue Kommunikationstechniken und neue Medien werden verstärkt Einzug halten in die Arbeit der einzelnen Abgeordneten, der Fraktionen und auch der Verwaltung. Daraus ergeben sich Notwendigkeiten im Hinblick auf die Ausstattung der Verwaltung, der Fraktionen und wiederum der einzelnen Abgeordneten.

Meine Damen und Herren, es muss das Bemühen aller sein, den Ablauf von Sitzungen des Hessischen Landtags und seiner Ausschüsse so zu gestalten, dass bei deren Beurteilung der Wettbewerb um Inhalte und nicht Verhaltensweisen im Vordergrund steht. Diesbezüglich muss es einen wirksamen Konsens in der Spitze des Präsidiums des Hessischen Landtags geben.

Der Hessische Landtag als, wie gesagt, bekannt streitfähiges Parlament, das er auch bleiben soll, braucht an dieser Stelle Diskussionen und neues Bewusstsein. Es ist mein Wunsch, meine Hoffnung, dass dies auch im Hinblick auf die zukünftige Arbeit und das, was wir auch gestern Abend von allen Fraktionen gehört haben, so umgesetzt werden kann.