Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Sicherstellung einer hochschuleinheitlichen Entwicklungsplanung – Drucks. 16/5525 zu Drucks. 16/5411 –

Die Redezeit beträgt fünf Minuten.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir brauchen noch eine Berichterstatterin!)

Das ist die zweite Lesung, Entschuldigung. Die Berichterstatterin ist, wenn ich das richtig sehe, Frau Kollegin Sorge.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, das ist Herr Kollege Bocklet!)

Herr Kollege Bocklet, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Der Gesetzentwurf war dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst in der 97. Plenarsitzung am 28. März 2006 nach der ersten Lesung zur Vorbereitung der zweiten Lesung überwiesen worden.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst hat sich in seiner Sitzung am 4. Mai 2006 mit dem Gesetzentwurf befasst und mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die obige Beschlussempfehlung gefasst. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, wir eröffnen die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Für die CDU-Fraktion erhält Frau Oppermann das Wort.

(Anne Oppermann (CDU): Frau Sorge ist zuerst dran!)

Frau Sorge, dann haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist außerordentlich schade, dass dieser Gesetzentwurf abgelehnt wird, und ich glaube, die Regierungsfraktion hätte sich hier wirklich nichts abgebrochen.Ich will noch einmal kurz schildern, um was es bei diesem Gesetzentwurf geht. Es geht darum, dass uns bei der Auseinandersetzung über die wahrscheinlich bevorstehende Schließung des Instituts für Sexualwissenschaften aufgefallen ist, dass es im Hessischen Hochschulgesetz einen Paragraphen gibt, der dem Fachbereich Medizin gegenüber anderen Fachbereichen bzw. der gesamten Universität eine Autonomie erlaubt. Wir halten das aus zwei Gründen für sehr misslich: Der eine ist – deswegen haben wir auch einen Gesetzentwurf eingebracht –, dass wir das, was diesem Gesetz immanent ist, für falsch halten, weil sich der Autonomieprozess der Hochschulen so gestalten muss, dass die Hochschule über ihre Belange, ihre Entwicklungsplanung und vor allem auch über ihre wissenschaftlichen Profile selbst entscheiden können muss.

Das geht eben nicht, wenn die Hochschulen auf einen relativ großen Teilbereich – der Fachbereich Medizin ist kein kleiner Fachbereich,sondern ein sehr wichtiger – keinen Einfluss haben. Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht. Wir finden, dass sich die Regierung nichts abgebrochen hätte, wenn sie diesem Vorschlag zur Gesetzesänderung zugestimmt hätte.Wir glauben, dass es für die Autonomie der Hochschulen ein richtiger Schritt gewesen wäre. Es geht um einen Passus, der aufgrund der besonderen Stellung der Fachbereiche Medizin in das Gesetz aufgenommen worden ist, der sich aber meines Erachtens im Zuge der immer weiter gehenden Autonomie als falsch erwiesen hat. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass wir diesen Passus des Gesetzes als Fehler entdeckt haben, und zwar aufgrund der Diskussion zur bevorstehenden Schließung des Instituts für Sexualwissenschaften in Frankfurt. Wir haben das natürlich zum Anlass genommen, über eine Gesetzesänderung nachzudenken. Ich will aber noch einmal ausdrücklich sagen: Das ist es nicht allein, sondern wir sind der Meinung, dass es ein falsches System ist, das uns zu dieser Gesetzesänderung veranlasst hat.

Wir wollen mit dieser Gesetzesänderung natürlich auf die Situation des Instituts für Sexualwissenschaften aufmerksam machen. Nach dem, was ich bisher gehört habe, scheint das auf einem guten Wege zu sein; dennoch ist es noch immer so, dass die Verträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im September auslaufen werden. Ich

habe das bei der ersten Lesung schon einmal dargestellt. Es gibt nach wie vor einen sehr großen Beratungsbedarf. Es gibt auch in Bezug auf neue Therapien sehr viele Anfragen, und es können natürlich – solange die Existenzsicherung des Instituts für Sexualwissenschaften nicht gewährleistet ist – keine neuen Therapien angefangen werden.

Die Bezeichnung „Institut für Sexualwissenschaften“ klingt immer ein wenig witzig. Über Sexualität redet man nicht so gerne. Aber es geht im Wesentlichen um Menschen, die enorme Probleme und zu ihrer Sexualität kein normales Verhältnis haben, die dadurch auch psychische Probleme haben,denen geholfen werden muss.Von dieser Hilfe profitieren die Betroffenen nicht nur individuell, sondern die Gesellschaft profitiert ebenfalls, da es häufig um Fälle geht, die hoch problematisch sind.

Insofern hätte ich mir zum einen gewünscht, dass sowohl die Regierungsfraktion als auch die Oppositionsfraktionen unserem Gesetzentwurf hätten zustimmen können, weil eine Zustimmung meiner Ansicht nach wirklich wichtig gewesen wäre. Ich hätte mir des Weiteren gewünscht, dass sich sowohl die Landesregierung als auch die anderen Fraktionen des Hessischen Landtags des Problems des Instituts für Sexualwissenschaften mehr angenommen hätten. – Dabei will ich es zunächst belassen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Oppermann von der CDU. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Sorge, Ihr Gesetzentwurf ist seit der ersten Lesung, der Beratung im Ausschuss bis heute nun wirklich nicht besser geworden.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat sich auch nicht geändert! – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er war von Anfang an so!)

Nun, das hätte ich mir gewünscht. Ich komme noch einmal darauf zu sprechen: Sie hätten ihn noch ändern können, und zwar als Sie im Ausschuss gemerkt haben, dass Ihr Gesetzentwurf in der Tat – was ich Ihnen im Ausschuss auch schon gesagt habe – in dieser Form gar nicht richtig ist. Ich führe das noch einmal aus, was ich bereits im Ausschuss gesagt habe: Er ist schlicht und ergreifend nicht zielführend.

Es ist unbestritten, dass das Institut für Sexualwissenschaften während seines mehr als 30-jährigen Bestehens eine sehr gute Arbeit geleistet hat. Frau Kollegin Sorge, ich komme jetzt auf das zu sprechen,was Sie im Ausschuss gesagt haben. Sie haben gesagt, dass die Strukturkommission nur für das Universitätsklinikum Marburg und Gießen gelten würde.Ich habe Ihnen das in der ersten Lesung und im Ausschuss gesagt, und ich sage es Ihnen jetzt zum dritten Mal: Das ist nicht zutreffend.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich lese Ihnen gerne noch einmal den § 57 des Hessischen Hochschulgesetzes vor, den der Hessische Landtag im Rahmen des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken im Dezember des vergangenen Jahres – zugegebenermaßen gegen Ihre Stimmen – beschlossen hat. Er hat es dennoch beschlossen.

Frau Oppermann, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen? – Frau Sorge, bitte sehr.

Frau Oppermann, würden Sie mir zugestehen, dass ich im Ausschuss gesagt habe, dass es nicht um die Fachbereiche in Marburg und Gießen gehe, sondern dass es nur um die Fachbereiche Medizin und eben nicht um die gesamte Hochschulentwicklungsplanung gehe?

Ich habe im Ausschuss gesagt, dass die Strukturkommission hierüber entscheide. Daraufhin haben Sie mir entgegengehalten – –

(Lachen der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Entschuldigung,ich weiß nicht,was da so witzig ist,wenn ich versuche, auf Ihre Frage zu antworten. Dann kann ich es gleich sein lassen. – Ich habe Ihnen gesagt, dass die Strukturkommission auch für Frankfurt gelte. Daraufhin haben Sie mir vorgeworfen: Nein, Frau Kollegin Oppermann, das stimmt nicht. – Sie haben zu mir gesagt, die Strukturkommission gelte nur für Marburg und Gießen.

Ich mache da weiter, wo ich eben angefangen habe. Der besagte § 57 wird wie folgt geändert – ich zitiere –:

Der Fachbereich Medizin erfüllt seine Aufgaben in Forschung und Lehre in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum. Zur Vorbereitung von Strukturentscheidungen des Fachbereichs Medizin der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie der Fachbereiche Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen und der PhillipsUniversität Marburg nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 59 Abs. 2 Satz 3 werden

jetzt hören Sie bitte zu; es ist schön, dass Sie es jetzt einmal lesen –

am Standort Frankfurt und gemeinsam für die Standorte Gießen und Marburg Strukturkommissionen gebildet; im Bereich der klinischen Medizin mit dem jeweiligen Universitätsklinikum. Der jeweiligen Strukturkommission gehören mindestens eine Vertreterin oder ein Vertreter des Dekanats und des Präsidiums sowie im Bereich der klinischen Medizin des Universitätsklinikums an.

Im geänderten § 57 heißt es weiter:

Bei der Bildung Klinischer Zentren nach § 24 Abs. 4 des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken sind die Festlegungen der Strukturplanungen zu berücksichtigen.

Kollegin Sorge, im besagten § 24 Abs. 4 steht:

Zur Koordination und Optimierung der Betriebsabläufe von Abteilungen und sonstigen Organisationseinheiten des Universitätsklinikums können klinische Zentren gebildet werden. Dabei sind die Festlegungen der Strukturplanung der Universitäten zu berücksichtigen.

Ich sage es noch einmal: Das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf beabsichtigen, nämlich die Mitwirkung des Präsidiums an Strukturentscheidungen des Fachbereichs Medizin sicherzustellen, entspricht schon der gegenwärtigen Rechtslage. Somit ist ein Regelungsbedarf für eine weitere Gesetzesänderung nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang lassen Sie mich bitte daran erinnern, dass es die so genannte „Quertapete“ gibt, das Konzept der hessischen Hochschulmedizin, das in einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Prof. Leonhard in enger Abstimmung – das ist ganz wichtig – mit den Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg und ihren jeweiligen Medizinfachbereichen – das ist mindestens ebenso wichtig – erarbeitet worden ist.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin. – Unabhängig von den Schwerpunktbildungen in Forschung und Lehre bleibt die Krankenversorgung an allen drei Standorten sichergestellt. Frau Kollegin, das bedeutet im speziellen Fall des Instituts für Sexualwissenschaften in Frankfurt, dass die Patientenversorgung im Rahmen der sexualmedizinischen Sprechstunde am Universitätsklinikum Frankfurt fortgeführt wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Beer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Kollegin Sorge, ich kann es nach dem längeren juristischen Vortrag der Kollegin Oppermann kurz machen.Auch ich konnte in der ersten Lesung und in der Beratung im Ausschuss von Ihnen nicht davon überzeugt werden, dass es sich bei diesem Gesetzentwurf um etwas anderes als ein schlichtes Maßnahmengesetz handelt; will heißen: Sie haben einen Einzelfall und werfen zur Lösung des Einzelfalls ein Gesetz hinterher. Dabei ist es auch nach den Feststellungen und Beratungen im Ausschuss geblieben.

Sie haben auch selbst noch nicht einmal eine Anhörung zu diesem Thema beantragt. Eine Anhörung hätte auch das gezeigt, was wir durch eine kurze Abfrage bei allen drei Hochschulstandorten, die ein Klinikum haben, erfahren haben, nämlich dass dieses Gesetz nicht benötigt wird. Das ist die Aussage aller drei Standorte, die wir in Hessen haben. Das ist sogar die Aussage der Frankfurter. Selbst

die Frankfurter gehen davon aus, dass sie diese Gesetzesänderung nicht brauchen, um ihre Probleme zu lösen.

Sie stellen zudem dar – wir haben es noch in dieser Woche telefonisch abgefragt –, dass sich eine Lösung für das Institut für Sexualwissenschaften, für das Sie sich hier dankenswerterweise so einsetzen, auf gutem Wege befindet. Der Fachbereich wird nach meinen Informationen Anfang Juni über das nun vorgelegte Konzept entscheiden. Danach sind die Stellen sofort ausschreibbar.Das heißt,es mag ganz partiell Kommunikationsprobleme gegeben haben. Es ist aber nicht notwendig, dem gleich ein Gesetz hinterherzuwerfen.Von daher werden wir bei unserer Ablehnung Ihres Gesetzentwurfs bleiben. – Herzlichen Dank.