Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Kritisch ist sicher anzumerken, dass es oft Frauenjobs sind, die da entstanden sind. Aber dazu liegen uns noch keine genauen Zahlen vor.

Das Schlimmste an der Sache finde ich, dass sich diese Operation als völlig sinnlos erweisen könnte. Denn die Prognosen gehen davon aus, dass mindestens 10 % der Minijobs dadurch wegfallen werden. Die Berechnungen zeigen, wenn 15 % der Jobs wegfallen, gibt es an dieser Stelle überhaupt keine Zusatzeinnahmen.Das heißt,es ist wieder eine dieser sinn- und planlosen Operationen, wo man auf Kosten von Geringverdienern die sozialen Sicherungssysteme zumindest tröpfchenweise bedenken will. Aber letztendlich ist die Gefahr viel zu groß, dass dabei überhaupt nichts herauskommt.

Das „Handelsblatt“ sagt an dieser Stelle: „Der Gesetzgeber irrt von Not-OP zu Not-OP“. Das beschreibt diesen Zustand gut. Von daher bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, und bitte die an der Koalition in Berlin Beteiligten, in Zukunft dafür zu sorgen, dass die Lasten in diesem Land gerechter verteilt werden, und nicht denen, die sowieso an der unteren Schwelle arbeiten und verdienen, auch noch in die Taschen zu greifen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Denzin (FDP))

Das Wort hat Herr Abg. Holler für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat es bereits gesagt: Künftig soll die Pauschalabgabe für die so genannten Minijobs von 25 auf 30 % angehoben werden. Ich stimme meiner Vorrednerin natürlich auch zu, dass somit ein Teil dieser Beschäftigungsverhältnisse unattraktiver wird.

Wir müssen dieses Thema allerdings anders als im GRÜNEN-Antrag betrachten, nämlich ein Stück weit differenzierter. Denn Minijobs in Privathaushalten, die über das Haushaltscheckverfahren gemeldet werden, sind von der Erhöhung nicht betroffen. Die Botschaft muss sein, dass sich in diesem wichtigen Segment nichts verteuert, zumal ansonsten im Sektor der privaten Haushalte eine verstärkte Abwanderung in die Schattenwirtschaft stattfinden könnte. Für Beschäftigte bleibt der Minijob bis zu einer Entgeltgrenze von 400 c steuer- und abgabenfrei.

Der Boom an Minijobs seit 2003 ist neben den Privathaushalten aber natürlich auch im gewerblichen Bereich zu verzeichnen gewesen – dies durchaus mit bedenklichen Folgen. Auch hierzu hat meine Vorrednerin einiges gesagt. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Boom auch mit dem Wegfall regulärer Beschäftigungsverhältnisse erklären lässt – dies z. B. in Form einer Aufsplittung von Vollarbeitsplätzen oder in der Form, dass reguläre Arbeitsplätze gar nicht erst geschaffen werden.

(Petra Fuhrmann (SPD): Völlig neue Töne der CDU!)

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich deswegen dafür ausgesprochen,die Entwicklung der Minijobs im Hinblick auf mögliche Verdrängungseffekte evaluieren zu lassen.

Meine Damen und Herren, schon jetzt können wir feststellen,dass die Minijobs nicht als Durchgangsstation zum ersten Arbeitsmarkt gedient haben. Sie dienen in erster Linie als Hinzuverdienstmöglichkeit. Daran ist auch ersichtlich, dass wir zwischen Minijobs und Niedriglohnsek

tor unterscheiden müssen. Minijobs haben insbesondere Schüler, Studenten, Rentner und Hausfrauen wahrgenommen. Diese Möglichkeit des Hinzuverdienstes soll auch weiterhin gegeben sein. Jedoch kann es nicht in unserem Interesse sein, dass eine unkontrollierte Zunahme dieser Beschäftigungsform mit den von mir beschriebenen Folgen zu einem Problem für die Finanzierungsgrundlage unserer sozialen Sicherungssysteme wird.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich der Antrag der GRÜNEN nicht logisch mit den Hintergründen oder der Steuerungsfunktion, die eine solche Maßnahme haben soll, auseinander setzt.Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht gibt es Gründe für eine Veränderung der Abgabenquote.Was reguläre Arbeit angeht, bleiben wir dabei, dass eine Entlastung erreicht und flexiblere sowie beschäftigungsfreundlichere Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt geschaffen werden müssen.

Meine Damen und Herren, bei Minijobs bleibt es dabei: Erstens. Minijobber bleiben steuer- und abgabenfrei. Zweitens. Die Privathaushalte mit ihrem Wachstumspotenzial sind nicht betroffen.

Ich denke, wir sollten diese Maßnahmen, die auf Bundesebene angestrebt bzw. auf den Weg gebracht sind, mittragen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Fuhrmann für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass dieser Antrag,der ein Datum aus dem März trägt,im Juni behandelt wird,während das Gesetz bereits am 1.Juli in Kraft tritt,ist ein typisches Beispiel dafür,wie wir in dieser Plenarwoche miteinander umgehen und wie wir Anträge nicht abarbeiten, sondern sie altern lassen, statt sie in die Ausschüsse zu geben und dort über sie zu diskutieren. Ich glaube, das wäre sinnvoller gewesen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Michael Denzin (FDP))

Eine der Maßnahmen, die im Haushaltsbegleitgesetz umgesetzt worden sind, ist die Anhebung der Pauschalabgabe für geringfügige Beschäftigung im gewerblichen Bereich von 25 auf 30 %. Das ist die einzige belastende Maßnahme. Insofern kann ich es beim Antrag der GRÜNEN relativ kurz machen.Diese Maßnahme ist kein Beitrag zur Steigerung der Lohnnebenkosten, sondern ein Teil eines Gesamtpakets, das sinnvoll ist.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Senkung!)

Ich werde Ihnen nachweisen, dass glatt das Gegenteil der Fall ist, Herr Kollege.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Rund 6,7 Millionen Menschen hatten im Juli 2005 einen Minijob. Seit Einführung der Minijobs im Jahre 2003 ist die Zahl dieser Jobs um 2,6 Millionen gestiegen – ein Boom mit Schattenseiten und ohne größeren Beschäftigungseffekt, weil die überwiegende Zahl der Minijobber,

nämlich fast 5 Millionen Menschen, ausschließlich einen solchen Job hat. Es sind Rentnerinnen, es sind Schülerinnen, Studierende, aber eben keine Langzeitarbeitslosen. Es wird immer gesagt, Minijobs seien eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Damit ist es Essig. Sie sind eben keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der SPD)

Etwa ein Viertel der Nebenerwerbsminijobber,die,um ihr zu niedriges Einkommen aufzubessern, einen zweiten oder dritten Job annehmen müssen, sind ebenfalls keine Langzeitarbeitslosen, sondern es sind Menschen, die leider einen zu geringen Verdienst haben, denen unter Umständen eine weitere Verstärkung der Debatte über Mindestlöhne helfen würde.

Deshalb möchte ich festhalten: Arbeitslose finden durch Minijobs praktisch überhaupt keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, und deshalb schmälert die Erhöhung der Abgabe um 5 % die Chancen von Langzeitarbeitslosen oder gering qualifizierten Menschen überhaupt nicht. Jede anders lautende Behauptung ist nicht zu belegen. Festzuhalten ist aber mit großer Sicherheit, dass der Boom der Schaffung von Minijobs zu einem drastischen Rückgang sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze in Deutschland geführt hat, insbesondere in den Dienstleistungsbranchen. Wenn ich mit Kolleginnen spreche, die sich um eine sozialversicherungspflichtige Halbtagsstelle bewerben, dann höre ich immer wieder: Wir bekommen nur noch Minijobs angeboten. – Das wollen wir als SPD nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die Zahl der Minijobs hat z. B. im Einzelhandel um 21 % und im Hotelgewerbe um 36 % zugenommen und damit den Anteil regulärer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in diesen Branchen praktisch überholt. Gerade die Frauen sind davon besonders negativ betroffen.

Festzuhalten ist auch, dass Minijobs eine Form subventionierter Arbeit sind, bezahlt von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen und Männern, von der Friseuse und dem Fleischer, die ich vorhin schon nannte, von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bis zu den Arbeitgebern, die mit ihren Lohnnebenkosten den Effekt subventionieren, dass ein Mitbewerber auf dem Markt billiger arbeiten kann, weil er nur noch Minijobs anbietet. Das wollen wir als SPD nicht. Das ist ordnungspolitisch falsch, und es ist ungerecht gegenüber den Beschäftigten und ihren Arbeitgebern.

Die geringe Erhöhung der Pauschale mindert diese Subvention und verteuert die Minijobs um eine kleine Summe. Auch bei der Anhebung der Pauschale bleibt es aber ganz klar eine Form subventionierter Arbeit. Es gibt eine staatliche Förderung dieser Form von Arbeit. Statt regulär 42 % sind nur 28 % der Sozialabgaben zu zahlen. Mit der Kritik an der Erhöhung der pauschalen Versteuerung um 5 % müssen wir auf dem Teppich bleiben, Frau Hölldobler-Heumüller: Eine 400-c-Kraft verteuert sich für den Arbeitgeber von 500 c auf 520 c. Das ist weder der Untergang des Abendlandes, noch wird das meines Erachtens zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen, weil die Arbeit ja gemacht werden muss; sonst gäbe es diese Minijobs nicht, oder es gäbe wieder mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in den Branchen, die ich genannt habe. Das wäre eigentlich dringend notwendig, und darauf sollten wir hinarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Denzin, Sie haben das Wort für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manche werden mit der Zeit klüger. Das gilt für die Kollegin Hölldobler-Heumüller und die Fraktion der GRÜNEN. Manche werden unklüger. Das muss ich den CDU-Kollegen sagen.Wenn ich mich an die zurückliegenden Debatten zu diesem Thema erinnere, Herr Holler, dann scheint das Sein in der großen Koalition in Berlin das Bewusstsein im Hessischen Landtag zu bestimmen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, es geht in der Tat nicht in erster Linie um Arbeitsplätze.Es geht auch um Einkommenschancen. Frau Fuhrmann, bei all dem Falschen, was Sie hier gesagt haben, war eines richtig: Es gibt Familien, die dringend auf einen Zuverdienst angewiesen sind,wenn sie sich über das Existenzminimum hinaus noch etwas leisten wollen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Da stimme ich Ihnen zu! Die hätten aber gern eine ordentliche Halbtagsstelle!)

Diese Familien sind dankbar und froh, dass es diese Art der Beschäftigung gibt. Wir haben die Statistiken der Knappschaft ausgewertet, die besagen, dass im Einzelhandel etwa drei Fünftel dieser Jobs in den kleinen und mittelgroßen Geschäften angeboten werden. Das sind Jobs, die sonst nicht angeboten würden. Es handelt sich also um zusätzliche Arbeitsangebote, insbesondere aufgrund der verlängerten Ladenöffnungszeiten.

(Petra Fuhrmann (SPD): Bei Schlecker, bei Rossmann usw. gibt es nur solche Jobs!)

Es ist auch gut so, dass es diese Arbeitsgelegenheiten gibt. Es wurde richtigerweise schon darauf hingewiesen, dass viele Studenten von diesen Jobs abhängig sind. An der Stelle ist der Hinweis der Kollegin Hölldobler-Heumüller zutreffend, dass gerade die Fraktion, die hier sagt – da unterscheiden wir uns: wir sagen, es ist zwar nicht verkehrt, aber wie Sie es machen, ist es falsch –, dass Studenten wesentlich mehr zu ihrem Unterhalt und zu den Leistungen und Gebühren beitragen sollen, an der Stelle die Studenten wiederum zusätzlich bestrafen will.

Jetzt will ich der CDU-Fraktion eine Pressemeldung der Sozialministerin vom 7. November 2003 vorhalten. Das war kurz nach der Umstellung des Systems. Frau Fuhrmann, nach den Irrungen und Wirrungen im ersten rotgrünen Kabinett Schröder ist das ganze System der Minijobs in seiner Ausrichtung Mitte 2003 geändert und auf den Kopf gestellt worden. Dann musste man einsehen, dass man Minijobs braucht und dass man sie möglich machen muss. Deshalb kam die eben erwähnte Umstellung des Systems. In ihrer damaligen Pressemitteilung sagte unsere Sozialministerin: Dieser positive Effekt, die Entwicklung der Minijobs auf dem Arbeitsmarkt in Hessen in den ersten drei Monaten seit der Gesetzesänderung, ist eine Bestätigung für die Haltung der Hessischen Landesregierung, die Ende vergangenen Jahres in Berlin ihre Forderungen bei der Neugestaltung durchgesetzt hat. – Im Folgenden wird diese Gesetzesänderung in den höchsten Tönen gelobt und gepriesen.

Jetzt kommt meine Kritik: Es ist doch nicht ein Deut an den strukturellen, substanziell-materiellen Bestimmungen dieses Gesetzes geändert worden. Die Leute werden nur zusätzlich geschröpft. Man bedient sich wieder einmal vermehrt selbst.Dazu muss ich sagen:Die große Koalition hat in der Gestaltung von Politik bisher noch keine Fantasie bewiesen, aber im Abzocken ihrer Bürger beweist sie immer mehr Fantasie und immer mehr Durchsetzungsvermögen und Härte, was ich ihr in anderen Politikbereichen eigentlich wünschen würde.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, insofern ist das einmal mehr ein Beleg dafür, dass die große Koalition mit der Frau Bundeskanzlerin auf demselben Weg der Irrungen und Wirrungen ist, wie wir es bei Rot-Grün unter Schröder zweimal erlebt haben.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt spricht die Landesregierung in Gestalt von Herrn Staatssekretär Krämer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich war schon heute früh absehbar, dass wir die Farbenlehre ein bisschen neu organisieren müssen. Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller erschien in schickem Schwarz-Rot-Gold. Inzwischen ist sie, farblich gesehen, leider etwas großkoalitionärer geworden.

(Heiterkeit)

Herr Denzin trägt eine Krawatte in Angie-Orange, also die neue CDU-Farbe.

(Große Heiterkeit)