Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Mit dem einstimmigen Beschluss, den Modellversuch „Selbstverantwortung plus“ an den beruflichen Schulen einzuführen, haben Sie gezeigt, dass Sie diesen Schulen bei der Bewältigung der vor ihnen liegenden Aufgaben einiges zutrauen. Die beruflichen Schulen haben sich vor zwei Jahren mit großem Engagement auf den Weg gemacht. Leider ist dem Hessischen Kultusministerium erst jetzt aufgefallen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen dazu notwendig sind. Welche es nun sein werden, ist immer noch nicht klar.

Die Bereitschaft der teilnehmenden Versuchsschulen zur Fortsetzung des Modellversuchs sinkt inzwischen angesichts der eben genannten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Die Situation ist zusätzlich durch fehlende Ausbildungsstellen und Ersatzmaßnahmen für diese gekennzeichnet. Solange der Ausbildungsplatzmangel anhält – das sind viele Jahre –, leisten die beruflichen Schulen in Hessen einen wesentlichen Beitrag durch zusätzliche Anstrengungen im Interesse der jungen Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. – Immerhin sind 10.000 Jugendliche in solchen Fördermaßnahmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie nicht zu, dass die Landesregierung den beruflichen Schulen im Vollzeitbereich auf dem Verordnungswege so viele Lehrerstunden kürzt, dass den Schulen die Luft zum Atmen wegbleibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abg. Klein (Freigericht) für die CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion sehr dankbar, dass sie den Antrag betreffend Sicherung der Qualität beruflicher Bildung in Hessen im Landtag eingebracht haben, bietet er doch die Möglichkeit, die beeindruckenden Leistungen der Hessischen Landesregierung in der beruflichen Bildung seit der Regierungsübernahme im Jahre 1999 aufzuzeigen.

Herr Kollege Riege, Sie sind ein ausgewiesener Kenner des beruflichen Bildungssystems. Aber zu einigen Punkten habe ich eine andere Auffassung als die, die Sie eben dargestellt haben. Ihr Vortrag war zum Teil ungewohnt polemisch,indem Sie hier Zusammenhänge zwischen dem G-8-Zweig,der Unterrichtsgarantie plus und der Kürzung der Stundenzahl an beruflichen Schulen hergestellt haben.

Bereits vor der Vorlage eines europäischen Bildungsrahmens durch die EU-Kommission haben CDU-Landesregierung und CDU-Fraktion den hohen Stellenwert der beruflichen Bildung erkannt und diese stetig und erfolgreich weiterentwickelt.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den Modellversuch „Selbstverantwortung plus“, der sich nach meiner Auffassung – zugegebenermaßen nach einigen Anlaufschwierigkeiten – längerfristig zu einem Erfolgsmodell entwickeln wird.

Der zehn Punkte umfassende SPD-Antrag kann im Rahmen einer Plenardebatte mit fünf Minuten Redezeit allerdings bei weitem nicht ausreichend analysiert und diskutiert werden. Herr Riege, zu jedem der aufgeführten Punkte könnte man problemlos fünf oder zehn Minuten länger Stellung beziehen. Darauf haben Sie bereits hingewiesen. Ich will von meiner Seite aus exemplarisch nur

wenige allgemeine Anmerkungen zu einem der aufgeführten Punkte tätigen. Inhaltlich vertiefend können wir die einzelnen Antragspunkte anschließend im Kulturpolitischen Ausschuss ausführlich erörtern und hinterfragen.

Zu Punkt 2,Verbesserung vollschulischer Berufsvorbereitung im Berufsvorbereitungsjahr, möchte ich anmerken, dass bereits in der Vergangenheit große Anstrengungen unternommen wurden, um für benachteiligte Jugendliche adäquate Angebote zu entwickeln und vorzuhalten. Als Beispiel will ich nur das Programm zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt benennen, ein ausgewiesenes Erfolgsmodell.

Die Verordnung über die besonderen Bildungsgänge an beruflichen Schulen vom 1.August 1997 wird zurzeit komplett überarbeitet. Ein Entwurf der Verordnung über die Ausbildung und Abschlussprüfungen in den Bildungsgängen zur Berufsvorbereitung liegt vor und war bereits im Beteiligungsverfahren. Zentrale neue Aspekte der Verordnung sind beispielsweise die Vorstellung individueller Förderkonzepte, pädagogische Vereinbarungen mit der Klasse und einzelnen Schülern sowie die Einbeziehung von Qualifizierungsbausteinen, die auf eine berufliche Ausbildung angerechnet werden können – alles Dinge,die zukunftsweisend sind, wie berufliche Bildung in Hessen ausgerichtet sein muss, Herr Kollege Riege.

Lassen Sie mich zum Punkt verbesserte Lehrerzuweisung und differenzierte Förderung an den Schulen einige kurze Anmerkungen tätigen.Die Zuweisung zu den besonderen Bildungsgängen wurde in den letzten Jahren ständig optimiert. Im Vergleich zum vergangenen Schuljahr konnte die Zuweisung noch einmal gesteigert werden und beträgt in diesem Schuljahr 36 Stunden. Im Schuljahr 1998/99 wurden unter einer vorherigen rot-grünen Landesregierung nur 26,5 Stunden zugewiesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 36 Stunden unter CDU, 26,5 Stunden unter Rot-Grün – ich stelle mir ernsthaft die Frage,ob wir uns in Anbetracht solcher Zahlen zu einer Verbesserung der Situation in Hessen auffordern lassen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die derzeitige Zuweisung ermöglicht nicht nur die Deckung der Stundentafel, sondern über einen Zuschlag von sechs Stunden eine Differenzierung des Unterrichtsangebots. – So weit in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur einige wenige inhaltliche Ausführungen, die die erfolgreiche Weiter- und Fortentwicklung der beruflichen Bildung in Hessen dokumentieren. Diese Erfolgsbilanz könnte ich Ihnen für jeden im SPD-Antrag aufgeführten Punkt präsentieren.Wie bereits gesagt, ist das in Anbetracht der knappen Redezeit aber nicht möglich.

Herr Kollege Riege, wir kommen beide aus dem Berufsschulbereich, aus dem Bereich der beruflichen Bildung. Ich denke, wir sind beide der Überzeugung, dass in Hessen alles getan werden muss, dass die berufliche Bildung einen hohen Stellenwert einnimmt, dass die berufliche Bildung vor allen Dingen auch im Vergleich zu allgemein bildenden Schulen verstärkt in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wird.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Ich nehme immer wieder mit Bedauern zur Kenntnis, wie viele Eltern von schulpflichtigen Kindern viel zu wenig über die beruflichen Schulen informiert sind. Hier würde manche Entscheidung, Kinder in allgemein bildende Gänge mit der überzogenen Forderung zu pressen:

„Wenn mein Kind nicht ins Gymnasium geht, kann es nie mehr Abitur machen“, nicht getroffen. Wenn man heute sieht, was allein im berufsbildenden Bereich über die Fachoberschule, über das berufliche Gymnasium und sogar neben der Berufsausbildung bereits erreicht werden kann, ist das hervorragend. Das ist zu würdigen. Hier sollten wir alle im Hause, alle Fraktionen, ausgiebig daran arbeiten, dass wir in der Öffentlichkeit dies auch sehr positiv darstellen. Herr Kollege Riege, ich freue mich auf eine ausführliche und ordentliche Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Denzin (FDP))

Als nächster Rednerin hat Frau Kollegin Henzler für die Fraktion der FDP das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Riege,mir ist noch sehr gut in Erinnerung,wie Sie in der letzten Schulausschusssitzung darauf hingewiesen haben, dass im Weiterbildungsgesetz fälschlicherweise von Berufsschulen und nicht von beruflichen Schulen die Rede ist. Nehmen Sie einmal Ihren eigenen Antrag. Darin steht das genauso falsch.Dann wollen wir uns doch darauf verständigen, für die Zukunft den richtigen Begriff zu nehmen.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP) – Zuruf des Abg. Bernd Riege (SPD))

Die Qualitätsverbesserung der beruflichen Schulen in Hessen hat allgemein Konsens. Herr Riege hat schon darauf hingewiesen. Gerade bei diesem Thema sind sich die Schulpolitiker alle einig. Wir haben gemeinsam „Selbstverwaltung plus“ auf die Reise gebracht, wobei ich sagen muss: Herr Kollege Klein, da hat man die CDU ein bisschen zum Jagen tragen müssen; damit damals ein gemeinsamer Antrag entstanden ist, gab es ziemlich lange Diskussionen. – Das Wichtigste für die beruflichen Schulen ist der Weg in die Selbstständigkeit. Dann können sie ihr vielfältiges Angebot vorhalten, und sie können auch noch zusätzliche Qualifikationen anbieten. Ich muss generell sagen, auch bei meinen Reisen in Hessen und bei vielen Schulbesuchen sind die beruflichen Schulen die spannendsten Schulen in diesem Lande,

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

weil sie eine Bandbreite von Schülern umfassen, wo wirklich derjenige, der völlig frustriert ist und keinen Hauptschulabschluss hat, dann auf die berufliche Schule geht und sich die Lehrer intensiv bemühen, wenigstens wieder einen Funken Engagement zu wecken und dieses Kind voranzubringen. Zum anderen haben sie in den beruflichen Gymnasien Gymnasiasten, die sehr gute Abiturnoten erreichen und sehr fleißig sind.

(Beifall bei der FDP)

Sie sind, worauf Herr Kollege Riege hingewiesen hat, diejenigen Schulen, die wirklich den Durchstieg von ganz unten nach ganz oben ermöglichen. Das sollte man den Eltern, die schon verzweifelt sind, weil ihre Kinder auf die Hauptschule gehen, sagen: Es gibt den Weg über die Hauptschule und die beruflichen Schulen zur allgemeinen

Hochschulreife. – Das ist für viele Kinder mit Sicherheit ein sehr guter und sehr erfolgreicher Weg.

Die Ausbildungssituation in Hessen ist klar. Es gibt einen Lehrstellenmangel,wobei ich sagen muss,die letzten Zahlen aus dem Hochtaunuskreis und Main-Taunus-Kreis sind sehr erfreulich.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja, das RheinMain-Gebiet!)

Es gibt im Hochtaunuskreis ein Plus von 6,1 %, im MainTaunus-Kreis ein Plus von 11,1 %. Von daher gesehen ist zumindest in der Rhein-Main-Region eine Besserung zu verzeichnen.Es gibt natürlich 10.000 Jugendliche – Sie haben es genannt – in den Berufsvorbereitungsjahren, im Berufsgrundbildungsjahr und im Berufsvorbereitungsjahr. Das ist ein Problem. Für diese Schülerinnen und Schüler brauchen wir dringend Lehrer. Sie müssen beschult werden. Nebenbei gingen im Jahre 2005 250 Berufsschullehrer in Pension. Das ist eine große Lücke, die zu schließen versucht werden muss. Das Land Hessen hat aber immerhin zusätzlich 11 Millionen c für ein Ausbildungsförderprogramm ausgegeben. Ich denke, das wird Wirkung zeigen.

Der Antrag der SPD ist ein Wunschkatalog, eine Wunschvorstellung, zu der leider nicht gesagt wird, wie das finanziert werden soll. Es werden mehr Lehrkräfte und eine höhere Lehrerzuweisung gewünscht. Das verursacht Kosten. Sie fordern die Stärkung der vollschulischen Berufsausbildung. Ich sage sehr klar: Das ist nicht die Meinung der FDP. Wir halten die vollschulische Berufsausbildung für zu einseitig, und vor allem höhlt sie das duale System aus.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb kann es nicht im Sinne eines zukunftsfähigen und praxisorientierten Ausbildungssystems sein, wenn wir sehr stark auf die vollschulische Berufsausbildung setzen. Die betriebliche Ausbildung muss eindeutig Vorrang haben.

(Beifall bei der FDP)

Dabei ist sehr positiv die enge Verknüpfung von Schule und Wirtschaft in Hessen zu sehen. Das gibt es nicht nur in den allgemein bildenden Schulen.Das gibt es in den beruflichen Schulen. Das gibt es jetzt sehr stark in den Hauptschulen mit den Praxistagen und den SchuB-Klassen, wo die Kinder sehr früh an Betriebe herangeführt werden und die Betriebe sehr früh die Kinder kennen lernen und sagen können: Passt der zu mir, passt der nicht zu mir? – Das gilt umgekehrt auch für die Jugendlichen. Sie können sich verschiedene Betriebe anschauen und sagen: Wäre das meine Richtung oder nicht?

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Sie fordern den Zugang vollschulischer Bildungsgänge zu Kammerprüfungen. Das ist mit dem neuen Berufsbildungsgesetz des Bundes bereits vereinfacht worden, muss aber sehr sensibel und ausschließlich bedarfsgerecht angewendet werden. Eine vollständige Gleichstellung aller vollschulischen Bildungsgänge mit der dualen Ausbildung lehnt die FDP ab.

(Beifall bei der FDP)

Wir fordern sehr eindringlich, das duale System beizubehalten, zu stärken und zu modularisieren, damit die Berufsausbildung gemäß der Lissabon-Strategie der Europäischen Union international wettbewerbsfähig bleibt.

Wir haben einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag gehabt. Das ist von der damaligen rot-grünen Bundesregierung abgelehnt worden. Vielleicht kommt durch die neue Regierung etwas mehr Bewegung hinein.

Anstatt vollschulische Berufsbildungsgänge auszubauen, sind wir dafür, präventiv die Ausbildungsreife der Schulabgänger zu stärken. Das macht man bereits mit diesen Praxistagen. Unsere Große Anfrage hat ergeben, dass die Zahlen zusätzlicher Hilfsmaßnahmen für Abgänger ohne Lehrstelle und ohne Ausbildung in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind. Hier muss man entgegenwirken. Sie wissen sehr genau, dass wir für eine Unterstützung der Hauptschulen sind. Ihnen sollte man mehr Lehrer geben. Man sollte sehr stark in die Ganztagsangebote gehen, um die Kinder und Jugendlichen zu einem Hauptschulabschluss zu bringen und sie mit diesem Hauptschulabschluss attraktiv für die ausbildenden Betriebe zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Abg. Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) begibt sich zum Rednerpult.)