Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

(Beifall bei der FDP und des Abg. Bernd Riege (SPD))

Herr Minister, wir hatten diese Woche ein Gespräch mit Ihrem Staatssekretär. Es war ein sehr gutes Gespräch, auch wenn wir nicht in allen Punkten übereinstimmen.Da ging es um Tourismus. Da ging es um das, was sich in der Hessen-Agentur in dem Bereich tut.Wir konnten mitnehmen, dass das Problem erkannt ist und dass Sie vielleicht auf dem Weg sind, einiges zu verbessern. Dazu hätten Sie unsere volle Unterstützung. Aber wir können alle anderen Bereiche nehmen, die genauso wenig einen Schritt weiter sind.Es besteht im Gegenteil der Eindruck,wo früher wirklich etwas gelaufen ist – ich meine die ganzen Hessen-Invest-Programme, die nicht von Ihnen oder der CDU erfunden und die Gott sei Dank nicht abgeschafft worden sind – –

(Minister Dr.Alois Rhiel:Ausgebaut!)

Ausgebaut? Wie läuft das denn? – Herr Minister, ich bleibe einmal bei der Hessen-Agentur. Nach meiner Kenntnis ist so gut wie kein Antrag aus der beratenden Stelle Hessen-Agentur in die auszahlende Stelle IBH übergeleitet worden,

(Zuruf von der SPD: So sieht es aus!)

sondern die Antragsteller und Interessenten gehen unmittelbar zur IBH.Das ist nachvollziehbar und völlig richtig. Ich habe letzte Woche einen Fall gehabt, wo ich im Wahlkreis angesprochen wurde. Da ging es um Mittel für Betriebserweiterung. Glauben Sie, ich käme auf die Idee, bei der Hessen-Agentur anzurufen? – Natürlich rufe ich bei der IBH an.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD – Nicola Beer (FDP): Ein besseres Reisebüro! – Zuruf der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Genau das sind die Dinge. Die Hessen-Agentur stellt sich mehr und mehr nur noch als Reisebüro dar. Da muss man – Ruth Wagner – die Lupe kritisch ansetzen, wie, nach welchem Auftrag und mit welchen Zielen eine Wirtschaftsdelegation in die Welt geschickt wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Hauptaufgabe ist – das hat der eine Chef der Hessen-Agentur bei seiner Präsentation zur Wahl in ein ehrenamtliches Gremium im Planungsverband selbst gesagt, es ist in der Zeitung nachzulesen –, er sei der oberste Wirtschaftsförderer Roland Kochs.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Chef der Hessen-Agentur ist der oberste Propagandist Roland Kochs.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Aber seine eigentliche Aufgabe ist es wohl, die HessenAgentur zu einem schlagkräftigen Instrument zu machen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt haben Sie aber den Kollegen Metz beleidigt!)

Das hat der Kollege Metz im Zweifelsfall nicht zu verantworten. – Vielleicht war er es doch.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Aber wie das Ganze läuft: Es gab zu Zeiten Dieter Poschs – ich gebe dir das gleich – eine Fibel „Gesundheitsstandort Hessen“. Man kann insbesondere in den Emiraten usw. werben – in der Vergangenheit mit enormem Erfolg. Diese Fibel präsentiert hessische Heilbäder, Heileinrichtungen, medizinische Betriebe usw.

Die Neuauflage dieser Fibel präsentiert auf der ersten Seite den Ministerpräsidenten mit einem Beitrag von ihm, auf der zweiten Seite den Wirtschaftsminister mit einem längeren Beitrag von ihm, auf der dritten Seite den Wissenschaftsminister mit einem längeren Beitrag von ihm und dann schließlich noch die Frau Sozialministerin. Jetzt können Sie sich anschauen, wie informativ das alles ist, wenn damit geworben wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist alles schön für den Wahlkampf. Und wenn darauf „CDU“ steht, ist das auch okay. Man muss über einzelne Punkte sogar schon lachen.

(Norbert Schmitt (SPD):Was ist mit dem Finanzminister? Der kommt überhaupt nicht vor!)

Der tiefe Ernst liegt doch in dem Stückchen, was Wirtschaftsförderung in einem Land leisten kann und zu leisten hat. Das ist nicht allzu viel. Ich habe Ihnen ja gesagt: Die Hauptsache einer Wirtschaftspolitik ist, die Wirtschaft wirtschaften zu lassen und nur die groben Leitlinien vorzugeben.

(Beifall bei der FDP)

In der Landeswirtschaftspolitik haben wir zwei Bereiche. Der ganz wesentliche ist der Infrastrukturbereich. Den hat Kollege Williges angesprochen; dem ist nichts hinzuzufügen. Aber dann haben wir einen Bereich, wo wir Strukturprozesse abfedern müssen, wo wir auch Betriebsgründern oder Betriebserweiterern helfen müssen. Herr Minister, genau in diesem Bereich – eigentlich der einzige mit einer aktiv geforderten Steuerung des Landes – läuft überhaupt nichts.Wir haben es schon dreimal angemahnt – alle Jahre wieder, seitdem Sie im Amt sind. Ich sehe keine Besserung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich würde der CDU wünschen, dass sie nicht, wie in ihrem Antrag – – Das sind wirklich alberne Selbstdarstellungen, die darin stehen,

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die uns auch nicht weiterhelfen. Klar, Selbstbefassung, sich auch zum Teil noch mit Dingen zu brüsten, die Sie gar nicht weitergeführt haben, die wir einmal gemeinsam richtigerweise angefangen haben. Gesetze und Verordnungen auf fünf Jahre begrenzen – was machen Sie denn? Sie leiten fast in jedem Plenum die Gesetze ohne jegliche Evaluation und tatsächliche Überprüfung durch.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder: Sie haben vorhin gefragt, was im Bereich der Wirtschaft gestrichen worden ist. Ich weiß, dass zu Zeiten von Dieter Posch allein 600 Bestimmungen im Wirtschaftsministerium gestrichen wurden – von insgesamt 3.500. Das waren der höchste prozentuale Anteil und der höchste absolute Anteil.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister Rhiel, ich weiß nicht – vielleicht können Sie dazu etwas sagen –, was Sie in diesem Bereich weiter auf der Agenda haben.

(Dieter Posch (FDP): Feuerlöscher!)

Ich weiß nur, dass wir hier ein Gesetz namens INGE beschlossen habe, das ich für total überflüssig halte und das unsere Innenstädte nicht ein Stückchen weiterbewegen wird. Ich weiß, dass wir die Sprinkler mit allen Überwachungsmechanismen, die einzusetzen sind, beschlossen haben.

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

Nein, Herr Innenminister, all das sind zusätzliche Belastungen. All das ist zusätzliche Verwaltung. All das ist zusätzliche Bürokratie. All das ist das, was unsere kleinen und mittelständischen Betriebe als Erdrosselung empfinden, die ihnen die Lust und zum Teil die Luft zum Atmen nimmt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es gäbe noch sehr viele einzelne Punkte, aber ich glaube, die Richtung unserer Positionierung ist klar. Die hat sich nicht verändert. Ich staune zum Teil über die CDU. Die SPD hat sich auch nicht viel verändert.Aber das ist eben nicht unsere Sicht der Dinge, und das wird auch so bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Wirtschaftsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich sagte, der Minister hat das Wort. Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? – Vielen Dank.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer heute die Tageszeitung aufschlägt, kann lesen, dass die KfW gemeinsam mit dem ifo-Institut aufgrund einer bundesweiten Umfrage konstatieren kann, dass das Mittelstandsbarometer deutlich gestiegen ist, und zwar um 27,8 % gegenüber dem Jahre 2005.Auch wenn wir die realen Daten anschauen, können wir feststellen – das gilt noch mehr für Hessen als im Bundesdurchschnitt –, dass die Auftragseingänge des verarbeitenden Gewerbes gegenüber dem Vorjahr um 8 % zugenommen haben.

Das Interessante dabei ist, dass diese Nachfrage vor allem vom Ausland getrieben ist,nämlich plus 17 %,in Deutschland lediglich um 1 %. Ähnliches zeigt sich bei dem Umsatz,dass nämlich der Umsatz gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 9 % gewachsen ist, allerdings vor allem aufgrund der Aufträge aus dem Ausland – hier 13 %, die Inlandsbestellungen und der dadurch generierte Umsatz lediglich um 3 %.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die eine wichtige Erkenntnis. Die andere wichtige Erkenntnis konnten wir aufgrund einer aktuellen Umfrage gestern lesen,dass nämlich die mittelständischen Betriebe planen, in den nächsten Jahren im Ausland zu investieren, dort Stellen zu schaffen und Arbeitsplätze zu verlagern – in Deutschland jeder zweite Betrieb, im übrigen Europa der 25 Länder lediglich jeder fünfte Betrieb.

Da sind wir in der Diskussion der Landeswirtschaftspolitik beim entscheidenden Punkt für Mittelstand und Wirtschaft, über die wir im Einzelnen noch sprechen, nämlich der Frage: Welche Kosten entstehen bei der Produktion und Dienstleistung in Deutschland? Vor allem: Wie steht es um die Arbeitskosten?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem von der SPD, wenn wir die Diskussion und die harten Auseinandersetzungen um die Reform des Gesundheitswesens in Berlin beobachtet und nüchtern analysiert haben, dann komme ich zu der Erkenntnis, dass Sie vor allem hinsichtlich der Zusatzkosten der Löhne, wie sie aus den Solidarkassen immer wieder gefordert sind, bei weitem nicht die Erkenntnis gewonnen haben, was dringend notwendig ist.

Was nützt es uns, wenn wir mithilfe der Mehrwertsteuererhöhung die Einzahlungen und Sätze für die Arbeitslosenversicherung senken, es gleichzeitig aber aufgrund einer nicht mutig genug ausgerichteten Gesundheitspolitik riskieren, dass die Beiträge an dieser Stelle steigen?

(Zuruf von der SPD: Das waren doch die Landes- fürsten!)