Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Ein weiterer Punkt. Landespolitik hat die Aufgabe, die für die Arbeitsvermittlung und Qualifizierung zuständigen

Institutionen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Was tun Sie, Frau Lautenschläger? Wenig, außer den Schildchen und dem Einberufen von Gesprächskreisen.

Landespolitik muss auch dafür sorgen, dass gesicherte Erkenntnisse und Zahlen vorliegen, auf deren Grundlage man dann Fehlentwicklungen erkennen und korrigieren kann.Was tun Sie, Frau Lautenschläger? Nichts. Im Zweifelsfall ist immer die Software oder die Bundesagentur für Arbeit schuld.

Meine Damen und Herren, es ist schon sehr erstaunlich – das ist eine Erfahrung aus einer der letzten Sitzungen des Sozialpolitischen Ausschusses –, dass diese Ministerin weiß, dass es in Hessen insgesamt 2.130.525 Hühner gibt und dass davon 45.353 in 63 Haltungen leben, die zwischen 500 und 1.000 Tiere haben. Sie weiß auch sehr genau, wo sich die übrigen Hühner und Gänse in Hessen aufhalten. Frau Lautenschläger weiß, dass es in Hessen 58.601 Tauben gibt, die sich auf 1.268 Haltungen verteilen. Das sind Zahlen aus dem Sozialpolitischen Ausschuss, in dem wir den Sachstand bei der Vogelgrippe abfragten.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Die Zahlen sind aber vom Umweltministerium!)

Frau Kollegin, allerdings muss man dazu sagen: Diese Daten stammen aus dem Umweltministerium. Das ist richtig.

(Jürgen Walter (SPD): Das ist nur eine Momentaufnahme!)

Das ist in der Tat eine Momentaufnahme. – Frau Lautenschläger kann uns aber eines nicht sagen.

(Die Rednerin wendet sich an den Präsidenten.)

Herr Kollege Wintermeyer ist arg laut.

Das Problem besteht aber darin, dass die Geschäftsführer schon verhandeln müssen, damit wir früher nach Hause kommen. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sie kann aber immer noch nicht sagen, in welchen Kommunen wie viele Menschen in Arbeit vermittelt wurden. Sie kann auch nicht sagen, in welchen Kommunen, unabhängig davon, ob sie optiert haben oder nicht, Schuldnerberatung, Suchtberatung und Familienberatung in welchem Umfang angeboten wird. Sie kann uns nicht sagen, wo es Ein-Euro-Jobs gibt. Eigentlich kann es nicht schwer sein, diese Frage zu beantworten. Wir haben dazu eine Liste aus dem Jahr 2005 erhalten, also Daten, die ein Jahr alt sind. Insofern sage ich: Die Beantwortung der Großen Anfrage ist wirklich ein Armutszeugnis. Zu allen Fragen stellen wir Fehlanzeige fest.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist schön, dass die Landesregierung über Hühner, Gänse und deren Unterbringung exakt Bescheid weiß. Die Menschen scheinen sie anscheinend nicht ganz so zu interessieren.

Wir werden diese Große Anfrage deshalb erneut einbringen. Mit solchen Nichtantworten werden wir uns nicht zufrieden geben.

Wir befinden uns erst am Anfang dieser Debatte. Wir werden sie hier noch öfter führen. Frau Ministerin, ich

hoffe, wir werden sie irgendwann auch auf der Grundlage gesicherter Zahlen und Erkenntnisse führen können. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Fuhrmann, vielen Dank. – Herr Kollege Bocklet hat das Wort. – Bisher wurde kein Zettel abgegeben. Jetzt geschieht das.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das tut mir Leid!)

Das macht nichts. Sie haben mit dem Zettel schon gewunken, deshalb dürfen Sie jetzt reden. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte gehofft, dass wir es im Zuge einer fortgeschrittenen Dialektik schaffen würden, zuvor noch die Christdemokraten zu dem Thema zu hören.

Zum Leidwesen der Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und offensichtlich auch zum Leidwesen der Mitglieder der SPD-Fraktion haben wir zum wiederholten Male dieses Thema auf der Tagesordnung. Es geht dabei um die schlechte Informations- und Datenlage der hessischen Jobcenter.

Auf der Tagesordnung steht die Große Anfrage der SPDFraktion. Wir, die Fraktion der GRÜNEN, haben schon im November 2005 einen Dringlichen Berichtsantrag eingebracht, der zehn Abschnitte mit insgesamt 18 Fragen enthält. Im November wurde dieser Dringliche Berichtsantrag eingebracht. Im Februar 2006 wurde der Versuch gemacht, die Fragen zu beantworten. Man sollte aber besser sagen: Die Fragen konnten nicht beantwortet werden.

Man hat uns dann in der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses auf Mitte dieses Jahres vertröstet und gesagt, dann würden die Daten vorliegen. Mittlerweile hat ein Gipfeltreffen stattgefunden, an dem auch der Hessische Ministerpräsident und der Chef der Bundesagentur für Arbeit teilgenommen haben. Nach wie vor gibt es aber kaum ausreichend Daten zur Beantwortung der Frage, wie die Situation in vielen hessischen Jobcentern aussieht.

Ich muss sagen: Wir haben vor vier Wochen fast das gleiche Thema schon einmal diskutiert.Damals wurde dazu in schöner Formulierung mitgeteilt, man könne seine Rede auch zu Protokoll geben.

Im Prinzip wiederhole ich mich: Wir sind schon der Auffassung, dass das ein einmaliger Vorgang ist. In den Jahren 2004 und 2005 zogen der Hessische Ministerpräsident und auch Frau Lautenschläger durch das Land, um den Deutschen mitzuteilen, dass es bei der Umsetzung von Hartz IV nur eine richtige Organisationsform gebe, das sei die der Optionskommune. Nicht zuletzt sagte Frau Lautenschläger Ende 2005 zum wiederholten Male in einem Interview in der „Welt“:In den Kommunen,in denen das jetzt schon so ist – ich merke an, damit war die alleinige Umsetzung von Hartz IV durch die Kommunen gemeint –, sind die Erfolge größer, also dort, wo die Bundesagentur tätig ist.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Äußerung hat die Ministerin die Beweispflicht.Bis heute hat Sie das nicht eingelöst.

Das ist schon ein einmaliger Vorgang. Ich erinnere noch einmal: Mittlerweile sind eineinhalb Jahre nach In-KraftTreten des Gesetzes ins Land gegangen. Es gelingt uns immer noch nicht, von der Landesregierung präzise Auskünfte darüber zu bekommen,wie sich die Situation exakt darstellt. Dabei geht es um die Vermittlung, die Qualifizierung, die Fortbildung und dergleichen mehr.Wir haben im Mai 2006 eine Kleine Anfrage eingebracht.Am 7. Juli, also vor sechs Tagen, haben wir die Antwort erhalten. Dabei ging es um das Thema „Armut trotz Erwerbstätigkeit in Hessen“.Auch dort wird im letzten Abschnitt noch einmal darauf hingewiesen, dass es nach wie vor ein erhebliches Problem bei der Datenübermittlung der optierenden Kommunen zur Bundesagentur für Arbeit gibt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Das ist also ein weiteres Beispiel dafür, dass es offensichtlich vor allem bei den Optionskommunen große Probleme gibt. Da erhebt sich schon die Frage:Was tun sie eigentlich genau?

(Zuruf der Ministerin Silke Lautenschläger)

Frau Lautenschläger, ich freue mich schon darauf. Die Große Anfrage der SPD-Fraktion enthält 37 Fragen. 27 Fragen konnten Sie nicht beantworten. Ich wollte hier keine unnötige Schärfe hineinbringen.Aber Fakt ist doch Folgendes: Jedes Mal, wenn wir von Ihnen wissen wollen, wo die Erfolge zu verzeichnen sind und wir von Ihnen dazu präzise Auskünfte haben wollen, haben wir von Ihnen die Antwort bekommen:Wir können Ihnen das nicht sagen, warten Sie noch ein bisschen.

Wir haben dann präzise nachgefragt. Ich kann Ihnen gerne anführen, was wir alles gefragt haben. Wir haben z. B. gefragt, wie viele Personen unter 25 und wie viele über 25 Jahre vermittelt wurden. Wir wollten wissen, mit welchen Maßnahmen sie in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurden.

(Zuruf der Ministerin Silke Lautenschläger)

Ja, erklären Sie uns das einmal. Erklären Sie uns, den im Saal Anwesenden, doch einmal präzise, was vor Ort eigentlich hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik unternommen wird. Das können Sie nicht. Das zu tun, wäre aber eigentlich Ihr Job. Da stehen Sie in der Verantwortung. Hinsichtlich dieser Verantwortung haben Sie versagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der heute herrschenden Temperaturen möchte ich keine unnötige Schärfe in die Diskussion hineinbringen. Sinngemäß haben Sie das so formuliert – ich formuliere das jetzt einmal vorsichtig und zu Ihren Gunsten –: Ich kann nichts dafür. – Es mag sein, dass die Bundesagentur für Arbeit daran schuld ist.Wenn ich aber die Seiten der Bundesagentur für Arbeit im Internet anklicke, kann ich feststellen, dass ich auf deren Seiten mit Zahlen erschlagen werde. Diesem Vergnügen sollten Sie sich einmal unterziehen. Die stellen alles sofort ins Netz.

Bei den Optionskommunen ist das aber alles dubioser.Da kriegt man das nicht so richtig heraus.

Es ist auch gar nicht so entscheidend, ob die Daten sofort oder gar nicht vorgelegt werden. Entscheidend ist doch: Sie haben für sich in Anspruch genommen, vor und zu Beginn der Gesetzgebung Einfluss auf die Arbeitsmarktpolitik genommen zu haben. Sie haben gesagt, dass Sie diesen Einfluss wollen und haben das für sich in Anspruch genommen. Nachdem das Gesetzeswerk in Kraft getreten

ist, sagen Sie: Wir haben etwas gefordert, wir fordern das auch immer noch. – Sie fordern das auch immer häufiger.

Nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist und jetzt umgesetzt wird, müssen wir feststellen, dass wenig funktioniert. Dort herrscht Nebel. Man hat absolut keine Ahnung, was da geschieht. Da bleibt nur noch, zu sagen: Das liegt in Ihrer Verantwortung. – Sie müssten an dieses Pult treten und sagen: Liebe Mitglieder der Opposition und alle, die es wissen wollen, dieses und jenes tut sich vor Ort. – Das können Sie aber nicht.

Zweitens. Frau Lautenschläger, Sie werden von den Verantwortlichen in den Optionskommunen faktisch verhöhnt und hingehalten. Das muss man mittlerweile auch zur Kenntnis nehmen. Sie stehen bei den Optionskommunen vor den Jobcentern und bitten flehend um Auskunft. Sie erzählen uns irgendetwas von Software, die nicht beikäme. Da verhält es sich so wie mit dem Hund, der den Mond anheult. Ich füge hinzu: Das hat auch in etwa denselben Effekt. Die Jobcenter der optierenden Kommunen bringen die Daten nicht bei.

Daran ist etwas Lähmendes. Es geht doch nicht darum, in ein Wettrennen einzutreten, möglichst viele Daten zu bekommen, die man sich dann in den Schrank stellt. Vielmehr ist das ein Symbol dafür, dass man eigentlich nicht kontrollieren und steuern kann, was mit den Mitteln vor Ort geschieht.

Das ist schlimm. Ich komme damit auf die Konsequenzen dieses Problems zu sprechen. In Hessen gibt es 15 Programme von drei Ministerien. Was wird mit diesen Programmen eigentlich gefördert? Wird da parallel zu den Kommunen gefördert?

Sie haben hier festgestellt, dass Sie das eineinhalb Jahre nach In-Kraft-Treten der Hartz-IV-Bestimmungen nicht sagen können. Eineinhalb Jahre, nachdem Hartz IV in Kraft getreten ist,wissen wir,dass irgendetwas vor Ort geschieht.Irgendetwas macht auch das Land Hessen mit seinen 15 Programmen. Frau Fuhrmann, wir werden uns über diese 15 arbeitsmarktpolitischen Programme noch ausführlich unterhalten.

Es geschieht also irgendetwas auf der Ebene Hessens,und es geschieht irgendetwas auf der Ebene der Jobcenter. Was aber genau geschieht, wissen wir eigentlich nicht. Eigentlich ist das doch ein Desaster. Eigentlich ist das eine Kapitulation vor diesem Problem. Denn eigentlich brauchen wir eine zielgenaue Steuerung der Arbeitsmarktpolitik in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich kann das gerne noch einmal zusammenfassen. Sie können nichts zu dem Problem des Aufstockens sagen.Ich habe die Antwort auf meine Kleine Anfrage gerade bekommen. Sie können zu dem Problem „Armut trotz Erwerbstätigkeit in Hessen“ nichts sagen. Sie können nichts dazu sagen, wie viele Jugendliche in den Optionskommunen vermittelt wurden. Sie können nichts dazu sagen, wie sie qualifiziert wurden. Sie können nichts dazu sagen, welche Konsequenzen die Landesregierung auf der Grundlage der wenigen bekannten Daten für ihre arbeitsmarktpolitischen Überlegungen ziehen will. Das war eine unserer Fragen.

Wir wollen wissen:Welche Überlegungen gibt es? Welche Konsequenzen ziehen Sie auf der Basis der bekannten Daten? Wenn keine Daten vorliegen, kann man auch keine Konsequenzen ziehen. Faktisch machen Sie aber

weiterhin Arbeitsmarktpolitik.Eigentlich könnte die aber nicht mehr stattfinden.