rechtlich irrelevant; es verändert im Übrigen auch die wirtschaftliche Lage der Darlehensempfänger nicht. Wer in Hessen allgemeine Studiengebühren einführen will, muss zuvor die Verfassung ändern.
Auch Herr Schmehl kommt zu einem ganz eindeutigen Votum. Ich zitiere ebenfalls aus der schriftlichen Stellungnahme:
Die verfassungsrechtliche Prüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die diesbezüglichen Regelungen in der vorliegenden Fassung nicht mit der Verfassung des Landes Hessen vereinbar sind, da sie – auch unter Berücksichtigung des zur zeitlichen Verschiebung und Abmilderung der Belastungswirkungen im Gesetz vorgeschlagenen Kreditanspruchs – nicht den Anforderungen des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV gerecht werden.
Frau Kühne-Hörmann, wenn Sie in Ihrer Presseerklärung zur Bewertung der Anhörung schreiben, dass der CDUGesetzentwurf bestätigt wurde, dann ist das wirklich eine Verhöhnung der Mehrheit der Anzuhörenden.
Frau Kollegin Kühne-Hörmann, ich habe Sie körperlich anwesend gesehen. Aber nach der Lektüre Ihrer Presseerklärung habe ich mich wirklich gefragt, ob wir tatsächlich auf der gleichen Veranstaltung waren. Ihre Bewertung der Anhörung übersteigt ganz eindeutig das Maß, in dem sich üblicherweise jeder aus den Expertenmeinungen diejenigen herauspickt, die die eigene Meinung bestätigten. Ein eindeutiger Beweis dafür ist, dass sogar derjenige, der für die Landesregierung das Auftragsgutachten zur generellen Verfassungsgemäßheit von Studiengebühren erstellt hat, Herr Prof. Graf von Pestalozza, sehr deutlich dargelegt hat, dass Ihr Gesetz eben nicht mit der Hessischen Verfassung in Einklang steht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)
Damit ist Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bei der Anhörung Ihr eigener Kronzeuge in den Rücken gefallen. Dies in der Bewertung der Anhörung zu ignorieren, und zwar nicht nur einfach darüber hinwegzusehen, sondern sogar eben diesen Experten weiterhin als Zeugen für die Verfassungsgemäßheit zu missbrauchen, erfordert wirklich sehr viel politische Verblendung.
Aber wir brauchen uns an dieser Stelle gar nicht weiter über die juristische Bewertung zu streiten. Sie schalten hier offensichtlich auf Durchzug und zeigen sich beratungsresistent. Daher bleibt uns nur – und das haben wir schon mehrfach angekündigt – der Gang vor den Staatsgerichtshof, dem ich nach der Anhörung noch hoffnungsfroher entgegenblicke.
Die Anhörung hat sich nicht nur mit der Frage beschäftigt, ob Ihr Gesetz mit der Hessischen Verfassung vereinbar ist, sondern auch sehr intensiv mit den sozialen Auswirkungen und mit den Auswirkungen auf die Hochschulen. Die Expertinnen und Experten haben in der Anhörung die sozialen Auswirkungen, die wir zu Beginn der Sommerpause in unserer Liste der Grausamkeiten vorgestellt haben, bestätigt. Das Ergebnis ist: Es gibt große Stu
Herr Koch und auch Herr Corts, Sie argumentieren, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes jeder studieren könne, da Anspruch auf ein Darlehen bestünde. Diese Aussage entspricht aber nicht der Wahrheit, und Herr Koch und Herr Corts wissen das auch ganz genau.
Große Studierendengruppen haben überhaupt keinen Anspruch auf ein Darlehen. Ich zähle Ihnen diese Betroffenen gern hier noch einmal auf.Das sind alle,die mit über 35 Jahren ein Erststudium aufnehmen wollen. Diese Regelung schließt beispielsweise diejenigen aus, die ihren Hochschulzugang über den Meister bekommen. Das wurde erst jüngst von Ihnen beschlossen. Sie konterkarieren hier also nicht nur die Bestrebungen zu lebenslangem Lernen, sondern auch Ihre eigene Politik. Das haben die Handwerkskammern in der Anhörung auch sehr deutlich dargestellt.
Zudem bekommen Langzeitstudierende kein Darlehen. Hier sind noch nicht einmal Übergangsregelungen im Gesetz vorgesehen. Das bedeutet, dass Sie junge Menschen, die beispielsweise wegen der Kindererziehung, oder weil sie neben dem Studium ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen, länger studieren, unter Umständen aus den Hochschulen vertreiben, weil sie das Geld für die Studiengebühren eben nicht auftreiben können. Auch Studierende im Zweitstudium haben keinen Anspruch auf ein Darlehen. Die Hessen-CDU verabschiedet sich also offensichtlich von der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens.
Aber auch Doktorandinnen und Doktoranden – das ist wirklich eine der fatalsten Regelungen in diesem Gesetz – haben keinen Anspruch auf ein Darlehen. Ich habe hier schon in der ersten Lesung des Studiengebührengesetzes dargelegt, wie absurd es ist, dass Promovierende überhaupt Studiengebühren zahlen sollen. Das sehen auch die Studiengebührengesetze aller anderen Bundesländer gar nicht erst vor.
Sie halten mit dieser Regelung den wissenschaftlichen Nachwuchs von unseren Hochschulen ab. Aber Doktorandinnen und Doktoranden haben nicht nur keinen Anspruch auf ein Darlehen, sondern sie müssen unter Umständen innerhalb ihrer Promotionszeit mit der Rückzahlung ihres Studiendarlehens aus der Studienzeit beginnen. Das ist so offensichtlich schädlich für den wissenschaftlichen Nachwuchs und augenscheinlich auch so absurd, dass es ein deutlicher Beweis dafür ist, dass Ihr Gesetz nicht durchdacht und mit heißer Nadel gestrickt ist.
Zudem sind ausländische Studierende aus Nicht-EUStaaten mit wenigen Ausnahmen von einem Studiendarlehen ausgeschlossen. Auch dies wurde als soziales Ausschlusskriterium in der Anhörung noch einmal ganz explizit dargestellt. Sie treffen damit wirklich die sozial Schwächsten, weil diejenigen, die sich in Zukunft mit Studiengebühren ein Studium in Deutschland nicht mehr leisten können, überhaupt nicht studieren werden können. Diejenigen, die es sich weiterhin leisten können, werden nicht in Deutschland studieren. Denn warum sollten
diejenigen, die aus Ländern kommen, in denen sie Englisch, Französisch oder Spanisch lernen, die Mühe auf sich nehmen, Deutsch zu lernen, wenn sie woanders ein genauso teures Studium aufnehmen können? Sie treffen damit also auch die Internationalität unserer Hochschulen.
Allein der Ausschluss von Studierendengruppen zeigt schon, dass Ihre Aussage, jeder habe Anspruch auf ein Darlehen, eben nicht der Wahrheit entspricht. Auch damit, dass Sie immer nur von 500 c Studienbeitrag reden, verharmlosen Sie die Realität. Viele Studierendengruppen müssen sehr viel höhere Studiengebühren, im Extremfall sogar bis zu 1.900 c pro Semester, zahlen. Das sind – ich stelle das noch einmal kurz dar – wieder die Studierenden aus dem Nicht-EU-Ausland, die Doktorandinnen und Doktoranden, die Langzeitstudierenden und die Studierenden im Zweitstudium, und es sind ab dem Wintersemester 2010/2011 unter Umständen auch Studierende in Masterstudiengängen, die bis zu 1.500 c zahlen müssen.
Dass auch der Masterabschluss mit extrem hohen Kosten belegt werden soll, zeigt wirklich, dass Sie keine Ahnung von der wissenschaftspolitischen Diskussion der letzten Jahre haben. Wir haben im Rahmen der Diskussion im Bologna-Prozess immer wieder Ängste an den Hochschulen gehabt und immer wieder diskutiert, dass der Master zum weiteren Regelabschluss an den Hochschulen werden soll. Herr Corts, mit dieser Regelung treiben Sie die jungen Menschen dazu,nur den Bachelorabschluss zu machen. Das heißt, Sie verflachen die Ausbildung in unserem Lande.
Wir brauchen aber noch mehr hoch qualifizierte und innovative Köpfe in unserem Land. Das belegen nun wirklich alle Studien der letzten Jahre.Dies wurde auch in dem diese Woche vorgelegten aktuellen OECD-Gutachten „Bildung“ auf einen Blick deutlich. Der OECD-Bildungsexperte Schleicher stellte warnend fest: Der Anteil der Deutschen an der Gesamtzahl aller Universitätsabsolventen der OECD ist von 6,6 % auf 5,7 % zurückgegangen. 2014 werden es nur noch 3,6 % sein. Um die Studentenzahlen langfristig zu erhöhen, dürfen keine neuen Hürden, z. B. durch Studiengebühren, aufgebaut werden. Der Zugang zum Studium müsste vielmehr leichter sein, verdeutlichte Schleicher.
Die hessische CDU tut genau das Gegenteil. Sie tut alles dafür, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt werden,und das trifft der Spruch, den ich gestern bei den Studierenden gehört habe und der damit das Gesetz persifliert – „keine Proleten an Universitäten“ –, sehr genau.
Was ich fatal daran finde, ist, dass es nicht nur so ist, dass Ihnen die soziale Gerechtigkeit ganz egal ist – daran haben wir uns bei der Christlich-Demokratischen und der Christlich Sozialen Union schon gewöhnt –, sondern von Ihnen auch die ökonomische Notwendigkeit ignoriert wird,dass wir mehr gut ausgebildete Menschen,mehr Studierende und mehr Hochschulabsolventen brauchen. Das ist das, was mich in ganz besonders hohem Maße erschreckt.
Schon jetzt haben Schülerinnen und Schüler aus sozial besseren Schichten die um ein Vielfaches höhere Chance, eine Hochschule zu besuchen, als junge Menschen aus einkommensschwachen Familien. Statt für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen, verstärken Sie diese Tendenz. Die Angst vor einem Schuldenberg schreckt insbesondere diejenigen ab, die von zu Hause aus kein finanzielles Polster haben. Berechnungen in der Anhörung haben plakativ dargestellt, diejenigen, die nach dem Studium weniger verdienen, sind von der Schuldenlast überproportional betroffen. Das bedeutet: Reiche müssen weniger zurückzahlen als Arme.
Allein diese Tatsache wird schwere Folgen für die Vielfalt an den hessischen Hochschulen haben. Warum soll beispielsweise ein junger Mensch Sozialpädagogik studieren, wenn er sich ausrechnen kann, dass er sehr viel länger einen Schuldenberg vor sich herschieben wird? Studierende werden sich folglich für Studiengänge entscheiden, die mehr Geld versprechen.
Hinzu kommt,dass Frauen leider nach wie vor weniger als Männer verdienen. Das gilt auch für den hoch qualifizierten Bereich. Leider wählen Frauen nach wie vor überproportional solche Studiengänge, die später weniger gut bezahlt werden. Weiterhin kommt hinzu, dass die Kindererziehung zum großen Teil noch immer von Frauen übernommen wird.
All das sind Nachteile, die dazu führen, dass Frauen stärker von den sozialen Auswirkungen der Studiengebühren betroffen sein werden.Auch das wurde von mehreren Expertinnen und Experten in der Anhörung bestätigt. Hierauf gehen Sie in keiner Antwort ein, obwohl das eindeutig ein Sachverhalt ist, der im Vorblatt jedes Gesetzes bemerkt werden müsste.
Herr Corts, mit Ihrem Studiengebührengesetz legen Sie den Studierenden mit Kindern und Studierenden, die wegen der Kindererziehung, oder weil sie ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren müssen, ein Teilzeitstudium aufnehmen müssen, große Felsbrocken in den Weg, anstatt sie zu fördern. Die Ausnahmeregelungen für Eltern reichen bei Weitem nicht aus. Das war einhellige Meinung in der Anhörung. Das im Hessischen Hochschulgesetz festgeschriebene Recht auf ein Teilzeitstudium ist, noch bevor es überhaupt richtig umgesetzt ist, mit diesen Studiengebühren Gesetz passé.
Genauso sieht es für Studierende mit Behinderung aus. Hier gibt es keine festgeschriebenen Ausnahmen und somit keine Rechtssicherheit. Sie gehen unverständlicherweise hinter die Regelung des Langzeitstudiengebührengesetzes zurück.
Meine Damen und Herren,generell gilt:Studiengebühren grenzen aus – Ihr Studiengebührengesetz ist insbesondere sozial nicht verträglich.
Das haben Ihnen in der Anhörung sogar diejenigen erklärt,die eigentlich für Studiengebühren argumentiert haben. Das müsste Ihnen doch wirklich zu denken geben.
Einige Vertreter der CDU haben Nachbesserungen angekündigt, leider aber nur in der Presse, sehr allgemein gehalten und sehr schwammig. In einem ordentlich betriebenen Gesetzgebungsverfahren hätten die Änderungen heute schon in Form eines Änderungsantrages vorliegen müssen. Aber Sie haben sich für das Hauruck-Verfahren entschieden, das wir leider nicht mehr aufhalten können.
In wichtigen Fragen der Verfassungsmäßigkeit, bei den sozialen Auswirkungen und bei den Auswirkungen der Studiengebühren auf die Hochschulen zeigt sich die CDU absolut beratungsresistent.Wir sind uns sicher, die vorgesehenen Änderungen werden nicht ausreichen, um den Gesetzentwurf doch noch verfassungsgemäß und chancengerecht zu machen. Daher bleibt uns nur noch der Gang zum Staatsgerichtshof.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anhörung, die der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst durchgeführt hat, und genauso die von der SPD in den letzten Wochen häufig zitierte Studie Bildungsmonitor 2006 des Instituts der deutschen Wirtschaft haben gezeigt: Hessens Hochschulen brauchen Studiengebühren, und die FDP hat dazu das beste Modell.
(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die Erde ist eine Scheibe!)
Nachdem die CDU mittlerweile ohnehin schon wesentliche Bestandteile unseres Gesetzentwurfs übernommen hat, bleibt sie aufgefordert – liebe Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion –, endlich den großen Sprung zu wagen und das gesamte Gesetz der FDP zu übernehmen.