Das bedeutet aber zugleich – und das finde ich in den Gesetzentwürfen nicht wieder –, dass kein verzinsliches Darlehen gewährt werden darf. Es darf zwar ein Entgelt erhoben werden, aber die Schuld entsteht zum späteren Zeitpunkt – falls dieser überhaupt eintritt – der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das heißt, wenn das Darlehen heute angeboten und genommen wird,um die Gebühren,die Beiträge zu finanzieren, dann darf es nicht verzinslich
Das heißt im Klartext: Der von der CDU-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf ist zumindest in diesem Punkt verfassungswidrig.Deswegen werden wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen dieses Gesetz Verfassungsklage einreichen.
Vielleicht will die CDU-Fraktion das aber heilen. Vielleicht kann sie es sogar heilen. Das wird schwierig genug sein. Das wissen Sie sehr gut. Ich sehe bei Ihnen nicht sehr viele glückliche Gesichter über diesen Vorgang. – Okay, jetzt sind Sie wach geworden und lächeln ein bisschen gezwungen. Sogar der Herr Ministerpräsident lächelt jetzt ein wenig gezwungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie müssen dann eine Bank finden, die für das Darlehen keine Zinsen haben will. Das ist Ihr Problem. Meine Damen und Herren, lassen Sie sich den Satz auf der Zunge zergehen: Sie müssen eine Bank finden, die den Studierenden Geld zinsfrei leiht. Herr Ministerpräsident, d. h. doch im Umkehrschluss, dass Sie den Staatshaushalt mit den Kosten dieser Darlehen zusätzlich belasten wollen. Das ist der Punkt, um den es hier geht. Das müssen Sie tun, wenn Sie das verfassungskonform machen wollen.
Meine Damen und Herren, was Sie hier machen, stellt keine zusätzliche Finanzierung der Hochschulen dar. Mit dem, was Sie hier machen, wollen Sie Ihre Ideologie hinsichtlich der Finanzierung der Hochschulen durchsetzen. Das ist mit uns nicht zu machen.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie diese Hürde durchaus nehmen. Es wird schwierig genug sein, diese Hürde zu nehmen. Dann kommt aber die nächste.
Dabei geht es um die Fondslösung. Auch hierzu darf ich noch einmal einen Gutachter der Landesregierung zitieren.
Der Gesetzentwurf ist insoweit nicht ganz eindeutig, woher genau die Mittel für die Deckung der Ausfallrisiken und für die Kosten der Kappungsgrenze sowie außerdem für die Kosten der Zinsobergrenze kommen sollen.
Das ist also unklar. Das heißt auch hier im Klartext, dass der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU auch in diesem Punkt verfassungswidrig ist.
Es gibt ein weiteres Problem. Das ist Ihr eigentliches Problem. Die Hessische Verfassung lässt keine allgemeinen Studiengebühren zu. Das wird Ihnen das Genick brechen, denn Sie sind bei diesem Punkt politisch festgelegt. Diese scherenartige Problematik hinsichtlich der Herstellung der Verfassungskonformität dieses Gesetzentwurfs werden Sie nicht mehr auflösen können.
Auf der Grundlage unserer Verfassung sage ich: Hessen muss auch in Zukunft frei von der Erhebung von Studiengebühren bleiben. Denn unsere Verfassung gebietet das. – Das ist unsere Position.Wir werden sehen, dass sich diese Position durchsetzen wird.
Ich will ein weiteres Argument vorbringen. Ich will das sehr kurz machen,denn wir haben das schon in vielen Diskussionen erörtert.
Studiengebühren sind unsozial. Sie behindern junge Menschen darin, ein Studium aufzunehmen. Sie behindern ausländische Menschen, ein Studium aufzunehmen. Sie behindern auch diejenigen, die während der Zeit ihres Studiums Familien gegründet haben.Das ist das Entscheidende.
Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen, die Sie sich vielleicht vorstellen können. Ich weiß nicht, ob sich das jeder von Ihnen vorstellen kann.
Stellen Sie sich vor, dass heute in einer Arbeiterfamilie Papa und Mama zusammensitzen und sich überlegen, ob der Sohn oder die Tochter ein Studium aufnehmen können. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass nach dem momentanen Stand mehr Schulden in Höhe von 17.000 c anfallen werden. Der Ministerpräsident gedenkt möglicherweise noch, den Gesetzentwurf zu ändern. Dann würden es, würde der Gesetzentwurf Gesetz, 15.000 c sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, können Sie sich vorstellen, was in dieser Familie gedacht wird? Können Sie sich vorstellen, aufgrund welcher Kriterien die Entscheidung hinsichtlich der Berufswahl für die Kinder so oder so ausfällt? Können Sie sich vorstellen, wie die Entscheidung, ob der Sohn oder die Tochter ein Studium aufnehmen sollen oder nicht, gefällt wird? Das sind die Familien,deren Kinder Sie mit diesem Gesetzentwurf von der Möglichkeit einer Ausbildung durch Studium ausschließen werden. Das bezeichnen wir als einen Skandal.
Ich möchte einen weiteren Aspekt hervorheben. Der hat unter dem Gesichtspunkt der Aktualität während dieses Plenums schon eine Rolle gespielt. Ich meine damit die Studie, aus der wir schon mehrfach zitiert haben, „Education at a Glance“.Auch in dieser Studie setzt man sich mit dem tertiären Bildungswesen in Deutschland auseinander. Auch dort setzt man sich mit der Frage auseinander, ob Studiengebühren bildungsfeindlich sind.
Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen.In Deutschland lag die Steigerung der Zahl der Studierenden im tertiären Bereich,also beim Studium,zwischen 1995 und 2004 bei 8 %. Die Steigerungsrate betrug für diesen Zeitraum also 8 %. Im Durchschnitt der von der OECD-Studie untersuchten Länder lag der Durchschnitt bei 49 %.
Jetzt werden vielleicht einige aus der CDU sagen, das sei doch der Zeitraum, in dem die Sozialdemokraten regiert haben. Das ist richtig.Aber wir sind nicht auf die Idee gekommen, auf das Ganze auch noch Studiengebühren draufzusatteln, um die Situation noch weiter zu verschlechtern.
In der Bundesrepublik liegen die Aufwendungen für die Bildung mit 5,3 % gut einen halben Prozentpunkt unter
dem Durchschnitt der OECD-Studie. Das ist sehr viel. Wenn man die Aufwendungen für den tertiären Bereich ohne die Mittel für die Forschung rechnet, dann ergibt sich, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland deutlich unter dem Durchschnitt dessen liegen, was die OECDStudie für die Finanzierung dieses Sektors ergeben hat.
Ich möchte jetzt auf den Punkt zu sprechen kommen,weshalb die Erhebung von Studiengebühren bildungsfeindlich ist.Die eben von mir genannte Studie hat gezeigt,dass es langfristige Effekte gibt, wenn man verstärkt in die Bildung investiert.Pro zusätzlichem Bildungsjahr ergibt sich, die gesamtwirtschaftliche Produktivität gesehen, ein Effekt von 5 bis 6 %.
Ich werfe Ihnen also Folgendes vor. Es geht nicht nur um die soziale Komponente. Es geht nicht nur darum, dass das in diesem Land nicht verfassungskonform gemacht werden kann. Vielmehr hat dieser Gesetzentwurf auch eine bildungs- und wirtschaftsfeindliche Komponente, die Sie in dieses Land hineinbringen wollen. Das ist der politische Skandal, den Sie hier begehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,jetzt kann man natürlich der Auffassung sein, die der Ministerpräsident bisweilen auch sagt: Es ist für ein Land besser, wenige, aber dafür gut ausgebildete Studierende zu haben. – Es geht da also um die sogenannten Eliten. Wir haben uns darüber lange gestritten. Schon wieder handelt die CDU hier ideologisch. Sie wollen Selektionseliten. Sie wollen keine Exzellenzen, die durch Qualität entstehen.
Bei der Bewertung der allgemeinen Studiengebühren kommt die Studie zu dem Schluss, dass damit zusätzliche Hürden für die Schichten aufgebaut werden, bei denen die Bildungsbeteiligung sowieso schon relativ gering ist. Studiengebühren bedeuten also, dass diejenigen, die sowieso schon in geringem Umfang an der Bildung beteiligt werden, noch einmal zusätzlich ausgeschlossen werden. Herr Staatsminister Corts, die Einführung der Studiengebühren wird also für den Bildungsstandort Hessen ebenso sinnvoll sein, als wenn man die Prügelstrafe einführen würde, um damit den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen zu erhöhen. Das wird also in etwa genauso erfolgreich sein,als wenn man an den Schulen die Prügelstrafe einführen würde.
Ich weiß, dass die CDU-Fraktion von dem Gesetzgebungsverfahren nicht Abstand nehmen wird. Meine Damen und Herren,Sie haben sich vorgenommen,das in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Diese Legislaturperiode hat damit begonnen, dass man den Eindruck gewinnen konnte, dass Sie von der Macht relativ besoffen wurden. Sie wollen dieses Gesetzgebungsverfahren also durchziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sind blind hinsichtlich dessen geworden, was in diesem Land wirklich passiert.Das ist ein Drama.Aber das ist das Drama einer Regierungsfraktion, deren Mitglieder in der Tat so an der Wand stehen, wie sie an der Wand stehen.
Sie arbeiten sich an den protestierenden Studierenden ab. Das können Sie gerne machen. Sie versuchen, die Studierenden in eine bestimmte Ecke zu stellen. Auch das können Sie gerne machen. Sie bemerken dabei aber nicht, dass Sie in der Gesellschaft die Mehrheit für Ihr Vorhaben verloren haben.
Ich nenne Ihnen einmal eine Begebenheit, die ich in einer Versammlung erlebt habe. Da ist eine alte Frau auf mich zugekommen, von der Sie nicht erwarten würden, dass sie mit den Studierenden hier auf der Straße demonstriert. Sie hat zu mir gesagt: „Herr Siebel, ich will Ihnen einmal etwas sagen. Das mit den Studiengebühren ist eine Schweinerei. Ich habe von meiner Rente ein bisschen Geld gespart, damit meine Enkelchen studieren können. Aber wenn das kommt, was die Landesregierung da vorhat, dann werde ich das nicht mehr aufbringen können, Herr Siebel.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Skepsis gegenüber Studiengebühren – ich will das ganz vorsichtig sagen – hat gesellschaftliche Gruppen erreicht, die weit über das gehen, was Sie hinter den Protestpotenzialen vermuten, die sich in Demonstrationen auf der Straße artikuliert haben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, diese Geschichte zeigt, dass Sie Gefahr laufen, die gesellschaftliche Mehrheit für Ihre Politik zu verlieren. Wir sind dabei, für unsere Politik der Bildung und der sozialen Gerechtigkeit Mehrheiten in diesem Land zu finden.Mit diesen Mehrheiten werden wir das Thema Studiengebühren auch gewinnen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Mehrheit der Experten bei der Anhörung zum Studiengebührengesetz hat bestätigt, dass Studiengebühren verfassungswidrig sind. Die Hessische Verfassung besagt klar ein Verbot allgemeiner Studiengebühren. Die Intention der Hessischen Verfassung ist ganz klar, dass die Möglichkeit zu studieren in Hessen allein von der Eignung abhängen soll und ganz explizit nicht von der Herkunft abhängen darf.
Das erläuterte beispielsweise der Verfassungsrechtler Prof. Wieland in der Anhörung sehr eindrücklich. Ich zitiere hier aus einer schriftlichen Stellungnahme.
Das Grundrecht des Art. 59 Abs. 1 LV gewährleistet aber nicht etwa abstrakt einen für alle sozialen Schichten möglichen Hochschulzugang. Es garantiert vielmehr gerade die Unentgeltlichkeit des Studiums als den von der Verfassung prinzipiell gewollten Weg, soziale Probleme als Folge der Studienaufnahme überhaupt nicht entstehen zu lassen und dementsprechend nur eine Entgelterhebung bei den Studierenden zuzulassen, die dadurch nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Ein verzinsliches Darlehen vermag nichts an der in den Gesetzentwürfen unter Verstoß gegen die Verfassung vorgesehenen generellen Entgeltlichkeit des Studiums zu ändern und ist deshalb verfassungs
rechtlich irrelevant; es verändert im Übrigen auch die wirtschaftliche Lage der Darlehensempfänger nicht. Wer in Hessen allgemeine Studiengebühren einführen will, muss zuvor die Verfassung ändern.