Protokoll der Sitzung vom 06.10.2006

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,das Präsidium ist sich einig, dass jeder noch eineinhalb Minuten Redezeit mehr bekommt. Damit es keine Bruchlandung gibt, dürfen das die anderen drei auch. Jetzt hat der Herr Ministerpräsident das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte der Versuchung widerstehen,mit Ihnen zu berechnen,was

die Umsiedlung eines Stadtteils wie Zeppelinheim nach anderen Varianten gekostet hätte.

(Zuruf von der SPD: Müssen wir doch umsiedeln?)

Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen: Es hat, wie korrekterweise dargestellt, Gespräche zwischen dem zuständigen Kommissar der Europäischen Union und auch mir über das Flughafensystem gegeben. Es hat nicht nur einmal Gespräche gegeben, aber es hat auch das zitierte Gespräch gegeben. Es hat zu keinem Zeitpunkt eine Erklärung der Europäischen Kommission gegeben, dass beabsichtigt sei, nicht zu genehmigen. Es gibt Fragen, die nach wie vor diskutiert werden und die aus Sicht der Bundesregierung und der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz positiv zu beantworten und zu lösen sind. Deshalb gehen wir als Landesregierung nach wie vor davon aus, dass wir im Rahmen der geltenden europäischen Richtlinie einen Anspruch auf Genehmigung des Flughafensystems haben, unabhängig davon, dass ich Ihnen zustimme, dass es neben dem Flughafensystem andere Möglichkeiten zur Absicherung der Nachtflugbeschränkung gibt. Ihre Schilderung,es sei nicht mehr Gegenstand oder sei aus den Gesprächen herausgenommen worden, ist falsch.

Den zweiten Punkt kann ich auch aufklären. In der Tat versuchen die internationalen Airlines – nicht nur in Deutschland, sondern in Europa – die Institution von Flughafensystemen zu zerstören. Dafür gibt es auch gute, nachvollziehbare Gründe, die daran liegen, dass sie solche Dispositionsrechte in den Händen von Flughafenbetreibern nicht wollen. Die Europäische Kommission prüft nun, ob sie entsprechend Richtlinienänderungen vornimmt. Diese Richtlinienänderungen werden irgendwann in drei, fünf oder sechs Jahren oder nie in Kraft treten. Sie sind jedenfalls nicht Genehmigungsgrundlage für den von uns bereits gestellten Antrag.

Insofern hat Herr Kollege Hoff völlig recht, wenn er darauf hinweist, dass auch für die Zukunft für uns solche Regelungen nicht akzeptabel sind. Trotzdem ist der Antrag, den wir gestellt haben, unter dem jetzt geltenden Recht der Europäischen Union zu bescheiden. Für den finden die Gespräche statt. Manches kann man auch durch Gespräche klären. Das Verfahren ist unbestreitbar kompliziert, und wir werden im Ausschuss viele Ihrer Fragen, die Sie hier gestellt haben, beantworten können. Dazu sind Ausschussberatungen da. Aber wir sollten nicht mit ganz falschen Voraussetzungen durch die Debatte gehen.– Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Hildegard Pfaff (SPD): Das war nicht überzeugend!)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Boddenberg das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorlage des Landesentwicklungsplans vor wenigen Tagen an den Hessischen Landtag ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ausbau des Frankfurter Flughafens, auf dem Weg zur Schaffung von konkret 95.000 neuen und zusätzlichen Arbeitsplätzen und auf dem Weg dahin,Fraport und diesen Flughafen auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten.

Die frühe Entscheidung der CDU – Herr Walter, die politische Entscheidung, die Sie angesprochen haben – fußte seinerzeit auf unterschiedlichsten Informationen und Gutachten,die bereits im Zuge des Mediationsverfahrens, dann aber auch im Verlaufe der Raumordnung erstellt worden waren. Diese Information hat uns zu der Erkenntnis gebracht, dass die Variante Nordwest diejenige ist, die in nahezu jeder Hinsicht die Nummer eins in der politischen Abwägung der damals noch in Rede stehenden Varianten bekommt. Wir waren damals der Meinung – ich bin bis heute überzeugt – dass es richtig war, den Menschen zu dem Zeitpunkt, als wir das wussten, auch zu sagen, was wir wussten und was wir politisch wollen.

(Beifall bei der CDU)

Wir reden über diesen Flughafenausbau in einer Zeit, in der wir in nahezu jedem Politikfeld über die Frage reden, wie wir es schaffen, den früheren Europamotor Bundesrepublik Deutschland wieder in Gang zu setzen. Wie schaffen wir es, einem weltweiten Arbeitsmarkt so zu begegnen, dass in Deutschland zukünftig wieder mehr an diesem Arbeitsmarkt teilhaben können,als das zurzeit der Fall ist?

Wir tun das in einer Zeit, in der der Wettbewerb nicht mehr ganz so einfach ist, wie er es noch vor 10, 12 und 15 Jahren war, als wir einen Wettbewerb der Industrienationen hatten, sondern in der wir einen Wettbewerb rund um den Globus haben. Das bedeutet: Gerade im Bereich des Verkehrs, gerade im Bereich eines internationalen Flughafens stehen wir vor völlig neuen Herausforderungen.

Meine Damen und Herren, wenn wir schon über Arbeitsplätze reden: Es hilft halt nicht, dass man immer wieder beklagt,wie das gerade in diesen Tagen viele zu Recht tun, wenn Arbeitsplätze möglicherweise verloren gehen. Ich habe noch Frau Ypsilantis Worte im Ohr, als es um die Frage von BenQ und Siemens ging. Ich habe die Pressemeldung von Frau Ypsilanti gelesen, als es um das Problem des Unternehmens Lear Seating in Gustavsburg ging, als Zulieferer von Opel möglicherweise Arbeitsplätze nach Polen zu verlieren. Es reicht eben nicht mehr aus, dass wir das nur noch mit Larmoyanz, mit Klagegeschrei und am Rande mit Boykottaufrufen begleiten, sondern es muss so sein, dass wir um jeden Arbeitsplatz auch dort kämpfen, wo wir die Verantwortung haben.

(Beifall bei der CDU)

Wenn die „Süddeutsche“ heute zur Auswertung einer solchen Passage von Frau Ypsilanti schreibt, das sei keine konkrete Antwort auf politisch notwendige Fragen, sondern es sei eher eine rhetorische Panoramatapete,dann ist das genau das, was Sozialdemokraten in diesen Tagen an vielen Stellen versuchen.

Zum Frankfurter Flughafen. Dieser Frankfurter Flughafen ist mit großem Abstand der größte internationale Flughafen der Bundesrepublik Deutschland. Er ist nach wie vor in Europa und in der Welt führend – sowohl hinsichtlich seiner Passageleistungen wie auch hinsichtlich seiner Frachtleistungen. Um nur eine Zahl in Erinnerung zu rufen: Ca. 70 % der internationalen Passage im transatlantischen Langstreckenbereich laufen über den Frankfurter Flughafen. Das Gleiche gilt noch mehr für den Frachtbereich. 75 % aller Flugbewegungen in Deutschland, die internationale Frachtbewegungen sind, laufen über den Frankfurter Flughafen.

Herr Kaufmann, es arbeiten konkret über 60.000 Menschen am und zusätzlich noch einmal 120.000 Menschen

um den Flughafen. Das ist nahezu der Faktor 2, wie wir ihn seit der Mediation kennen, also ein Gesamtpotenzial an Arbeitsplätzen von 180.000 Menschen. Jetzt haben wir die einmalige Chance, dort viele Tausende, Zehntausende neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Wir tun das – wie gesagt – in einem Wettbewerb, der neu aufgestellt ist. Die Flughäfen in London werden ausgebaut, die in Paris und in Amsterdam werden ausgebaut. In München ist neu gebaut worden, es wird aber schon sehr konkret überlegt, zu erweitern. Das Gleiche gilt, wie wir wissen – darüber werden wir nachher noch einmal reden –, für Berlin.

Wir haben aber heute neuen Wettbewerb. Ich will nur einen nennen. Wenn Dubai in diesem Maße investiert, tun die das nicht nur mit Blick auf lokale Märkte. Die tun das, um in den Wettbewerb mit europäischen Hubs im transatlantischen Bereich zu kommen. Man muss der Vollständigkeit halber allein die Tatsache dazu sagen, dass Emirates 43 neue Langstreckenflieger A 380 bestellt haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, dann seid ihr schon abgewählt, wenn der Erste hier landet! – Gegenruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Das zeigt doch sehr deutlich, wohin dort im wahrsten Sinne des Wortes die Reise geht. In Frankfurt reden wir nicht nur über einen Flughafenausbau. Wir reden über eine Gesamtinvestition von sage und schreibe 7 Milliarden c, wenn man alles hinzurechnet, was mit dieser Weiterentwicklung des Frankfurter Flughafens zu tun hat – nicht nur die neue Landebahn,nicht nur der Neubau der Wartungshalle für den A 380, sondern auch der Terminalbau im Süden, das Airrail Center und Gateway Gardens, um die wesentlichen großen Investitionspunkte zu nennen. Das sollte uns zuversichtlich stimmen, dass in diesem Land noch eine Menge bewegt werden kann – vorausgesetzt, dass wir das politisch wollen.

Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir kurz zu dem, was Herr Walter vorgetragen hat und was wir in der Presse lesen konnten, und zu dem, was wir von den GRÜNEN wissen. Herr Walter sagte als erste Reaktion, als der Landesentwicklungsplan dem Landtag zugeleitet war, sinngemäß: Bitte schreibt doch einmal sehr konkret hinein, was ihr im Bereich des Nachtflugverbotes wollt.

Herr Walter, wir haben damals schon so reagiert, wie ich es heute tue. Sie sind in der Intention, die dahintersteckt, kein bisschen besser geworden. Wir haben damals gesagt – Sie wissen das gerade als Jurist sehr wohl –, dass wir genau das, was Sie meinen, der Öffentlichkeit vorgaukeln zu können, nämlich dass man es hineinschreibt, nicht hineinschreiben dürfen, weil sonst das gesamte weitere Planungsverfahren rechtswidrig wäre.

(Zurufe der Abg. Jürgen Walter (SPD) und FrankPeter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Heute ist Ihr Versuch der, aus dieser ersten Pressereaktion heraus weiter dabei zu bleiben und zu sagen: Der Wirtschaftsminister soll doch jetzt einmal ganz dezidiert sagen, wie er sich das vorstellt.

(Jürgen Walter (SPD): Ja!)

Herr Walter,der Wirtschaftsminister hat Ihnen heute gesagt, dass die Ausgestaltung der Frage von Nachflugbeschränkungen ausschließlich die Angelegenheit der Planfeststellungsbehörde ist

(Jürgen Walter (SPD): Das teile ich ja!)

und nicht Teil einer Landesplanung sein kann, wie wir sie im Landesentwicklungsplan vornehmen. Bitte lesen Sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu BerlinSchönefeld.

(Jürgen Walter (SPD): Das hat er nicht verstanden!)

Dann wissen Sie ganz genau, dass Sie versuchen, hier ein falsches Bild zu stellen. Ich sage: ein Täuschungsmanöver der Öffentlichkeit, das aber sehr einfach durchschaubar ist.

(Beifall bei der CDU)

Zum LEP selbst hat der Minister die wesentlichen Punkte angeführt. Wir haben darin klare Angaben über das, was qualitativ passieren soll. Wir reden über die von 2015 auf 2020 erweiterte Prognose von 700.000 Flugbewegungen. Wir reden – auch diese Zahl muss man deswegen wissen, weil wir sie von ausländischen Flughäfen hören – über für das Jahr 2020 prognostizierte 80 Millionen Passagiere in Frankfurt, und wir reden über 3 Millionen t jährliche Frachtleistung.

Die sind nur dann möglich, wenn wir dem Flughafen diese Wachstumsperspektive geben. Wenn wir uns anschauen, wie die aktuell aussieht, stellen wir fest: Alle anderen Flughäfen wachsen im Schnitt um 4,5 %, und der Frankfurter Flughafen wächst irgendwo um 1 %. – Ich finde, nicht ganz zu Unrecht sagt Herr Bender, der Vorstandsvorsitzende: Ich würde gerne wieder wenigstens an diesem durchschnittlichem Wachstum teilnehmen.

Die GRÜNEN haben das immer bestritten, während sie gleichzeitig gesagt haben: Wenn das am Ende 700.000 Flugbewegungen sind, finden wir das alles ganz schlimm. – Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden, ob Sie Zahlen in Zweifel ziehen oder aber ob Sie weiterhin mit horrenden, noch höheren Zahlen auf den Markt gehen wollen, um die Leute zu verängstigen.

Wir sind der Auffassung, dass die Zahlen und Informationen, die wir über diesen Landesentwicklungsplan bekommen, sehr wohl rechtfertigen, zu sagen: Wir gehen in die Debatte des Landesentwicklungsplanes; wir werden vieles hinterfragen, aber sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Grundlage für einen Ausbau gegeben ist. – Das ist eine wichtige Botschaft für dieses Land und die Menschen in diesem Land,die an Arbeitsplätzen mehr als manche Politiker, insbesondere der GRÜNEN, interessiert sind.

(Beifall bei der CDU)

Der Landesentwicklungsplan hat eine Reihe weiterer Informationen und Vorgaben definiert. Wir erfahren darin mehr über die Frage der Infrastruktur. Die Autobahn A 3 soll nach Vorstellung derjenigen erweitert werden, die das gesamte Anbindungskonzept untersucht haben und für die Zukunft darlegen. Das Gleiche gilt für die A 5 vom Frankfurter Kreuz in Richtung Zeppelinheim mit einer zusätzlichen Fahrspur. Das gilt auch für die A 67, den Bereich Mönchhofdreieck/Rüsselsheim. Auch dort soll es Erweiterungen geben.Die erste und die dritte Maßnahme sind im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Wir können also zunächst davon ausgehen, dass diese Infrastrukturerweiterungen am Ende stattfinden werden.

Herr Kaufmann, aber der Landesentwicklungsplan sagt uns auch eine Menge über die Beeinträchtigungen. Ob es

um das FFH-Gebiet im Kelsterbacher Wald oder um das FFH-Gebiet im Gundwald bei Rüsselsheim geht: Es wird dort eine Information vorgelegt, die sowohl die positiven als auch die belastenden Effekte aufführt.Insofern bin ich nach einem ersten Blick in die Unterlagen, die uns zur Verfügung gestellt worden sind, und auch nach einer ersten Beschäftigung mit den unterschiedlichen Einwendungen, die es dazu gegeben hat, sehr sicher, dass wir im Hessischen Landtag am Ende eine Entscheidung treffen, die auf sehr viel mehr Informationen fußt, als wir sie bis zum heutigen Tag hatten.

Ein weiterer Punkt.Ich möchte noch einmal auf die Firma Ticona und das Nachtflugverbot zu sprechen kommen. Die CDU-Fraktion hat klar gesagt, was sie will. Es bleibt dabei, dass die Ergebnisse des Mediationsverfahrens, die wir uns seinerzeit zu eigen gemacht haben,umgesetzt werden.

Jetzt schauen wir uns einmal etwas genauer an,was in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Flughafen Schönefeld steht. Es ist dort z. B. die Frage aufgeworfen worden,wie der Zeitraum der Nacht,über den wir hier reden, zu definieren sei. Die sogenannte Mediationsnacht dauert sechs Stunden: von 23 bis 5 Uhr. Die sogenannte gesetzliche Nacht dagegen umfasst einen ganz anderen Zeitraum.

(Lachen bei der SPD – Andrea Ypsilanti (SPD): Die machen die Nacht zum Tag!)

Das Bundesverwaltungsgericht sagt, dass die Belastung von Tagesrand- oder Nachtrandstunden sehr wohl in die Abwägung einbezogen werden muss.Herr Kaufmann,das soll nichts anderes heißen, als dass eine Planfeststellungsbehörde in ihrer gesamten Abwägung am Ende nicht nur die politischen Vorgaben, sondern auch alle weiteren Vorgaben aufnehmen muss. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass eine Planfeststellungsbehörde in einer solchen Abwägung am Ende viel weitgehender prüfen wird – so wird es sicherlich auch künftig sein –, als wir bisher im Hessischen Landtag darüber diskutieren konnten.

Was die Detailfragen einer solchen Planfeststellung anbelangt:Dort wird es nicht nur um die Definition von Nachtflugbeschränkungen gehen, sondern es wird auch die Frage zu beantworten sein, wie lange der Zeitraum der Nacht dauern soll. Ich habe auf den Unterschied zwischen der Mediationsnacht und der gesetzlichen Nacht bereits hingewiesen.

Es werden auch die Interessen der Airlines und die Frage zu berücksichtigen sein, was das für die Deutsche Lufthansa bedeutet, die dort ihren Heimatflughafen hat. Was bedeutet es für mehrere Carrier – für die Lufthansa, aber auch für andere –, wenn sie dort über ihre wesentlichen Wartungsreserven verfügen? All das spielt eine Rolle. Herr Walter, das soll heißen, dass das Leben nicht ganz so einfach ist, wie man es sich manchmal machen möchte.

Ich fordere Sie noch einmal auf: Hören Sie auf, den Menschen zu sagen, dass wir diese apodiktischen Definitionen von der politischen Seite her schon zum jetzigen Zeitpunkt vornehmen können.Wenn Sie das behaupten – das versuchen Sie, meine Damen und Herren –, erzählen Sie den Menschen etwas Unwahres, und das wissen Sie auch.