Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Vielen Dank für die Berichterstattung, Herr Kollege Bocklet.– Als erste Rednerin hat sich Frau Kollegin Fuhrmann zu Wort gemeldet. Fünf Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das spannendste Thema ist ganz am Schluss.Wie Sie schon an dem Betreff gemerkt haben, handelt es sich um eine etwas komplizierte Gesetzesmaterie. Aber Sie sind alle noch hellwach. Insofern bin ich darüber sehr froh.

(Axel Wintermeyer (CDU): Wenn Sie am Pult stehen, immer!)

Herr Wintermeyer, sehr schön. – Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der sogenannten HartzIV-Reform haben sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch die kommunalen Träger und die Arbeitsgemeinschaften sehr viele Umstellungen bewältigen müssen.Wir stellen heute fest, die Reform ist seit langer Zeit in Kraft, und wir haben bis heute keine Datenlage, die uns in irgendeiner Form erlauben würde, zu zeigen, was die Sozialreform gebracht hat.

Wir haben rudimentäre Zahlen. Die Frau Ministerin muss im Sozialausschuss immer wieder erklären, dass es erneut keine Zahlen gibt und man sich erneut nicht auf Kennziffern einigen konnte. Das alles passiert in schöner Regelmäßigkeit seit inzwischen eineinhalb Jahren.Wir sind der Auffassung, dass es auch in Hessen besser gewesen wäre, zunächst zu klären, welchen Erfolg oder Misserfolg die Hartz-IV-Reform gebracht hat, bevor wir weitere – im Zusammenhang mit dem Titel verweise ich darauf – relativ schlecht überschaubare organisatorische Veränderungen auf den Weg bringen.

Ich weiß,dass Sie jetzt wieder einwenden werden,die Idee stamme von einem Sozialdemokraten, nämlich von Landrat Pipa aus dem Main-Kinzig-Kreis, der ein aktiver Streiter für Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt und auch erfolgreich ist. Aber ich sage ganz leise: Es ist möglicherweise auch so, dass er als Kommunalpolitiker zumindest nicht überall deckungsgleiche Interessen wie wir als Landespolitikerinnen und Landespolitiker hat,

(Zurufe von der CDU: Oh! – Michael Boddenberg (CDU): So gehen Sie mit Parteifreunden um!)

was jedenfalls die Übermittlung von Daten anbelangt. – Herr Kollege, das Sein bestimmt das Bewusstsein auf den unterschiedlichen Ebenen. Das wissen wir doch.

Mit den jetzt im Gesetz vorgesehenen Änderungen wird es auf jeden Fall nach unserer Auffassung für die Landespolitik sehr viel schwerer, verlässliche Informationen zu bekommen, weil es weitere Ausgründungen geben wird. Diese berichten dann noch nicht einmal den Kommunalparlamenten, wenn wir genauer hinschauen, ganz zu schweigen von Informationen für uns. Wenn Landespolitik in diesem Bereich eine Steuerungs- und Kontrollfunktion hat, braucht sie dafür eine verlässliche Grundlage.

Weiterer Punkt. Mit der sogenannten Beleihung wird die Aufgabe,Sozialhilfeentscheidungen zu treffen,auf private

Dritte weitergegeben. Wir sind der Auffassung, dass man sich mit dieser Frage eigentlich sehr viel intensiver hätte befassen müssen. Im Gegensatz zur FDP können wir allein durch die Beauftragung von Dritten keine Fortschritte sehen. Die Aufgaben müssen gut gelöst werden. Das steht nach unserer Meinung im Mittelpunkt.

(Beifall des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Ein letzter Aspekt. Für die Beschäftigten gibt es Vor- und Nachteile. Zum einen ist es sicherlich positiv zu bewerten, dass die zu errichtenden Anstalten Dienstherrenfähigkeiten haben werden und damit einheitliches Dienstrecht für alle Beschäftigten geschaffen werden kann, was momentan – wie wir alle wissen – nicht der Fall ist. Wir hätten es für gut gefunden, wenn irgendwo die kommunalen Arbeitgeberverbände bzw. das Weitergelten von Tarifverträgen im öffentlichen Dienst vorgekommen wären. Außerdem fehlen uns Überleitungsvorschriften für die Bediensteten und auch eine Aussage darüber, wie die Mitbestimmung geregelt werden soll,und,und,und.Das sind nur ein paar Anmerkungen.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass aufgrund der Anhörung etliche diese Regelung wollen.Andere schreiben: schadet nix, nutzt aber auch nix. – Wir wollen dem nicht feindlich gegenüberstehen. Aber aufgrund der Tatsache, dass so viele Fragen offen sind, werden wir uns bei der Abstimmung enthalten. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fuhrmann. – Als nächster Redner hat Herr Holler für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Über eines muss man sich schon wundern. Die Anhörung hat – so haben wir es auch im Sozialausschuss diskutiert – überwiegend Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung gebracht.

(Petra Fuhrmann (SPD): Schadet nix, nutzt auch nix!)

Sie haben einen aus Ihren Reihen schon zitiert – Herrn Pipa, Main-Kinzig-Kreis.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist auch einer aus meinen politischen Reihen!)

Ich sage nur, es gab nicht nur die Stellungnahme von Herrn Pipa, sondern viele andere Stellungnahmen, nämlich die große Masse, die gesagt hat:Wir begrüßen es, dass die Träger einen organisationsrechtlichen Rahmen bekommen, der ihnen die Arbeit effektiver zu gestalten erlaubt. – Deswegen ist es schon überraschend, wenn aus den eigenen kommunalpolitischen Reihen der SPD gesagt wird:„Dieses Gesetz ist sinnvoll“,dass Sie sich so verhalten, wie Sie sich verhalten.

(Petra Fuhrmann (SPD): Es ist neu, dass sich die CDU-Fraktion von Anhörungen beeindrucken lässt!)

Frau Fuhrmann, ich meine, wir machen Anhörungen dazu,dass wir die fachliche Meinung begutachten und einfließen lassen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Verhalten Sie sich doch auch einmal so beim Flughafen, wie es Herr Gall vorschlägt!)

Aber Sie verhalten sich offensichtlich ignorant. Wenn bei einer Anhörung herauskommt, dass es positiv ist, versuchen Sie, das hier umzudrehen. Das macht an dieser Stelle keinen Sinn, und bei diesem Gesetz erst recht nicht.

(Beifall bei der CDU)

Frau Fuhrmann, wenn Sie sich auf das Papier des DGB stützen – ich möchte gar nicht monieren, dass in der Stellungnahme verwechselt wird, dass es sich beim Grundgesetz um Artikel und nicht um Paragraphen handelt –, wenn Sie sich wirklich ernsthaft das DGB-Papier anschauen, dann müssen Sie sehen, dass sich die Vorschläge des DGB ausschließlich auf den Regelungsbereich des Bundes beziehen und überhaupt nicht den Landesgesetzgeber betreffen. Zudem ist Ihnen wahrscheinlich aufgefallen,dass die Stellungnahme des DGB offensichtlich auf einer Fehleinschätzung des rechtlichen Konstrukts von Arbeitsgemeinschaften beruht. Insofern kann man, wenn man die DGB-Stellungnahme weglässt, eindeutig sagen, es hat eine breitestmögliche Zustimmung gegeben.

Zu dem Einwand, was die Informationen betrifft: Ich kann überhaupt nicht sehen, wo es für die Weiterleitung von Informationen Probleme gibt, wenn den Kommunen die Möglichkeit gegeben wird, eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Wie sind denn jetzt die Zahlen?)

Frau Fuhrmann, ich sage, es hat nichts damit zu tun. – Wenn Sie sich mit der Materie befassen, muss man auch sagen, dass dafür subsidiär die HGO anzuwenden ist. Wenn ich das einmal sehe, haben diese Landesregierung und die CDU-Fraktion erst im vergangenen Jahr eine HGO-Novelle eingebracht, wo wir die Informationsrechte der Gemeindeparlamente gestärkt haben. Insofern trifft das jetzt auch für die Anstalt des öffentlichen Rechts zu. Die Kontrollmöglichkeiten für die Gemeindevertretung sind voll und ganz gewahrt, sogar noch besser geworden, als das bisher der Fall ist.

Deswegen brauchen wir das, weil wir in der dritten Lesung sind, nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Die Argumente sind ausgetauscht. Die CDU-Fraktion in diesem Hause sieht keinen einzigen Grund, warum wir den Trägern diese Handlungsspielräume verschließen sollten.Die Träger müssen ihre Aufgabe möglichst effektiv erledigen können. Dies hat das vorliegende Gesetz richtigerweise zum Ziel. Deswegen begrüßt die CDU-Fraktion das auch.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Holler. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Bocklet für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf hat ein Ziel. Er möchte Spielräume in den Kommunen erweitern. Das ist grundsätzlich nichts Böses. Die spannende Frage ist nur, warum das nötig ist. Wir GRÜNE glauben, dass die Spielräume, wie sie bisher sind, durchaus ausreichend wären, um im ausrei

chenden Maße Langzeitarbeitslose zu qualifizieren,Langzeitarbeitslose zu beraten, sie fortzubilden oder in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Dazu bedarf es eigentlich keiner neuen Spielräume.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Gesetz, wie es da steht, trifft nicht das Problem. Wir wissen, dass wir kaum Daten bekommen.Wir wissen, dass in den Jobcentern selbst im Jahre zwei nach Einführung dieses Gesetzes nach wie vor wenig optimal läuft.All das wissen wir. In diesem Zuge kommt dieser Gesetzentwurf, der vorschlägt, den Kommunen eine weitere Form der Ausgliederung möglich zu machen, neben den Eigenbetrieben, GmbHs, jetzt auch eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Dagegen kann man nichts wirklich haben.

Meine Fraktion hat in diesem Zusammenhang kritisiert, dass man, wenn man einen neuen Gesetzentwurf macht, darin auch festlegen sollte, wie die Gremien auszusehen haben. Das haben wir schon bei der ersten Lesung kritisiert. Das war die Frage der Transparenz. Wenn man die Gremien und Organe der zukünftigen Anstalten definiert,dann hätte man auch definieren sollen,wer dort vertreten ist. Sie wissen, dass das im Moment ein grundsätzliches Problem bei den Arbeitsgemeinschaften ist, in den Jobcentern, auch bei den gGmbHs. Grundsätzlich ist es ein Problem, dass viele Kommunalparlamentarier beklagen, dass sie nicht ausreichende Informationen darüber erhalten, was bei ihnen in den Jobcentern passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man die Möglichkeit hat, ein Gesetz neu zu gestalten,dann sollte man dieses grundsätzliche Problem mit lösen. Dann hätte man die Frage der Transparenz bei der Regelung der zukünftigen Organisationsformen lösen können. Das ist nicht geschehen, obwohl wir es kritisiert haben. Das führt dazu, dass wir bei diesem Gesetzentwurf mit Enthaltung votieren,wobei wir uns wünschen würden, dass dieser weitere Spielraum dazu führen würde, dass endlich die Hartz-IV-Reform vor Ort tatsächlich besser läuft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNEN sind der Meinung, der Vorsitzenden sind genug. Wir haben genug Vorsitzende. Die Ziele sind auch gut formuliert. Es ist Zeit, dass sie endlich umgesetzt werden. Frau Ministerin, wir haben nicht nur einmal an Sie appelliert, Ihrem Namen gerecht zu werden. Sie sind nicht nur Sozialministerin, Sie sind auch Arbeitsministerin. Nehmen Sie sich die Jobcenter vor Ort zur Brust und sagen Sie, wo die Mängel sind, denn Sie müssen diese ausgleichen.

Wenn dieses Gesetz dazu dienen sollte,möge der Herr auf diesen Wegen wandeln. Wir glauben es nicht. Wir enthalten uns der Stimme.Aber wir glauben, dass endlich etwas notwendig ist, damit eine aktivierende, eine fordernde Politik für die Langzeitarbeitslosen stattfindet, in der qualifiziert, fortgebildet und eingegliedert wird. Das sind die wahren Mängel. Da sind bei dieser Landesregierung große Defizite. Werden Sie aktiv. Dann treffen Sie den Nerv der Zeit. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Nun hat sich Herr Kollege Rentsch für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bocklet,Sie haben heute wieder einmal versucht, eine Entscheidung der GRÜNEN zu begründen.Wer weiß, dass sich die GRÜNEN eigentlich nur enthalten, wenn sie knapp an der Zustimmung vorbeilaufen – d. h., Sie können gar nicht anders –,

(Ministerin Silke Lautenschläger: Richtig!)

der weiß auf der anderen Seite auch, dass Sie eigentlich aufgrund des Kontaktes der vielen grünen Kommunalpolitiker mit der Landtagsfraktion wissen, dass dieser Vorschlag, den die Landesregierung vorgelegt hat, nicht originär aus den Reihen der Landesregierung kam,sondern eigentlich ein Vorschlag von Kommunalpolitikern war, von Leuten, die die Arbeit an der Basis machen, die sozusagen Hartz IV vor Ort umsetzen.

Diese Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben gesagt, sie möchten bei der Umsetzung von Hartz IV mehr Handlungsspielraum haben und dafür eine weitere Rechtsform hinzuziehen, nämlich die Anstalt des öffentlichen Rechts.

Über das, was Sie gerade zusätzlich thematisiert haben, kann man diskutieren – darüber, wie Hartz IV umgesetzt wird, ob die Arbeitsgemeinschaft oder die Optionskommune die bessere Variante ist. Darüber haben wir in diesem Hause schon mehrfach diskutiert, und ich will das heute nicht erneut tun.Wir haben dazu eine Meinung, Sie haben eine andere, und das ist auch in Ordnung.

Wir glauben, dass diese Gesetzesänderung, die die Landesregierung vorgelegt hat, richtig ist. Das hat die Anhörung eindeutig bewiesen. Sie ist deshalb richtig, weil den Optionskommunen und den Arbeitsgemeinschaften damit ein größerer Handlungsspielraum gegeben wird, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb lohnt es sich eigentlich gar nicht, so lange über diesen Gesetzentwurf zu sprechen. Das wird von der Landesregierung jetzt so umgesetzt. Wir halten das für richtig. Ich teile die Meinung des Kollegen Bocklet: Wir hoffen, dass die Kommunen, die Hartz IV umsetzen, auch etwas daraus machen. – Vielen Dank.