Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Für die FDP sage ich Ihnen aber auch, dass wir an diesem Punkt auch ein stärkeres Engagement der Wirtschaft brauchen.Aber es geht nicht an, nur zu sagen: Hallo Wirtschaft,komme einmal her und zahle für die kulturellen Investitionen in diesem Land. – Das sage ich gerade in Richtung SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bei diesen Sachen müssen wir an das Stiftungsrecht herangehen.Wir müssen an das Stiftungssteuerrecht herangehen.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Es hilft nicht, wenn Sie heute Nachmittag bei der Verabschiedung des Haushalts wieder mit Vermögensteuer oder Reichensteuer kommen.

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn das gemacht? – Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, lieber Kollege Wintermeyer, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, diese Lösung, die möglicherweise nächste Woche noch erreicht werden kann, ist kein großer Wurf.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch 50 Jahre nichts hingekriegt!)

Aber es ist wenigstens eine kleine Lösung mit Potenzial. Sie kann den Kulturzwangsverband verhindern. Herr Ministerpräsident, eine entsprechende Erklärung Ihrerseits heute wäre sehr hilfreich.

Es ist auch das erste Mal, dass es – unter der Leitung von Herrn von Harbou, das ist wirklich sein Verdienst – gelungen ist, die Beteiligten der Region miteinander konstruktiv über die Verbesserung der Kultursituation im Rhein-Main-Gebiet sprechen zu lassen. Sie haben gerungen, sie haben sich alle miteinander ein Stück weit bewegt und sind über ihren Schatten gesprungen. Sie sind bereit, erstmals gemeinsam Geld in kulturelle Institutionen zu investieren. Das heißt, es wird erstmals gemeinsam finanziert, und es wird erstmals gemeinsam entschieden.

Frau Kollegin Beer, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss.– Es wird auch erreicht,dass erstmals in Ansätzen ein gemeinsames kulturelles Leitbild der Region entwickelt worden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, dies nicht zu unterschätzen.

Fazit für die FDP-Fraktion: Kein Enthusiasmus, aber wir sind der Meinung, dass alles besser ist als der Kulturzwangsverband.Von daher sehen wir in dem sich abzeichnenden Ergebnis einen Schritt in die richtige Richtung. Wir als FDP wollen helfen, diesen Schritt weiterzuentwickeln und ihn nicht kaputtzumachen wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Walter, Fraktionsvorsitzender der SPD.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wintermeyer, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen,dass wir die letzten 30 Jahre in unserer Region Frankfurt/Rhein-Main nur über Kultur geredet haben, aber bislang nichts passiert ist. Ich gebe Ihnen nicht recht, wenn Sie sagen,dass jetzt etwas Positives passiert ist.Tatsächlich ist gar nichts passiert. Sie sind nach wie vor in dem Zustand, dass nur geredet wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was heute passiert – ich nenne es einmal vorsichtig: Ergebnisse der Mediation –, und die Diskussionen, die geführt werden, zeigen doch, dass wir nach wie vor keine regionale Identität, keine regionale Gesamtverantwortung und keine regionale Organisation haben.Das Einzige,was man Ihnen zugute halten kann, Herr Ministerpräsident und meine sehr verehrten Damen von der Regierung, ist, dass sich nicht nur in den letzten acht Jahren nichts bewegt hat,sondern dass sich in den 22 Jahren vorher,die Sie angesprochen haben, ebenfalls nichts bewegt hat. Sie sind in den acht Jahren keinen Schritt weiter gekommen. Es ist in der regionalen Organisation nichts passiert, und das kann man Ihnen nachweisen.

Es war vorher doch schon so. Sie haben den Umlandverband abgeschafft. Das war richtig. Der Umlandverband war nichts anderes als ein Gremium, in dem sich Kommunalpolitiker aller Parteien verabredet haben, dass nichts geschieht.

(Beifall des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Dann kommen Sie einen Schritt weiter und legen das Ballungsraumgesetz vor. Sie sagen: Das Ballungsraumgesetz wird der Schlüssel für die Region Frankfurt/Rhein-Main sein. Wir warten erst einmal vier Jahre, bis der Staatsgerichtshof entscheidet, dass das Gesetz nicht verfassungswidrig ist. – Und dann sagen Sie: Jetzt können wir anfangen.

Herr Ministerpräsident, das war nach fünf Jahren in der Regierung. Dann kommt die erste Dringlichkeitserklärung, und Sie machen ein Standortmarketing. Der Erfolg dieses Standortmarketings hat sich nicht zuletzt in China gezeigt. Frankfurt/Rhein-Main fährt mit, und Frankfurt fängt an, zu maulen, und sagt: Wir sind nicht dabei. – Die

Erklärung ist, sie werden wieder ihr eigenes Standortmarketing aufbauen. Das Frankfurter Standortmarketing ist jetzt größer und personell besser ausgestattet, als es vorher der Fall war. Herr Ministerpräsident, das ist ein „großer“ Erfolg für die Region Frankfurt/Rhein-Main.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommen wir zum Kulturzwangsverband und zu den vorläufigen Ergebnissen der Region. Sie hatten – ich glaube,es war im Dezember 2004 – in einem Interview angesprochen, wir müssten es gemeinsam tragen, und haben die Zahl von 120 Millionen c genannt, der zunächst niemand widersprochen hat. Dann haben wir vor einem Jahr, im Juli 2005, über die Dringlichkeitserklärung debattiert. Damals waren es noch 70 Millionen c,weil Sie den Frankfurter Anteil draußen hatten. Heute reden wir über 10 Millionen c, die die Kommunen gemeinsam mit dem Land zur – man muss auf den Wortlaut achten – Verhinderung des Zwangsverbands aufbringen sollen.

Frau Kollegin Beer, deshalb haben Sie völlig recht: Es ist kein Kulturthema, sondern das ist ein Abwehrthema der Region und kein positives.

Hier stellen sich Fragen. Herr Ministerpräsident und Herr Corts, ich weiß nicht, wer von Ihnen sie beantwortet. Die erste Frage ist klar:Reicht Ihnen das? Am Dienstag sollen die Ergebnisse festgelegt werden. Die Mediatoren, die sich Mühe gegeben haben, haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, ob dieses Volumen von 10 Millionen c den Zwangsverband tatsächlich verhindern kann.

Es stellt sich eine zweite Frage. Herr Corts, Sie sind Mitglied der Mediation. Mediation bedeutet, dass alle Ja sagen müssen. Ich habe hier die Aussage von Groß-Gerau auf dem Tisch liegen: Inhalte stehen im Vordergrund, die Groß-Gerauer waren nicht dabei. Das heißt, die Kommune und der Landkreis Groß-Gerau werden sich nicht beteiligen. Bedeutet das, dass die Mediation damit gescheitert ist?

Herr von Harbou ist IHK-Präsident. Er kann möglicherweise die IHK-Beiträge anheben, aber er kann nicht die Kommunen im Kreis Groß-Gerau zwingen, sich gegen ihren Willen zu beteiligen.Was heißt es also, wenn nicht alle Kommunen in dem Ballungsraum mitmachen?

Herr Ministerpräsident, auch daran sieht man, dass Ihr Gesetz nicht wirkt.Wir haben doch ein Parlament, in dem alle vertreten sind, den Rat der Region. Den haben Sie mit Ihrem Gesetz gegründet.Aber der Rat der Region ist genau wie der Umlandverband nicht dazu in der Lage, über diese Fragen auch nur zu debattieren. Also lagern wir es aus in ein Mediationsverfahren, und zwar mit dem Ergebnis, dass diejenigen, die wie die Groß-Gerauer bei dem Mediationsverfahren nicht dabei sind, aber im Rat der Region vertreten sind, im Nachhinein alles scheitern lassen. Wenn Ihre Instrumente wie der Rat der Region halbwegs ernst gemeint wären, hätte man es im Rat der Region diskutieren müssen und wäre jetzt nicht in der schwierigen Situation, dass Sie beantworten müssen, Herr Corts: Was heißt es, wenn Kommunen aus dem Verband nicht mitmachen werden?

Ein dritter Punkt, den Sie beantworten sollten, ist die Frage,was mit diesen 10 Millionen c überhaupt finanziert werden soll. Ich lese: „kulturelle Einzelereignisse der Region“, „vorrangig neue, zusätzliche Projekte mit internationaler Ausstrahlung“ und die Absicht, „bestehende Projekte auf ein höheres,internationales Niveau anzuheben“.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Und das alles für 10 Millionen c!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,das Budget der Alten Oper beträgt 45 Millionen c. Davon bezahlt die Stadt Frankfurt 40 Millionen c. Mit 10 Millionen c können Sie das Städel finanzieren. Das hat einen Etat von 9.700.000 c.Was machen wir also mit diesen 10 Millionen c? Wer soll darüber entscheiden?

Wenn Sie sagen, diese 10 Millionen sind dazu geeignet, dass wir neue Projekte von Weltruhm und von Weltbedeutung in unserer Region einführen, dann machen Sie sich im internationalen Vergleich lächerlich, Herr Ministerpräsident.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Walter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Ministerpräsident, man sieht auch an dieser Stelle wieder:Das Problem – ich glaube,Herr Stölzl hat es in seinem Gutachten geschrieben – ist, dass man die Probleme unserer Region nicht monothematisch lösen kann, sondern dass wir ein Gremium brauchen, in dem ein Ausgleich unterschiedlicher Themen stattfindet. Um es einmal flapsig zu formulieren: Du bekommst Kultur, wenn ich mein Gewerbegebiet mit dem Investor bekomme. – Dafür hat die SPD einen Vorschlag gemacht, und dieser Vorschlag lautet: Regionalkreis. Das ist die Antwort für die Region Frankfurt/Rhein-Main.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Bei- fall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe der Abg.Axel Wintermeyer und Michael Bod- denberg (CDU))

Vielen Dank, Herr Kollege Walter. – Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Aktuelle Stunde zu dem Thema Kultur ist nach meiner Ansicht nicht geeignet, wieder alle Grundsatzdebatten über die regionale Gliederung zu führen.Herr Kollege Walter,eines muss man schon sagen:Kollegen von Ihnen, den GRÜNEN und auch von der FDP wettern – ob zu Recht oder Unrecht, lasse ich dahingestellt – über das Wort Zwangsverband oder Pflichtverband. Das, was Sie wollen, ist eine Zwangsregion.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD): Ja!)

Ich bleibe dabei, dass das der falsche Ansatz ist. Darüber können wir auch weiter streiten. Aber ich glaube nicht, dass die Region durch ein neues Gesetz, das sie zu einer Region per Gesetz definiert, ihre Identität findet. Ich glaube, dass Landespolitik die Verpflichtung hat, eine Region zu provozieren, zu zwingen und gelegentlich auch zu ködern, sodass sie im Laufe der Zeit im Kopf begreift, dass sie eine Region ist, statt nur im Gesetz zu lesen, dass sie eine Region ist. Das ist die Auseinandersetzung. Das

ist auch der Grund, warum das so lange nicht funktioniert hat.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben über eine endlose Zahl von Jahren versucht, das Regionalbewusstsein per Gesetz anzuordnen. Ich kümmere mich darum, den Menschen begreiflich zu machen,dass sie an einem Strang ziehen und nicht jeweils mit dem Finger auf den anderen zeigen können. Das ist offenkundig verdammt schwierig. Das ist ein sehr beschwerlicher Weg.

Deshalb stellt sich auch die Frage – das müssen das Parlament und alle Beteiligten entscheiden –, ob das Thema wirklich geeignet ist,sich nur dabei an den jeweiligen Spitzen, der Regierung und der Opposition abzuarbeiten. Wenn Sie das wollen, ist das in Ordnung. Ich habe, als ich diese Formulierungen und Strukturen gewählt habe, sehr wohl gesehen, dass daraus natürlich auch eine politische Frage unter dem Gesichtspunkt von Erfolgsmessung wird.

Ich persönlich glaube, dass das, was Herr von Harbou und andere jetzt gemacht haben, ein wichtiger Beitrag zu dem ist, worüber ich gerade gesprochen habe, nämlich Menschen in den Köpfen dazu zu bringen, darüber nachzudenken, ob sie nicht entgegen ihrem bisherigen Verhalten wirklich eine gemeinsame Mission haben. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich glaube, dass ohne das Ballungsraumgesetz und ohne die Anordnung des Kabinetts im letzten Jahr Herr von Harbou gar nicht eingeladen hätte und – das ist viel wichtiger – dass, wenn er eingeladen hätte, keiner gekommen wäre.

(Beifall bei der CDU)

Die Beteiligten hätten mit Abscheu und Empörung erklärt, dass sie sich an der Diskussion gar nicht beteiligen wollen. Denn es gehört natürlich zu den bequemen Strukturen dieser Zeit, dass ein Teil der Kommunen auf Kosten einer anderen Kommune lebt. Deshalb reden wir über einen Umverteilungsprozess innerhalb kommunaler Verantwortung.

(Jürgen Walter (SPD): Unstrittig!)

Natürlich ist es im Hessischen Landtag für eine Opposition vergleichsweise wohlfeil,solange sie nicht das Budget und die Strukturen insgesamt betrachten muss, zu sagen: Ihr seid schuld, weil Ihr nicht selbst das Geld bezahlt.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Sorge,ich sage Ihnen:Es bleibt dabei,dass das im Kern eine kommunale Aufgabe ist.