Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Frau Kollegin Sorge,ich sage Ihnen:Es bleibt dabei,dass das im Kern eine kommunale Aufgabe ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin bereit, für die Landesregierung zu erklären: Wir sind der Auffassung, dass es auch sinnvoll ist, an dieser Stelle zusätzliche Landesmittel in die Hand zu nehmen,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viel denn?)

und zwar immer in einem prozentualen Verhältnis zum Engagement der Kommunen. Das soll niemals über eine absolute Summe geschehen. Wenn die Kommunen morgen früh 100 Millionen c auf den Tisch legen, dann legen wir 25 Millionen c dazu. Das ist nicht die Frage.

(Zuruf der Abg. Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber wenn sie 10 Millionen c auf den Tisch legen, dann sind das 2,5 Millionen c. Wie beim Thema Zwangsverband sage ich klar: Dieses Verhältnis gebe ich nicht auf. Sonst erkläre ich faktisch die Übernahme einer kommunalen Aufgabe durch das Land. Das ist nicht sachgerecht, und das führt uns auch quer über das Land zu anderen Fragen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Sorge, ich will ausdrücklich erklären, dass das, was Sie in Ihrem Vorschlag darlegen, der sich sehr stark auf den KFA bezieht und der eine Chance hat, auch in anderen Regionen Entwicklungsprojekte mit überregionaler Strahlkraft zu ermöglichen, ein Gedanke ist, der mit dem, was die Mediation unter Mitwirkung von Herrn Kollegen Corts vorgeschlagen hat bzw. hinnimmt, und dem, was wir als Land im Bereich der KFA sagen, durchaus kompatibel ist. Ich glaube, dass man, wenn man KFAMittel in die Rhein-Main-Region gibt, einen Weg finden muss, bei kreisübergreifender – also überregionaler – Zusammenarbeit einen solchen Zuschuss auch an anderer Stelle zu geben. Sonst ist das nicht logisch.

Insofern werden wir über diese Frage in einer zweiten Stufe sehr viel entkrampfter reden können, als Sie vielleicht denken.Aber die Voraussetzung bleibt doch da.Der Anknüpfungspunkt muss das örtliche kommunale Engagement sein. Ich treffe zu viele Leute, die die Hand aufhalten, ohne selbst etwas dazu beitragen zu wollen. Solange das in der Region Rhein-Main möglich ist, wird es die alte Spannung zwischen Frankfurt und dem Umland geben.

Frau Kollegin Sorge, ich will auch Folgendes hinzufügen: Jeder muss dabei immer seine Aufgaben in einem Identitätsfindungsprozess definieren. Dass die Stadt Frankfurt am Main im letzten Jahr in dieser Debatte erklärt hat, sie brauche zur Finanzierung ihrer Kulturinstitutionen kein Geld aus der Region, hat natürlich die Debatte in der Region verändert. Darüber muss man doch gar nicht böse sein.

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Walter?

Bitte gleich.

Aber das ist natürlich eine Erklärung,an die sich die Stadt Frankfurt binden lassen muss. Und ich sage Ihnen Folgendes.Die Stadt Frankfurt hat gesagt:Das gesamte Geld,das in unsere Institutionen in Frankfurt fließt, ist zusätzliches Geld, aber wir wollen keine Grundfinanzierung. – Man hat natürlich die 120 Millionen c zur Seite gelegt. Denn die 120 Millionen c waren eine Addition der Grundfinanzierung. Insofern war das ein wichtiger Beitrag der Stadt Frankfurt.Wir reden jetzt nur noch darüber, um wie viel Millionen wir Ausstellungsetats und Gelder für Ausstellungsprojekte und anderes erhöhen, und wir reden nicht mehr über die Personalkosten eines Museums oder einer Institution. In diesem Sinne hat die Stadt Frankfurt aus meiner Sicht einen sehr konstruktiven Beitrag in Richtung einer Mediation geleistet. Auch das sollte man einmal anerkennen. Das soll man an dieser Stelle auch nicht unterschlagen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Aber verstehen Sie, wenn ich in dieser Weise darüber diskutiere und sage, das sind die Größenordnungen und das ist die Verpflichtung, dann muss ich jetzt eben auch versuchen zu erreichen, dass daraus eine Balance innerhalb der unterschiedlichen Verpflichtungen wird. Ich kann nicht das eine hinnehmen und etwas Zusätzliches „add on“ machen, aber die anderen bleiben in ihren Finanzstrukturen so, wie sie sind.

Jetzt mache ich eine Pause, sonst bin ich zu weit von der Frage weg.

Herr Kollege Walter.

Herr Ministerpräsident, ich teile Ihre Auffassung, dass wir als Landesparlament die Region nicht aus ihrer Verantwortung entlassen dürfen. Ich teile auch Ihre Auffassung, dass Landesmittel immer nur als Kofinanzierung gesehen werden dürfen. Aber warum sind Sie denn der Auffassung, dass es basisdemokratischer ist, wenn wir hier als Landesparlament der Region vorschreiben wollen,wie sie ihre Finanzströme organisieren soll, statt die Region organisatorisch so auszustatten, dass sie selbst entscheiden muss, wie ihre Finanzen ausgestattet werden? Auf Deutsch:Warum muss das Landesparlament und kein regionales Parlament über die regionale Frage entscheiden?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Walter, das kann ich Ihnen sehr einfach erklären. Jedermann weiß – das steht auch in den Gesetzesmotiven –: Der Gegenstand des Zwanges im Bereich des Ballungsraumgesetzes ist eine Ultima Ratio. Wir wollen, dass sich die Region zumindest zu einem großen Anteil – da müssen nicht immer alle zu 100 % mitmachen, dazu sage ich gleich einen Satz – verständigt, ohne dass wir ihnen vorgeben, in welcher Weise sie das tut.

(Jürgen Walter (SPD):Wir sehen doch,dass es nicht funktioniert!)

Nein,ich sehe noch nicht,dass es nicht funktioniert.– Ich glaube, dass der Schaden der Zwangsregion, den Sie schaffen würden, für eine Vielzahl von Motivationsfragen größer als das langsame Entwickeln der regionalen Identität wäre, wie ich es sehe und wie es mir manchmal zu langsam geht. Das Einzige, was Landespolitik auf keinen Fall tun darf – jedenfalls in diesem Minimum sind wir uns wieder einig –, ist, tatenlos zuzusehen, wie die Region sich darüber freut, dass es sie nicht gibt.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD): Das ist richtig!)

Wir reden über folgende Frage, bei der wir grundsätzlich unterschiedlicher Meinung sind: Ordnen wir als Landesparlament an, dass sie eine Region sind, oder versuchen wir, unterschiedlichste Methoden zu nutzen, diese Region in einem Selbstfindungsprozess dahin zu treiben, und zwar unter Beibehaltung der Verantwortung des Landes, sodass wir nicht tatenlos zusehen werden, dass sie gar nichts tut?

Herr Ministerpräsident, Frau Kollegin Wagner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Diese Frage beantworte ich auch noch. Danach komme ich zum Interesse des Managements des Hauses. Dann mache ich Schluss und komme zu der Bemerkung,dass ich ja noch die Frage beantworten muss.

Herr Ministerpräsident, Sie haben eben angedeutet, dass die Grenzen der Kulturregion nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Ballungsraumgesetz sein müssen.Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie deshalb vor allen Dingen auch den Prozess der Stadt Darmstadt mit einem einstimmigen Beschluss begrüßen, in die Kulturregion einzutreten, um genau das zu verstärken, was Sie offensichtlich meinen?

Frau Kollegin Wagner,mir wäre lieber,dass Ihr Einfluss in Darmstadt in einer anderen politischen Konstellation geltend gemacht werden könnte.

(Heiterkeit bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Aber ich räume ein: Selbst in dieser Konstellation sind Sie für die Kultur hilfreich.

(Lachen und Beifall bei der CDU)

Natürlich ist es ein wichtiger und für den Oberbürgermeister und die Parlamentsfraktionen auch nicht ganz risikoloser Schritt, sich in einer solchen Weise dort hineinzubegeben.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Ich würde mir wünschen, dass näher an der Stadtgrenze von Frankfurt gelegene große Städte die Fähigkeit hätten, sich in dieser Frage genauso zu entwickeln – inklusive der dort anwesenden Parlamentarier, Herr Kollege Al-Wazir, um einen davon zu nennen.

(Beifall und Lachen bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Wenn der Grüttner sich immer nur verdrückt! – Anhaltende Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Lassen Sie mich die gestellten Fragen etwas präziser mit der gebotenen Vorsicht beantworten. Ich möchte im Namen von Herrn Kollegen Corts und mir sagen:Wir haben bisher diese Gespräche geführt. Wir achten, dass die Mediation nicht zu Ende ist. Deshalb bewerte ich auch keine abschließenden Ergebnisse.Wir sprechen in diesen Tagen und Stunden mit den Beteiligten über das, was, so glaube ich,am 19.Dezember zu klären ist.Frau Kollegin Beer hat darauf hingewiesen, dass es dort einige für die Beurteilung des Projektes außerordentlich wichtige Fragen gibt.

Für die Frage, was aus der Anordnung nach dem Ballungsraumgesetz wird, ist nicht entscheidend, was auf Pressekonferenzen gesagt wird, sondern ob es Gremienbeschlüsse gibt. Denn nichts entsteht aus Pressekonferenzen. Sondern es entsteht nur etwas daraus, dass dann Gebietskörperschaften wie auch immer – das ist ein Gegen

stand der Diskussion – daraus in einer überschaubaren Zeit Bereitschaften erklären, auf dieser Basis zusammenzuarbeiten.Das müssen alle tun.Über das Wort „alle“ will ich an dieser Stelle nicht diskutieren. Aber das müssen hinreichend viele sein, sodass das eine regionale Wirkung hat.

(Zuruf von der SPD:Wann denn?)

Es darf nicht eine kleine Entwicklung bleiben. Zu der Frage, die Sie gestellt haben, ob ich mit den finanziellen Mitteln zufrieden bin, sage ich sehr klar: Mit den Mitteln, die dort angegeben sind, kann man aus meiner Sicht beginnen. Ich mache niemandem die Illusion, und ich will nie damit zitiert werden, dass das, was ich für die Region für notwendig halte, damit abschließend aus kommunaler Sicht erledigt werden kann.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist das!)

Aber im Jahr 2011 wird man von den 2,50 c auf 5 c gekommen sein. Es muss also die verbindliche Absicht geben, diese 5 c zu erreichen. Dazu habe ich eine sehr klare Auffassung. Das muss man dann mit den 2 Millionen Menschen aus dem Ballungsraum multiplizieren. Da sind nicht alle Menschen des Ballungsraums dabei. Man kann das also berechnen.

Man sollte sich das anschauen. Dazu können auch Darmstadt und andere durchaus etwas beitragen. Man hat also den Betrag auf der Grundlage der 5 c. Das sind aber nur 50 %. Die anderen 50 % werden dazugegeben. Man erreicht damit dann etwa das Vierfache aller Ausstellungsetats und Projektetats.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist es! – Axel Wintermeyer (CDU): Richtig!)

Da sind solche Projekte wie die Kulturachse einbezogen. Das betrifft auch freiwillige ausstellungsähnliche Projekte in der Region, also solche, die es zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Ballungsraum gibt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja!)

Das ist etwa ein Drittel von dem, was der Bund über mehrere Jahre hinweg der Stadt Bonn gegeben hat. Das ist also ein Anfang. Das ist durchaus etwas, insbesondere nach der Erklärung, die die Stadt Frankfurt abgegeben hat, dass diese Mittel nicht für den Bestand verwendet werden sollen, sondern dass mit all diesen Mitteln Zusätzliches entwickelt werden soll.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Es gibt eine beachtliche Perspektive.Meiner Ansicht nach darf diese Perspektive nicht zerredet werden.

Ich akzeptiere, was die Opposition im Landtag an Abarbeitungsbedarf hat. Aber für die Mehrheit des Landtags sage ich: Der Landtag hat die Menschen genötigt, darüber nachzudenken, gemeinsam zu arbeiten. Nun begeben sich die Menschen auf den Weg, gemeinsam zu arbeiten. Vielleicht ist es noch nicht ganz so weit wie das, was man sich erträumt hat. Man hat dann aber trotzdem, verdammt noch einmal, die Pflicht, dafür Danke zu sagen, dass sie sich auf den Weg gemacht haben. Danach kann man darüber reden, wie weit das geht. Man sollte sie aber nicht für die Art und Weise beschimpfen, wie sie sich auf den Weg gemacht haben.