Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Verkaufen können wir nur einmal, aber Miete zahlen müssen wir über mindestens sechs Legislaturperioden, und das belastet künftige Haushalte. – Ich danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat der Abg. Pighetti für die SPD-Fraktion.

(Minister Karlheinz Weimar:Das ist der Spezialist!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen kurz vor Jahresende über die erneute Durchführung einer umfangreichen Immobilientransaktion, den Verkauf und die anschließende Rückmietung von 39 landeseigenen Immobilien unter dem nach wie vor ominösen Titel „Leo“, diesmal „Leo II“.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): 39? Drei haben wir behalten!)

Der Verkauf dieser zum Teil noch in Jahrzehnten benötigten Gebäude stößt bei uns Sozialdemokraten auf Ablehnung.

(Beifall bei der SPD)

Er passt auch nicht zu der von Ihrem Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung im Jahre 1999 propagierten Linie, nicht mehr benötigtes Landesvermögen nach dem Prinzip Vermögen gegen Vermögen zur Zukunftssicherung auf den Prüfstand zu stellen.Was Sie hier betreiben, ist etwas anderes. Zum einen werden die Immobilien noch benötigt, und zum anderen wird nicht Vermögen gegen Vermögen, sondern Schuldzins gegen Mietzins getauscht.

(Beifall bei der SPD)

Hier werden Gebäude, die älter als das Land selbst sind, Immobilien, die sich zum Teil seit über 100 Jahren im öffentlichen Besitz befinden, hier wird Grundbesitz des Landes verkauft. Meine Damen und Herren, dies ist für uns kein Ausdruck nachhaltiger Politik.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie verkaufen Immobilien mit einem Wert von 770 Millionen c, um dafür in den nächsten Jahrzehnten ohne Mieterhöhung ca. 1,1 Milliarden c an Miete zu zahlen. Wir wollen uns das Geschäft deshalb etwas näher anschauen.

Was uns vorliegt,ist die bereits beschriebene Kapitalwertmethode – eine Wirtschaftlichkeitsberechnung,die den alternativen Verbleib im Landesbesitz der Variante Verkauf und Rückmietung der Immobilie gegenüberstellt. Die Frage, um die es geht, ist: Steht sich das Land langfristig

günstiger, wenn es seine Immobilien behält, regelmäßig instand setzt und sich hierdurch entgehende Einnahmen auf dem Kapitalmarkt besorgt, oder ist es günstiger, zu verkaufen und dann Miete zu zahlen?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass sich der überwiegende Teil der Privatpersonen nicht so verhält, wie es das Land jetzt macht – eher umgekehrt. Wer in der Lage ist, sich ein Haus zu finanzieren, der zahlt der Bank Zinsen und erwirbt im Laufe der Zeit Eigentum. Fälle von Personen, die ihr Haus verkaufen, um sich dort in den nächsten 20 bis 30 Jahren einzumieten, sind hingegen kaum bekannt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Dazu kommen wir noch. Herr Milde, für das Land scheinen andere Gesetze als für jeden vernünftigen Privatmann zu gelten. Woran liegt das? – Wer sich die vorliegende Prognoserechnung etwas genauer ansieht, die nach 15, 20 oder 30 Jahren einen Verkauf rentierlich zu machen scheint, dem fallen zwei wesentliche Variablen auf. Die eine ist die Diskontierung, die zweite der Restwert des Gebäudes am Ende der Laufzeit. Mit der Diskontierung wird versucht, eine Risikoabschätzung vorzunehmen. Die enthält Elemente wie Wirtschaftslage, Standort, die Vermarktungsfähigkeit und natürlich die Gebäudestruktur.

All diese Elemente, auf Jahrzehnte in die Zukunft gerechnet, sind genauso wie die zukünftige Zinsentwicklung von erheblichen Unsicherheiten begleitet. Das Ganze kann nicht mehr als eine ungefähre Vermutung der Zukunft sein. Aber entscheidend ist, je nachdem, wie dieser Risikofaktor schließlich gewählt wird – ob man also die Risiken eher höher oder geringer einschätzt –, verändert sich die anschließende Berechnung, und zwar umso gravierender, je länger die Berechnungsphase ist.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte an dieser Stelle an die Stellungnahme des Landesrechnungshofes zum Behördenzentrum Gutleutstraße erinnern, dem ersten großen Verkaufsdeal. Daraus ging klar hervor, dass man bei solchen Einschätzungen realistischerweise ein Intervall bestimmt, das die Wirklichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit abdeckt. Je nachdem, ob man den Wert eher am oberen Rand oder eher am unteren Rand des Intervalls ansetzt, kommt man zu einer Einschätzung, ob und wie rentierlich so ein Geschäft ist oder eben nicht ist.

Deshalb sage ich ganz klar: Die Rechnungserkenntnisse in der Absolutheit, wie sie in der Wirtschaftlichkeitsanalyse vorgestellt werden, sind nichts als glatter Humbug.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer so viele Variablen hat, die auf Einschätzungen und zukünftigen Entwicklungen basieren, der kann am Ende nicht sagen: Ich gebe eine Zahl aus, die habe ich ausgerechnet, und das ist der Barwertvorteil, den wir haben. – Das ist ja, wie wenn man den Wetterbericht für nächstes Jahr Weihnachten schon heute punktgenau vorausberechnen wollte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Bedauern habe ich festgestellt, dass sich der Rechnungshof mit dem Verkauf nicht näher beschäftigt. Er hat

nämlich im Haushaltsausschuss bei der Frage darauf verwiesen, dass wir ein standardisiertes Verfahren haben, auf das zurückgegriffen werde. Ansonsten gibt es dazu keine weiteren Kenntnisse und Beschäftigungen.

Nun will ich gar nicht behaupten – um das klar zu sagen –, dass diese standardisierten Verfahren reiner Unsinn seien.Sie bilden einen Orientierungsrahmen.Und den bilden sie – das ist ganz wesentlich – nicht nur für das Land, sondern natürlich auch für den privaten Käufer. Man kann sich ganz sicher sein, der wird bei diesem Geschäft bestimmt seinen Gewinn machen, und zwar eine Rendite, die über dem liegt, was er erzielen könnte, wenn er seine 770 Millionen c nehmen und in Einlagen stecken würde.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann entsteht schon die Frage, wie bei einem solchen Geschäft – bei dem das Land scheinbar einen Riesenvorteil erzielt, ein privater Investor aber einen großen Gewinn macht, bei dem zudem noch Transaktionskosten entstehen – der enorme Mehrwert entsteht. Herr von Hunnius, allein aus der Tatsache, dass zukünftig ein Privater die Instandhaltungskosten an Dach und Fach übernimmt, resultiert es jedenfalls nicht. Solche Effizienzgewinne wären ein Wunder, zumal das Land die Mietsache weiter auf eigene Kosten bewirtschaftet.

Woher kommt dieser Gewinn also? Genau gefragt: Welches Steuersparmodell des Investors steht dahinter? Welche staatliche Ebene wird in welcher Höhe von den hieraus resultierenden Steuermindereinnahmen betroffen sein? Ich frage vor dem Hintergrund, dass solche Steuersparmodelle wirklich bekämpft werden sollen, statt ihnen auf Landesseite Vorschub zu leisten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Weil dies alles sehr zweifelhaft ist, möchte ich mich der zweiten Variablen zuwenden. Frau Erfurth hat es schon getan. Es geht um den Gebäudewert plus Bodenwert am Ende des Mietzeitraums, also den fiktiven Liquidationswert. Ich kann da nur zustimmen: Herr Finanzminister, wie dieser Wert zustande kommt, ist kaum nachvollziehbar und in keinster Weise plausibel.

Ungünstigerweise habe ich jetzt genau dasselbe Beispiel gewählt,denn das ist sehr signifikant – wir haben uns nicht abgesprochen. Ich kann es daher kürzer machen.

(Michael Boddenberg (CDU): Natürlich habt ihr das abgesprochen!)

Nein, ich hätte dann schon ein anderes genommen, denn das hätte dann mehr Gewicht gehabt. Man hätte hier 20 oder 30 Beispiele nehmen können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Gebäude fällt nun jedem, der durch Wiesbaden fährt, ins Auge. Das ist jetzt über 100 Jahre alt, ein altehrwürdiges, repräsentatives Gebäude. Dafür erzielen wir jetzt immerhin einen Wert von 43 Millionen c. Nur 30 Jahre später ist dieses Gebäude aber nur noch 1 Million c wert.Wer sich auf diese Weise arm und kaputt rechnet,der kommt am Ende wirklich zu der Einschätzung,alles sofort zu verkaufen, weil er sonst überhaupt nichts mehr dafür bekommt.Aber das ist doch nicht realistisch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Finanzminister, da muss man schon einmal nachfragen: Wie viel hätte man für dieses Gebäude denn eigentlich vor 30 Jahren bekommen,wenn es alle 30 Jahre so viel an Wert verliert?

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich sage das auch deswegen, weil Sie in Ihrer Vorlage davon ausgehen, dass Investitionen in Dach und Fach jedes Jahr in der Höhe von 200 bis 300 Millionen c vorgenommen werden – und natürlich auch vor dem Hintergrund, dass das Land die Mietsache selbst auf eigene Kosten bewirtschaftet und sicher so bewirtschaftet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,die in 29 Jahren dort noch arbeiten, keinen Putz auf den Kopf bekommen, weil sie in einem baufälligen Gebäude arbeiten. Sonst dürfte man nämlich nach 29 Jahren auch keine Miete mehr dafür bezahlen, wenn es so baufällig und heruntergekommen wäre.

Ich sage, ich glaube es einfach nicht, dass diese Gebäude, die zum Teil über 100 Jahre alt sind und über deren Verkaufserlös man heute so viel erzählen kann, in 20 oder 30 Jahren nichts mehr wert sein sollen.

Man merkt: Hier wird so gerechnet, dass am Ende das gewünschte Resultat herauskommt.

(Norbert Schmitt (SPD): Na klar!)

Dazu passt übrigens auch, dass Sie uns noch vor drei Jahren erklärt haben, ein Kauf der Staatskanzlei sei billiger als deren Anmietung. Herr Finanzminister, das kann jetzt nicht mehr gelten. Ich frage also: Wann wird die Staatskanzlei verkauft? Oder ist es vielleicht so, dass die jetzt verkauften Behördengebäude eines Tages für teures Geld zurückgekauft werden?

So etwas hat bei Ihnen Tradition. Die Landesregierung Wallmann mit Finanzminister Kanther hat einst 50 % der Helaba-Anteile für 530 Millionen DM verkauft – die Regierung Roland Koch hat dann im Jahr 2001 immerhin 10 % der Anteile für sage und schreibe 600 Millionen DM zurückgekauft. Auch das ist eine Art und Weise, wie man öffentliche Mittel verbrennen kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun wird sich der Herr Finanzminister sicher nochmals aufregen und mir erklären, wie viele Fachleute an diesem Verkauf beteiligt waren. Herr Weimar, ein Makler wird denjenigen, die etwas verkaufen wollen, immer zuraten, denn schließlich will er daran auch verdienen.

Man darf auch nicht erzählen, hierdurch würden wir als Land flexibler. Es ist schon richtig: Diesmal sind die Mietverträge variabler abgeschlossen worden. Trotzdem gibt es mehrere Gebäude,für die wieder eine Festlegung für 20 oder 30 Jahre stattgefunden hat. Selbst wenn das für manches Gebäude die letzten 30 Jahre zu sein scheinen, so ist eine derart langfristige Bindung in Zeiten schneller Veränderungen und Umstrukturierungen in der Verwaltung alles andere als angemessen.