Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Jürgens, Sie haben Ihrem Gesetzentwurf, der im Prinzip eine Änderung im Staatsgerichtshofsgesetz vorsieht, sehr
In der Tat haben wir eine Hessische Verfassung, die zu der damaligen Zeit, 1946, als sie von den Verfassungsgebern ins Leben gerufen worden ist, sehr fortschrittlich war, gerade was das plebiszitäre Element betrifft. Nichtsdestotrotz, so fortschrittlich unsere Verfassungsmütter und -väter auch waren, hat sich die Verfassungsrealität in Hessen in den letzten Jahrzehnten ganz anders dargestellt, und wir müssen auf jeden Fall etwas dagegen tun. Gerade die Stärkung der direkten Demokratie, die verbesserte Möglichkeit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Mitsprache, der demokratischen Partizipation, muss unser aller Anliegen sein.
Lassen Sie es mich an dieser Stelle noch einmal grundsätzlich sagen: Ich finde es schade, dass alle Parteien in diesem Hause – auch die GRÜNEN waren daran maßgeblich beteiligt – es nicht geschafft haben, die Hessische Verfassung, die einen wichtigen historischen Kern hat, an dem wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer festgehalten haben und den wir auch immer als wichtig herausgestellt haben, im Sinne der Verfassungsrealität weiterzuentwickeln.
Das Element der direkten Demokratie ist ein sehr zentrales Element und sollte weiter gestärkt werden.
Lassen Sie mich jetzt zur Sache sprechen. – Zu der bitteren Realität der Frage, wie es in unserem Land mit der direkten Demokratie aussieht, gehört auch, dass tatsächlich kein einziger Volksentscheid aus der Bürgerschaft in Hessen jemals stattgefunden hat. Daran möchte ich an dieser Stelle noch einmal erinnern. Das müssen wir in der Tat verändern und verbessern.
Dazu gehört auch der Vorschlag, den die GRÜNEN hier mit ihrem Gesetzentwurf vorgelegt haben, nämlich die Frage, inwieweit der Gruppe von Stimmberechtigten, die vor dem Staatsgerichtshof antragsberechtigt ist – Herr Dr. Jürgens, Sie haben das eben ausgeführt –, so, wie es die Hessische Verfassung und das Staatsgerichtshofsgesetz vorsehen, Hürden genommen werden können und das Verfahren vereinfacht werden kann, dass sie eine Klage vor dem Staatsgerichtshof vorbringen kann.
Es ist in der Tat so, dass die Hessische Verfassung und das Staatsgerichtshofsgesetz ein plebiszitäres Element aufgenommen haben. Nach dem Ergebnis der letzten Landtagswahl vom 2. Februar 2003 muss diese Gruppe von Stimmberechtigten gegenwärtig 43.308 Personen umfassen. Das ist eine ganz große Zahl. Wir erleben es im Moment bei der Sammlung von Stimmen für die Einbringung einer Klage zur Aufhebung der Studiengebühren. Die Gruppe der Stimmberechtigten muss eigenhändig beim Gemeindevorstand den Antrag unterzeichnen, d. h. jeder Einzelne, der sich dort eingetragen hat. Das ist natürlich eine große Hürde.
Nach dem Gesetzentwurf der GRÜNEN ist es vorgesehen, durch Eintragungslisten zu ermöglichen, dass eine
entsprechende Bestätigung der Stimmberechtigung durch eine Eintragungsliste beim Gemeindevorstand eingereicht werden kann. Das wäre in der Tat eine Verfahrensvereinfachung. Frau Beer, da werden auch Sie mir zustimmen.
Man kann sehr gut nachvollziehen, dass gerade Menschen, die in der Mobilität eingeschränkt sind, die nicht so leicht zum Gemeindevorstand kommen können, durch diese Regelung benachteiligt und eingeschränkt sein können. Wir als SPD-Landtagsfraktion finden, das, was die GRÜNEN hier vorgelegt haben, kann ein praktikabler Vorschlag sein. Das Staatsgerichtshofsgesetz sieht jetzt schon vor, dass jede Gruppe einen entsprechenden Bevollmächtigten haben muss. Dieser Bevollmächtigte kann die Liste dann beim Gemeindevorstand einreichen.
Was im Gesetzgebungsverfahren aus unserer Sicht auf jeden Fall noch überprüft werden muss, ist Ihre Formulierung bezüglich der elektronischen Datenverarbeitung. Unserer Ansicht nach müsste überprüft werden, ob es so einfach ist, unter den Gemeinden einen Datenabgleich bezüglich der Stimmberechtigung durchzuführen. Wir müssen im Gesetzgebungsverfahren überprüfen, welcher Aufwand für die Gemeinden damit verbunden wäre.
Ansonsten ist es für uns von zentraler Bedeutung, dass in unserer Demokratie und in unserem Rechtsstaat die Geltendmachung von Rechten nicht unnötig erschwert wird.
Wir als SPD begrüßen an dieser Stelle auch, dass das Justizministerium klargestellt hat, dass bei der aktuellen Vorbereitung der Erhebung der Verfassungsklage zu den Studiengebühren die Bestätigung durch die Kommunen gebührenfrei sein muss. Herr Minister, vielen Dank für die Klarstellung durch den entsprechenden Erlass.
Meine Damen und Herren,in diesem Sinne wird die SPDLandtagsfraktion den eingereichten Gesetzentwurf der GRÜNEN konstruktiv begleiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hofmann, lassen Sie mich zunächst damit beginnen – Herr Kollege Wintermeyer war so freundlich, es schon einmal dazwischenzurufen –, dass das schon eine besondere Form der Geschichtsklitterung war, die Sie hier eben versucht haben. Die Weiterentwicklung der Hessischen Verfassung ist schlicht und ergreifend an der Verbohrtheit der SPD gescheitert. Daran ist auch nichts zu deuteln.
Meine Damen und Herren, Frau Hofmann und Herr Kollege Jürgens haben eben vorgetragen, dass es sich bei dem vorgelegten Gesetzentwurf um eine Verfahrensvereinfachung handelt. Sie haben das Verfahren eben auch dargestellt. Die Frage ist, ob man diese Verfahrensvereinfachung möchte oder ob man sie nicht möchte.
Ich gebe hier für die CDU-Fraktion zu erkennen, dass wir selbstverständlich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren miteinander betreiben werden,aber dass wir schon erhebliche Bedenken gegen diese Verfahrensvereinfachung haben.
Herr Dr. Jürgens, Sie haben die Bedeutung, die diesem Recht in unserer Verfassung eingeräumt wird, wunderbar dargestellt. Das steht überhaupt nicht infrage. Das steht – so, wie Sie es dargestellt haben – in der Verfassung an herausragender Position.
Allerdings meine ich, dass wir uns genau anschauen müssen, wie wir dieses Verfahren betreiben. Das Gruppenantragsrecht ist – Sie haben es beschrieben – in der Bundesrepublik Deutschland einzigartig. Das korrespondiert mit der Gesetzgebungskompetenz, wie man sie z. B. beim Volksbegehren findet. Das haben Sie richtig und vernünftig dargestellt.
Aber da die Möglichkeiten sehr weitgehend sind, muss man, finde ich, von denjenigen, die dieses Recht in Anspruch nehmen, einen Interessenbeitrag einfordern. Es ist keine unnötige Erschwerung, wenn man von jedem Einzelnen, der sich an den Staatsgerichtshof wenden möchte, verlangt, dass er für das, was er dort vorhat, die Verantwortung übernimmt, indem er in einer Gemeinde oder in einer Stadt eine Unterschrift leistet. Von jemandem, der dieses Recht in Anspruch nimmt, kann man das erwarten.
Wenn Sie sich auf das Studienbeitragsgesetz beziehen, kann ich Ihnen nur zurufen: Ich bin mir ziemlich sicher, dass Studentinnen und Studenten, die auf der Straße für ihre Rechte gekämpft haben, erstens willens und zweitens in der Lage sind, geistig nachzuvollziehen, dass sie in ihrer Gemeinde oder in ihrer Stadt eine Unterschrift leisten müssen, um am Ende in den Genuss dieses außerordentlichen Rechts zu kommen. Ich halte das für vernünftig.
Ich kann mir vorstellen – das wird am Ende eine Befragung der Städte und Gemeinden, die es mit betrifft, ergeben –, dass es eine Erleichterung für die Städte und Gemeinden ist, wenn z. B. die Stimmberechtigung unmittelbar dort festgestellt werden kann.
Erlauben Sie mir, das kurz vorzutragen. Hinterher will ich gern eine Frage beantworten. – Ich habe es vorhin schon dargestellt: Ich halte es für richtig, dass man, wenn man das herausragende, einzigartige Recht der Popularklage in Anspruch nehmen möchte, im Gegenzug einen kleinen Aufwand akzeptiert und unmittelbar die Verantwortung übernimmt.
Es ist auch nicht lebensfremd, wenn wir das von unseren Bürgerinnen und Bürgern erwarten. Das erkennen wir, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie die eine oder andere Unterschriftenaktion in unserem Land verläuft.
Wir alle haben Erfahrungen damit. Die Unterschriftensammlungen, die ich verfolgt habe, haben häufig an Stän
den unter grünen Schirmen stattgefunden. Insofern glaube ich, dass Sie in dieser Hinsicht die größeren Erfahrungen haben.
Möglicherweise ist aber bei solchen Unterschriftensammlungen auf der Straße demjenigen, der da nach einem lockeren, kurzen Gespräch eine Unterschrift leistet, nicht immer ganz gewärtig, welches Recht damit verbunden ist und welche Verantwortung er übernimmt.Daher finde ich es klug, dass man diejenigen, die dieses Recht eventuell in Anspruch nehmen wollen, davor bewahrt, dem Druck auf der Straße oder dem Druck an dem Stand mit den Unterschriftenlisten nachgeben zu müssen, und dass stattdessen jeder die Chance hat, für sich selbst zu entscheiden und zu überlegen, ob er dieses herausragende Recht am Ende in Anspruch nimmt.
Ich glaube nicht, dass die jetzige Regelung eine unangemessene Rechtsverkürzung bedeutet. Das Gegenteil ist der Fall. Herr Dr. Jürgens hat schon festgestellt, dass das Recht,das wir in unserer Verfassung verankert haben,einzigartig ist. Insofern denke ich, dass wir in dem Gesetzgebungsverfahren am Ende wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen werden, dass wir eine Vereinfachung nicht haben wollen, die wir, wenn wir den von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf verabschieden würden, zweifellos verankern könnten. Aber wir wollen diese Vereinfachung nicht, weil wir glauben, dass es wichtig ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger im konkreten Fall einer Unterschrift ihrer Verantwortung für eine solche Klage bewusst sein müssen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Beuth, ich kann Ihre Argumentation, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen. Sie werden mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass die Gemeindebehörde nichts anderes zu überprüfen hat als die Tatsache, ob jemand stimmberechtigt ist oder nicht. Eine andere Überprüfung steht der Gemeindebehörde überhaupt nicht zu. Zu überprüfen, ob jemand das geistig nachvollziehen kann – oder so etwas; das haben Sie erzählt –, steht einer Gemeindebehörde in keinem Fall zu.
Das Gesetz über den Staatsgerichtshof verlangt hier etwas, was den Bürgern in keinem anderem Bereich abverlangt wird.Wenn Sie einen Antrag bei einer Behörde stellen, vor Gericht ein Verfahren einleiten oder Sonstiges im öffentlichen Leben regeln, verlangt niemand, dass Sie bei einer Behörde persönlich vorsprechen. Sie können den Antrag schriftlich stellen; Sie können ihn mittlerweile gelegentlich sogar per E-Mail einreichen usw. Hier wird etwas abverlangt – das ist unsere Argumentation –,was über das hinausgeht, was im üblichen Verkehr mit Behörden abverlangt wird. Deswegen stellt es eine Behinderung in der Wahrnehmung eines verfassungsmäßigen Rechts dar. Dazu haben Sie bedauerlicherweise nichts gesagt.
Wir wollen das ändern. Wir wollen die Wege zur Verfassung ebnen, statt sie zu versperren. Das ist offenbar der Unterschied zwischen uns.