Protokoll der Sitzung vom 27.03.2007

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Herr Kollege, die Sozialdemokraten wollen das nicht!)

Unter dem Strich war das Ergebnis dieser Anhörung eine schallende Ohrfeige für die Pläne der Landesregierung, der CDU und auch für den Gesetzentwurf der FDP.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Befürchtungen der SPD-Landtagsfraktion wurden durch die mündlichen Stellungnahmen in der Anhörung zu den Gesetzentwürfen der Landesregierung und der FDP-Fraktion voll bestätigt. Es war eben diese eine Möglichkeit – die Möglichkeit der Bildung von Stammkapital –, die bei der Anhörung im Mittelpunkt der Kritik stand.

Meine Damen und Herren, Vertreter der Sparkassenorganisationen, wie z. B. der Landesobmann Sparkassendirektor Georg Sellner oder der Präsident des Sparkassenund Giroverbandes, Herr Böhmer, haben eindringlich deutlich gemacht,wie kontraproduktiv die Stammkapitalbildung und -übertragung für die Sparkassenlandschaft sein kann.

(Clemens Reif (CDU): Wer ist Böhmer? – Gegenruf des Abg.Günter Rudolph (SPD):Das ist die Arroganz der Macht!)

Herr Kollege Reif, ich finde es langsam beschämend, in welcher Weise Sie hier mit einem anerkannten Präsidenten, der sich viele Verdienste um die hessischen und die deutschen Sparkassen erworben hat, umgehen.

(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD):Wer ist Reif? Das ist die Frage!)

Zielsetzung und Auswirkung des Gesetzes zur Änderung des Sparkassengesetzes widersprechen sich eklatant. Eindrucksvoll wurden die negativen Folgen eines Konzentrationsprozesses der Sparkassen auf die regionale Präsenz und damit auch auf Privatkunden, Gewerbe und Beschäftigte dargestellt. Meine Damen und Herren, insbesondere die Europafestigkeit der Beschränkung einer Veräußerung von Stammkapital auf die Sparkassenfamilie wurde von Rechtsexperten erheblich bezweifelt.

(Zuruf von der CDU: Ganz knapp!)

Mit diesem Gesetzentwurf öffnet die Landesregierung Begehrlichkeiten Tür und Tor. Wenn der Stammkapitalbildung europabedingt die Aufhebung jeglicher Schranken der Veräußerbarkeit folgt, ist dies das Ende der hessischen Sparkassenlandschaft.

Meine Damen und Herren, ich verweise hier ausdrücklich auf die Stellungnahme der Handwerkskammern. Sie haben eine europafeste Regelung gefordert, um die befürchtete Privatisierung zu verhindern.

Herr Minister Rhiel, Sie wissen genau, dass Ihnen die zuständige Kommission den von Ihnen so dargestellten Freibrief für die Europafestigkeit dieser Novellierung eben gerade nicht gegeben hat. Das wissen Sie ganz genau.

Die Ablehnung dieses Gesetzes durch die Verbände, die Vorstände der Sparkassen, die Gebietskörperschaften und die Personalräte wie auch durch die hessische Öffentlichkeit mit 70.000 Unterschriften – das alles hat Sie von Ihrem einmal eingeschlagenen Weg nicht abbringen können.

Gegen die von mir vorhin genannten zwölf Institutionen stehen nur zwei, die bei der Anhörung auf der Seite der Landesregierung gestanden haben: der Bundesverband deutscher Banken und die Wirtschaftskanzlei Freshfields. Ich zitiere – Originalton des Präsidenten des Bundesverbands deutscher Banken, Klaus-Peter Müller –: „Ich

fände es schön, wenn private Banken Sparkassen erwerben könnten.“ In der Pressekonferenz anlässlich der Vorstandssitzung des Bundesverbandes deutscher Banken am 22. März hat Herr Müller zum öffentlich-rechtlichen Charakter der Sparkassen gesagt: „Es gibt keinen begründeten Anspruch auf die Sonderrolle der Sparkassen.“ Meine Damen und Herren, diese beiden Zitate beweisen: Die Privaten stehen bereits in den Startlöchern. – Sie von der CDU-Fraktion erleichtern ihnen das Geschäft.

(Beifall bei der SPD)

Nur allzu gern wird in Bankenkreisen auf die Meinung der EU-Kommission verwiesen, wonach Verbünde von Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit dem Festhalten am Regionalprinzip den Wettbewerb behindern. Dieses Argument wird aber selten hinterfragt.Wirklichkeit ist doch, dass an Konkurrenz für die Sparkassen überhaupt kein Mangel herrscht. Die Postbank, die Direktbanken und die Großbanken sind allesamt Mitbewerber, gegen die sich die Sparkassen am Markt behaupten müssen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ja, eben!)

Die aus Amerika stammende Kanzlei Freshfields ist einerseits Berater der Landesregierung, andererseits über Beraterverträge mit den Großbanken eng verbunden. Wenn man sich solche Berater nimmt, dann steht das Ergebnis von vornherein fest. Sie haben sich bewusst die Berater gewählt, die genau Ihrem Ziel das Wort reden.

(Beifall bei der SPD)

Der weitere Weg ist vorgezeichnet. Im Ergebnis, daran führt kein Weg vorbei, legen Sie es auf eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen an. Die jetzige Novellierung ist nur der Anfang. Die in der Anhörung vorgetragenen Argumente ignorieren Sie mit der von Ihnen bekannten Arroganz der Macht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen diese Arroganz der Macht bis zum Januar nächsten Jahres nicht vergessen werden.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion teilt ausdrücklich die in der Anhörung mit großer Mehrheit vorgetragene Auffassung: Die Sparkassen dürfen keine Renditeobjekte für private Träger werden. Sie müssen vielmehr existenzieller Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge vor Ort bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Mit der vorgelegten Novellierung schaden Sie den kleinen und mittleren Unternehmen, dem Handwerk und den privaten Haushalten. Sie schaden aber auch den hessischen Regionen, insbesondere den ländlichen Regionen. Sie schaden dem Mittelstand, von dem Sie immer wieder betonen, er sei das Rückgrat der hessischen Wirtschaft. Sie schaden der gesamten Infrastruktur einer Region, denn für die Sparkassen ist nicht die Gewinnmaximierung das oberste Geschäftsziel, sondern über die Ausrichtung am Gemeinwohl fördern die Sparkassen über Spenden und Zuschüsse das örtliche Gemeinwesen. Keine andere Einrichtung ist der Region so verbunden wie die Sparkasse in öffentlicher Trägerschaft.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Auch der Beschäftigungsfaktor sollte hier noch erwähnt werden. Die Sparkassen sind ein wichtiger Arbeitgeber in der Finanzlandschaft. Mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmer im Bankgewerbe,insgesamt 260.000,sind bundesweit bei den Sparkassen beschäftigt. Einschnitte hätten hier fatale Folgen für die regionalen Dienstleistungsarbeitsmärkte.

(Frank Lortz (CDU): Wie kommt ihr auf so was? – Weitere Zurufe von der CDU)

Wir lehnen den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ab, denn er will im Kern die Privatisierung, die im Gesetzentwurf der Landesregierung angelegt ist, bereits jetzt umsetzen. Da wir eine Privatisierung der Sparkassen nicht wollen, werden wir den FDP-Entwurf ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat überhaupt nichts gegen Neuerungen, aber den Gesetzentwurf der GRÜNEN als eine „Neuerung für die hessische Sparkassenlandschaft“ zu bezeichnen, Frau Kollegin, das ist ein bisschen starker Tobak.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Wir glauben nicht, dass Sie jemals etwas Neues bringen!)

Sie haben recht: Sie haben eine enorme Fleißarbeit abgeliefert. Dass wir aber unbedingt einer Fleißarbeit im Hessischen Landtag zustimmen müssen, diese Notwendigkeit sehen wir nicht.

Wir begrüßen das im Gesetzentwurf der GRÜNEN vorhandene ausdrückliche Bekenntnis zu dem öffentlichen Auftrag der Sparkassen, aber ein Regelungsbedürfnis sehen wir ausdrücklich nicht. Die Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder festzulegen, ist für uns ein Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung. Auch das wollen wir mit einem Gesetzentwurf nicht ändern.Aus unserer Sicht hat sich die Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern durch die Vertretungskörperschaften oder den Kreisausschuss bzw. den Magistrat bewährt. Wir sehen hier überhaupt keinen Änderungsbedarf.

Für die Einrichtung einer Sparkassenversammlung, wie sie im Gesetzentwurf der GRÜNEN gefordert wird, sehen wir ebenfalls keine Notwendigkeit. Damit schafft man keine Transparenz, obwohl das in der Antragsbegründung behauptet wird. Daher werden wir den Gesetzentwurf der GRÜNEN ebenfalls ablehnen.

Zum Schluss noch ein Appell an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion. Ihre unversöhnliche Haltung zeigt, dass Sie ohne Not gegen den Rat und die Argumente, die vorgetragen worden sind, in Hessen einer Zerschlagung der Sparkassenlandschaft Vorschub leisten.

(Beifall bei der SPD)

Wir können an dieser Stelle an Sie nur noch appellieren: Verhindern Sie die Verabschiedung dieses Gesetzes. Doktern Sie nicht an der bislang stabilen dritten Säule des Finanzsektors herum.Fallen Sie dem hessischen Mittelstand und den privaten Haushalten sowie den Regionen in Hessen nicht in den Rücken.

(Beifall bei der SPD)

Wir geben Ihnen eine letzte Chance zur Besinnung und beantragen eine dritte Lesung.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Frankenberger. – Herr Posch, Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Frankenberger und Frau Hölldobler-Heumüller, ich habe aufmerksam zugehört, was Sie gesagt haben. Ich habe das Gefühl, Sie leben in einer anderen sparkassenpolitischen Welt als wir.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe den Eindruck, Sie verwechseln den Begriff Gemeinwohlorientiertheit der Sparkassen mit dem Begriff Gemeinnützigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß nicht, welche Geschäftsbeziehungen Sie zu einer Sparkasse unterhalten, ob Sie ein Konto haben, ein Sparbuch haben oder einmal mit einer Sparkasse zu tun hatten, wenn es darum ging, einem Unternehmen zu helfen, Investitionen zu tätigen.

(Reinhard Kahl (SPD): Ganz genau!)