Protokoll der Sitzung vom 27.03.2007

(Reinhard Kahl (SPD): Ganz genau!)

Ich weiß nicht, ob Sie es schon einmal erlebt haben, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist und man darüber nachdenkt, wie man aus der Sicht der öffentlichen Hand helfen kann, beispielsweise durch Bürgschaften und Ähnliches.Was Sie möglicherweise nicht erlebt haben, was ich aber tagtäglich erlebe: Das Geschäftsgebaren öffentlichrechtlicher Sparkassen unterscheidet sich in diesen Fällen von dem der Privatbanken überhaupt nicht. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der FDP – Reinhard Kahl (SPD): Ein Handwerker kommt doch gar nicht erst bis zur Deutschen Bank!)

Das ist deshalb gut so, weil die Sparkassen in erster Linie Unternehmen sind, die Profit machen müssen, damit sie die Aufgabe, nämlich eine Gemeinwohlorientiertheit zu realisieren, erfüllen können. Wenn eine Sparkasse krank und malade ist, kann sie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Genau diesen Zweck verfolgen wir mit unserem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann es nicht mehr hören, wenn hier ein Bild von den Sparkassen gezeichnet wird, dass man das Gefühl haben kann, Sie reden von den Sparkassenstiftungen, die einen kulturellen Zweck erfüllen sollen, aber eigentlich nicht von einem Kreditinstitut, das notwendigerweise Profite machen muss, um seine Aufgaben tatsächlich zu erfüllen.

(Beifall bei der FDP)

Wir scheinen uns wirklich in zwei unterschiedlichen Welten zu befinden, was diese Frage anbelangt. Ich habe in der Einbringungsrede zu unserem Gesetzentwurf bzw. in der Aussprache zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung etwas zu diesem Punkt gesagt. Wir dürfen diese Frage doch nicht so kleinkariert diskutieren. Nehmen Sie nicht zur Kenntnis, was in Europa passiert, welche Fusionsgedanken nicht nur geäußert werden, dass es in anderen Ländern vielmehr Kreditinstitute gibt, die weltweit kooperieren, mit allen – auch negativen – Folgen, die ich gar nicht bestreiten will?

Man kann doch nicht so tun, als hätten wir mit all dem nichts zu tun. Das „Handelsblatt“ hat das neulich ganz zutreffend beschrieben: „Tatsächlich geben sich weite Teile der deutschen Kreditwirtschaft wie die Bewohner einer ostfriesischen Insel, deren Sorge allein der Standfestigkeit der Uferbefestigung gilt.“ Genau das trifft auf Sie zu.

(Beifall bei der FDP)

Es heißt weiter:

Während führende europäische Banken wie Unicredit, UBS etc. stets Ausschau halten nach renditeund wachstumsstarken Zukunftsmärkten jenseits der Landesgrenzen, investieren in Deutschland Sparkassen und Volksbanken viel Zeit und Geld in die Festigung der alten Strukturen. Der absurde Kampf gegen die Ausweisung von Stammkapital und für den Erhalt des Regionalprinzips ist vielen Managern des öffentlich-rechtlichen Lagers wichtiger als die Frage, wie der internationale Rückstand der deutschen Finanzindustrie verringert werden kann.

Treffender kann man es nicht ausdrücken.

(Beifall bei der FPD – Reinhard Kahl (SPD): Das ist der verengte Blick der Privatbanken!)

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Aufgabenstellung der Sparkassen,auch in Zukunft Finanzier mittelständischer Unternehmen zu sein, ist es notwendig, Veränderungen herbeizuführen. Sie tun gerade so, als sei es etwas Furchtbares, wenn wir bei vielen Sparkassen Überlegungen zur Kenntnis nehmen können, dass sie fusionieren wollen.Das ist neulich in der Wetterau passiert.Zuvor war dort zehn Jahre lang relativer Stillstand. Es gab im Sparkassenverband schon Diskussionen über Holdinglösungen und Ähnliches.All das ist verworfen worden.

Jetzt geht es ausschließlich um die zentrale Frage des Stammkapitals. Wir teilen die Auffassung, dass die Einführung handelbaren Stammkapitals ein vernünftiger Weg ist. Ich sage aber auch, die FDP-Fraktion möchte eigentlich weiter gehen, weil wir, da stehen wir in der Tradition dessen, was wir in der Vergangenheit gesagt haben, auch eine Beteiligung Privater in begrenztem Umfang – um eine Sparkasse nicht übernehmen zu können, bis zu 49 % der Anteile – befürworten.

Da weiß ich auch, Herr Frankenberger, dass mir gesagt wird, das sei Shareholder-Value. Mein Gott, wo leben wir denn? Der Private, der bereit ist, sich in einer öffentlichrechtlichen Sparkasse zu engagieren, hat doch kein Interesse daran, diese auszuplündern, sondern er hat ein Interesse daran, dass dieses Kreditinstitut etwas zutage bringt und Gewinne macht. Deswegen hat das mit ShareholderValue überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Gerade wenn es darum geht, die regionale Wirtschaft zu unterstützen, ist es geradezu eine abstruse Unterstellung, eine private Beteiligung würde per se zum Ausbeuten eines solchen Kreditinstitutes führen.

Deswegen sage ich sehr deutlich: Auch unser Gesetzentwurf hat im Grunde genommen zum Ziel, die Dreigliedrigkeit des Sparkassenwesens zu erhalten.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Herr Müller von der Commerzbank weiter geht, weiß er ganz genau, dass das nicht unsere Auffassung ist, sondern dass wir die Beteiligung Privater benötigen.

Deswegen sage ich: Vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung möchten wir, dass die deutschen öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute sich in diesen Wettbewerb einbringen können. Aber – so etwas wird bei dieser Gelegenheit nicht problematisiert – stattdessen werden die deutschen öffentlich-rechtlichen Sparkassen gezwungen, sich an dem Institut in Berlin zu beteiligen. Meine Sparkasse muss möglicherweise 2,5 Millionen c auf den Tisch legen,um sich dann an dem Berliner Bankinstitut zu beteiligen und dort etwas zu kaufen.

(Reinhard Kahl (SPD):Was heißt „muss“? Das entscheidet der Verwaltungsrat!)

Über so etwas wird nicht nachgedacht. Fragen Sie einmal bei Ihrer Sparkasse nach, wie das bei Ihnen im Verwaltungsrat diskutiert wird.

(Beifall bei der FDP – Hildegard Pfaff (SPD): Das gehört in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung! – Reinhard Kahl (SPD): Wenn er noch Mitglied wäre, hätte er mitgestimmt!)

Meine Damen und Herren, deswegen will ich auf unsere Position zurückkommen. Sie ist in diesem Hause nicht durchsetzbar; das nehmen wir zur Kenntnis. Gleichwohl werden wir aus den genannten Gründen den Gesetzentwurf der Landesregierung mittragen.Wir sind sicher, dass das nur ein Schritt sein wird. Wir werden auch abwarten, Herr Lortz, wie das dann mit der Option ist.Aber eines – darauf hat mich der Herr Vizepräsident aufmerksam gemacht – soll ich Ihnen dann doch noch ins Stammbuch schreiben:

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

In Nordhessen gibt es nicht wenige Liberale, und die Liberalen wissen, was Stammkapital ist. Die würden sich bei Offenbach aber auch nicht beteiligen, um das einmal deutlich zu machen.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bei der Bezirkssparkasse Seligenstadt vielleicht,bei der Offenbacher nicht!)

Ich will die Aufmerksamkeit der Mehrheitsfraktion noch einmal in besonderer Weise auf ein Ergebnis der Anhörung richten. Herr Frankenberger, ich gebe Ihnen recht: Die Frage der Europarechtstauglichkeit dieses Gesetzes war ein zentraler Punkt in der Diskussion. Zu der Frage der rechtlichen Bedeutung der Aussagen von Herrn McCreevy braucht man nichts mehr zu sagen; da ist die Landesregierung wirklich entblättert worden.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Denn mit schonungsloser Offenheit ist dort gesagt worden, dass dieser Brief eine relative Rechtsverbindlichkeit beinhaltet, aber mehr auch nicht. Hier haben wir ja immer gehört, ein Brief von McCreevy sei fast so gut wie die Bibel. Darauf kann man sich beim besten Willen nicht berufen.

(Minister Dr.Alois Rhiel:Was hätten Sie denn vor- gelegt, Herr Posch?)

Na, das werden wir ja später sehen.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Na also!)

Ich will auf einen weiteren, ernster zu nehmenden Punkt eingehen: Wir haben schon mehrmals die Frage problematisiert, wie es mit der Europarechtstauglichkeit aussieht. Dazu sagte der Professor aus Karlsruhe in der Anhörung:

Ein dritter Zustand ist der, wie er tendenziell von der FDP-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf angestrebt wird, nämlich eine Beteiligung der Privaten. Ob eine Klage im Vorlageverfahren Erfolg hat, wissen wir alle nicht; das ist richtig.Wir können uns lediglich Gedanken machen,die bisherige Rechtsprechung extrapolieren und darüber nachdenken, was daraus im Falle des Falles erwachsen wird.Wenn es zu einer solchen Klage kommt, dann wird der EuGH darüber entscheiden müssen, dass die Beschränkung der Kapitalbeteiligungsmöglichkeiten rechtswidrig ist, und dann haben wir als Konsequenz – dann kann sich die FDP-Fraktion freuen –

wir freuen uns da nicht, aber er sagt es –

die Kapitalbeteiligungsmöglichkeiten; wie das ordnungspolitisch zu beurteilen ist, ist nicht Gegenstand meiner Aufgabe. Über dieses Risiko muss man sich voll und ganz im Klaren sein.

(Reinhard Kahl (SPD): Bei 49 % auch! Das wissen Sie!)

Nein, Herr Kollege Kahl. Dazu werde ich gleich etwas sagen.

Mit anderen Worten, Herr Kollege Lortz: Angesichts der Bedenken, die der Gutachter hier vorträgt, könnte in der Tat etwas eintreten, was Sie nicht wollen und was auch wir nicht wollen, dass dann nämlich tatsächlich eine volle Privatisierung möglich ist.

(Reinhard Kahl (SPD): Ja!)

Herr Kollege Kahl, wir haben nicht gesagt, wir wollen eine Privatisierungsmöglichkeit, sondern wir wollen eine Beteiligung Privater. Das ist etwas anderes.

Deswegen sage ich zum Schluss: Ich bin der festen Überzeugung, dass der Gesetzentwurf der FDP europatauglicher ist als das, was die Landesregierung vorlegt.

(Beifall bei der FDP – Hildegard Pfaff (SPD): Wieso denn? Es ist doch eine ausreichende Basis vorhanden!)

Darüber muss sich die Landesregierung im Klaren sein.

Ich gehöre nicht zu Propheten, aber die sparkassenpolitische Diskussion in Hessen ist nicht beendet, auch wenn die Landesregierung vier Jahre gebraucht hat, um diesen Gesetzentwurf im vergangenen Sommer einzubringen.

(Michael Boddenberg (CDU): Das war eine intensive Debatte, Herr Kollege!)

Die sparkassenpolitische Debatte ist nicht zu Ende. Die sparkassenpolitische Diskussion wird fortgesetzt, und zu gegebener Zeit werden wir dieses Thema sicherlich wieder auf der Tagesordnung haben – ich hoffe allerdings, unter einem Vorzeichen nicht,nämlich einem negativen Ausgang eines möglichen Streitverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof. – Vielen herzlichen Dank.