Herr Minister Rhiel, wir erwarten nun, dass Sie unverzüglich Ihre Genehmigungsvorgaben und Ihre Ausschreibungspraxis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anpassen und von der Pflicht zur Durchsetzung der europaweiten Ausschreibung endlich Abstand nehmen. Das ist eine Forderung, die ich in diesem Hause seit etwa zwei Jahren vortrage.
Herr Minister, ich fordere Sie zudem auf, nun endlich das volle Selbstbestimmungsrecht der Aufgabenträger im
Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung anzuerkennen. Das heißt erstens, Städten und Landkreisen das volle Wahlrecht einzuräumen, ohne in irgendeiner Form Einfluss darauf zu nehmen. Zweitens heißt das, ihnen Konzessionen ohne weitere Einflussnahme zu erteilen, wenn im Rahmen einer Gesamtkostenbetrachtung eine ökonomisch sinnvolle Lösung auf der Grundlage der vier Altmark-Kriterien nachgewiesen wird,unabhängig davon,ob Direktvergabe oder Ausschreibung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage dies, weil wir den Eindruck gewonnen haben,dass sich die Landesregierung eben nicht von dem europaweiten Ausschreibungswettbewerb verabschieden will.
Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss. – Wir stellen fest, dass die Landesregierung Druckmittel, wie z. B. die Versagung von ÖPNV-Investitionsmitteln, anwendet, wenn sich ein Aufgabenträger für die Direktvergabe entscheidet.Das ist ein unzulässiger Versuch.Dazu haben Sie nicht das Recht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein für allemal geregelt. Daran haben auch Sie sich zu halten.
Ich beende meine Ausführungen an dieser Stelle.Ich hätte gerne noch einen Satz gesagt, aber das kann ich im Ausschuss machen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Pfaff, ich werde nachher, am Ende meiner Rede, auf Ihre Ausführungen noch einmal eingehen.Aber zu Beginn möchte ich eines klarstellen: Sie sagten, die Einsparungen in Höhe von 30 %, 20 Millionen c, seien beim Kunden nicht angekommen. Ich bitte den Nachweis zu führen, wo sie versackt sind.Wenn sie bei den Verbänden bleiben, wo die Qualität erhöht wird, profitieren auch die Kunden davon.
Die Ausschreibungen im ÖPNV sind Meilensteine der hessischen Verkehrspolitik. Sie führen zu einer neuen und zeitgerechten Organisation der Durchführung des ÖPNV
und stellen gleichzeitig die Finanzierung des Nahverkehrs sicher. Die SPD-Fraktion in diesem Haus hat wieder einmal einen Antrag vorgelegt, mit dem sie sich vor den Karren derer spannt, die aus verständlichen egoistischen Motiven Wettbewerbe in ihrem Zuständigkeitsbereich generell ablehnen und die bequemen altgedienten Verfahrensweisen beibehalten wollen, ohne dabei zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Welt um sie herum kontinuierlich und teilweise sogar sehr schlagartig verändert.
Wieder einmal beweisen die Kolleginnen und Kollegen hier auf der linken Seite ihre fehlenden zukunftsweisenden Konzepte und ihre fehlenden innovativen Kräfte.
Besonders irreführend ist dabei aber,dass Sie sich diesmal noch brüsten, mit dieser Verhaltensweise im Interesse von Fahrgästen, Mittelstand und Beschäftigung zu handeln. Frau Pfaff, das ist blanker Populismus, denn das Gegenteil ist wahr. Die Hessische Landesregierung hat mit ihren Genehmigungsvorgaben aus dem Jahr 2004 eine europaweite Ausschreibungspflicht für die Vergabe von Linienverkehrskonzessionen im öffentlichen Personennahverkehr angeordnet. Damit wurde im Bereich des ÖPNV der Wettbewerbsgedanke eingeführt,
und zwar zugunsten von Fahrgästen und Beschäftigung und vor allem mit Unterstützung des hessischen Mittelstandes, der hiervon wesentlich profitiert. Das hat die linke Seite dieses Hauses offensichtlich vergessen bzw. verdrängt oder will es bewusst nicht wahrnehmen.
Frau Pfaff, ich verweise hier auf die Ausschussvorlage WVA/16/71 vom 27.Oktober 2006 zu dem Berichtsantrag, der von Ihrer Fraktion kam. Sie können dort auf Seite 2 nachlesen, dass bei den Ausschreibungsergebnissen bis zum Stand vom 31. August 2006 private Verkehrsunternehmen 31,6 % des Leistungsanteils bekommen haben, kommunale und private Anbieter 11,6 %, kommunale Verkehrsunternehmen 18,3 % und konzerngebundene Unternehmen 38,5 %. Frau Pfaff, die Zahlen sind eindeutig und sprechen für den Mittelstand. Ich weiß nicht, warum Sie sie nicht zur Kenntnis nehmen, ob aus Boshaftigkeit, oder weil Sie sie nicht gelesen haben.
(Hildegard Pfaff (SPD): Es sind Mittelständler dabei, die mittlerweile von den großen Konzernen aufgekauft wurden!)
Frau Pfaff, die klare Trennung zwischen Bestellern und Erstellern, die der Kollege Posch damals schon gemacht hat, von Nahverkehrsleistungen im ÖPNV-Gesetz schafft deutlich mehr Transparenz – Frau Pfaff, hören Sie einmal zu, das könnte erhellend sein – zwischen dem öffentlichen Gemeinwohlauftrag und dem unternehmerischen Handeln bei der Leistungserstellung. Diese Trennung ist eine Voraussetzung für weitere erfolgreiche Ausschreibungen im Bus- und Bahnverkehr und für den effizienten Einsatz von öffentlichen Fördermitteln. Das sind Steuergelder, die Bürgerinnen und Bürger dem Staat treuhänderisch übergeben haben, und mit diesen Mitteln gehen wir fürsorgerisch um. Mehrbelastungen für den Steuerzahler werden vermieden, und die Qualität der Fahrleistungen wird verbessert. Das können Sie an den Ausschreibungsunterlagen sehen. Da geht es um die Klimaanlage, den Niederflurbus, behindertengerechten Einstieg usw.
Außerdem hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass die Kosten wesentlich sinken. Die Attraktivität steigt, sodass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Gewinner dieses Konzepts sind. Das können Sie bei Fahrgastumfragen feststellen. Sie haben selbst erwähnt, dass die Zahl der RMV-Fahrgäste und damit der Kostendeckungsgrad beim RMV wesentlich gestiegen sind.
Frau Pfaff, leider waren Sie in der letzten Woche nicht in Butzbach. Dort gab es hervorragende Vorträge. Sicherlich hätte sich einiges aus Ihrem Vortrag überholt. Ihr Kollege Schäfer-Gümbel war da, aber er ist fachlich nicht so versiert wie Sie. Deshalb glaube ich, dieser Aufenthalt in Butzbach hätte Ihnen weitergeholfen.
Meine Damen und Herren, die Trennung in Bezug auf diese Leistungen ist, wie ich gesagt habe, die Voraussetzung für diese Ausschreibung. Mehrbelastungen für die Steuerzahler entfallen, und sie profitieren. Die tatsächliche jährliche Subventionssumme fällt im Vergleich zur Zeit vor der Ausschreibung um 20 Millionen c niedriger aus. Frau Pfaff, ich sage es noch einmal: Das eingesparte Geld in Höhe von 30 %, also 20 Millionen c, bleibt bei den Verbünden. Die Verbünde setzen es für die Verkehrsleistung – Herr Rudolph ist gerade nicht da – vor allem in der ländlichen Region ein. Die Leistungen werden besser. Die Einsparungen von rund 30 % werden in die Verkehrsverbünde reinvestiert.
Sie gehen nicht verloren. Wer profitiert denn davon? Da findet der hessische Ausschreibungsweg die ausdrückliche Unterstützung des hessischen Mittelstandes und eröffnet gleichzeitig den hessischen Kommunen mehr Handlungsmöglichkeiten.Insofern sind der Titel und der Inhalt Ihres Antrags fundamentale Gegensätze. Der SPD-Fraktion werfe ich vor, dass sie immer noch auf staatlichem Einfluss und dem damit verbundenen Hang zur Überregulierung beharrt. Frau Pfaff, es macht keinen Sinn, marktwirtschaftliche Inseln mit ideologisch geprägten Konzepten schaffen zu wollen.
Darüber hinaus kritisieren Sie die Vorreiterrolle Hessens in diesem Bereich als „hessischen Sonderweg“ und vergessen dabei, dass es für alle Beteiligten im hessischen ÖPNV einen großen Vorteil darstellt, bundesweit die Ersten zu sein, die das umsetzen. Frau Pfaff, ich garantiere Ihnen: Die anderen Bundesländer werden von Hessen lernen. Sie werden nach Hessen kommen und von Hessen – wie in vielen anderen Bereichen – Erfolgreiches übernehmen.
Im Übrigen sollte jemand, der jahrelang mit dem Slogan „Hessen vorn“ geworben hat, nichts dagegen einwenden, wenn Hessen unter einer CDU-geführten Landesregierung endlich einmal wieder vorn ist, wie glücklicherweise auch in fast allen anderen Bereichen der Landespolitik.
Der Inhalt Ihres Antrags suggeriert weiterhin, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine Absage an die in Hessen gültige Praxis des Vergabeverfahrens darstellt. Gnädige Frau, auch diese Schlussfolgerung ist falsch, da die materiellen Fragen des Beihilferechts vom Urteil nicht berührt werden und in den rechtlichen Fragen zur Beihilfevergabe gar keine Entscheidungen getroffen worden sind. Somit wurde auch von der letzten In
stanz, der Verwaltungsgerichtsebene, keine Rechtssicherheit in diesen beihilferechtlichen Fragen geschaffen.
Frau Pfaff, diese besteht erst, wenn die Fragen, die nicht Gegenstand des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom letzten Jahr waren,von nationalen Gerichten bzw.von der Europäischen Kommission beantwortet sind.
Erfahrungsgemäß stellt – wie es in den meisten Bereichen üblich ist – ein transparentes und faires Vergabeverfahren das geeignete Instrument dar, um den Nachweis der wirtschaftlichen Verwendung von öffentlichen Mitteln zu erbringen.Wenn im Einzelfall Ausnahmen von dieser Regel nachgewiesen werden können, werden weder teurere – ich weise darauf hin: teurere – Konkurrenten noch die Kommission eine solche Entscheidung beanstanden. Was Sie mit Ihrem Antrag hier versuchen, ist eine nachträgliche Rechtfertigung Ihres Antrags auf marktorientierte Direktvergabe, mit dem Sie in diesem Hause bereits gescheitert sind.
Offensichtlich haben Sie weder aus der damaligen Diskussion noch aus der Praxis in Hessen dazugelernt. Sie vergessen, dass öffentliche Gelder möglichst effizient und verantwortungsbewusst eingesetzt werden sollen. Sie sind nicht dazu gedacht, gewisse Bereiche wie den ÖPNV zulasten der Nutzer vor dem Wettbewerb zu schützen. Diese wettbewerbsfeindliche Grundhaltung hat Ihre Partei schon bei der Liberalisierung anderer Bereiche auf Bundesebene, wie z. B. des Telekommunikationsmarktes, gezeigt.
Keine Schwarzfahrer. Schwarzfahren kann teuer werden. – Diese wettbewerbsfeindliche Grundhaltung Ihrer Partei bei der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes hat gezeigt, dass immer noch nicht verstanden wurde,dass das der falsche Weg ist.Hinzu kommt,dass Ihr Antrag ein merkwürdiges Verständnis des europäischen Binnenmarktes und der Erfolge der europäischen Zusammenarbeit offenbart. Merkwürdig deshalb, da sich auch Vertreter Ihrer Partei in Berlin an den Feierlichkeiten zum Jubiläum der Römischen Verträge beteiligen und die Backen aufblasen, Sie aber im Kleinen so tun, als könne alles beim Alten bleiben, als dürften Anbieter aus den EU-Mitgliedstaaten benachteiligt werden, und den Menschen hier vor Ort weiterhin erzählen, niemand müsse sich verändern.
Die CDU-Fraktion dieses Hauses begrüßt ausdrücklich, dass die Fahrgäste einen eindeutigen Gewinn aus den Ausschreibungsverfahren im ÖPNV-Bereich haben.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Hessische Landesregierung den eingeschlagenen erfolgreichen Weg der Marktöffnung fortsetzt, insbesondere weil gerade dem Mittelstand, dem Rückgrat unserer Wirtschaft, dadurch neue Marktchancen eröffnet werden. Frau Pfaff, die Zahlen hatte ich Ihnen schon vorgetragen. Sie können sie dort aber auch nachlesen.
Die Förderung des Mittelstandes, in dem immer noch die meisten neuen Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden und der die Grundlage einer kreativen und zukunftsfähigen Wirtschaftsentwicklung bildet, darf nicht nur ein Thema von Sonntagsreden sein, sondern sie muss sich in praktischer Politik niederschlagen. Dazu gehört eine Politik, die diesen Namen verdient und die sich nicht damit begnügt, populistisch den Mittelstand im Titel eines Antrags zu erwähnen,der im Falle seiner Annahme genau das Gegenteil bewirken würde.
Hinzu kommt noch etwas anderes. Dank der Ausschreibung bleibt ein hohes Niveau der Mobilitätsangebote im ÖPNV gewahrt. Frau Pfaff, ich sage ausdrücklich noch einmal, dass die Gelder, die eingespart werden, bei den Verbünden bleiben. Das sichert die Arbeitsplätze der Branche und stärkt die Attraktivität des ÖPNV für potenzielle Neukunden.