Antrag der Fraktion der CDU betreffend Eltern nicht gegeneinander ausspielen – Wahlfreiheit unter gleichwertigen Wegen der Kindererziehung – Drucks. 16/7077 –
Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Wahlfreiheit realisieren – überholte Konzepte der Lebenswirklichkeit von Familien anpassen – Drucks. 16/7122 –
Als erstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Reißer von der CDU-Fraktion das Wort.– Die Redezeit beiträgt zehn Minuten.
Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Die Debatte zur Familienpolitik in der letzten Plenarwoche hat gezeigt, dass insbesondere die rot-grüne Opposition einige große Wahrnehmungsprobleme bei unserer Politik hat. Deswegen müssen wir das Thema Familienpolitik noch einmal auf die Tagesordnung setzen.
Seit acht Jahren, zunächst gemeinsam mit der FDP, gehört die Familienpolitik zu den Schwerpunkten der CDU. Wir haben konsequent mit dem Ausbau Hessens zum Familienland begonnen, und wir werden diesen Weg unbeirrt weiter fortsetzen.
Hessen macht Ernst mit der Wahlfreiheit für Eltern. Hessen steht in vielen Bereichen der Kinderbetreuung an der Spitze der westdeutschen Flächenländer.Die Betreuungsquote – das habe ich das letzte Mal auch schon ausgeführt – für unter Dreijährige liegt zurzeit bei 11,5 %. Wir werden bis 2020 diese Quote konsequent auf 20 % erhöhen.
Frau Kollegin, in Ihrem Antrag stand es auch. Wir wissen genau, dass dies ein Durchschnittswert ist, dass es in den Städten teilweise höher ist und im ländlichen Bereich geringer.
Aber trotzdem ist dieses Ziel als Durchschnitt zu erreichen. Es ist ein wichtiges Ziel, das wir mit gemeinsamen Anstrengungen erreichen werden.
Allein durch das BAMBINI-Programm sind 6.000 zusätzliche Betreuungsplätze realisierbar. Darüber hinaus ist das Betreuungsangebot in Hessen breit gefächert. Es reicht von Tageseltern über Kinderkrippen bis hin zu Leihomas und -opas. Damit kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der Eltern Rechnung getragen werden.
Ich möchte noch einmal das Beispiel von den Tagesmüttern und -vätern ausführen. Gerade diese Form der Tagesbetreuung ist besonders flexibel und kommt den Eltern besonders entgegen.
Herr Kollege Reißer,entschuldigen Sie bitte kurz.Hier im Saal herrscht schon wieder eine extreme Unruhe. Ich möchte Sie noch einmal eindringlich bitten, hier im Saal ruhig zu sein und Ihre Aufmerksamkeit dem Redner zu schenken oder aber hinauszugehen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Flexible Betreuungszeiten sind für die Eltern sehr wichtig. Deshalb müssen wir besonders die Tagesbetreuung weiter ausbauen.Wir sind in Hessen bei der Kinderbetreuung noch nicht am Ziel. Das ist ganz klar.
Aber wir sind auf einem guten Weg. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von Initiativen und Modellprojekten angestoßen, die die Familienfreundlichkeit auch in unserer Gesellschaft – das ist ganz wichtig – weiter erhöhen sollen und müssen. Dies gilt im Besonderen auf den Ebenen der Kommunen, der Betriebe, der Landesverwaltung und der Hochschulen, um einige Beispiele zu nennen.
Wir haben Betreuungs- und Bildungsaspekte zusammengefasst. Ich habe mir hier das Stichwort „Bildungs- und Erziehungsplan“ notiert, das heute in diesem Hause auch schon ein Thema war.
Politik für Familien hat für die hessische CDU seit der Regierungsübernahme eine Priorität. Dies war auch dringend notwendig. Denn für die früher amtierende rotgrüne Regierung war Familienpolitik den Statistiken nach eher ein Fremdwort. Ich habe das bereits das letzte Mal ausgeführt.
Hören Sie sich die Zahlen noch einmal an. Ich werde sie noch einmal deutlich machen. Die Betreuungsplatzquote lag am Ende Ihrer Regierungszeit – das war dann höchste Zeit – bei gerade einmal 3 %. Frau Schulz-Asche, da waren Sie noch in Berlin. Das können Sie nicht wissen.Aber das können Sie gerne noch einmal nachlesen.
Wie das bei Rot-Grün immer so ist: Zwischen dem, was Sie fordern, und dem, was Sie tun, wenn Sie Regierungsverantwortung tragen, liegen große Welten. Das ist immer wieder festzustellen.
Allerdings macht uns die Art und Weise, wie Sie – besonders die rot-grüne Opposition – mit dem Thema der Familienpolitik im letzten Plenum umgegangen sind, ein Stück weit Sorge. Bei einer oberflächlichen Betrachtung entsteht der Eindruck, dass alle Parteien den Familien die freie Wahl lassen wollen, wie die Kinder betreut werden sollen. Doch wer sich die Vorschläge von SPD und GRÜNEN genauer ansieht, wird schnell eines Schlechteren belehrt.
Wenn man sich die Vorschläge genau ansieht, merkt man, dass hier Familien, die ihre Kinder selbst betreuen, gegen andere ausgespielt werden sollen. Dies kann nicht unsere Politik sein.
Wer beim Kindergeld sparen will, um neue Betreuungsplätze zu schaffen, hat keine Wahlfreiheit im Sinn. Wir wollen den Familien nicht vorschreiben, wie sie ihre Kinder betreuen sollen. Denn die CDU-Fraktion akzeptiert die Klischees von „Rabenmüttern“ und „Heimchen am Herd“ nicht. Familien sollen und müssen die Wahlfreiheit haben. Die Voraussetzungen dafür schaffen wir schrittweise. Das geht nicht auf einmal.Aber wir sind, wenn man die Zeitschiene der letzten acht Jahre betrachtet, auf einem ausgezeichneten Weg.
Es gibt bei der Entscheidung, wie Eltern ihre Kinder betreuen, kein „Richtig“ oder „Falsch“. Es hängt von der
Lebenssituation ab. Die Bedürfnisse der Eltern und der Kinder sind vielfältig und unterschiedlich. Dem wollen wir durch ein qualitativ und quantitativ gutes Betreuungsangebot Rechnung tragen. Das ist unser Ziel, das wir konsequent weiterverfolgen werden.
Mütter und Väter, die sich eine Zeitlang ganz der Betreuung ihrer Kinder widmen, leisten einen genauso großen gesellschaftlichen Beitrag. Ihre Arbeit verdient Respekt und Anerkennung.Wir sollten darauf achten, keine Form der Betreuung zu bevorzugen oder abzuqualifizieren.
Die frühere Familienministerin Renate Schmidt, eine gestandene Sozialdemokratin, hat Folgendes vorgetragen: „Nachdem sich lange berufstätige Mütter rechtfertigen mussten, scheinen nunmehr die nicht berufstätigen Mütter unter Rechtfertigungsdruck zu geraten.“
Meine Damen und Herren,dies kann so nicht sein.Es darf nicht Ziel der Politik sein, die Familien gegeneinander auszuspielen. Wir werden die Familien mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen oder Bedürfnissen nicht gegeneinander ausspielen. Das ist uns wichtig. Beide Entscheidungen sind gleichwertig. Diese Politik werden wir konsequent weiterführen.
Auch wenn es der Opposition nicht gefällt, steht die CDU für eine moderne, ausgewogene und zuverlässige Familienpolitik. – Ich bedanke mich recht herzlich.
Vielen Dank, Herr Kollege Reißer. – Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Schulz-Asche für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau von der Leyen hat letzten Freitag in der IHK Frankfurt ein chinesisches Sprichwort zitiert, das, wie ich finde, die familienpolitische Diskussion dieser Tage sehr gut charakterisiert und für mich als GRÜNE eine besondere Freude war. Das chinesische Sprichwort lautet: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“
Wir freuen uns ausdrücklich, dass Frau von der Leyen – und damit auch konservative Kreise – jetzt so offensiv auf die Seite der Windmühlen übergewechselt ist und wir diese familienpolitische Debatte endlich in allen Bereichen haben.
Viele Frauen, auch viele grüne Frauen, setzen sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass es eine tatsächliche Wahlfreiheit der Lebensgestaltung gibt. Meine Damen und Herren, wir werden alles dafür tun, um zu helfen, alte, ideologische Mauern einzureißen. Wir werden alles dafür tun, dass keine neuen Mauern aufgebaut werden.
Meine Damen und Herren, wir freuen uns, dass es endlich eine breite Diskussion über die Betreuung von kleinen Kindern gibt. Diese Debatte ist längst überfällig. Viele
junge Menschen, die sich überlegen, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, und viele, die schon Eltern sind, reiben sich heutzutage die Augen und fragen sich verwundert, wie es eigentlich kommt, dass sich die CDU zu einem Wortführer in einer Debatte macht, in der sie über Jahrzehnte diffamiert und blockiert hat.
Deshalb lassen Sie mich gleich zu Hessen kommen.Allein das Sofortprogramm für Kinderbetreuung, das wir GRÜNE hier vor 15 Jahren installiert haben, um unbürokratisch Betreuungsplätze bei Elterninitiativen zu fördern, zeigt doch, aus welchen ideologischen Tiefen die hessische CDU hier auftaucht.
Herr Reißer,Sie haben es gerade noch einmal gesagt:Es ist doch so – das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen –, dass der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz,der von Ihnen noch verteufelt wurde, unter Rot-Grün in Hessen bis zu Ihrer Amtsübernahme Realität geworden ist.Er wurde mit sehr vielen Mitteln umgesetzt. Der Schwerpunkt wurde damals in diesem Bereich gesetzt. Sich hier hinzustellen und zu sagen, Rot-Grün habe in der Familienpolitik nichts getan, ist eine Lüge. Das ist eine der Mauern,die Sie hier aufbauen,um eine wirklich realistische familienpolitische Debatte zu verhindern.