Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

(Beifall bei der FDP)

Die Kommunen sind sozusagen der „Eigentümer“ des Landeswohlfahrtsverbandes. Sie haben ein Interesse daran, dass dort ordentlich gewirtschaftet wird, weil sie den LWV finanzieren. Deshalb glaube ich, dass man feststellen kann, dass im Landeswohlfahrtsverband eine hervorragende Arbeit gemacht wird.

Das ist auch unter Fachgesichtspunkten der Fall. Kollege Dr.Jürgens hat schon ausgeführt,dass der LWV gerade im Maßregelvollzug sehr hohe Standards hat, was wir als Land, wenn wir solche Aufgaben übertragen, natürlich auch erwarten.

In den letzten Jahren sind immer mehr Menschen in den Maßregelvollzug gekommen.Das liegt daran,dass die Gerichte Menschen nicht in den normalen Strafvollzug, sondern in den Maßregelvollzug einweisen, weil sie entweder erkennen, dass bei diesen Personen bestimmte Voraussetzungen gegeben sind – z.B.eine Suchtproblematik –,oder, und das ist leider der negativere Teil, weil sie meinen, sie würden den Betroffenen damit etwas Gutes tun.

Das Land hat gemeinsam mit dem Justizminister einiges unternommen, um Richterinnen und Richter darin fortzubilden, was vom Landeswohlfahrtsverband im Rahmen des Maßregelvollzug geleistet werden kann, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um Menschen in den Maßregelvollzug einzuweisen. Ich glaube, dass dieser Grat sehr schmal ist. Daher ist es richtig, dass das Land hier aktiv geworden ist. Wir werden gelegentlich darüber diskutieren müssen, inwieweit sich die Einweisungspraxis möglicherweise verändert hat.

Fakt ist aber, der Maßregelvollzug ist ein Bereich, wo es auch um die Gefährdung von Menschen geht. Frau Fuhrmann hat vorhin Hadamar genannt. Ihnen ist bekannt, dass in Hadamar der Maßregelvollzug sehr kritisch gesehen wird. Bei den dort lebenden Menschen herrscht eine gewisse Angst vor. Das ist am Standort einer solchen Institution nicht untypisch.Die Angst wird aber leider immer wieder durch die Kommunalpolitiker geschürt. Das gilt für Politiker aller Parteien, deshalb sind wir daran alle nicht unschuldig. Dies ist von den Kolleginnen und Kollegen nicht gerade verantwortungsvoll.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Kahl, wir können gern zusammen hinfahren. Das ist so in Hadamar.

(Reinhard Kahl (SPD):Aber in Haina läuft es sehr gut! – Norbert Schmitt (SPD): Es ist sehr unterschiedlich!)

Es läuft sehr unterschiedlich, da haben Sie sicher Recht, aber Hadamar ist sicher kein positives Beispiel.

Man muss erkennen, dass der Landeswohlfahrtsverband in den letzten Jahren einen sehr hohen Sicherheitsstandard im Maßregelvollzug garantiert hat. Das kann man dem Wohlfahrtsverband wirklich nicht absprechen. Auch das spricht für den LWV.

Es ist allerdings ein Zungenschlag in die Diskussion hineingekommen, der mich schon etwas gewundert hat. Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie haben am Ende Ihrer Rede behauptet, allein der LWV sei ein Garant dafür, dass alles gut und schön sei. Ich glaube, diese Aussage ist nicht ganz haltbar, weil in anderen Bundesländern der Maßregelvollzug schon in private Hände übergegangen ist. Wir werden sehen, ob das rechtlich haltbar ist. Auf jeden Fall ist hier neben der Rechtsdebatte keine fachlich Debatte zu führen, denn in den anderen Bundesländern sind relativ gute Erfahrungen gemacht worden.

Wir haben nicht vor, das auch in Hessen zu tun. Wir wollen den Weg der gemeinnützigen GmbHs gehen, der von allen Fraktionen im LWV auf den Weg gebracht worden ist.Aber zu sagen, eine Privatisierung sei des Teufels – da gibt es Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Insofern sollte man eine Privatisierung nicht vollständig ausschließen. Wir halten aber den Weg, den der LWV hier eingeschlagen hat, für richtig und werden dem Gesetzentwurf zustimmen, sofern die Anhörung das bestätigt.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit hat die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes stattgefunden.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung dem Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und anderen ausländischen Personen (Landesaufnahmegesetz) – Drucks. 16/7238 –

Die vereinbarte Redezeit ist fünf Minuten je Fraktion. Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich Frau Sozialministerin Lautenschläger das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können es heute im Plenum sicherlich relativ kurz gestalten. Das Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge und anderer Personen sowie das Gesetz über die vorläufige Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften werden demnächst außer Kraft treten, das eine im Jahr 2007, das andere im Jahr 2009. Da beide Gesetze aber aufeinander aufbauen,haben wir es für sinnvoll erachtet, die Gelegenheit zur Vereinfachung und zur Her

stellung von Übersichtlichkeit zu ergreifen und beide Gesetze zusammenzufassen.

Ich brauche heute sicher nicht zu betonen, dass die Regelungen der Aufnahme, Verteilung und Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und der Kostentragung für Flüchtlinge und andere ausländische Personen nach wie vor unverzichtbar sind. Die Zugangszahlen sind in den vergangenen Jahren sehr deutlich zurückgegangen. Nur noch 21.000 Menschen, davon 1.200 Personen in Hessen, haben im Jahre 2006 im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt.Daraus wird deutlich,dass der Asylzugang als Zuwanderungsproblem zumindest quantitativ an Bedeutung verloren hat. Um diesen Zustand zu erreichen, waren – insbesondere seit Anfang der Neunzigerjahre – sowohl nationale als auch internationale Anstrengungen nötig. Nicht zuletzt die fortschreitende Zusammenarbeit, beispielsweise auch in der Frage der Bekämpfung von Asylmissbrauch in der EU, hat zu sinkenden Zahlen geführt.

Trotz der sinkenden Zugangszahlen bleibt die Notwendigkeit bestehen, dass wir diese gesetzlichen Regelungen aufrechterhalten. Im Übrigen ist auch keine Garantie dafür gegeben, dass nicht irgendwo, auch in unserer Nähe, ein Krieg oder ein Bürgerkrieg ausbricht. Dann sind wir möglicherweise wieder mit einer anderen Zahl von Asylsuchenden konfrontiert.

Lassen Sie mich ganz kurz auf die wesentlichen Änderungen eingehen. Der Kreis der vom Gesetz erfassten Ausländergruppen wurde um die Ausländer verringert, deren Abschiebung in Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, der Genfer Flüchtlingskonvention, verboten ist. Diese Ausländer sind aufenthalts- und sozialrechtlich den Asylberechtigten gleichgestellt und genießen wie diese Freizügigkeit. Sie werden daher von den landesgesetzlichen Regelungen nicht mehr erfasst.

Die den Kommunen für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung gewährten festen Beträge sind in Höhe der Beträge für das Jahr 2007 festgeschrieben worden.Die im bisherigen Gesetz über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge und anderer Personen enthaltene kontinuierliche Steigerung der festen Beträge in Höhe von 1,5 % wurde vor dem Hintergrund der Äußerungen des Hessischen Rechnungshofs nach § 88 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung vom 12. Mai 2006 aufgehoben, denn der Rechnungshof kam nach seinen stichprobenartigen Überprüfungen zu dem sehr eindeutigen Ergebnis, dass die Kommunen erhebliche Einnahmeüberschüsse erzielen. Die kontinuierliche Dimensionierung der festen Beträge lässt sich damit aus der Sicht des Landesgesetzgebers nicht mehr rechtfertigen.

Abschließend möchte ich betonen, dass sich die Regelungen des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen und anderer ausländischer Personen und auch die Regelungen im Gesetz über die vorläufige Unterbringung in Gemeinschaftseinrichtungen ausdrücklich bewährt haben. Die eingebrachten Änderungen folgen den Bedürfnissen der Praxis und schreiben die Regeln für eine menschenwürdige Aufnahme, Verteilung und Unterbringung von Flüchtlingen und anderen ausländischen Personen fort. Ich hoffe auf eine breite Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Einbringung. – Erster Redner ist Herr Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es mit Blick auf die weitere Tagesordnung außerordentlich kurz.Wir werden diesen Gesetzentwurf in den weiteren Beratungen konstruktiv begleiten.

Aus unserer Sicht gibt es drei Kernpunkte, die noch einmal zu beraten wären. Das sind zum einen die Höhe der Entschädigungssätze, zweitens die Frage, warum es nicht zu vergleichbaren Verfahren gekommen ist, und drittens die Altfälle, also die Fälle, die seit Jahren bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten anhängig sind.

So ändern sich die Zeiten:Früher war das Gesetz politisch hochgradig umstritten – aufgrund der Wechselwirkungen und der Frage, was damit politisch intendiert war. Das ist heute sicherlich nicht mehr der Fall. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir am Ende zu gemeinsamen Lösungen kommen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich ist aus unserer Sicht gegen die Zusammenfassung in das Landesaufnahmegesetz nichts einzuwenden.Das Landesaufnahmegesetz tritt im Dezember außer Kraft. Unklar ist und bleibt es unserer Meinung nach, wann und wie die Evaluation dieses Gesetzes erfolgte und welche Evaluationsergebnisse in die Neufassung eingeflossen sind. Wir sind nämlich der Meinung, dass jedes Gesetz auf seine Zielgenauigkeit, auf seine Wirksamkeit und auf den Zweck überprüft werden soll, bevor es ein neues Gesetz oder eine Verlängerung der Geltungsdauer des bisherigen Gesetzes gibt. Wir wissen nicht, in welcher Form das hier geschehen ist. Das wollen wir gerne in den Beratungen reflektieren und diskutieren.

Wie Sie schon gesagt haben, werden in dem Gesetzentwurf die Bestimmungen zweier Gesetze zusammengeführt. Es ist fast eine 1 : 1-Übertragung aus zwei Gesetzen. Insofern hätte der Herr Staatssekretär Krämer gesagt: Es ist sozusagen nichts materiell Neues. – Was nicht geregelt wird, ist, dass Land und Kommunen eigentlich ein datenverarbeitungsgestütztes Verfahren zur Feststellung der tatsächlichen Aufwendungen des Landes verabredet haben. Es ist immer noch nicht ganz klar, in welchem Schacht dies noch steckt und wann dies ein Ende finden wird. Das interessiert uns sehr.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Das lässt sich ganz leicht aufklären!)

Frau Ministerin, dann bin ich sehr beruhigt. – Grundsätzlich ist zu sagen, dass wir in dem bedeutenden Unterausschuss für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung – meine Kolleginnen und Kolle

gen des Unterausschusses stehen auf der Treppe und machen gerade ein Gruppenfoto;

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Na, na!)

einer ist schon wieder da – einen Bericht abgeliefert bekommen. Wenn man darin nachschlägt, kann man sehen, dass die Erstattung nach dem Landesaufnahmegesetzes im Jahre 1995, also vor über zehn Jahren, 67.000 Personen betraf. Im November 2006 wurden nur noch 8.000 Menschen über das Landesaufnahmegesetz finanziert. Das zeigt: Die Brisanz über die Quantität ist nicht mehr gegeben.

Was aber noch zu regeln bleibt – darüber wollen wir auch reden –, ist die sehr saloppe Formulierung in § 3 Abs. 1: Wir wollen eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge.– Zum einen würden wir uns da eine präzisere Vorstellung bei einem neuen Gesetz wünschen. Zum anderen gilt es zu bedenken, dass es bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ein Problem bleibt, wenn Sie sich anschauen, aus welchen Ländern diese Flüchtlinge zum Teil kommen, mit völlig unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, angefangen von Serbien bis hin zu Afghanistan, von Irak bis Pakistan. Es wurden die unterschiedlichsten Länder aufgeführt, mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen. Da wünschen wir uns eine bessere Vorgabe bei der Frage, wie die kulturelle Herkunft und die Traditionen geachtet werden. Es kann nicht sein, dass sich alleinstehende Frauen aus ihren Räumen nicht mehr herauswagen,weil nebenan junge Männer untergebracht sind. Diese Vorgaben der Qualitätskriterien und der Qualitätsstandards müssen präziser gefasst werden.

Sie sehen, dass noch einige Fragen offen sind, wie die Qualitätskriterien und die Frage der Kosten. Insofern würden wir uns wünschen, dass diese in der dann schriftlich erfolgenden Anhörung geklärt werden. Ansonsten gehen wir sehr wohlwollend mit dem Gesetzentwurf um. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bocklet. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Bellino für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf für ein Landesaufnahmegesetz ist in der ersten Lesung eingebracht worden und wird, wie die Vorredner dargelegt haben, in dem zuständigen Ausschuss konstruktiv diskutiert werden.Auch wir freuen uns auf die konstruktive Diskussion.

Wir wissen, dass eine Überprüfung und Neufassung beider Gesetze, zum einen des Gesetzes, welches die Aufnahme regelt, und zum Zweiten des Gesetzes, das bisher die vorläufige Unterbringung geregelt hat, sinnvoll ist. Es ist sinnvoll und notwendig zum einen wegen des Ablaufs der Frist zum Ende des Jahres,zum anderen aber auch,um z. B. kleine Änderungen aufgrund neuer bundesgesetzlicher Vorgaben vorzunehmen.

Hilfreich für die Diskussion – ohne in die Details einsteigen zu wollen; aber der eine oder andere hat sich auch einen Punkt herausgegriffen, daher will ich das auch tun – um die Beschlusslage war in diesem Fall mit Sicherheit die

Untersuchung des Landesrechnungshofs bezüglich der bisher vorgesehenen Dynamisierung der entsprechenden Entgelte.

Unstrittig ist, dass wir trotz der erfreulicherweise zu verzeichnenden quantitativen Reduzierung der Asylbewerber – wenn ich mich richtig erinnere, sind es im letzten Jahr in Deutschland 21.000 Personen gewesen und 1.200 Personen in Hessen – entsprechende Regelungen brauchen,um die Aufnahme und Unterbringung nicht nur vorzunehmen, sondern auch menschenwürdig sicherzustellen. Kollege Bocklet hat sich hierzu geäußert.

Unstrittig ist mit Sicherheit auch die Zusammenlegung beider Gesetze. Dies erhöht die Übersichtlichkeit. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU)