Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Dazu kommen Veranstaltungen wie diejenige vergangene Woche in der Staatskanzlei. Diese war äußerst bemerkenswert. Es ging darum, wie man Spitzenkräfte in Hessen halten kann.Es gab immerhin 70 Teilnehmer.Ich habe gefragt, ob man die Teilnehmerliste bekommen könnte, was zum Zwecke der Vernetzung bei solchen Veranstaltungen durchaus üblich ist.Aber eine Teilnehmerliste gab es nicht, und das mit gutem Grund. Denn von den 70 angemeldeten Teilnehmern waren 10 aus der Politik, 10 von der Presse, 10 von der Hessen-Agentur und 19 Referenten. Sie können sich einmal überlegen, auf wie viel Interesse diese Veranstaltung der Hessischen Landesregierung gestoßen ist. Es ist schlicht und ergreifend peinlich.Wenn man den Mittelstand fördern will, geht es genau darum, Spitzenkräfte hier halten zu können.Aber wenn die Hessische Landesregierung ruft, kommt kein Mensch mehr. Sie konnten mit dieser Veranstaltung niemanden hinter dem Ofen hervorlocken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir stellen also fest: Das Schlimmste an der Hessischen Landesregierung mit der sie tragenden CDU-Fraktion ist die Blindheit, mit der sie geschlagen ist, die Probleme wirklich zu erkennen. Anhand dieser Studie demonstrieren Sie das deutlich.Es ist ein Drama für dieses Land,dass Sie sich weigern, die Probleme wirklich wahrzunehmen.

Der Mittelstand braucht Antworten, die CDU-Fraktion und der Wirtschaftsminister geben keine.Sie sind jetzt seit neun Jahren in der Verantwortung, und Sie haben anscheinend selbst keine Erfolge nachzuweisen. Sie haben keine Problemwahrnehmung und keine Visionen.Von da

her bleibt mir an dieser Stelle nur, Ihnen für die Offenheit zu danken, mit der Sie das hier präsentiert haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Tesch das Wort.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem vorliegenden Antrag der CDU komme, möchte ich meine Freude über vier Punkte zum Ausdruck bringen. Erstens haben wir einen Aufschwung zu verzeichnen. Zweitens unternehmen die Unternehmen wieder. Drittens hat zum ersten Mal seit etwa 15 Jahren auch das Stiefkind der Wirtschaft, die Baubranche, wieder steigende Auftragseingänge verzeichnet. Viertens – das macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar – haben wir über 900.000 Arbeitslose weniger als im Vorjahr. Das soll uns erst einmal jemand nachmachen.

(Beifall bei der SPD – Angelika Scholz (CDU): Das ist aber nicht Ihr Verdienst!)

Ich kenne kein Land, das binnen eines Jahres ähnliche Ergebnisse erreicht hätte. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion,zu Zeiten der Schröder-Regierung haben Sie keine Woche ausgelassen, um über den Standort Deutschland zu lamentieren. Sie und jede Ihnen nahestehende Stiftung haben viel Zeit und Geld investiert, um unseren Wirtschaftsstandort schlechtzureden.

(Beifall bei der SPD – Angelika Scholz (CDU): Das kann ja wohl nicht wahr sein!)

Sie haben mit dazu beigetragen, dass die Unternehmen nicht investierten.Sie haben die Verbraucher verunsichert und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert. Gerade die überfälligen Reformen und Initiativen der rot-grünen Bundesregierung sowie die Anstrengungen der Arbeitnehmerschaft tragen einen wesentlichen Anteil daran, dass wir im letzten Jahr und zu Beginn dieses Jahres erlebt haben, dass die Konjunktur angesprungen ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir zum Antrag der CDU. Dieser Antrag ist, wie auch alle anderen vorher, völlig ohne Substanz. Er ist selbstbeweihräuchernd und ohne neue Ideen. Eigentlich fordert er nicht zu einer angemessenen Debatte über dieses Thema heraus.

Dieser lapidare Antrag beweist einmal mehr, dass Sie außer Jubelanträgen in dieser Legislaturperiode nichts, aber auch gar nichts auf die Beine gestellt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach achtjähriger Regierungszeit fehlt noch immer eine Konzeption für eine regionale Wirtschaftspolitik. Nach wie vor fehlen schlüssige und zukunftsweisende Verkehrsprojekte. Den Straßenbau – das hat meine Kollegin Frau Hölldobler-Heumüller sehr anschaulich dargelegt – als einziges Infrastrukturprogramm zu bemühen, ist schon sehr gewagt. Das Ruhrgebiet und Hessen haben das dichteste Straßennetz in der Bundesrepublik. Aber die Wirtschaftszahlen sind im Bundesvergleich mit die schlechtes

ten. Wenn ich diesen Vergleich auf Bayern und BadenWürttemberg übertrage, müssten deren Zahlen eigentlich schlechter sein. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich hätte von einer Fraktion, die sich die Wirtschaftspolitik auf die Fahnen schreibt, viel mehr zum Thema Standortpolitik erwartet. In den vergangenen Jahren und gerade in den letzten Monaten höre ich von allen Unternehmerverbänden, dass sie von der Hessischen Landesregierung tief enttäuscht sind und dass sich die Erwartungen an sie nicht erfüllt haben. Herr Rhiel, sie sagen das natürlich nicht, wenn Sie sie einladen. Aber gehen Sie doch einmal heraus, und fragen Sie sie. Ich weiß das.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Aber Sie wissen auch nicht, was sie über Sie sagen!)

Herr Rhiel, wollen Sie persönlich werden, oder wollen wir uns dem Thema widmen? – Eine Umfrage zu bemühen, die sich im Wesentlichen auf den Dienstleistungssektor beschränkt und aus der man sich, vergleichbar einem kranken Huhn, mühsam einige wenige gute Körner herauspicken kann, zeigt, wie erbärmlich, diesem Land und dem Parlament unwürdig und in aller Eile verfasst dieser Antrag ist.

Frau Präsidentin, als Grundlage meiner Recherchen zum Wirtschaftsstandort Hessen erlaube ich mir, aus der Studie des Marburger Mittelstandsbarometers zu zitieren. Es ist die zurzeit umfangreichste und eine wissenschaftlich sehr gut fundierte Studie zur Situation des Mittelstandes und vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen, die ein anderes Bild von Hessen zeichnen.

Erstens. Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen: Hessen letzter Platz, Niedersachsen Platz 1.

Zweitens. Bei der Frage, wie die Unternehmen ihre Geschäftslage einschätzen ist: Hessen im Mittelfeld, Niedersachsen auf Platz 1.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Drittens. Die Freude am Unternehmertum: Hessen drittletzter Platz, Niedersachsen Platz 1.

Bei Bürokratie und Regulierung: Hessen im Mittelfeld, Niedersachsen Platz 1.

Ich möchte noch eines hinzufügen: Bei Bürokratie und Regulierung liegt Hessen wiederum im Mittelfeld, Niedersachsen wieder auf Platz 1.

Als Letztes möchte ich etwas anführen, was ich an dieser Stelle ganz wichtig finde. Ich komme jetzt auf die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland zu sprechen. Die Unternehmen wurden gefragt:Planen Sie die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland? – Hier ist Hessen spitze.

Ich belasse es bei diesen Beispielen. Das war beeindruckend genug. Sie sollten sich diese Studie einmal zu Gemüte führen.

Vielleicht sollten wir auch Herrn Koch anheimstellen, die Studie einmal zu lesen. Sie zeigt, wie es Herr Wulff und Herr Müller vom Andenpakt besser machen.

In regelmäßigen Zeitabständen haben wir Anträge eingebracht, die das enthalten, was die Unternehmerverbände, die Kammer und auch die Unternehmen selbst seit Langem fordern. In unserem ausführlichen Dringlichen Antrag, der Ihnen vorliegt, können Sie das noch einmal schwarz auf weiß nachlesen. Ich möchte das nicht alles wiederholen. Denn das tue ich schon seit ungefähr vier

Jahren. Von Ihnen kam überhaupt keine Resonanz. Es gab sogar Ignoranz. In jeder Ausschusssitzung konnte man Ignoranz feststellen.

Wir haben ein Zehn-Punkte-Programm vorgestellt, mit dem man der Wirtschaft unter die Arme greifen könnte. Das ist ein Programm, mit dem man das Klima für Firmengründungen verbessern könnte und das Existenzgründungen erleichtern würde. Das Programm sieht die bessere Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft vor. Für den ländlichen Raum lehnen Sie dies kategorisch ab.

Nach wie vor ist bei Ihnen die Ausrichtung auf das RheinMain-Gebiet beschränkt. Wir wissen, dass das RheinMain-Gebiet mit dem Flughafen eine herausragende Rolle einnimmt. Ein Wirtschaftskonzept für alle Regionen Hessens fehlt aber noch immer.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Rhiel, Sie waren vor Kurzem in meiner Heimat und besuchten eine Firma, die optische Maschinen herstellt.

(Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Nein,das ist 14 Tage her.– Es handelt sich um einen kleinen Global Player, der mit seinem Produkt in seiner Sparte die Weltmarktführerschaft übernommen hat. Ich kenne die Entwicklung der Firma seit vielen Jahren. Edelgard Bulmahn hat dort als Bundeswissenschaftsministerin mit ihrer Förderpolitik geholfen. Diese Firma hat Unterstützung bekommen. Sie konnte von einem Forschungsprojekt profitieren. Das ist einer der Gründe, weshalb die Firma so gut dasteht.

Ich möchte klar sagen, dass wir keine Fördergelder nach dem Gießkannenprinzip über das Land ausschütten sollten. Aber Sie müssen doch erkennen, wann eine Anschubfinanzierung oder eine effektive Unterstützung angebracht ist.Wir haben uns in der SPD-Fraktion die Mühe gemacht, eine Synopse zu erstellen, mit der man erkennen kann, zu welchen Mechanismen andere Bundesländer greifen, die der Wirtschaft und gerade den kleinen und mittleren Unternehmen dienen. Da geht es auch darum, wie Innovationen und neue Technologien breit gefördert werden können.

Außer dem Ausloben von Preisen fällt Ihnen und der Hessen-Agentur reichlich wenig ein. Fragen Sie doch einmal die Unternehmer, was sie von der Hessen-Agentur als Instrument zur Förderung der Wirtschaft halten. Sie halten nichts davon. Es gab große Ankündigungen, aber keine Resultate.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Ich möchte Ihnen wiederum ein aktuelles Beispiel nennen. Hören Sie gut zu. Mit diesem Beispiel ist eine Aufforderung verknüpft.

Die Hessen-Agentur hat Betrieben aus der Touristikbranche die Möglichkeit eingeräumt, sich auf ihrer Website zu präsentieren. Vor 14 Tagen kam ein Unternehmer auf mich zu. Er ist übrigens ein Mitglied der CDU. Das macht die Sache besonders interessant. Er betreibt ein kleines Wellnesshotel im ländlichen Raum. Er kam völlig außer sich auf mich zu. Er wollte dieses Angebot der HessenAgentur nutzen, da er seinen Hotelbetrieb ausgebaut und damit auf neue Beine gestellt hat.

Er traute seinen Augen nicht, als er den Vertrag, der auf seinem Schreibtisch lag, las. Dieser kleine Interneteintrag sollte monatlich – ich wiederhole: monatlich, nicht einma

lig – 95 c kosten. Das wären für diesen kleinen Unternehmer mehr als 1.000 c pro Jahr.

Das muss man sich einmal vorstellen. Dieser kleine Familienbetrieb hat von diesem Angebot natürlich Abstand genommen. Denn die Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem Nutzen.

Ich finde es, gelinde gesagt, unerhört, dass man kleinen Unternehmen, die eh schon Schwierigkeiten haben, sich im Wettbewerb zu behaupten,solche Angebote unterbreitet.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Andreas Jürgens und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich fordere Sie von dieser Stelle aus auf:Stoppen Sie diese Aktion, und überdenken Sie die Geschäftspraktiken der Hessen-Agentur.

Wir werden Ihren Entschließungsantrag in Gänze ablehnen. Denn er beinhaltet nur Eigenlob, aber keine konkreten Maßnahmen. Das Lob des Mittelstandes können Sie sich ebenfalls sparen. Das glaubt Ihnen sowieso niemand mehr.Als Hinterländlerin sage ich Ihnen:Vom Streicheln allein wird die Sau nicht fett.