Protokoll der Sitzung vom 30.05.2007

aber bitte schön,liebe FDP,dann auch koordiniert zu handeln. Wenn man sich Ihren Antrag anguckt: Ein Wettbewerb kann in Zukunft unter Umständen durchaus sinnvoll sein, wenn es ausreichend Plätze guter Qualität gibt. Schauen wir uns die diversen Vorschläge in dem FDPKonzept zusammen an: Einführung eines Gutscheinsystems, gleichzeitig Qualitätswettbewerb. – Meine Damen und Herren, damit sind Sie sehr weit von einem konzentrierten Konzept der Verbesserung der Qualität entfernt. Ich bitte Sie: Gucken Sie sich Ihr Gesamtkonzept noch einmal an. Die einzelnen Punkte sind nicht miteinander vereinbar. Es hört sich vielleicht auf den ersten Blick gut an,dass man Wettbewerb veranstaltet.Aber mit einem guten und gerechten Start der Kinder ins Leben hat das alles leider sehr wenig zu tun. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion hat mich gebeten, ein paar kurze Bemerkungen zum eigentlichen Thema des heutigen Setzpunkts der FDP, nämlich dem Antrag zu den Kita-Prüfplaketten, zu machen, während die Kollegin Karin Hartmann einige ausführlichere Bemerkungen zur Frage des Bildungs- und Erziehungsplanes machen wird.

Mein lieber Kollege Florian Rentsch, ich könnte das hier jetzt sehr polemisch machen, insbesondere nach der Bemerkung zum Dschungel der Betreuungseinrichtungen: ob sich daraus jetzt ableitet, dass die FDP inzwischen für den Zwangseinheitskindergarten und für normierte Einrichtungen ist.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Lassen Sie es lieber sein!)

Ich könnte ziemlich viele Bemerkungen zu abgeschriebenen Anträgen aus Nordrhein-Westfalen machen,die sozusagen wortwörtlich abgeschrieben sind. Ich könnte in der Tat – Frau Kollegin Schulz-Asche hat eben darauf verwiesen – auch einige Bemerkungen zur Konzeption der FDP machen, gerade wenn ich mir anschaue, welches Chaos in den Einrichtungen in Hamburg mit den Bildungsgutscheinen entstanden ist. Das hat mit Transparenz für die Familien herzlich wenig zu tun.

(Florian Rentsch (FDP): Das hat nichts mit der Konzeption zu tun, sondern es hat mit der konkreten Situation vor Ort zu tun gehabt!)

Wir könnten ziemlich viel über die familienpolitische Konzeption der FDP auf einer sehr polemischen Ebene reden. Das will ich aber ausdrücklich nicht tun, mein lieber Florian Rentsch,

(Florian Rentsch (FDP):Aber Sie wollen es andeuten!)

sondern ich will ein paar Bemerkungen zu dem Antrag machen. Ich glaube in der Tat – insofern stimme ich der Kollegin Ravensburg und der Kollegin Schulz-Asche aus

drücklich zu –, dass der Antrag zumindest zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt kein sachlicher Beitrag ist, die notwendige Qualitätsverbesserung in den Kindertagesstätten zu erreichen. Ich glaube, dass die Übertragung eines Wettbewerbskonzeptes, wie es hier zum wiederholten Male von der FDP vorgeschlagen wird, verkennt, dass Konkurrenz zwar gelegentlich das Geschäft belebt,dass aber Kinder eben keine Ware sind und dass die Standards, die Sie hier anlegen, falsch sind.

Ich will Sie einmal in das wahre Leben mitnehmen und nicht auf der Ebene von Papier, das in irgendwelchen politischen Kreisen beschrieben wird, verbleiben.Wir haben in Hessen sehr, sehr unterschiedliche Grundlagen in den Einrichtungen.Wir haben frei-gemeinnützige Einrichtungen, wir haben Elterninitiativen, wir haben pädagogisch völlig unterschiedlich ausgerichtete Einrichtungen von Montessori über Waldorf, über kirchliche Einrichtungen, die die unterschiedlichsten Profile haben, und wir haben öffentliche Einrichtungen. Dahinter haben wir sehr, sehr unterschiedliche Finanzierungsstrukturen, weil jenseits von der Mindestverordnung die Träger mit sehr unterschiedlichen Profilen und Stellenschlüsseln in ihren Einrichtungen arbeiten.

Deswegen wissen Eltern in der Regel sehr schnell, wo bestimmte Profile – weltanschaulich, religiös, pädagogisch motiviert – umgesetzt werden.Ich kann das sagen,weil ich zu den wenigen, vielleicht an einer Hand abzählbaren Eltern in diesem Bundesland gehöre, die sich einen Platz in einem Kindergarten vor einem Gericht erstritten haben; und zwar ganz bewusst, weil ich mich für eine bestimmte Konzeption entschieden habe, die ich für meine Kinder für richtig halte.

Nun will ich gar nicht,dass alle diesem pädagogischen Anspruch folgen und sozusagen das Gleiche machen. Deswegen ist es weiterhin richtig, dass Kindertagesstätten mit unterschiedlichen Konzeptionen arbeiten. Sie dann über eine sogenannte TÜV-Plakette, oder wie immer Sie diese Konzeption machen, über einen Leisten zu scheren, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig falsch, weil die Ausgangsbedingungen in den Einrichtungen völlig unterschiedlich sind.

Warum funktioniert es in einem Kindergarten wie dem Kinderhaus St. Martin in Gießen, das in Trägerschaft der katholischen Kirche ist? Dort ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, dass der Träger, der Sozialdienst katholischer Frauen, erheblich mehr Geld zusätzlich in diese Einrichtung schiebt. In der Einrichtung selbst wird mit völlig unterschiedlichen Konzeptionen gearbeitet. Aufgrund der Elternzusammensetzung geht auch erheblich mehr Geld von den Eltern in dieses Haus. Wenn Sie versuchen, allein diesen finanziellen Rahmen auf alle Einrichtungen zu übertragen, dann brauchen wir Ihre Prüfplakette nicht mehr, weil dann nämlich die Ausgangsbedingung geklärt ist.

Das ist auch das Hauptproblem mit dem Bildungs- und Erziehungsplan. Da sind wir uns wieder einig, dass der freiwillige Standard an dieser Stelle mehr Probleme produziert, als er löst; denn die Einrichtungen sind eben nicht vergleichbar. Deswegen glaube ich, dass diese Form von Preisen und TÜV überhaupt nichts bringt.

(Florian Rentsch (FDP):TÜV ist etwas für Maschinen!)

Im Gegenteil, sie wird die Verwerfungen erhöhen. Deswegen sage ich Ihnen, Herr Rentsch: Konkurrenz ist an dieser Stelle falsch. Die Familien sind es echt müde, per

manent in irgendwelchen politischen Debatten neue Vorschläge zu hören. Sie wollen, dass sich real etwas ändert.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja, eben!)

Die Konkurrenz, die Sie vorantreiben wollen, wird hier gar nichts verändern.Wir brauchen Kooperation und – ich füge das ausdrücklich hinzu – Kompetenz.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Nur so werden Sie Qualität in den Kindertagesstätten entwickeln, sodass das, was wir als politischen Anspruch formulieren und wo wir uns wieder einig werden, wirklich umgesetzt wird. Ihre Kita-Prüfplakette wird dazu aber keinen Beitrag leisten, zumindest überhaupt nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Ich hoffe, dass Sie an dieser Stelle noch mit sich reden lassen,

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

weil Ihr Konzept an dieser Stelle ein vielleicht netter Beitrag für Schlagzeilen in den Medien ist. Aber Sie sollten spätestens seit den Beiträgen Ihres Fraktionsvorsitzenden zum Thema Trainerposition zur Kenntnis genommen haben, dass nicht jeder publizistische Beitrag in der Sache hilfreich ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Nicola Beer (FDP): Sie haben noch nicht einmal den Antrag gelesen, geschweige denn, ihn verstanden! – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das war mehr als schwach!)

Vielen Dank,Herr Schäfer-Gümbel.– Ich gehe davon aus, dass Frau Kollegin Hartmann für die SPD-Fraktion jetzt, wie angekündigt, den zweiten Teil leisten wird.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Ravensburg hat in ihrer Rede herausgestellt, dass es der CDU ganz wichtig ist, dass die Akzeptanz des Planes flächendeckend vorhanden ist. Wenn Sie diese flächendeckende Akzeptanz wollen, dann sage ich Ihnen: Fordern Sie Ihre Ministerin erst einmal auf, ihre Ignoranz gegenüber denjenigen aufzugeben, die diesen Plan in der Praxis umsetzen müssen. Schauen Sie sich doch die Bedenken und die Wünsche derjenigen an, die mit diesem Plan arbeiten müssen. Dann werden Sie feststellen müssen, dass dort ein großer Unmut herrscht.

Statt gemeinsam zu überlegen, wie der Bildungs- und Erziehungsplan genutzt werden kann, um Qualitätsverbesserungen in Kindertagesstätten und Grundschulen umzusetzen, betreibt diese Landesregierung einen wilden Aktionismus, was die Umsetzung dieses Planes anbelangt. Ich habe es schon ein paarmal erwähnt und ich betone es heute wieder: Ein Bildungs- und Erziehungsplan ist kein Selbstzweck.Es reicht nicht aus,einen renommierten Wissenschaftler zu beauftragen, einen schönen Plan auszuarbeiten, und den Dialog darüber zu verweigern. Wir brauchen Rahmenbedingungen. Das ist auch die Forderung der Kommunalen Spitzenverbände, aber auch der Wohlfahrtspflege und der Kirchen. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die es den Erzieherinnen und Erziehern ermöglichen, die angedachten Verbesserungen auch umzusetzen.

(Beifall der Abg. Heike Habermann (SPD))

Es darf nicht sein, dass bei den Eltern Erwartungen geweckt werden, die von denjenigen, die in der Praxis tätig sind, unter den derzeitigen Bedingungen überhaupt nicht erfüllbar sind. Wir hatten in der letzten Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses die Zusage bekommen, dass wir endlich einmal die Evaluation von Prof. Fthenakis ausgehändigt bekommen.

(Ministerin Karin Wolff: Sie bekommen sie, wenn sie fertig ist!)

Frau Kultusministerin, ich habe den Verdacht, dass die Evaluation noch nicht fertig ist, weil der Plan wohl noch irgendwo beim Übersetzer liegt. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, im Internet recherchiert und die PowerPoint-Präsentation von Prof. Fthenakis gefunden. Ich möchte Ihnen von Seite 12 ein Beispiel bringen, was in dieser Power-Point-Präsentation steht. Ich denke, die Evaluation wird ähnlich aussehen:

Der soziale Konstruktivismus baut auf dieser Auffassung des Konstruktivismus auf, hält dabei jedoch die soziale Interaktion für den wesentlichen Faktor für die Konstruktion von Wissen.

Wahrscheinlich muss das noch übersetzt werden. Für diejenigen, die den Plan in der Praxis umsetzen sollen, muss wahrscheinlich noch eine Umarbeitung stattfinden. Ich weiß nicht, was an der Information dran ist, aber ich habe sie von verschiedenen Seiten gehört: Angeblich ist ein Evaluationsbericht bereits bei einer Fachtagung in Bayern verteilt worden. – Vielleicht sagen Sie auch dazu etwas.

(Zuruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

Mir liegt lediglich die schon zitierte Studie der Kommunalen Spitzenverbände, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und der Kirchen vor. Diese Untersuchung hat erhebliche Defizite bei der Umsetzung des Planes festgestellt.Sie betont,dass die Umsetzung mit erheblichen zeitlichen Mehraufwendungen verbunden sein wird und mit den bestehenden Mindeststandards nicht realisierbar sein wird. Ich zitiere aus Seite 30 dieser Untersuchung:

Für eine flächendeckende Implementierung des Bildungs- und Erziehungsplans fehlen derzeit die entsprechenden zeitlichen Ressourcen.

Für sehr bemerkenswert halte ich zum anderen die Schreiben der Kommunalen Spitzenverbände, aus denen hervorgeht, dass sich die Sozialministerin trotz mehrmaliger Bitten um Gesprächstermine nicht sehr dialogbereit gezeigt hat. Zitat von Seite 1:

Die vielfach formulierten Bedenken und Anregungen fanden in den zuständigen Ministerien wenig Gehör.

Unter wie viel Realitätsverlust muss diese CDU-Landtagsfraktion leiden, wenn sie entgegen den Ergebnissen dieser Untersuchung die Erprobung des Bildungs- und Erziehungsplans als vollen Erfolg bezeichnet? Ich empfehle Ihnen einmal, die Schlussbetrachtung und die politischen Konsequenzen der zitierten Studie durchzulesen. Auf Seite 35 steht:

Der Wille zu einer ernst zu nehmenden finanziellen Mitverantwortung wird in anderen Bundesländern nicht nur propagiert. Daran muss sich Hessen zwingend orientieren, will man endlich die Rolle des

innerdeutschen Schlusslichts in der finanziellen Förderung der Kinderbetreuung hinter sich lassen.

Ich zitiere weiter, Seite 37:

Die Gruppengröße bildet – wie auch die Bemessung des Fachkraft-Kind-Schlüssels – einen wichtigen Teil der Strukturqualität. In beiden Bereichen liegt Deutschland nach den Ergebnissen der OECD-Studie im europäischen Vergleich weit hinten. Im innerdeutschen Vergleich trifft diese Feststellung auf Hessen zu.

Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie jetzt immer noch der Auffassung sind, dass sich der Bildungsund Erziehungsplan in der Praxis bewährt hat, dann sollten Sie einmal diejenigen fragen, die in der Praxis tätig sind.

(Zuruf der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Es ist nicht nur die Kritik der Opposition, sondern es ist die Kritik der Fachverbände, unter anderem auch des Landesjugendhilfeausschusses an Ihrem Vorgehen. Es ist diese Ignoranz, mit der diese Landesregierung die Bedenken und die Wünsche einfach abtut. Die Kernforderung der Untersuchung der Spitzenverbände, schnellstmöglich Rahmenbedingungen zu schaffen, die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche flächendeckende Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans in Kindertagesstätten und auch in Schulen sind, kommt doch nicht von ungefähr. Deshalb müssen wir auch über die Mindestvoraussetzungen reden. Es kann nicht angehen, dass diese Landesregierung mit dem Bildungs- und Erziehungsplan hohe Erwartungen weckt – Konnexität lässt grüßen – und die Träger dann mit der Umsetzung und der Finanzierung einfach im Regen stehen lässt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich auch,warum die CDU ihren Lobantrag mit dem FDP-Antrag vermengt hat. Ich vermute, vielleicht hat sie sich Gedanken über die Beschlussfassung des Landesjugendhilfeausschusses gemacht. Vielleicht ist sie aufgrund des Beschlusses, der auch mit Stimmen von CDUMitgliedern getroffen wurde, hellhörig geworden. Ich würde mir wünschen, dass Sie die Kritik endlich aufnehmen, dass Sie endlich handeln und dass Sie, bevor Sie in die Umsetzung gehen, die zugesagte Evaluation gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden, den Kirchen und den Wohlfahrtsverbänden ermöglichen und nicht einfach aktionistisch diesen Plan umsetzen wollen.