Protokoll der Sitzung vom 03.07.2007

Geben Sie uns doch die Chance. Wenn wir alle etwas gegen den Klimawandel tun wollen,dann muss es auch in Ihrem Interesse liegen, zu klären, ob das, was wir vorgelegt haben, machbar ist, wovon wir natürlich überzeugt sind. Aber dann brauchen wir auch eine Anhörung dazu, und dann brauchen wir die Diskussion. Einfach zu sagen, Sie lehnen es ab – meine Damen und Herren, das ist eine Fehlentscheidung. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Hammann. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich stelle fest, dass wir damit die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes abgehalten haben.

Der Gesetzentwurf soll zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen werden,mitberatend soll der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr sein. – Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass an Sie ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 16/7544, zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens verteilt wurde. Er liegt Ihnen vor und ist damit Gegenstand von Tagesordnungspunkt 10.

(Nicola Beer (FDP): Wird der Änderungsantrag der CDU-Fraktion, Drucks. 16/7521, aufrechterhalten? – Alfons Gerling (CDU) und Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Der ist zurückgezogen!)

Besteht Klarheit bei den Geschäftsführern? – Okay.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Krankenhauswesens in Hessen (Hessisches Krankenhausgesetz 2002 – HKHG) – Drucks. 16/7474 –

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs darf ich Frau Schulz-Asche das Wort erteilen. Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern sind Verbraucherinnen und Verbraucher, und sie haben das Recht auf Verbraucherschutz wie alle anderen Verbraucherinnen und Verbraucher auch, insbesondere aufgrund ihrer besonderen Gefährdungssituation.Im Klinikum Fulda und im angrenzenden Seniorenzentrum „Heilig Geist“ haben wir im April und im Mai dieses Jahres vier Wochen lang eine Salmonelleninfektion gehabt, von der am Ende 270 Patienten und Mitarbeiter betroffen waren. Wir hatten zwei direkt damit im Zusammenhang stehende Todesfälle. Eine Reihe weiterer Todesfälle – das wissen wir inzwischen aus den Beratungen im Ausschuss – wird für immer unklar bleiben aufgrund der unklaren Meldeverhältnisse, die in solchen Fällen in Hessen offensichtlich bestehen.

Meine Damen und Herren, vier Wochen nach dem Abklingen dieser Infektion haben wir eine einzige Schuldige, eine einzige Verantwortliche, die eindeutig festgestellt wurde, und das ist die Salmonelle.

Das ist der Zustand im Lande Hessen. Nicht verantwortlich sind die Klinikleitung und der Oberbürgermeister von Fulda, die von einer Heimsuchung und von „Grillzeit ist Salmonellenzeit“ sprachen,und damit wesentlich zu einer Schädigung des Ansehens des Klinikums Fulda beigetragen haben. Nicht verantwortlich sind angeblich das Kreisgesundheitsamt und die unterbesetzte Lebensmittelkontrolle in Fulda. Nicht verantwortlich ist auch die Gesundheitsministerin,die vier Wochen lang dem Fuldaer Filz zugeschaut hat, ohne deutliche Worte zu finden und ohne dafür zu sorgen,dass die Patientinnen und Patienten in Hessen Vertrauen in die Krankenhausversorgung wiedergewinnen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Bis heute hat sich die Ministerin aus der Verantwortung gestohlen. Sie glaubt auch weiter, das Problem aussitzen zu können. Dabei ist völlig unumstritten, dass es Handlungsbedarf gibt. Die Landesregierung selbst hat im Jahre 2002 ein Hessisches Krankenhausgesetz vorgelegt, in dessen § 10 die allgemeinen Hygieneregeln vorgegeben werden. In Abs. 2 dieses Paragrafen ist eine Vereinbarung mit den Mitgliedern des Landeskrankenhausausschusses vorgesehen bzw., wenn diese nicht zustande kommt, eine Rechtsverordnung.

Wir müssen nun im Jahre 2007 feststellen, dass dies damals eine kluge Entscheidung im Gesetz war,dass aber offensichtlich ein Nichthandeln der zuständigen Gesundheitsministerin vorliegt. In Hessen gibt es weder die vorgesehene Vereinbarung noch die Rechtsverordnung. Damit müssen wir feststellen, dass die hohen Ansprüche, die die Landesregierung sich damals gesetzt hat, versagt haben, und zwar deswegen, weil sie von der Landesregierung selbst nicht umgesetzt wurden. Damit ist die Verantwortung dieser Gesundheitsministerin auch für die Vorfälle in Fulda eindeutig festgestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, bei der Krankenhaushygiene ist Deutschland insgesamt in Europa ein Schlusslicht. Es wird geschätzt, dass bis zu 800.000 krankenhausbedingte Infektionen in Deutschland vorkommen. In anderen Ländern ist man sehr viel weiter, allerdings auch in anderen Bundesländern; denn dort gibt es Krankenhaushygiene

verordnungen wie diese, die wir mit dem Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, fordern.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir schlagen vor, dass die Ministerin zusammen mit dem Landeskrankenhausausschuss innerhalb von sechs Monaten eine Vereinbarung zur Umsetzung der Krankenhaushygiene schließt und, wenn diese nicht zustande kommt, die Ministerin verpflichtet ist, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen.

Der Sinn einer solchen Verordnung liegt darin, die Vermeidung, die Bekämpfung und das Erkennen sowie die Erfassung von Krankenhausinfektionen sicherzustellen – auch hier sind wir europaweit bisher absolutes Schlusslicht –, die Beratung durch Hygienefachkräfte, durch Ärzte und weitere Fachkräfte sicherzustellen und zu regeln und, das ist gerade in Krankenhäusern mit ihrer feudalen Hierarchiestruktur nach wie vor unbedingt notwendig, Hygienekommissionen einzurichten, die in allen Fachabteilungen, aber auch in den Küchen dafür sorgen, dass die vereinbarten Hygienerichtlinien auch umgesetzt werden, und letztlich die entsprechende Fort- und Weiterbildung des Personals sicherzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, so weit unser Gesetzentwurf. Wir wissen – das vielleicht auch in Richtung SPD –, dass im Rahmen der derzeitigen Gesundheitsreform der Großen Koalition aus SPD und CDU durch das Gesetz zur Wettbewerbsstärkung weitere Belastungen auf die hessischen Krankenhäuser zukommen werden. Dort ist gemeinsam ein pauschaler Sanierungsbeitrag beschlossen worden, der im Jahre 2008 auf alle Krankenhäuser zukommen wird.

Meine Damen und Herren, es ist doch schon jetzt absehbar, dass sich der finanzielle Druck auf die einzelnen Krankenhäuser verstärken wird. Daher frage ich Sie: Wo sollen die Krankenhäuser diesen finanziellen Druck ablassen, wenn nicht im Bereich der präventiven Maßnahmen und damit auch bei der Prävention im Bereich der Hygiene?

Ich sage Ihnen, ein geordnetes Management, regelmäßige Kontrollen, Krisenpläne und regelmäßige Fort- und Weiterbildungen des Personals sind unabdingbar, gerade weil in den Krankenhäusern geschwächte Menschen sowie Menschen mit Infektionskrankheiten liegen, die Anzahl der resistenten Keime steigt und aufgrund der Lebensmittel in der Küche zusätzliche Infektionsrisiken entstehen können. Wir halten zudem eine Stärkung der Patienten- und Verbraucherrechte für unabdingbar, und wir fordern die Aufnahme entsprechender Vertreter in den Landeskrankenhausausschuss.

Ich freue mich, dass es hierfür seitens der Landesregierung deutliche Signale gibt,z.B.in der Antwort von Herrn Staatssekretär Krämer auf meine Kleine Anfrage,Drucks. 16/1949, die wie folgt lautet: „Vor diesem Hintergrund könnte bei einer zukünftigen Novellierung des Hessischen Krankenhausgesetzes erwogen werden, Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter am Landeskrankenhausausschuss teilnehmen zu lassen,da in diesem Ausschuss die grundsätzlichen Angelegenheiten der stationären Versorgung beraten werden.“ Das halten auch wir für richtig, und deswegen schlagen wir Ihnen eine entsprechende Regelung vor.

Ich hatte einleitend gesagt, dass es uns vor allem darum geht, die Verbraucherrechte von Patientinnen und Patienten – gerade auch vor dem Hintergrund des ökonomischen Drucks – zu stärken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Krankenhaushygiene ist Krankheitsprävention. Wir wissen, dass dies immer sehr stark in den Hintergrund gestellt wird. Gerade dann, wenn gerechnet wird, ist festzustellen, dass gesagt wird: Was bringt uns die Prävention? Wie können wir diese wirtschaftlich umrechnen?

Wir kennen dies letztendlich aus allen Bereichen und wissen, dass Prävention Kosten vermeidet und dass sie hilft, dass vermeidbare Kosten nicht anfallen. Deshalb sage ich: Krankenhaushygiene ist Krankheitsprävention. Deswegen muss sichergestellt werden, dass das Wohl der Patientinnen und Patienten über den kurzfristigen ökonomischen Interessen eines Krankenhauses steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist meines Erachtens – ich hoffe, dass Sie darin mit mir einer Meinung sind – die Aufgabe der Politik, die Verlässlichkeit der Krankenhäuser gegenüber den Patientinnen und Patienten sowie das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die hessischen Krankenhäuser wiederherzustellen. Dazu braucht Hessen endlich klare Richtlinien, so wie wir das in unserem Gesetzentwurf, den wir heute eingebracht haben,vorsehen.– Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Danke sehr, Frau Schulz-Asche. – Frau Oppermann, Sie haben nunmehr das Wort für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schulz-Asche, ich will zunächst etwas zum Vertrauen sagen. Wenn Sie den Patientinnen und Patienten sowie der Bevölkerung suggerieren wollen, dass eine Hygieneverordnung die schlimmen Vorfälle in Fulda hätte verhindern können, dann sage ich Ihnen: Sie handeln unverantwortlich.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach, ja!)

Sie verweisen immer darauf, dass es Bundesländer gibt – das haben Sie auch heute gemacht –, die eine Hygieneverordnung haben. Das ist in der Tat so. Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen haben eine Hygieneverordnung.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Hat denn in Nordrhein-Westfalen die Hygieneverordnung dazu geführt, dass sich die Salmonellen im Dortmunder Klinikum abschrecken ließen?

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber dort sind sie innerhalb von zwei Wochen vorbei gewesen!)

Dort sind trotz Hygieneverordnung Patienten und Mitarbeiter erkrankt.

Meine Damen und Herren, in § 10 Abs. 1 des Hessischen Krankenhausgesetzes ist klar geregelt, dass die Krankenhäuser verpflichtet sind, „entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft alle erforderlichen Maßnahmen zur Erkennung,Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen zu treffen“. In Abs. 2 steht die Rechtsgrundlage für eine Verordnung. Hessen hat – ich habe dies eben gesagt, doch ich betone es noch einmal – wie auch 13 andere Bundesländer von dieser Rechtsgrundlage keinen Gebrauch gemacht, da die Richtlinie des Robert-Koch-Instituts aufgrund des Abs. 1 faktisch automatisch umgesetzt wird. Es gilt automatisch der aktuellste Stand der Wissenschaft, und es wurden bereits im Jahre 2001 zusätzliche Leitlinien zum Umgang mit Hygienemaßnahmen vor Ort zur Verfügung gestellt.

Frau Oppermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Spies?

(Anne Oppermann (CDU): Sehr gerne!)

Sehr verehrte Frau Kollegin Oppermann, Sie haben soeben darauf verwiesen, dass die Richtlinie des RKI in Hessen automatisch zum geltenden Recht wird. Ich frage Sie daher: Haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb die Einrichtung eines hauptamtlichen Krankenhaushygienikers, die vom RKI für Krankenhäuser ab einer Größe von 450 Betten empfohlen wird, in einem Krankenhaus mit 930 Betten dennoch nicht umgesetzt worden ist? Können Sie mir erklären, warum weder das örtliche Gesundheitsamt noch die Landesregierung gegen diesen offenkundigen Gesetzesbruch eingeschritten ist?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Spies, da dies nun alles von meiner zehnminütigen Redezeit abgeht, darf ich Sie nur darauf verweisen – ich hoffe, Ihre Erinnerung reicht noch so weit zurück –, dass diese Frage von der Sozialministerin ausführlich und mehr als zwei Stunden lang in der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses beantwortet worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich doch einmal die Zahlen des Robert-Koch-Instituts an, und zwar zu den Erhebungen der Jahre 2005 und 2006. Das Robert-KochInstitut fertigt regelmäßig eine Erhebung über alle meldepflichtigen Krankheiten, alle Bundesländer betreffend, an. Es ist sehr deutlich zu sehen, dass Hessen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt und dass es Länder gibt, die zwar eine Hygieneverordnung haben, aber massiv über dem Bundesdurchschnitt liegen, so auch bei den Salmonellenerkrankungen.

Meine Damen und Herren, wenn man sich mit der Krankenhaushygiene seriös auseinandersetzt, ärgert es mich massiv, dass Sie immer nur § 10 des Hessischen Krankenhausgesetzes zitieren, wohl wissend – ich gehe fest davon aus, dass Sie dies auch kennen, und daher ärgert es mich umso mehr –, dass Sie überhaupt nichts dazu sagen, dass der große Bereich der Krankenhaushygiene neben dem Hessischen Krankenhausgesetz auch im Infektionsschutzgesetz abgebildet wird. Deshalb empfehle ich Ihnen, § 23

Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes zu beachten. Dort wird nämlich zusätzlich geregelt, dass am Robert-KochInstitut eine ständige Kommission für Krankenhaushygiene eingerichtet wird, die „Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern“ erstellt, damit bei der Krankenhaushygiene der neueste Stand der Wissenschaft tatsächlich Berücksichtigung finden kann.