Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

Deshalb – das ist die feste Überzeugung der Liberalen insgesamt im Land – muss das Kapazitätsrecht völlig neu gestaltet werden. Die Fortschritte, auf die sich die Landesregierung und auch die Mehrheitsfraktion in diesem Hause anlässlich des vorgelegten Gesetzentwurfs beziehen, kommen allenfalls im Schneckentempo voran.

Wir, die FDP-Fraktion, fordern, dass die Freiräume, die die Föderalismusreform geschaffen hat,vollumfänglich zu nutzen sind. Es kann doch nicht das Ziel der Neuverteilung der Kompetenzen im Rahmen der Föderalismusreform gewesen sein, dass wir unsere Kompetenz lediglich dazu nutzen, um das abzuschreiben, was auf der Bundesebene geregelt wird, und dies in Landesrecht umzusetzen. Das ist wirklich abstrus. Herr Minister, dann hätten wir keine Föderalismusreform zu machen brauchen.

(Beifall bei der FDP)

Die Kritik der Vertreter der Hochschulen an diesem Punkt ist in der Anhörung deutlich geworden. Herr Prof. Steinberg hat mündlich ausgeführt, dass er mehr als erstaunt sei – wer Prof.Steinberg kennt,weiß,welch harsche Form der Kritik das ist –, dass die Landesregierung nichts Besseres zu tun habe, als das Bundesmodell zu kopieren, und dass dadurch Chancen verpasst würden.

Nein, wir Liberale wollen ein neues Kapazitätsrecht, durch das die Ausbildungskapazitäten in Ziel- und Leistungsvereinbarungen und im Landeshaushalt festgelegt werden.Wir wollen keine Investitionen mehr, die sich nur auf die Quantität auswirken. Wir wollen, dass die Gelder in die Förderung der Qualität investiert werden. Herr Minister, diesem Anspruch wird Ihr Gesetzentwurf nicht gerecht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Jetzt hat Frau Sorge, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich versuche, es noch kürzer zu machen. Ich kann nahtlos an meine Rede von vorhin anschließen. An diesem Gesetzentwurf macht sich nämlich einmal mehr fest, dass der Herr Minister wirklich keine Ahnung von dem hat,was fachlich up to date ist und in der Wissenschaft gerade diskutiert wird; denn – Frau Kollegin Beer hat es gerade angesprochen – –

(Unruhe)

Entschuldigung, Frau Sorge. – Können Sie nicht einfach zuhören? Vielleicht können Sie nachher miteinander reden.Es ist für jeden Redner wirklich ganz schlimm.– Bitte sehr, Frau Sorge.

Danke sehr, Frau Präsidentin. – Ich wollte sagen: In einer Zeit, in der es um Autonomie – –

(Anhaltende Unruhe)

Herr Metz soll auch einmal still sein.

„Herr Metz soll auch einmal still sein“, sagt die Frau Präsidentin. Das nur zur Übersetzung. – In einer Zeit, in der es um die Autonomie, vor allem aber auch um die Profilbildung der Hochschulen geht, in der also jede Hochschule in den verschiedenen Studiengängen ihr eigenes Profil ausbilden soll, ist es wirklich logisch, dass sich die Hochschulen ihre Studierenden mehr und mehr selbst auswählen können; denn die Hochschule muss zu dem Studierenden und der Studierende zu der Hochschule passen.

Die Landesregierung verschläft diese Entwicklung einmal mehr; denn sie will diesen Gesetzentwurf umsetzen, obwohl die Entwicklung eigentlich schon viel weiter ist. Das ist das Absurde.

Es gibt zwei große Absurditäten. Die eine Absurdität besteht darin, dass sich die ZVS längst auf einem anderen Weg befindet und wir hier einen Gesetzentwurf verabschieden, dessen Inhalte schon lange nicht mehr den Tatsachen, die auf der Bundesebene besprochen worden sind, entsprechen.

Die zweite Absurdität ist, dass Sie in dem neuen Hochschulpakt, den Sie mit den Hochschulen selbst abgeschlossen haben, gesagt haben, Sie werden sich für eine Modernisierung,d.h.für eine Outputorientierung des Kapazitätsrechts, aussprechen. Das ist zwar vor gar nicht allzu langer Zeit von Ihnen unterschrieben worden, ist dem Gesetzentwurf aber in keiner Weise anzumerken.

Deswegen lehnen auch wir diesen Gesetzentwurf ab. Da mir das immer sehr wichtig ist, möchte ich ganz kurz noch die Differenzen herausstellen, die wir an diesem Punkt mit der FDP haben.Wir sagen Ja zu der Kritik, die Nicola Beer an diesem Gesetzentwurf angebracht hat.

Aber wir haben eine ganz andere Sicht auf die ZVS. Wir glauben, dass die ZVS auf jeden Fall erhalten bleiben muss, weil sie als Serviceeinrichtung für die Hochschulen wichtig ist und weil nur die – umgestaltete – ZVS gewährleisten kann, dass es zu einer guten Verteilung der Studierenden kommt und dass sich die Studierenden nicht an jeder Hochschule einzeln bewerben müssen. Dadurch würden den Studierenden nämlich Kosten entstehen.Wir hatten vereinzelt Fälle, in denen Hochschulen sogar für eine Bewerbung Gebühren erhoben haben. Das wäre ein Schritt in Richtung weniger Chancengerechtigkeit; denn dann müssten die Studierenden wieder für etwas bezahlen. Dagegen sprechen wir uns aus. Insofern glauben wir, dass die ZVS auf dem richtigen Weg ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Reißer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten in zweiter Lesung den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zum Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen. Hessen kommt damit der Forderung in dem Vertrag, der 2006 unterzeichnet wurde, nach, die Hochschulzulassungen zu regeln und an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Der Staatsvertrag verzichtet auf eine ländereinheitliche Regelung und räumt

damit den Ländern, also auch uns in Hessen, die Möglichkeit ein, eigene Verfahren zur Festsetzung der Zahl der Studienanfängerplätze zu entwickeln. Das kann dadurch erfolgen, dass ein örtlicher Numerus clausus eingeführt wird. Diese Möglichkeit wollen wir in Hessen nutzen.

Unser Ziel ist die Verbesserung der Lehrqualität und ein neues Verhältnis zwischen den Studierenden und der Hochschule. Das ist ein guter Weg. Da Frau Kollegin Sorge den Herrn Minister immer auf eine solch niveaulose Art angreift, möchte ich an dieser Stelle sagen: Es ist dieses Hauses nicht würdig, wie Sie das machen.Verehrte Kollegin, Sie sollten fundierte Argumente bringen, statt immer so dümmlich zu reagieren.

(Beifall bei der CDU)

Der Staatsvertrag räumt uns die Möglichkeit ein, das ZVS-System zu entstauben und im Gegenzug den Hochschulen mehr Freiheit zu gewähren. Das ist das, was wir alle wollen.

Hierzu gehört, dass die Hochschulen das künftig in über 60 % der Fälle selbst regeln können. Das hat auch etwas mit Autonomie zu tun, und das ist richtig an der Stelle. Deswegen wollen wir das hier erwähnt haben.

Darüber hinaus wurden auch die drei Hauptquoten bestimmt, durch die das Verhältnis, in dem das zueinander steht, neu geregelt und neu festgesetzt wird.

Es ist noch einmal festzuhalten, dass der Staat sich zunehmend aus der Detailsteuerung zurückzieht und diese den Hochschulen selbst überlässt. Dies ist Autonomie, und dies wollen wir alle. Das haben wir in diesem Haus schon öfter betont.Wir gehen damit einen nächsten Schritt, den Hochschulen mehr Freiheit zu geben, aber auch ihre Eigenverantwortung zu stärken.

Bei den künftigen Verhandlungen wollen wir unser Augenmerk darauf legen, dass sich die ZVS zu einer Serviceeinrichtung für die Hochschulzulassung weiterentwickelt, hochschulorientierte Dienstleistungen übernimmt und dabei in eine andere Rechtsform überführt wird.

Abschließend möchte ich für die CDU-Fraktion erwähnen, dass wir bei der Umsetzung voll im Zeitplan liegen. Es wird sichergestellt sein, dass dieses Gesetz zum 7. September in Kraft tritt. Ich bitte Sie alle um Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Spies das Wort.

(Norbert Schmitt (SPD): Kurzintervention!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Staatsvertrag zur ZVS ist sicherlich

(Clemens Reif (CDU): Gut!)

kein phänomenaler Durchbruch. Die SPD-Fraktion könnte mit ihm als Zwischenstand durchaus leben, wären nicht die Details des Begleitgesetzes, die allerdings meines Erachtens hinreichend problematisch sind, um am Ende diesen Gesetzentwurf insgesamt abzulehnen.

(Clemens Reif (CDU):Sie sollten langsamer reden! – Gegenruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Sie sollten schneller denken!)

Ich will das an drei Punkten deutlich machen:

Erstens. Es war das Land Hessen, es war Ihr Haus, Herr Minister – da war es allerdings noch nicht Ihres, das will ich gern zugeben –, das für die Frage der kapazitätsbeschränkten Studiengänge in den Neunzigerjahren unter einer rot-grünen Regierung wegweisende Konzepte für eine budgetorientierte, am Kostennormwert, einem aus dem objektiv ermittelten Bedarf her errechnetem Wert, orientierte Studienplatzbemessung und daraus resultierende Studienplatzvergabe entwickelt hat. Davon ist ein Richtwert übrig geblieben, der etwas völlig anderes zur Konsequenz hat, nämlich dass Sie das, was Sie den Hochschulen heute zu wenig bezahlen,in Zukunft zur Norm erklären.

Meine Damen und Herren, ich will auch ganz deutlich machen, warum das ein Problem ist. Denn die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Hessen, die Umsetzung der Bachelor- und Masterstudiengänge in kapazitätsbeschränkten Studiengängen, führt ins krasse Gegenteil dessen, was dabei vorgesehen war. Die Idee des Bologna-Prozesses ist, durch die Modularisierung eine deutlich erhöhte Freiheit der Studierenden zu erzeugen, die nur noch gleichwertige Blöcke studieren müssen und genau nicht mehr in verschulten Studiengängen ein Programm durchziehen müssen. In den kapazitätsbeschränkten Studiengängen, in denen die Kapazität weiter berechnet wird wie bisher,tritt das genaue Gegenteil ein. Die Freiheit der Studierenden wird reduziert, ihre Chance, den Studienort zu wechseln, nimmt ab statt zu. Das Ganze verkehrt sich ins Gegenteil, weil die Hochschulen Studiengänge nur so organisieren können, dass sie die Kapazität vollständig ausschöpfen, und zwar so, wie es gerade zugewiesen ist.

An dieser Stelle führt die Kollision von Kapazitätsrecht und Bologna-Prozess zu einem völlig grotesken Ergebnis. Das lösen Sie weder mit dem Staatsvertrag noch mit dem Begleitgesetz in irgendeiner Art und Weise. Deshalb ist dieses Gesetz ganz sicherlich nicht zustimmungsfähig. Es hält einen Zustand aufrecht, in dem der von uns allen gewollte Bologna-Prozess, der mehr Freiheit in der Auswahl durch die Studierenden bedeuten sollte, der mehr Studienortwechsel ermöglichen sollte, der mehr Internationalität in unsere Hochschulen hineinbringen sollte, ins abstruse Gegenteil verkehrt wird.

Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt. Wenn Sie denn eine hochschuleigene Auswahl von Studierenden wollen – das kann man durchaus diskutieren –, dann allerdings gehören dazu zwei Punkte, die in diesem Gesetzentwurf vollständig fehlen. Auch das muss man vorher klären, bevor man es beschließt. Die erste Frage ist, welche Kriterien denn eine solche Auswahl auf einem den hessischen Hochschulen angemessenem Niveau sicherstellen würden; die zweite, wer den damit verbundenen Aufwand und die Kosten bezahlt. Solange das Land nicht die Mittel zur Verfügung stellt, die nötig sind, um eine hochwertige, den Namen verdienende Auswahl durch die Hochschulen auch nur denkbar erscheinen zu lassen, so lange ist dieses Gesetz auch an der Stelle unzureichend. Deshalb wird die SPD-Fraktion es ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Corts das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 22. Juni 2006 ist dieser Staatsvertrag beschlossen worden. Wir setzen mit der zweiten Lesung jetzt diesen Staatsvertrag um.Mir ist bekannt,dass es durchaus den einen oder anderen Punkt gibt, den man noch fortentwickeln könnte. Ich würde Sie gern alle einladen, so einen Staatsvertrag vorzubereiten, in einer Kultusministerkonferenz Mäuschen zu sein.

(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gern! – Dr. Thomas Spies (SPD): Nächstes Jahr, Herr Minister!)

Sie werden leider auch in der nächsten Legislaturperiode noch keine Möglichkeiten haben. Sie werden sich noch gedulden müssen,

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

um zu sehen, wie schwierig es ist, einen Hochschulpakt 2020 zu verhandeln. Da kann man wunderbar im Landtag so tun, als ob alles zerbrösele.Tatsache ist:Wir haben einiges erreicht, und wir werden etwas erreichen.

Zum Beispiel bei der Frage der Auswahl bin ich über einen Punkt gestolpert: dass Sie, Herr Kollege Spies, wieder zentralistisch Auswahlkriterien festlegen wollen. Überlassen Sie es doch den Hochschulen, die können am besten darüber entscheiden.