Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 17.

(Fortgesetzte Unruhe)

Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, darf ich Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit und Ruhe hier bitten?

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz über die Sicherung von Tariftreue, Fachkunde und Ausbildung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Hessisches Vergabegesetz) – Drucks. 16/7503 –

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs gebe ich das Wort an Frau Ypsilanti, SPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion bringt heute den Gesetzentwurf zur Sicherung der Tariftreue, Fachkunde und Ausbildung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ein.

Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, dass dieses Gesetz dringend notwendig ist, dann hat der Ministerpräsident mit seinem Lieblingsprojekt, der Kellerei am Steinberg, in den letzten Tagen diesen Beweis geliefert.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Was ist passiert? Beim Bau der doch sehr umstrittenen Kellerei am Steinberg wurden rumänische Arbeiter zu Dumpinglöhnen beschäftigt. Nach Recherchen des „Wiesbadener Kurier“ hatten die Arbeiter zwar Verträge unterschrieben, die ihnen je nach Tätigkeit, zwischen 2.700 und 3.400 c monatlich zusichern sollten. Gezahlt hat aber ein Subunternehmer, und zwar anscheinend nur 1.100 bis 1.400 c, und dies bei 240 Arbeitsstunden im Monat, also 60 Stunden in der Woche. Das bedeutet einen Stundenlohn von 5,80 c.

(Norbert Schmitt (SPD): Skandalös!)

Und das auf einer Baustelle der Staatsweingüter, deren – wie wir alle wissen – Aufsichtsratsvorsitzender der Hessische Ministerpräsident ist. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sich auch nicht damit herausreden, dass ein seriöses deutsches Bauunternehmen beauftragt wurde. Wir alle wissen, dass alle diese Bauunternehmen natürlich mit Subunternehmen arbeiten, und eigentlich kennen auch alle die Kalkulationen, die einem solchen Bauprojekt zugrunde liegen.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Deshalb hat mein Kollege Thorsten Schäfer-Gümbel recht, wenn er sagt: Eine Kalkulation, die stillschweigend oder offen mit Dumpinglöhnen rechnet, ist eine Schande für das Land und für ein landeseigenes Unternehmen.

Deshalb brauchen wir ein Vergaberecht – damit endlich ordentlich kalkulierende Unternehmen mit ihren Beschäftigten nicht länger einem Wettbewerb um die niedrigsten Löhne ausgesetzt sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, monatlich 1.100 c bei 60 Wochenstunden, das ist Ausbeutung auf niedrigstem Niveau – und das mit Menschen, die hierher kommen und wahrscheinlich nicht die deutsche Sprache sprechen und sich mit unseren Gesetzen auch nicht auskennen.

(Beifall bei der SPD)

Was wir brauchen, sind gleiche Bedingungen für alle Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben. Die sollen nach den geltenden Tarifbeträgen zahlen und sich an normalen Arbeitszeiten orientieren.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Gegenwärtig werden diejenigen Unternehmen beauftragt, die den günstigsten Preis bieten. Das bedeutet zwangsläufig, dass hessische Unternehmen, die tarifgerechte Löhne zahlen, ins Hintertreffen geraten.

(Norbert Schmitt (SPD): Genauso ist es!)

Genau das wollen wir zukünftig durch dieses Gesetz unterbinden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir rechnen damit – der Ministerpräsident hat es schon angekündigt –, dass Sie das unterstützen, meine Damen und Herren von der CDU.

Von diesem Gesetz werden viele profitieren. Eigentlich gibt es bei diesem Gesetz nur Gewinner. Natürlich wird das hessische Handwerk davon profitieren, weil die

Unternehmen endlich wieder in einen Wettbewerb um Qualität einsteigen können.Die Mitarbeiter dieser Unternehmen werden davon profitieren, weil sie damit rechnen können, dass sie zu Tariflöhnen bezahlt werden, von denen sie auch wieder leben können. Die öffentliche Hand wird davon profitieren, weil ortsansässige Unternehmen wieder mehr Chancen haben, Aufträge zu erhalten, und im Zuge dessen sichert das natürlich auch die Aufkommen aus der Gewerbesteuer und aus der Lohn- und Einkommensteuer.

Dieses Gesetz wird auch eine Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit sein. Denn wenn die ortsansässigen Handwerker und Unternehmen wieder Aufträge erhalten, können sie auch wieder Mitarbeiter aus der Region beschäftigen.Wir haben also bei diesem Gesetz nur Gewinner.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nun hat sich aber sehr schnell Herr Weidemann von der VhU zu Wort gemeldet und von einem „unverhältnismäßigen Eingriff“ in die Unternehmensentscheidungen gewarnt.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, es reicht nicht, zu glauben, man beauftrage ein seriöses deutsches Unternehmen,sondern wir brauchen an dieser Stelle zukünftig auch mehr Kontrolle.Auch die geht mit diesem Gesetz einher.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich frage mich da schon, ob Herr Weidemann wirklich für alle Unternehmen spricht und nicht etwa nur für eine Handvoll Funktionäre. Denn wir wissen, die Handwerkskammer in Frankfurt und die mittelständischen Unternehmen unterstützen unsere Initiative.

Die in diesem Gesetz zu verankernde Kontrolle muss zwingend auch die Subunternehmen einbeziehen, sonst ist dessen Umgehung von vornherein Tür und Tor geöffnet.Auch das wissen wir.

Der von unserem Gesetz geforderte Kontrollaufwand – auch den hat Herr Weidemann beklagt – hält sich wirklich in Grenzen. Beispielsweise haben wir einen Schwellenwert von 25.000 c angesetzt. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das ein relativ hoher Wert.Bereits jetzt ist,wie wir wissen, bei allen Aufträgen ein hoher Aufwand erforderlich, bedingt durch das Vergaberecht der EU und der Vermeidung von Korruption.Das heißt,durch das von uns vorgelegte Gesetz entsteht nur ein minimaler zusätzlicher Aufwand.

Wir wissen auch, dass damit noch nicht jedes Problem gelöst ist. Nebenbei bemerkt: Hier tangiert diese Debatte auch die Diskussion über den Mindestlohn; Tariftreue heißt nicht, dass Löhne gezahlt werden, von denen die Menschen leben können. Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Menschen, die eine Vollzeitbeschäftigung haben, von dem, was sie verdienen, wieder leben können müssen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb fordere ich den Hessischen Ministerpräsident an dieser Stelle noch einmal auf, darüber nachzudenken und seinen erbitterten Widerstand gegen den Mindestlohn aufzugeben. Der Mindestlohn ist bitter notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Der Wirkungsbereich unseres Gesetzentwurfs ist im Vergleich zum Wirkungsbereich der Gesetze anderer Länder größer. Wir haben neben der Baubranche auch den öffentlichen Personennahverkehr, das Reinigungswesen, Gebäudereinigungsdienstleistungen, die Abfallwirtschaft sowie die Fort- und Weiterbildung aufgenommen; denn das sind die Branchen, in denen im Moment die gravierendsten Missstände auftreten. Dort besteht der dringendste Handlungsbedarf.

Unser Gesetzentwurf bezieht sich übrigens nicht nur auf die Landesebene. Vielmehr wollen wir ihn auch auf die landeseigenen Betriebe und solche mit Mehrheitsbeteiligung des Landes angewendet wissen. Wir wollen allerdings, dass auch die kommunale Ebene erfasst wird; denn wir wissen, dass die kommunale Ebene bei der Vergabe viel größere Summen ausgibt als die Landesebene. Es muss dringend verankert werden, dass die kommunale Ebene mit dazugehört.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben übrigens von der kommunalen Ebene sehr viel positive Resonanz bekommen. Die kommunale Ebene will nämlich mit ihren Handwerksbetrieben vor Ort arbeiten, nicht mit irgendwelchen fremden Betrieben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben ein zusätzliches Kriterium aufgenommen – auch das finde ich wichtig –, das den Ausschlag geben soll, wenn gleichwertige Angebote abgegeben werden. Wir wollen, dass, wenn gleichwertige Angebote abgegeben werden, die Unternehmen zum Zuge kommen, die junge Leute ausbilden.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass wir hier ein massives Problem haben. Viele junge Leute in diesem Land haben keinen Ausbildungsplatz. Viele sind schon ewig lang in einer Warteschleife.Viele besuchen eine Vollzeitberufsschule, obwohl sie lieber einen Ausbildungsplatz hätten. Deshalb sind wir der Meinung, dass dieses Kriterium in einem Tariftreuegesetz durchaus seine Berechtigung hat.

Ein Gesetz zur Einhaltung der Tariftreue ist unseres Erachtens überfällig. Diese CDU hat in der Vergangenheit übrigens alles getan, um ein solches Gesetz zu verhindern. Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt behaupten, Sie würden dabei mitmachen, kann ich Ihnen nur sagen: Unser Gesetzentwurf ist mit den Gewerkschaften abgestimmt. Unser Gesetzentwurf beinhaltet alles, was ein Tarifvertragsgesetz braucht. Deshalb müssen Sie nicht weiterarbeiten. Schließen Sie sich unserem Gesetzentwurf an. Dort sind Sie wirklich gut aufgehoben.

(Beifall bei der SPD)