Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Herr Kollege Posch,ich bitte Sie,zum Schluss zu kommen.

Ich habe gar nicht nach der Zulassung einer Zwischenfrage gefragt. Ich wollte Sie lediglich darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit vorbei ist. Das wird ja wohl noch zulässig sein. Kommen Sie bitte zum Schluss.

(Heiterkeit – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sagt der Nein!)

Tut mir leid. Dann werde ich die letzten Sekunden noch ausnutzen.

Meine Damen und Herren, diese Flucht aus der Tarifbindung ist ein gesamtgesellschaftliches Problem für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.Wir Liberale sagen nur:Wir sind nicht der Auffassung, dass dieses Defizit innerhalb der Tarifvertragsparteien durch gesetzliche Lösungen beseitigt werden soll. Ich habe am Beginn davon gesprochen, dass es um Einkommenssicherung geht und dieses Problem nicht über die Löhne geregelt werden kann. Für die Einkommenssicherung sind die sozialen Sicherungssysteme entscheidend. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Oh! – Norbert Schmitt (SPD): Das erste Mal, dass die FDP nach dem Staat ruft! Sehr interessant!)

Vielen Dank, Herr Kollege Posch. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Kollegin Fuhrmann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Posch, die FDP hat ihre altbekannte Position, und dabei bleibt sie. Das hat uns jetzt auch nicht weiter verwundert.

Ich will Ihnen nur noch zwei Beispiele geben, wo vorhandene Strukturen schlicht kaputtgeschlagen werden.

Erstes Beispiel. Sie werden sich noch daran erinnern – ich erinnere mich jedenfalls daran; das war noch zu rot-grünen Regierungszeiten –, dass die Kampfmittelräumung anders vergeben werden musste. Tatsache war: Diejenigen, die die Vergabe gewonnen haben, hatten keine Ortskenntnis und hatten zunächst keine Kenntnis von den Fliegerbomben, die hier in diesem Gebiet lagen. Aber sie waren eben sehr viel billiger und haben dann die Fachkräfte der anderen Firma,die Insolvenz anmelden musste, übernommen, allerdings zu 30 oder 40 % weniger Lohn.

Zweites Beispiel. Wenn Sie heute über Aus- und Weiterbildung sprechen, dann sprechen Sie – auf Deutsch gesagt – über einen Lohndumpingsektor,der sich gewaschen hat. Da haben Sie nämlich auch Anbieter, die die Ausschreibung gewinnen,weil sie untertariflich zahlen.Hier werden Menschen arbeitslos, und es werden Leistungen von Firmen eingekauft, die schlicht keine Ortskenntnis, keine Infrastruktur und überhaupt nichts haben. Herr Posch, da müssen wir einschreiten. Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass solche Schmutzkonkurrentenverhältnisse nicht unterstützt, sondern beendet werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau! Das hat nämlich nichts mit fairem Wettbewerb zu tun!)

Deswegen wollen wir ein Hessisches Vergabegesetz.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Fuhrmann. – Herr Posch hat Gelegenheit zur Antwort.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Fuhrmann hat Herrn Posch noch einmal zwei Minuten Redezeit verschafft!)

Frau Kollegin Fuhrmann, das gibt mir Anlass, nochmals deutlich zu machen – deswegen habe ich ja versucht, darauf einzugehen –, dass das Grundanliegen, eine Einkommenssicherung sicherzustellen, von uns geteilt wird. Wir streiten uns nur über die Frage des Weges.

Ich habe versucht auszuführen, dass das Vergaberecht nicht der richtige Weg ist. Ich könnte Ihnen eine Vielzahl von Beispielen nennen – Sie haben jetzt auch einige genannt –, bei denen ich ebenfalls die Vergabeentscheidung kritisiere. Vor Kurzem ist mir in einem Gespräch im Bereich des ÖPNV gesagt worden, dass an eine Stelle jwd eine Vergabe erfolgt ist, die für mich unter wirtschaftlichen Aspekten völlig unsinnig ist, weil ich vorhersehen kann: Wenn ich diesen Auftragnehmer vom Bodensee nehme, dann mag der Preis marginal etwas geringer sein, aber die Vergabe ist nicht sachangemessen.

Ich glaube, dass wir die Frage der richtigen, der günstigen Vergabeentscheidung problematisieren müssen. Ich weiß noch sehr genau, wie solche kommunalen Entscheidungen getroffen werden.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Eben, die müssen sich rechtfertigen!)

Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir dies analysieren müssen. Ich komme zu dem Ergebnis, dass Ihre

Realisierung über den Gesetzesweg nicht der richtige Weg ist. Dabei bleibt es bei uns.

(Petra Fuhrmann (SPD): Wo ist denn Ihr Weg? – Andrea Ypsilanti (SPD): Reden reicht nicht!)

Vielen Dank, Herr Kollege Posch. – Nun hat der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Herr Al-Wazir, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf das eingehen, was der Kollege Posch hier gesagt hat.

Zuallererst bin ich verwundert darüber, dass eine Partei, die sich immer den Wettbewerb auf die Fahnen geschrieben hat, ein solches Gesetz ablehnt.

(Norbert Schmitt (SPD): Genau so ist es!)

Denn dieses Gesetz hat nichts anderes als fairen Wettbewerb zum Ziel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Um ein Beispiel von heute Vormittag zu nehmen: Die FDP hat hier einen Setzpunkt Doping beantragt.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Minister wird gleich Walter Eucken zitieren, nehme ich an!)

Hier geht es jetzt um nichts anderes, als dass wir wollen, dass für alle, die an solchen Ausschreibungen teilnehmen, dieselben Bedingungen gelten, d. h., dass Einzelne nicht gedopt sind – um es umgangssprachlich auszudrücken.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich finde, eigentlich müsste da die FDP sagen: Ja, die Schaffung gleicher Bedingungen für alle sichert überhaupt erst fairen Wettbewerb. Denn momentan erleben wir, dass einige zu besseren Bedingungen als andere an den Start gehen und dass genau das zu Wettbewerbsverzerrungen führt, an denen wir eigentlich alle kein Interesse haben können.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Genau!)

Zweiter Punkt. Stichwort Steinberg. Herr Posch, natürlich ist das, was auf dem Steinberg passiert ist, erstens ein Skandal und zweitens auch jetzt schon ein Rechtsverstoß gegen das Entsendegesetz.Drittens hätten Sie doch,wenn Sie sich unseren Gesetzentwurf genau angeschaut hätten, gesehen: Wir regeln darin den Ausschluss des Betreffenden für drei Jahre von öffentlichen Aufträgen. Das gilt für alle, auch für Sub- und Nachunternehmer. Die Frage ist doch,ob dann nicht Firmen sehr genau darauf achten würden, dass solche Zustände nicht mehr vorkommen, weil sie genau wissen: Wenn sie erwischt werden, sind sie für drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Insofern,Herr Boddenberg,ist es die Frage,ob ein solches Gesetz nicht doch einen Beitrag dazu leistet, dass solche Dinge, wie sie am Steinberg vorgekommen sind, in Zukunft nicht mehr vorkommen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Um das zu realisieren, brau- chen wir das Gesetz nicht!)

Dritter Punkt. Sie haben erwähnt, dass der Billigste nicht immer der Günstigste sein muss.Wir haben in diesem Gesetzentwurf den Vorschlag gemacht, dass Anbieter, die 10 % günstiger sind als der nächstgünstige Anbieter, dazu verpflichtet werden können, ihre Kalkulation offenzulegen. Ich glaube, auch das zeigt, wie man dafür sorgen kann, dass es fairen Wettbewerb gibt

(Michael Boddenberg (CDU): Das kann in der Praxis keiner nachvollziehen, glauben Sie es mir! Wer soll denn das nachvollziehen?)

und man am Ende nicht das Problem bekommt, dass Ihnen der Anbieter, dem Sie den Auftrag geben mussten, weil er der billigste war, im Laufe des Bauverfahrens pleitegeht oder Sie am Ende mit irgendwelchen Nachforderungen kämpfen müssen, die dazu führen, dass, wie Herr Posch gesagt hat, der billigste nicht immer der günstigste ist.

Insofern müsste man, finde ich, eigentlich über diesen Gesetzentwurf vonseiten aller hier ernsthafter und offener diskutieren. Denn das Problem, das wir damit angehen wollen, ist doch ein gesellschaftlich hochrelevantes Problem, nämlich dass wir in bestimmten Bereichen einen zum Teil höchst ruinösen Wettbewerb haben,

(Zuruf des Abg. Dieter Posch (FDP))

in dem am Ende alle verlieren: die Sicherungssysteme, die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer und in letzter Konsequenz dann auch der Staat, weil man das, was man kurzfristig spart, am Ende über Aufstocker, Hartz IV oder sonst auf irgendeine Weise wieder ausgeben muss. Deshalb sollten wir ein bisschen ernsthafter über diesen Vorschlag von SPD und GRÜNEN reden, als das bisher von Herrn Boddenberg und Herrn Posch gemacht worden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Posch, Sie haben so getan, als sei dieses Gesetz quasi der Beginn des Sozialismus.

(Dieter Posch (FDP): Ich kann mich an diese Worte nicht erinnern! Ist das eine Wahrnehmungsstörung?)

Ich will Ihnen nur sagen: Das ist doch nicht allein unsere Idee. Es gibt inzwischen ein Vergabegesetz in Bayern. Bayern ist mir bisher nicht als Vorhof des Sozialismus bekannt. Es gibt ein Vergabegesetz in Berlin.

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist schon etwas näher dran!)