Ich möchte auch den Experten aller Fraktionen danken. Die fachlichen Inputs,die wir erhalten haben,waren meist interessant.
Zumindest für mich war die Teilnahme an dieser Enquetekommission sehr gut. Ich habe in dieser Enquetekommission sehr viel gelernt und würde die Zeit ungerne missen wollen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sabine Waschke (SPD) und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))
Ich hatte es bereits leicht angedeutet. Ich möchte noch einmal sagen, dass ich es schade fand, dass die Kommunalen Spitzenverbände, die eigentlich Teil der Kommission waren, sehr selten an den Sitzungen der Enquetekommission teilgenommen haben.
Ich habe das jetzt vorsichtig ausgedrückt. Ich finde:Wenn wir über den demografischen Wandel in Hessen diskutieren, dann sollten wir nicht nur über das Konnexitätsprinzip diskutieren.Vor allem sollten wir auch darüber diskutieren, wie eine Kooperation in vielen gesellschaftlichen Bereichen zwischen dem Land und den Kommunen möglich und wie die interkommunale Kooperation besser wird.
Wir werden älter, wir werden weniger, wir werden bunter. Wir sind dieses Thema nicht hysterisch angegangen. Wir haben festgestellt, dass der demografische Wandel natürlich die Folge des gesellschaftlichen Fortschritts ist.
Lassen Sie mich davon nur eines nennen. Das Bildungsniveau der Frauen hat erheblich dazu beigetragen, dass die Geburtenrate zurückgegangen ist. Wir wissen, dass die Lebenserwartung gestiegen ist.Wir wissen, dass die Säuglingssterblichkeit zurückgegangen ist.All das sind positive Entwicklungen.
Von Anfang an bestand deswegen Einigkeit darüber, dass wir versuchen, auch mit den Handlungsmaßnahmen darauf hinzuwirken, dass in Hessen ein selbstbestimmtes und gutes Leben möglich ist. Wir wollten das Thema Demografie auch zu einer Frage der Gerechtigkeit machen, und zwar zu einer Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen, zwischen den Geschlechtern und der Teilhabe aller Hessinnen und Hessen.
Hinsichtlich der Demografie gibt es zwei Stellschrauben. Wenn man an ihnen dreht, wirkt sich das direkt auf die Statistik aus. Zum einen ist dies die Geburtenrate. Um diese Geburtenrate herum gibt es ganz viele gesellschaftliche Entwicklungen. Darüber hinaus haben wir die Migrationsbewegungen, und zwar sowohl innerhalb Deutschlands als auch über die Grenzen hinweg.
Dies sind die Faktoren, die beeinflusst werden können. Ich bin deswegen sehr froh, dass es uns wirklich gelungen ist, die Debatten in der Familienpolitik und hinsichtlich der Integration zu entideologisieren. In diesen wesentlichen Handlungsfeldern haben wir eine realistische Bestandsaufnahme vorgenommen. Bei dieser Bestandsaufnahme haben wir fast überall Konsens erzielt.
Ich denke, dass wir uns auch hinsichtlich der Lösungen sehr pragmatisch verhalten haben. Wir haben einfach gesagt: Jede Partei und jede Fraktion präferiert unterschiedliche Lösungsstrategien, lasst sie uns nebeneinanderstellen, statt mühsam zu versuchen, einen Konsens herzustellen. Wenn Sie sich die Lösungsstrategien anschauen, wird Ihnen deutlich werden, wie weit dort inzwischen Übereinstimmung herrscht. Das gilt insbesondere für die kommunale Ebene.
Das ist für mich auch sehr typisch: Während der Zeit der Arbeit der Enquetekommission haben alle Fraktionen, aber am meisten vielleicht noch die der CDU, einen weiten Weg zurückgelegt, um in der Gegenwart anzukommen. Heute, im Jahr 2007, können wir feststellen, dass der Begriff „Kinderfreundlichkeit“ in aller Munde ist. Das kann man unter anderem darauf zurückführen, dass Frau von der Leyen das auf der Bundesebene sehr stark thematisiert hat.
Eigentlich herrscht Konsens darüber, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein ganz wesentliches Ziel ist, das erreicht werden muss. Das muss für junge Menschen realisiert werden. Heute besteht ein Konsens darüber, dass die frühkindliche Bildung und die flächendeckende Betreuung der Kinder ganz wesentliche Voraussetzungen dafür sind, dass junge Menschen ihren Kinderwunsch realisieren können. Ich denke, damit ist wirklich ein weiter Weg in der gesellschaftlichen Debatte zurückgelegt worden.Auch da setzt die Enquetekommission ein gutes Zeichen.
Das ist wirklich nicht lange her. Deswegen sollte man das noch einmal erwähnen. Ich meine jetzt gar nicht die einzelne Person.Als ich im Jahr 2003 hier im Landtag anfing, hielt einer meiner Kollegen hier im Hause eine Rede, in der er von einer „Pflichtkarriere“ sprach, die von der Krippe über den Kindergarten und die Ganztagsschule in den Jugendknast führe. Dass wir solche Argumentationen hinter uns gelassen haben, ist eine positive Entwicklung. Ich möchte Sie somit gerne alle in der Gegenwart begrüßen.
Ich möchte auf einen weiteren Aspekt zu sprechen kommen, der im Zusammenhang mit der Geburtenrate steht. Wir haben viele Entwicklungen in anderen europäischen Ländern betrachtet und Vergleiche angestellt. Dabei ha
ben wir einen ganz wesentlichen Aspekt festgestellt: In den Ländern der Europäischen Union, die eine hohe Geburtenrate oder zumindest eine höhere als Deutschland haben, gibt es sehr hohe Erwerbsquoten der Frauen. Dort gibt es auch einen sehr hohen Anteil der Frauen in den Führungspositionen der Wirtschaft und der Politik. Dies hängt miteinander zusammen.
Wir werden nachher noch über die Vorlage der Landesregierung zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes diskutieren.Da wird dann deutlich werden, welche Wege noch vor uns liegen, damit wir zu der Situation kommen, die es Frauen ermöglicht, Familie und Beruf tatsächlich miteinander zu vereinbaren. Das muss auch dadurch erreicht werden, dass die Männer in diesen Prozess einbezogen werden. Dabei kann man nicht ausschließlich auf die Frauen und die Teilzeitarbeit der Frauen rekurrieren. Vielmehr müssen dort tatsächlich auch die jungen Väter einbezogen werden.
Wir wissen also, dass die niedrige Geburtenrate in Deutschland vielleicht gar kein demografisches Problem, sondern eher ein demokratisches Problem ist. In vielen Bereichen haben wir nach wie vor Strukturen, die Frauen daran hindern, ihre individuellen Wünsche umzusetzen. Das gilt zunehmend auch für junge Männer, die sich für die Arbeit in der Familie interessieren. Wir haben damit letztendlich also Strukturen, die die Gründung einer Familie behindern.
Das muss sich dringend ändern. Es ist die Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den jungen Menschen die freie Wahl tatsächlich ermöglichen. Frauen müssen stärker in das Erwerbsleben und auch in die Führungsebenen integriert werden können. Das ist auch eine Aufgabe der Unternehmen und nicht nur eine der Politik. Es kommt aber auch darauf an, dass die Politik das Entstehen eines solchen Klimas forciert und unterstützt.
Ich hatte es schon angedeutet:Wir haben nach wie vor das Problem, dass wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel zu sehr als eine Sache der Frauen ansehen. Natürlich bedarf es bestimmter Maßnahmen, um Frauen konkret zu fördern. Eine hohe Erwerbsquote bei den Frauen bedeutet aber auch, dass die Männer von ihrer traditionellen Rolle des Haupt- oder Alleinverdieners Abschied nehmen müssen.
Es kommt auch darauf an, durch Maßnahmen z. B. im Steuerrecht dafür zu sorgen, dass das eine Geschlecht nicht bevorteilt bzw. das andere Geschlecht nicht aus dem Berufsleben verdrängt wird. Hier gibt es noch riesigen Handlungsbedarf.Da stehen wir erst ganz am Anfang dessen, was notwendig ist.
Deswegen lassen Sie mich abschließend zur Geburtenrate sagen: Wenn wir an morgen denken – das hat Kollege Spies schon gesagt –, dann müssen wir die Kinder in den Mittelpunkt stellen, dann müssen wir die Kinder von Anfang an fördern. Wir müssen familiäre Vielfalt akzeptieren.Wir müssen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch von Vätern als Leitbild der Gesellschaft anerkennen, und wir müssen die Geschlechtergerechtigkeit im Beruf tatsächlich erreichen, und zwar durch eine vernünftige Beteiligung am Erwerbsleben, aber auch durch vernünftige Unterstützung bei der Karriereplanung.
Eine Gesellschaft verändert sich nicht nur von unten nach oben, sondern auch von oben nach unten. Das sollten wir, gerade wenn wir an Geschlechtergerechtigkeit denken, auch zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln.
Ein weiterer Punkt. Ich denke, dass sich viele in diesem Haus an sehr stimmungsvolle und sehr aggressive Diskussionen über die Frage von Zuwanderung und Integration erinnern. Ich möchte nicht alte Sachen aufwärmen, sondern nur zwei Zitate aus dem Abschlussbericht der Enquetekommission anführen, die zeigen, wie lang der Weg war, um in der Gegenwart anzukommen und einfach Realität hier im Konsens festzustellen. So heißt es auf Seite 53:
Insgesamt kann man feststellen,dass es unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, fast 8 Millionen Menschen vergleichsweise konfliktfrei in Deutschland aufzunehmen.
Eine gesteuerte Zuwanderung muss als eine positive Chance begriffen werden, die zur Entwicklung und Prosperität des hessischen Wirtschaftsstandortes in der Mitte Europas beiträgt und für die Bevölkerungsentwicklung nachhaltig unterstützende Effekte hat.
Ich denke, dass hier deutlich wird, wie wichtig es ist, auch über Einwanderung und Zuwanderung zu sprechen. Ich denke, dass die Arbeit der Enquetekommission dazu beigetragen hat, auch diese Debatte zu entideologisieren, um hier für Lösungen arbeiten zu können,die an morgen denken.
So, wie wir den weitgehenden Konsens in der Problemanalyse hatten, haben wir natürlich Unterschiede in den Handlungsempfehlungen. Ich möchte nur ganz kurz – weil ich denke, dass es auch besser ist, den Bericht im Ganzen zu lesen – auf den Bereich Umwelt und Verkehr eingehen.
Hier wird sehr deutlich, wie wichtig es ist, sich gerade heute mit Investitionen für morgen zu befassen und zu überlegen, dass man nicht weiter in Betonlösungen die Zukunft sieht, sondern wirklich durch clevere Infrastrukturen für morgen die Einbeziehung von sozialen Komponenten und gerade im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs neu denkt. Dazu gehören weiter dezentrale Versorgungssysteme, z. B. im Bereich von Strom und Wärme. Ich denke, hier ist es notwendig, dass man mit sehr viel innovativen Ideen versucht, vor Ort zu handeln.
Damit das geschehen kann, lassen Sie mich einen letzten Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ansprechen. Das ist die Beteiligung der Bevölkerung an diesen ganzen Prozessen. Ich glaube, dass die Herausforderungen, die sich tatsächlich ergeben, darauf aufbauen müssen, dass es einen ganz engen Dialog, eine ganz starke Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger vor Ort gibt. Ich denke, dass eine Demokratisierung der Umgangsformen die Möglichkeit von Bürgerinnen und Bürgern verstärken muss, sich einzubringen. Auch das ist ein Gebot der Stunde, wenn wir hier die Zukunft gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern gestalten wollen.
Da ich glaube, dass diese Partizipation der Bevölkerung ein ganz wesentlicher Punkt, eine ganz große Herausforderung für die Politik vor Ort ist, möchte ich Sie bitten, sehr viel Werbung für diesen Bericht zu machen, denn er bietet die Gelegenheit, parteiübergreifend in diesen Dialog einzusteigen.Wir wissen, dass es bereits viele Akteure gibt, die mit partizipativen Ansätzen versuchen, in vielen Gemeinden den Prozess der Bürgerbeteiligung zu unterstützen.
Deswegen möchte ich Sie bitten: Machen Sie Werbung für diesen Enquetekommissionsbericht. – Wenn man nicht in die Fachdetails geht,wo man sagt:„Das kenne ich doch alles, das ist alles gar nicht neu“, sondern wenn man ihn als Ganzes betrachtet, wenn man die verschiedenen Handlungsfelder ansieht, dann ist das ein sehr lesbares Instrument, das wir benutzen können, um für Politik zu werben und die Bürgerinnen und Bürger dazu einzuladen, diesen Prozess aktiv mitzugestalten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Nächster Redner ist der Kollege Beuth für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich im Namen der CDULandtagsfraktion und im Namen der Kolleginnen und Kollegen, die aus unseren Reihen die Enquetekommission begleitet haben, auch sehr herzlich bei unserem Vorsitzenden Rolf Müller bedanken
dem großen Vorsitzenden Rolf Müller. Ich kann kaum überbieten, was die Kollegin Schulz-Asche und der Kollege Spies bereits gesagt haben:Lieber Rolf,ein herzliches Dankeschön für deine Sitzungsführung und Sitzungsleitung. – Ich möchte mich aber auch sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die nicht nur unmittelbar in der Enquetekommission, sondern auch darüber hinaus mitgeholfen haben.Es war sowohl bei uns,aber auch bei den kleineren Fraktionen von FDP und GRÜNEN natürlich notwendig, dass die Fachpolitiker dahinterstanden, mitgearbeitet und geholfen haben, damit wir einen solchen Bericht auf die Beine stellen konnten. Ich glaube, dass er sich am Ende sehen lassen kann.
Meine Damen und Herren, dass diese Arbeit, die wir in der Enquetekommission geleistet haben, hochgradig überzeugend war, ist schon angedeutet worden. Bei Frau Dr. Lindemann hat das nachhaltig gewirkt, wenn ich das so sagen darf. Aber bei unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin – etwa bei Frau Engelhardt – steht noch alles bevor; auch das möchte ich hervorheben.