Ich empfehle, dass wir uns darüber unterhalten und gemeinsam weiter dafür streiten, dass die Kompetenzen vor Ort angesiedelt sind, dass die Unterstützung vor Ort stattfindet und dass es keine Gängelung durch Verordnungen gibt, weder vom Bund noch von anderer Stelle. Stattdessen sollen die Menschen unterstützt werden. Dafür steht auch die Landesregierung in ihrer Begleitung sowohl der Arbeitsgemeinschaften als auch der Optionskommunen. Das werden wir auch in Zukunft fortsetzen.
Frau Ministerin, vielen Dank. Das war eine Punktlandung,genau nach fünf Minuten.– Damit ist die Große Anfrage der SPD betreffend Umsetzung von Hartz IV in Hessen besprochen.
Große Anfrage der Abg. Faeser, Hartmann, Hofmeyer, Rudolph, Siebel,Waschke (SPD) und Fraktion betreffend Situation von Kindern und Jugendlichen ohne gesicherten Aufenthalt – Drucks. 16/7300 zu Drucks. 16/6403 –
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion hat in ihrer Großen Anfrage die Situation von Kindern und Jugendlichen ohne Status aufgegriffen.Es geht uns nicht darum,einen irregulären Aufenthalt zu stabilisieren. Das möchte ich gleich zu Anfang sehr deutlich sagen. Es geht uns vielmehr darum, Missstände aufzuzeigen sowie pragmatische und menschenwürdige Lösungen zu finden, ganz besonders für unschuldige und wehrlose Kinder. Nur darum geht es uns.
Nehmen wir das Beispiel „Recht der Kinder auf Bildung“. Laut § 96 Aufenthaltsgesetz macht sich der zuständige Schulleiter „möglicherweise strafbar“, wenn er gegen die Meldefrist verstößt. In Hessen macht er sich ausdrücklich strafbar und hat mit dienstrechtlichen Sanktionen zu rechnen.
Frau Wolff als Kultusministerin hat die Lage mit ihrem Erlass vom Oktober 2005 verschärft. Das ist für mich keine Klarstellung der Rechtslage, wie uns die Kultusministerin in ihrer Antwort auf die Große Anfrage glauben machen will. Vielmehr ist das für mich eine ganz klare Verschärfung der Rechtslage aus ideologischen Gründen. Niemand fragt dabei nach der Situation der Kinder.
Alle Fachleute bescheinigen uns, dass die sozialen Folgekosten jedes einzelnen Falls immens sind. Es ginge aber auch anders, wenn man es denn wollte. Es gibt ausdrück
lich keine gezielte Weisung an Schulleiter,Aufenthaltstitel zu prüfen. Das sagt der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening. In Frankfurt sucht derzeit eine Arbeitsgruppe Wege, um Kindern und Jugendlichen ohne Aufenthaltsstatus den Schulbesuch zu ermöglichen.
Die Antworten der Landesregierung auf die entsprechende Frage in der Großen Anfrage sind aber sehr interessant. Ich zitiere:
Soweit sich... gewisse Einschränkungen für Kinder und Jugendliche ohne Aufenthaltsstatus ergeben, ist darauf hinzuweisen,dass diese ohne Weiteres die Rechte von Geduldeten in Anspruch nehmen können, wenn deren gesetzliche Vertreter sich und sie der zuständigen Behörde offenbaren.
Welch ein christliches Menschenbild verbirgt sich eigentlich hinter dieser Antwort? Bei der Gesundheitsvorsorge sieht es in Hessen für die Kinder nicht sehr viel besser aus. Die Landesregierung antwortet uns folgendermaßen:
Für illegal aufhältige Kinder und Jugendliche ist eine staatliche Gesundheitsvorsorge nicht vorgesehen.
Die Landesregierung sieht auch keinen Anhaltspunkt,um an diesem Umstand etwas zu ändern. Jeder, der Kinder hat, weiß um die Krankheiten: Zahnschmerzen, Masern und vieles andere mehr. Manche Krankheiten sind gefährlicher, manche sind sogar lebensbedrohend. Die Eltern haben Angst vor Entdeckung und bringen ihre Kinder daher nicht zum Arzt. Das ist eine menschliche Katastrophe.
Die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände bemühen sich in diesen Fällen intensiv, ärztliche Hilfe zu organisieren. Auch die Kommunen versuchen, in der Gesundheitsvorsorge einiges zu organisieren, weil sie die prekäre Situation erkannt haben. Frankfurt ist ein Beispiel dafür.
Aber die Hessische Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Sie lässt die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände und in diesem Fall auch die Kommunen mit dem Problem allein.
Aber zum Schluss möchte ich die verantwortliche Regierung – das geht jetzt an die entsprechenden Minister – auffordern, sich im Sinne der Kinder endlich um eine ernsthafte und dauerhafte Lösung zu bemühen. – Vielen Dank.
Das kann man sowieso nicht lesen. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD zur Situation von Kindern und Jugend
lichen ohne gesicherten Aufenthalt wurde beantwortet und ist heute zu besprechen, wenn auch in der gebotenen Kürze. So ist es von den Geschäftsführern vorgegeben.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Im Gegensatz zu den Fragestellern sind wir sehr wohl der Meinung, dass das Schutzbedürfnis der Kinder und das Kindeswohl von Flüchtlingen in Deutschland berücksichtigt werden. Dies zeigen die Antworten auf die entsprechenden Fragen, die hier gestellt wurden, ebenso wie die Abfrage in den hessischen Krankenhäusern.
Der zumindest in der Großen Anfrage suggerierte Widerspruch zu der UN-Kinderrechtskonvention greift unseres Erachtens nicht. Die Interpretation der Bundesregierung vom 6. März 1992, die bis heute weder zurückgenommen noch geändert wurde,zeigt,dass das oben genannte Übereinkommen keinesfalls eine widerrechtliche Einreise oder einen widerrechtlichen Aufenthalt erlaubt. Es ist aber sehr wohl erlaubt, Unterschiede zwischen In- und Ausländern zu machen, und der Staat kann gegen Illegalität vorgehen und wird in seinen Rechten nicht beschränkt.
Die Situation von Flüchtlingskindern wird auch bei der Gesundheitsvorsorge – darin bin ich anderer Auffassung als die Vorrednerin – und bezüglich des Rechts auf Bildung, sei es nun in Schulen oder Kindergärten, berücksichtigt. Wer einen Aufenthaltsstatus oder eine Duldung hat, besitzt alle Möglichkeiten der ärztlichen Vorsorge – von der Diagnose bis zur Therapie – und der Bildung. Die entsprechenden Gesetze sind vorhanden und werden angewandt.
Wer allerdings illegal hier lebt, stellt sich bewusst außerhalb der Gesetze und der entsprechenden Regelungen. Wer illegal hier ist, ist dies nicht rein zufällig. Wer illegal hier ist, ist bewusst hier und stellt sich bewusst außerhalb der gesetzlichen Grundlagen.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Genau so ist es! – Reinhard Kahl (SPD): Es geht doch um Kinder!)
Schließlich ist es unsere Aufgabe, einerseits Asylschutz dort zu gewähren,wo er notwendig ist,und andererseits illegale Aufenthalte zu verhindern bzw. zu beenden. Eine falsche Toleranz wiegt die Betroffenen in falscher Sicherheit, und eine falsche Toleranz höhlt das wichtige Asylrecht aus.
Klar ist aber auch, dass den Kindern in Notfällen geholfen wird, auch wenn sie illegal hier sind. Die Abfrage in den Krankenhäusern zeigt das, und wir wissen auch von der anonymen Inanspruchnahme verschiedener Ambulanzen.
Die in der Großen Anfrage ebenfalls angesprochene Trennung von Familien ist nie das Ziel der Ausländerbehörden, sondern allenfalls – und bedauerlicherweise – die Konsequenz unverantwortlichen Handelns ausreisepflichtiger Menschen. Wenn es nicht anders geht, ist das leider die letzte Konsequenz. Aber wir wissen – gerade diejenigen, die im Petitionsausschuss tätig sind –, dass die gemeinsame Ausreise immer das Ziel unseres Staates ist.
Damit möchte ich schließen: Ein Staat, der auch in Zukunft verfolgten Menschen Asyl gewähren will, muss einerseits die betreffenden Ressourcen konsequent vorhalten, andererseits Missbrauch vorbeugen bzw. ihn beenden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will es kurz machen. Zuerst will ich mich bei der SPD für diese Initiative bedanken. Ich glaube, es ist wichtig, sich mit Formen der Illegalität und auch mit den Menschen, die illegal hier leben, zu beschäftigen. Wir haben das als Fraktion schon des Öfteren gemacht. Wir haben Initiativen eingebracht. Wir haben zuletzt eine große Fachanhörung zu diesem Thema veranstaltet.
Herr Kollege Bellino, es ist eben nicht, wie Sie behaupten, alles in Ordnung, und der Zugang zum Gesundheitssystem und zur Schule kann eben nicht gewährt werden. Wenn Sie sich mit denjenigen unterhalten, die damit zu tun haben – z. B. mit denjenigen, die an unserer Anhörung teilgenommen haben –, bekommen Sie genau die entgegengesetzten Auskünfte zu hören. Von den Vertretern der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände bekommen Sie die Auskunft, dass es mit der Gesundheitsversorgung ein Problem gibt; denn die Menschen haben Angst vor Entdeckung.Wenn sie entdeckt werden, müssen sie fürchten, abgeschoben zu werden.
Ein weiterer Punkt ist der Zugang zum Bildungssystem. Auch da ist es so, dass der Zugang nicht gewährt wird, und gerade der Erlass der Hessischen Kultusministerin hat dazu geführt, dass die Schulleiter mittlerweile darauf hingewiesen werden, dass illegale Aufenthalte gemeldet werden müssen. Das heißt, sie müssen sozusagen „Spitzeldienste“ für die Ausländerbehörden leisten. Herr Kollege Bellino, das ist kein guter Weg.
Sie sagen, die Menschen seien illegal hier; sie hätten sich bewusst dafür entschieden, illegal hier zu leben. Sie müssen einmal fragen, warum viele Menschen illegal hier leben. Mit Sicherheit sind darunter einige, die als Flüchtlinge hierhergekommen sind, deren Aufenthaltsberechtigungen abgelaufen sind und die nun illegal hierbleiben. Aber es gibt auch die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge, Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen illegal hier sind. Sie werden von Unternehmen und Privatpersonen beschäftigt.
Es gibt auch in unserer Gesellschaft Menschen, die Illegale zu Hungerlöhnen und ohne Recht beschäftigen. Das ist ein Problem, dessen wir uns annehmen müssen. Sie sagen, dass sich die Erwachsenen für die Form des Aufenthalts und für die Illegalität entschieden haben.Die Kinder haben sich nicht entschieden, welchen Aufenthalt sie in diesem Land haben. Das haben vielleicht ihre Eltern entschieden, aber die Kinder können für ihren Aufenthaltsstatus nichts.