Antrag der Abg. Fuhrmann, Dr. Spies, Eckhardt, Habermann, Dr. Pauly-Bender, Schäfer-Gümbel (SPD) und Fraktion betreffend gesunde Kinder in Hessen – kein Alkohol an Minderjährige – Drucks. 16/7364 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend aktiv im Kampf gegen Alkoholmissbrauch durch Jugendliche – Drucks. 16/7550 –
Ich rufe nun den ersten Redner auf. Herr Bocklet, Sie haben das Wort zu Ihrem Antrag. Die Redezeit beträgt fünf Minuten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! 1.056 Jugendliche sind im letzten Jahr in Hessen mit Alkoholvergiftung in die Krankenhäuser eingewiesen worden.Das sind 51 % mehr als noch zwei Jahre zuvor.Es gibt zu dieser Situation, zum Umgang der Jugendlichen mit Alkohol und zu den traurigen Fällen der in Koma gefallenen sturzbetrunkenen Jugendlichen genug öffentliche Meldungen. Wir glauben als Fraktion der GRÜNEN, dass es endlich an der Zeit ist, bei diesem Thema auch zu handeln.
Wir sehen im Prinzip zwei mögliche Stellschrauben. Die eine ist: Es kann nicht sein, dass der Erwerb von hochprozentigen Alkoholika wie Wodka oder Whisky an Tankstellen,Kiosken oder in Supermärkten so unglaublich einfach ist, dass es selbst jüngsten Teenagern möglich ist, sich, salopp formuliert, völlig die Birne wegzuschießen, und das mit so einfachen Methoden, dass wir glauben, dass da härter kontrolliert werden muss.
Zweitens glauben wir, dass eine der Ursachen dieses zunehmenden Alkoholproblems bei Jugendlichen die sogenannten Flatrate-Partys sind. Lassen Sie es mich so formulieren: Sowohl das Jugendschutzgesetz als auch das Gaststättengesetz sind eigentlich zwei rechtliche Grundlagen, um die Flatrate-Partys zu unterbinden.Wir fordern deshalb,dass beide Gesetze konsequent entsprechend der bestehenden Rechtslage angewandt werden, dass die Ordnungsbehörden vor Ort, aber auch der Innenminister und die oberen Aufsichtsbehörden Druck machen, damit diese Flatrate-Partys endlich unterbunden werden. Diese Flatrate-Partys sind eine Animation – man kann es nicht
Ich glaube, unsere Jugendlichen müssen einen verantwortungsvollen Umgang mit legalen und – lassen Sie mich das für meine Fraktion hinzufügen – auch mit illegalen Drogen lernen. Wir haben heute die Diskussion über die legale Droge Alkohol. Maßvoll kann der Umgang nicht sein, wenn ich mich bei einem Billigpauschalangebot völlig besinnungslos betrinken kann, und das Ganze noch in einer animierenden Atmosphäre von Diskotheken oder Kneipen, wo Wirte mich dazu animieren, möglichst Hochprozentiges in mich hineinzukippen. Das ist nicht das, was wir unter dem Erlernen von maßvollem Umgang mit Alkohol verstehen. Das müssen wir ändern. Ich glaube, dass da auch die Ordnungsbehörden und der Innenminister aufgefordert sind, aktiver zu werden.
Ich glaube, dass das Problem „Alkohol und Drogen“ generell einen großen Maßnahmenkatalog erfordert. Die Elternarbeit ist ein Teil. Die Gaststättenverbände sind auch zur Mitarbeit aufgefordert.Die Präventionsmaßnahmen, die diese Landesregierung gekürzt hat, müssen verstärkt werden. Aber auch Restriktionen müssen stärker durchgeführt werden, und Verstöße müssen stärker geahndet werden.
In diesem Sinne ist in unserem Antrag auch die Forderung formuliert, dass das bestehende Jugendschutzgesetz und das Gaststättengesetz angewandt werden sollen.
Ein letzter Punkt. Die CDU hat heute einen Dringlichen Entschließungsantrag eingebracht, in dem es unter anderem heißt, ein von der Landesregierung initiiertes Bündnis zwischen hessischen Kommunen und anderen sei der richtige Weg. Ich kann für meine Fraktion nur erklären – und ich habe auch mit CDU-Abgeordneten und mit SPDAbgeordneten gesprochen –: Uns ist von einem solchen Bündnis nichts bekannt. Wir würden ja gern irgendwelchen Bündnissen zustimmen, aber das können wir heute hier nicht. Offensichtlich weiß keiner, worum es geht. Auch Frau Lautenschläger hat bisher nicht von einem Bündnis gesprochen, auch nicht z. B. in dem Artikel der „Frankfurter Rundschau“, sondern hat nur die Eltern dazu aufgefordert, sich dieser Problematik stärker anzunehmen. Aber vielleicht könnten Sie uns erläutern, worum es bei dem eigentlich geht, dem wir hier zustimmen sollten. Wir wären auch im Sozialpolitischen Ausschuss und im Innenausschuss sehr gerne an diesem Thema beteiligt worden. Deswegen ist der CDU-Antrag für uns natürlich nicht zustimmungsfähig.
Wir würden uns freuen, wenn die Landesregierung endlich ihrem Auftrag und auch dem Erziehungsauftrag nachkommen würde, hier mehr zu tun.
Sie, Herr Innenminister, haben in der NDR-Talkshow – ich habe sie selbst gesehen – gesagt: „Ich finde die Flatrate-Partys zwar blöd, aber ich werde nichts tun, um sie zu verbieten oder zu unterbinden.“
Ich würde mir wünschen, dass Sie endlich diese Position aufgeben und dass Sie engagiert dafür eintreten, dass
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit Ihrer freundlichen Erlaubnis zitiere ich die Landesregierung. Frau Lautenschläger schreibt am 5. Juni, und sie hat völlig Recht: „Die Abgabe von Alkohol an Kinder unter 16 bzw. 18 Jahren ist kein Kavaliersdelikt.“ Ich muss sagen, sie hat nicht nur Recht. Die Abgabe von Alkohol an Minderjährige ist kein Kavaliersdelikt; das ist ein Verbrechen.
Was Herr Bocklet uns eben dargestellt hat über die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die wegen Alkoholvergiftung auf hessische Intensivstationen kommen mussten, steht in krassem Gegensatz, und zwar um den Faktor 100, zur Zahl der Strafverfahren, die in Hessen im gleichen Zeitraum wegen Verstoßes gegen § 27 des Jugendschutzgesetzes durchgeführt wurden. Denn während über 1.000 Kinder auf Intensivstationen kommen, gibt es laut polizeilicher Kriminalstatistik nur 13 Strafverfahren. Da wissen wir noch nicht einmal, ob es in allen Fällen um Alkohol ging und wie das Verfahren ausgegangen ist. Das, meine Damen und Herren, beschreibt das Problem.
Ich würde mir wünschen, dass gerade die Law-and-OrderPartei an dieser Stelle dafür sorgt, dass Recht und Gesetz in Hessen Recht und Gesetz bleiben und Wirkung entfalten.Denn wir sehen doch an den Problemen,dass die richtigen, zutreffenden und korrekten Regelungen des Jugendschutzgesetzes ganz offensichtlich keine hinreichende und nachhaltige Durchsetzung erfahren. Ich glaube, es ist angezeigt, dafür zu sorgen, dass Kindern und Jugendlichen der Zugang zu Alkohol unterbunden wird.
Präventionsstrategien sind richtig. Erziehung zum verantwortlichen Umgang ist richtig. Aber, meine Damen und Herren, noch viel richtiger ist es, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche sich nicht besaufen können, weil sie an das Zeug nicht herankommen. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung unseres Antrags. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alkoholmissbrauch ist nach wie vor ein großes Thema und ein großes Problem. Es ist kein spezifisch hessisches Problem,
sondern alle Bundesländer sind davon betroffen.Wir kennen auch die Probleme im benachbarten europäischen Ausland.
Wir haben diese Problematik bei der Vorlage des dritten hessischen Suchtberichts im vergangenen Jahr besprochen. Die CDU-Fraktion hat dieses Thema aufgegriffen, und von der Landesregierung wurden weitere Präventionsanstrengungen unternommen.
Meine Damen und Herren, Jugendliche trinken immer früher, immer öfter, immer schneller. Das Durchschnittsalter für den ersten Alkoholkonsum sinkt.Jeder Fünfte im Alter zwischen 12 und 25 Jahren trinkt regelmäßig Alkohol. Diese Fakten sind erschreckend; denn je früher jemand mit Alkoholmissbrauch anfängt, desto schlechter ist seine Prognose. Die frühe Gewöhnung an großen Alkoholkonsum beinhaltet ein hohes Risiko einer langfristigen Gesundheitsschädigung.
Viele Jugendliche können verantwortungsvoll mit Alkohol umgehen. Es ist aber besorgniserregend, dass eine Gruppe von Jugendlichen zu einem exzessiven Trinkverhalten neigt. Dieser Trend zum sogenannten Komasaufen wird auch noch durch die süß schmeckenden, alkoholhaltigen Mixgetränke oder durch Flatrate-Partys gefördert.
Meine Damen und Herren, solche unverantwortlichen Angebote müssen durch die konsequente Anwendung des geltenden Rechts verhindert werden.
Deshalb müssen alle Angebote genutzt werden, um Kinder und Jugendliche vor Alkoholkonsum zu schützen.
Denn am wirksamsten ist es, Kinder und Jugendliche vor dem Einstieg in die Sucht zu bewahren. Das ist besser, als wenn nachher teure Therapiemaßnahmen oder Krankenhausaufenthalte finanziert werden müssen.
Auf ein besonderes Projekt will ich noch hinweisen: das Projekt HaLT, ein Projekt gegen Alkoholmissbrauch durch Jugendliche, das vom Land Hessen und der Stadt Frankfurt finanziert wird. Das Bürgerhospital in Frankfurt unterhält dazu eine Entgiftungs- und Motivationsstation, in der im Jahr 2005 63 Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren stationär behandelt wurden. Im Jahr 2006 waren es 66.
Als Hauptmotiv für den exzessiven Konsum nannten die Jugendlichen den Wunsch nach Spaß und den Wunsch, sich in Stimmung zu bringen. Die meisten eingelieferten Kinder und Jugendlichen – auch das ist interessant – waren keine regelmäßigen Konsumenten und hatten die Gefahr des Alkohols unterschätzt. Das zeigt, dass wir noch größere Anstrengungen im Bereich der Aufklärungs- und Präventionsarbeit leisten müssen.
Prävention ist vor allem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier sind alle Gruppierungen aufgerufen, alle Bürgerinnen und Bürger, insbesondere natürlich die Eltern, einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol vorzuleben. Handel, Getränkewirtschaft und Gastronomie sollten sich ebenfalls ihrer Verantwortung gegenüber den Kindern und Jugendlichen bewusst sein. Flatrate-Partys, Komasaufen und die damit verbundenen verheerenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche dürfen nicht hingenommen werden, sondern müssen weitestmöglich unterbunden werden.