Protokoll der Sitzung vom 04.09.2007

Die Gefährdung der Versorgung mit Suchtmitteln kann erhebliche Erregung auslösen. Das wissen wir. Aber vielleicht können wir uns in diesem Saal einen Moment lang sammeln.

Handle so,dass die Maxime deines Handelns jederzeit zur Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung gemacht werden kann.– Eigentlich ist die Regel doch ganz einfach. Aber weil das mit dem Handeln so nicht klappt, sehen wir uns gezwungen,mit einer allgemeinen Gesetzgebung tätig zu werden.

Eigentlich müsste es doch völlig selbstverständlich sein, dass wir niemanden einer derart toxischen Substanz, wie

es Tabakrauch ist, als Passivraucher, also jemanden, der gar keinen möglichen Nutzen von der Nikotinaufnahme hat, aussetzen. Eigentlich müsste es doch völlig selbstverständlich sein, dass, wenn wir das überhaupt tun, es nur tun, wenn wir die Gefährdung unserer Mitmenschen dabei auf null herabsetzen können. Eigentlich ist es doch eine Frage der guten Kinderstube, dass man sich an die Regel hält, dass man da, wo andere Menschen in die Situation geraten könnten, gegen ihren Willen Tabakrauch ausgesetzt zu sein, das Rauchen unterlässt.

Eigenartigerweise ist es der Tabaklobby über einen langen Zeitraum sehr erfolgreich gelungen, dass es zu der völlig absurden gesellschaftlichen Einigung kam, dass das Aussetzen der Nichtraucher dem Tabakrauch ein akzeptabler Anspruch, quasi ein Grundanspruch oder menschenrechtlicher Anspruch der Raucher sei. Wenn man sich anschaut,wie heftig die Reaktionen auch noch jetzt in diesem Saal ausfallen, kann man feststellen, dass der Effekt tief sitzt, den diese Lobby verursacht hat.

Die Wahrheit aber ist: Wer sich an einem öffentlich zugänglichen Ort aufhalten möchte – dazu gehören die Gaststätten –, hat ein tief verwurzeltes Recht darauf, an diesem Ort keinem Tabakrauch ausgesetzt zu sein. Er hat ein Recht darauf, darum nicht bitten zu müssen.

(Beifall der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Marcus Bocklet und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Rentsch kommt dann mit seinen kleinen roten und grünen Schildern. Er wollte uns erklären, das alles könne auf der Ebene der Freiwilligkeit erfolgen.Zehn Jahre lang wurde das auf freiwilliger Basis ausprobiert. Es hat nichts gebracht.

(Beifall der Abg. Norbert Schmitt, Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD) und Marcus Bocklet (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Hören wir auf, zu glauben, mit freiwilligen Erklärungen von Kneipenbesitzern, ihr Geschäft solle eine Raucheroder Nichtraucherkneipe sein, wäre etwas gewonnen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist leider so!)

Das ist doch völlig logisch. Ich bin immer wieder vollkommen darüber überrascht, warum ausgerechnet die Mitglieder der FDP so elementare Effekte wirtschaftlichen Handelns nicht begreifen.Wenn heute ein Gastwirt einer dieser zahllosen kleinen Kneipen, die Herr Rentsch täglich aufsucht,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehrfach!)

erklären würde: „Meine Kneipe ist jetzt eine Nichtraucherkneipe“, würden die Raucher natürlich in eine Raucherkneipe gehen. Herr Rentsch, natürlich würden in diese Kneipe nicht sofort massenweise Nichtraucher strömen. Genau deshalb ist es zum Wohle der Gastwirte erforderlich, vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für alle zu erzeugen.

(Beifall der Abg. Marcus Bocklet und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Rentsch, ich finde es doch ein wenig unangemessen, dass Sie das alles auf die Erziehung reduzieren wollen und dem die Freiheit gegenüberstellen.

(Zuruf: Das ist hier nicht mehr auszuhalten! – Cle- mens Reif (CDU): Stell dir einmal vor, Herr Spies würde normal!)

Herr Rentsch, wir reden bei der Frage, welche Folgen das Einatmen von Tabakrauch haben kann, nicht über Petitessen. Wir reden über außerordentlich ernste Krankheiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Sie uns hier erzählen wollen, dass die Freiheit des Tabakrauchens in Kneipen ein angemessenes Gegenstück zu Lungenkrebs, Raucherbeinen und Ähnlichem wäre, dann, so glaube ich, ist in dieser Debatte allerdings das Maß ein Stück weit verloren gegangen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marcus Bocklet und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben – und das findet eben auch in der Kneipe statt –, darf nicht dadurch eingeschränkt werden, dass man, aus welchen Gründen auch immer, Tabakrauch nicht ausgesetzt sein mag.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist eine elementare Regel. Genau das wird der Hessische Landtag heute und, so vermute ich, auch am Donnerstag ein zweites Mal einmütig beschließen. Damit tut er recht.

Wir, die Mitglieder der SPD-Fraktion, freuen uns außerordentlich, dass diese Initiative, die von uns, lange bevor sich irgendeiner heraustraute, angestoßen wurde, die Grundlage umfangreicher Beratungen und Erörterungen war. Wir freuen uns außerordentlich, dass die Ergebnisse der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf so umfänglich in den Gesetzentwurf der Regierung eingeflossen sind, dass man an ihm tatsächlich nicht mehr viel beanstanden kann. Wir freuen uns außerordentlich, dass das, was das Ziel einer sozialdemokratischen Initiative war, in diesem Haus umgesetzt wird.

Seien wir doch einmal ganz ehrlich:Wenn es in der Sache am Ende richtig wird, dann soll es uns doch völlig egal sein, wessen Name oben im Kopf steht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Weil das, was Ziel der SPD-Fraktion war, heute beschlossen wird, stimmen wir dem Gesetzentwurf der Landesregierung nicht nur zu. Er entspricht den Ergebnissen unserer Beratung. Vielmehr gab es jetzt auch keine Notwendigkeit mehr, über den eigenen Gesetzentwurf der SPDFraktion abschließend zu entscheiden.

An dieser Stelle soll aber doch noch einmal daran erinnert werden, dass wir das, was heute in zweiter Lesung beschlossen wird und zum 1. Oktober 2007 in Kraft treten soll, auch schon vor zwei Monaten hätten haben können, wenn es anderen Leuten nicht so sehr darauf angekommen wäre, wessen Name im Kopf des Papiers steht.

An dieser Stelle möchte ich auch ganz ausdrücklich den Sinneswandel der Mitglieder der CDU und der Landesregierung begrüßen. Wenn man sich anschaut, welche außerordentlich positive und erfreuliche Entwicklung die Mitglieder der CDU-Fraktion während dieser Debatte genommen haben – auf einen Antrag, der vor über einem Jahr eingebracht wurde, kam noch als Reaktion, dass es auf gar keinen Fall zu gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich einer Beschränkung kommen dürfte –, kann man nur sagen, dass das wirklich eine Sternstunde des Parlamentarismus ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr schön!)

Nach der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf und nach umfänglichen Beratungen sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass wir ein solches konsequentes Gesetz zum Nichtraucherschutz brauchen.

(Norbert Schmitt (SPD): Du bist halt doch überzeugend!)

Zu guter Letzt haben Sie sich sogar an die Spitze der Bewegung gesetzt. Deshalb sind wir nicht nur bereit, das zu akzeptieren. Nein, gerne gönnen wir Ihnen Ihren Namen auf dem den Prozess abschließenden Gesetz. Denn in der Sache sind wir sehr weit gekommen.Auch deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Dann komme ich auch zum Schluss meiner Rede.

Natürlich ist es hinsichtlich der Frage, wie man mit dem Tabakrauch umgehen soll, mit diesem Gesetz nicht getan.

(Unruhe)

Vielleicht können wir uns noch einmal für einen Moment einem ernsthaften Aspekt dieses Themas zuwenden.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist angesichts Ihrer Rede sehr schwer!)

Tatsache ist, dass das durchschnittliche Alter, zu dem die Tabaksucht eintritt, zwischen elf und zwölf Jahren liegt. Tatsache ist – das wissen wir alle –, dass dem Tabak Stoffe beigemischt werden, die das Risiko der Entstehung einer Sucht deutlich erhöhen. Tatsache ist, dass wir davon ausgehen müssen, dass bei 50 bis 70 % aller Raucher eine echte Abhängigkeit besteht. Tatsache ist, dass es wirklich ein Unding ist,dass gezielt Werbung gemacht wird,die auf Minderjährige abzielt. Tatsache ist, dass der Fortschritt, der mit der auf Bundesebene getroffenen Regelung, das Rauchen auf Menschen mit einem höheren Alter zu beschränken, eintritt, zugleich vielfältiger Bemühungen um Prävention bedarf.

Meine Damen und Herren, wenn wir die Botschaft dieses Gesetzes, das wir heute beschließen wollen, konsequent zu Ende denken, dann allerdings müssen wir unsere Anstrengungen in der Prävention einer Rauchergewöhnung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, intensivieren. Mit dem Beschluss eines Gesetzes, das Nichtraucher vor Passivrauchen schützt, ist es keineswegs getan. Dieses Gesetz kann nur der Einstieg und die Gelegenheit sein,

(Florian Rentsch (FDP): Aha, der Einstieg in weitere Verbote!)

uns mit aller Entschlossenheit der Prävention zukünftiger Nikotinsüchtiger zuzuwenden.

Herr Dr. Spies, die Redezeit ist um. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ja, Herr Rentsch, allerdings ist das der Einstieg in Prävention,

(Florian Rentsch (FDP): In weitere Verbote! – Clemens Reif (CDU): Der Einstieg in den Ausstieg!)

damit Menschen davor geschützt werden, der Tabaksucht überhaupt anheimzufallen.

Ich freue mich, dass wir heute in so großer Übereinstimmung und nur mit einem kleinen Abweicher dieses Gesetz beschließen werden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Bravo, bravo, bravo!)

Vielen Dank, Herr Dr. Spies. – Frau Staatsministerin Lautenschläger, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte sehr.