Protokoll der Sitzung vom 05.09.2007

(Beifall bei der FDP)

Nächster Punkt. Sie werden sich vorstellen können, warum ich mich darüber so ärgere. Auf einer einzigen Seite heißt es: „Dann brauchen wir noch ein kulturelles Beiprogramm“. Ich will Ihnen etwas sagen: Mir geht der Hut hoch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das klappt nicht!)

Wenn die Kultur nur ein „Beiprogramm“ und nicht der Kern dieser Region ist, weiß ich nicht, warum man eine Internationale Bauausstellung veranstaltet.Architektur – Gestaltung – ist ein Teil von Kultur.Wenn er dann im Zusammenhang mit dem kulturellen Beiprogramm schreibt, die bisherigen Festspiele, vom Rheingau-Musikfestival über die Alte Oper bis zu dem, was im Städel und in Wiesbaden gemacht wird, müssten fortgeführt werden, zeigt das, dass er den Zusammenhang zwischen Stadtentwicklung, Landschaftsentwicklung und Kulturentwicklung nicht verstanden hat. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ein weiterer Punkt. Ich will Ihnen noch sagen, dass die Kosten für die Durchführung einer solchen Ausstellung auf einer einzigen Seite aufgelistet sind. Der Herr Minister hat zu Recht gesagt,in einer Machbarkeitsstudie müssten auch die finanziellen Potenziale beschrieben werden, die die Privaten und die Städte haben. Von alldem schreibt er nichts.Auf Seite 246 steht folgender Satz:

Die 5 Millionen c werden für folgende Kosten benötigt: Personal- und Sachkosten IBA-Gesellschaft 1,5 Millionen c, Öffentlichkeitsarbeit, Förderung von Wettbewerben für den Projektanschub, Grundlagenstudien zum Projektanschub 3,5 Millionen c.

Diese Summen sind jeweils auf zehn Jahre bezogen. Dann kommt der entscheidende Satz:

Die IBA ist so konstruiert, dass keine neuen Investitionsmittel erforderlich sind. Sie bündelt die Investitionen, die ohnehin finanziert sind.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Auf 150 Seiten beschreibt er, dass in jeder einzelnen Stadt Investitionen in Milliardenhöhe notwendig sind, und macht Vorschläge,über die man reden kann.Zum Beispiel regt er an, den Osthang der Mathildenhöhe zu bebauen oder westlich des Darmstädter Bahnhofs ein neues Wissenschaftszentrum zu bauen – neben den zwei Zentren, die wir schon haben.

Liebe Freunde, das geht nicht. Darüber würde man gerne mit ihm diskutieren, und dann müsste man sagen: Wenn das etwas Weiterführendes, Wegweisendes ist, muss die Region jeweils ein bestimmtes Leitbild haben,sodass man es auch finanziell umsetzen kann. – Wir sind durch die Landesregierung, vertreten durch den Regierungspräsidenten, angehalten – das geht allen Städten in dieser Region so –, bei großen Investitionen möglichst sparsam mit den Steuergeldern umzugehen.Also müssen wir entscheiden, was vorrangig und was nachrangig ist.

Deshalb sage ich Ihnen: Ein Wunschkatalog, der Empfehlungen für die Ausgaben der Städte und für Investitionen

in Milliardenhöhe enthält, ist keine Machbarkeitsstudie für eine Internationale Bauausstellung.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich trotzdem sagen, wo die Stärke liegt und wie man dann weiterkommen kann. Ich bin der tiefen Überzeugung,dass die Grundmethode,die er angewendet hat, wirklich neu ist. Er sagt nämlich, neben einer großen Metropole müsse es ein Netzwerk aus Städten geben: mit Knotenpunkten, die sich selbst präsentieren können, und mit Themen, die man sozusagen vernetzen kann.

Die Grundidee ist – das ist wirklich neu und modern –, dass eine Stadt der Hochhäuser, die einzige Stadt in Deutschland, deren Baustruktur man wirklich mit der Manhattans vergleichen kann, mit einer Landschaftsregion verbunden wird.Diese Idee ist neu;sie darf nicht aufgegeben werden. Man kann sie realisieren.

Mein einfacher und pragmatischer Vorschlag lautet: Es würde in der Tat nicht sehr viel kosten, in der ersten Phase die historische Bausubstanz, beginnend mit der keltischen Geschichte bis zu den Skyscrapern – er hat sie sehr gut beschrieben –, im Rahmen einer Landschafts- und Architekturdarstellung zu beschreiben.Hinzukommen müsste,was die historische Baukultur für uns bedeutet. Das hat es bisher noch nicht gegeben. Meiner Meinung nach ließe sich das als erste Stufe in fünf bis sechs Jahren gut verwirklichen. Darauf muss man dann aufbauen.

Deswegen fordere ich die Landesregierung erstens auf, das nicht zu einem toten Pferd zu erklären, sondern es weiterzuverfolgen.

Zweitens fordere ich die Landesregierung auf, im Rahmen der Wirtschafts- und der Kulturinitiative gemeinsam mit den Kreisen eine klare Kosten-Nutzen-Rechnung vorzulegen. Das gehört nämlich zu einer Machbarkeitsstudie. Bisher fehlt das. Dann kann die Landesregierung auswerten, was sie machen kann und was nicht.

Drittens müssen alle Kommunen mit ihren Baumaßnahmen eingebunden werden. Das wäre noch einmal eine Untersuchung wert. Man braucht sich nur mit den Vertretern der Bauämter zusammenzusetzen und zu fragen:Was für Planungen habt ihr denn schon jetzt in der Pipeline? Das wird in einer zweiten Stufe eingearbeitet, und vor allem kommt es dann zu einer realistischen Zeiteinschätzung.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit zu Ende.

Vielen Dank,Herr Präsident.– Ich möchte Folgendes vermeiden. Die Kollegen haben es schon gesagt: Wir alle reden darüber, und wir alle wollen diese Visionen umsetzen, die allerdings zum Teil auch schon ohne uns verwirklicht werden. So wichtig sind die Politiker nicht, dass die Menschen es nicht auch ohne sie begreifen.

Aber wir müssen es flankieren, steuern und anschieben, damit diese Diskussion nicht so untergeht wie die Bewerbung um die Kulturhauptstadt, die Bewerbung um die Olympischen Spiele und die sonstigen Initiativen, die vorhanden sind. Wir haben die „Route der Industriekultur“. Das Projekt „Garten Rhein Main“ ist gut gelaufen.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Es gibt ein Wort, das lautet: „Freiheit des Geistes“. Das halte ich für sehr gut. Darunter kann man sehr viel packen. Es gibt gute Planungen. Lassen Sie uns das voranbringen und – realistisch – gemeinsam mit der Region zu einem guten Ende führen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wagner. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Schäfer-Gümbel das Wort. Sie haben fünf Minuten Redezeit.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte sieben kurze Bemerkungen zu dieser Debatte machen. Anfangen möchte ich mit der Kritik an der Machbarkeitsstudie von Herr Jourdan.Abgesehen davon – wie mehrere Redner hier schon deutlich gesagt haben –, dass die Behauptung, es handele sich um eine AB-Maßnahme, dem Werk sicherlich nicht gerecht wird und eine anmaßende Abqualifzierung von Prof. Jourdan darstellt, gibt es einen Punkt, der berechtigt ist.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Deshalb hat uns auch das Vorlesen der Einzelprojekte von Herrn Minister Corts nicht weitergebracht. Es gibt nämlich einen Punkt, an dem Herr Milde nicht ganz recht hatte, was die Kritik betrifft, die Herr Jourdan an der SPD formuliert hat.

Es gibt eine einzige Bemerkung von Herrn Jourdan, die sich kritisch an die SPD richtet, und zwar vor allem an mich, weil ich davon gesprochen habe, dass diese Machbarkeitsstudie ein Sammelsurium von Einzelprojekten ist und der rote Faden in dieser Machbarkeitsstudie fehlt. Das deckt sich mit dem, was Frau Wagner und Herr Wagner eben formuliert haben, wozu Herr Milde allerdings gar nichts gesagt hat. In der Tat, diese Machbarkeitsstudie kann bestenfalls eine Initialzündung sein. Aber wenn sie eine sein soll, muss es eine öffentliche Debatte dazu geben. Dem haben Sie sich ein halbes Jahr lang verweigert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Weil wir die Machbarkeitsstudien nicht für ein hinreichendes Instrument halten, haben wir ein Programmpapier veröffentlicht, das deutlich darüber hinausgeht und sagt, was man mit einer Internationalen Bauausstellung machen kann. Dann kommt Herr Milde und versucht, Fürst Pückler in Sachsen-Anhalt, Hamburg, Berlin und Emscher Park mit einer nachhaltigen Metropolitana zu vergleichen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Das habe ich gerade nicht gemacht! – Gegenruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD): Selbstverständlich haben Sie das gemacht!)

Herr Milde, selbst in der Kurzzusammenfassung bei Wikipedia können Sie lernen, dass eine Internationale Bauausstellung ein Unikat ist,

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ja!)

das immer ein eigenes Entwicklungsmodell, bezogen auf eine bestimmte regionale Herausforderung beschreibt, das zwar anschließend übertragbar ist, aber das nicht vergleichbar ist. Deswegen finde ich Ihre Bemerkung etwas enttäuschend.

Zu der Frage der Finanzen.Wir haben den großen Vorteil, dass es bei uns einen Berater gibt, der uns bei der Konzeption auch dieses Papiers ein bisschen unterstützt. Das ist Herr Ganser, der einschlägige Erfahrungen bei der Umsetzung von Bauausstellungen, auch in der Beratung all derer hat, die Herr Milde beschrieben hat. Deswegen ist die Zurverfügungstellung von 50 Millionen c für den Overhead richtig. Diesen Teil in der Machbarkeitsstudie teile ich ausdrücklich.Denn es geht darum,freies Geld zur Qualifizierung von Baumaßnahmen zu organisieren, weil es teilweise Projekte gibt, die sowieso gemacht werden, bei denen aber die notwendige Qualifizierung fehlt.Wenn Sie sich beispielsweise den Emscher Park angucken, können Sie feststellen, dass die 1,5 Milliarden DM, um die es dabei ging, im Wesentlichen für die Unterstützung von Infrastrukturmaßnahmen waren, durch die die Region entwickelt wurde. So müsste es auch in der Rhein-Main-Region sein.

Im Übrigen ist die Landesregierung sehr flexibel und sehr kreativ, wenn es um neue Finanzierungswege geht. Daher hätte ich erwartet, dass zumindest die Chancen – das Thema Mobilität ist sicher eine der großen Herausforderungen für Rhein-Main –,die sich jetzt mit der Vorlage des Grünbuchs der Europäischen Union zur Mobilität im 21. Jahrhundert ergeben, genutzt worden wären. Aber stattdessen erleben wir Debattenverweigerung. Herr Milde, deswegen ist der Hinweis, das sei Wahlkampfgeschichte gewesen, völlig daneben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben ein Programmpapier entwickelt. Es gab mehrfach Kontakte zu Herrn Jourdan, der dann gesagt hat, er müsse erst einmal die Landesregierung fragen, was er mit uns überhaupt machen darf.Wir haben nämlich mehrfach angefragt, ob er das mit uns diskutiert. Der Minister erklärt hier, das sei alles gar nicht so. Dann wird aber gleichzeitig kritisiert, dass er das Verfahren formal nicht eingehalten hat.

Es ging eben nicht um Wahlkampf, sondern wir haben einen programmatischen Beitrag zur Stärkung der RheinMain-Region geleistet. Die Antwort des Ministeriums ist: Die Mitarbeiter des Ministeriums dürfen in den internen Arbeitsgruppen nicht mehr mitarbeiten, und es gibt eine Debattenverweigerung. – Daraus folgt, dass Sie den falschen Weg eingeschlagen haben. Ich unterstütze ausdrücklich das, was Frau Wagner gesagt hat:Wir sollten uns in einer umfassenden Anhörung mit der Frage beschäftigen. Ich glaube, diese Machbarkeitsstudie kann nur eine Initialzündung sein. Ich sage aber, dass neben dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und dem Ausschuss für Wissenschaft und Kunst ausdrücklich auch der Sozialpolitische Ausschuss beteiligt werden sollte, weil es um soziale, kulturelle und um ökonomische Fragen für die Region geht.

Ich will mit zwei Bemerkungen enden, wo ich, Frau Wagner, Ihre Position gar nicht teile, obwohl Sie heute sehr viel offener waren als in der Vergangenheit. Ich sage Ihnen:Auch das ist ein Beleg dafür, dass das Ballungsraumgesetz gescheitert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Nein!)

Sie haben mehr Intransparenz und mehr Chaos in die Region gebracht,auch wenn das eine oder andere Projekt erfolgreich war.Aber das hilft nicht.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, letzter Satz. – Die provinzielle Debatte des heutigen Tages und der intellektuelle Tiefflug helfen uns sicher nicht.

(Hildegard Pfaff (SPD): Genau! Das war erschreckend!)

Das, was Herr Corts hier abgeliefert hat, ist Arbeitsverweigerung und sonst gar nichts.