Protokoll der Sitzung vom 05.09.2007

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Möller, ich kann dazu nur sagen, so wie Sie heute hier geredet haben, habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie an und für sich grundsätzlich die Existenz von Landkreisen bestritten haben. Sie haben ausgeführt,es gebe a) keine Landkreisidentität und b) auch kein landkreisübergreifendes Thema. Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis die CDU-Fraktion der Abschaffung von Landkreisen grundsätzlicher Art zustimmt.

Zweiter Punkt: die Absenkung von Quoren für Bürgerbegehren. Auch da haben Sie grundsätzlich unsere Zustimmung. Man wird nachher über die entsprechenden Prozenthürden sprechen müssen. Herr Kollege Möller, Sie haben hier tunlichst übersehen, dass die GRÜNEN auf das System des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids eingehen. Diese beiden Begrifflichkeiten sind streng auseinanderzuhalten.

Wir als FDP-Fraktion sind der Meinung, dass man bei den Bürgerbegehren,also dem Einleitungsverfahren für einen Bürgerentscheid, die Quoren senken sollte.

Gleichwohl ist es notwendig, strenge Hürden für den anschließenden Bürgerbescheid vorzusehen, weil es hier wiederum notwendig ist, dass wirklich auch eine ausreichende Teilnahme und darunter eine ausreichende Zustimmung der stimmberechtigten Einwohner einer Gemeinde eingeführten werden. Klar ist auch, dass bei der Schaffung des Rederechts in den Ausschusssitzungen – Herr Kollege Möller, es geht nicht um mehr – dieses nur für einzelne Stadtverordnete, Gemeindevertreter gelten sollte.

Frau Kollegin Erfurth, aber wir werden uns sicherlich – da werde ich deutlich – Ihrem Vorschlag, die Entfristung vorzusehen, entgegenstellen, weil wir grundsätzlich der Meinung sind, dass die Befristung eine sehr segenreiche Entwicklung in unserem Gesetzgebungsverfahren ist.

Wir werden sicherlich auch nicht mit Ihnen darin übereinstimmen, wenn es um die Frage der Absenkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre geht. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass dann, wenn wir eine entsprechende Geschäftsfähigkeit haben, dazu auch das Wahlrecht gehört – aber eben nicht in einem vorgerückten Stadium. Wenn Sie das Rauchen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr verbieten wollen, aber meinen, dass man mit 16 Jahren schon entsprechende Ämter und Mandate mitbestimmen sollte, dann ist in meinen Augen da doch ein gewisser Widerspruch zu sehen.

Andere Vorschläge – so meine ich – sind es wert, in der Diskussion während der Anhörung sehr umfangreich abgewogen zu werden. Ich habe kein Problem damit, dass Sie die Bürgerversammlung auf eine Einwohnerversammlung erweitern wollen, da ich es auch aus der Praxis so kenne, dass diese an und für sich so stattfindet. Dies wäre lediglich eine Angleichung – ich sage einmal – der Möglichkeitsversion dahin, dass dies grundsätzlich der Fall sein soll.

In Bezug auf die Einführung eines Einwohnerantrages, und zwar für Einwohner ab 14 Jahren, frage ich mich schon, ob hiermit gerade den Kindern und Jugendlichen, die Sie ansprechen wollen, wirklich gedient ist. Denn Sie führen im Hinblick auf die Sammlung von Unterschriften ein Quorum ein – es müssen bis zu 2.000 Stimmberechtigte aufgetrieben werden, die dem Anliegen zustimmen –, obwohl es bislang in unserer Gemeindeordnung für die Vertreter von Kinder- und Jugendinitiativen Möglichkeiten gibt, in den Gremien der Kommunen und der Stadt grundsätzlich entsprechend zu reden und Vorschläge vorzubringen. Das sind zwar Jugendliche, die durchaus jünger sein können als 14 Jahre und die eben keine 2.000 Unterschriften mitbringen müssen, doch sage ich Ihnen für meine Fraktion, dass wir große Zweifel daran haben, dass man den Kindern und Jugendlichen genau diese Möglichkeiten nehmen sollte, wie es Ihr Gesetzentwurf leider tut.

Ich frage mich ebenfalls,ob die Schaffung eines Rechts für Ortsbeiräte auf Antragstellung in der Gemeindevertretung den Ortsbeiräten mehr gibt, als es ihnen nachher nimmt. Ich weiß, dass sich viele Ortsbeiräte – da ist die Lage in Frankfurt wahrscheinlich genau dieselbe wie in anderen Kommunen – häufig durch die Stadtverordnetenversammlungen in einer gewissen Art und Weise negiert fühlen.Allerdings ist es doch so, dass sie zu den Vorschlägen, die sie jeweils gegenüber der Stadtverordneten

versammlung einreichen können, wenigstens eine Art Bescheidung bekommen,indem nämlich die Stadt,die Stadtverordnetenversammlung, der Magistrat zu diesen Vorschlägen Stellung nahmen müssen.Wenn sie nun als Ortsbeiräte in der Stadtverordnetenversammlung Anträge stellen, dann wird dies vielfach so laufen, dass diese Anträge – so wäre es zumindest in Frankfurt – unter Tagesordnungspunkt 2, und zwar ohne Aussprache, beschieden würden, ohne dass die Vertreter der Ortsbeiräte auch nur eine Idee davon hätten, weswegen der Antrag negativ, positiv oder wie auch immer beschieden worden ist. Ich glaube, dass den Kollegen in den Ortsbeiräten an dieser Stelle Steine statt Brot gegeben ist. Sie sehen aber, dass dies etwas ist, wo die Geschichten intensiv mit Licht und Schatten zu diskutieren wären.

Daher stelle ich fest: Es ist, wie gesagt, ein bunter Strauß, jedoch überwiegt bei uns als FDP-Fraktion insgesamt die Skepsis darüber, dass die Mehrheit der Vorschläge, die Sie hier eingebracht haben, wirklich zielführend ist. Es wäre – wie bereits gesagt worden ist – schön gewesen, wenn dies zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Ich glaube, dass gerade anhand des Umfangs deutlich geworden ist, dass wir im Ausschuss noch eine längere Diskussion, gerade auch mit den Kommunen und den Kommunalen Spitzenverbänden, werden führen müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Rudolph das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ansatz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung beinhaltet einige interessante Vorschläge; und wir können einigen Vorschlägen auch zustimmen. Aber auch ich bin für eine differenzierte Betrachtungsweise. – Herr Möller, da lohnt es sich, die einzelnen Punkte etwas intensiver und vielleicht auch sachlicher abzuwägen. Ihr Vortrag war – –

(Minister Volker Bouffier: Er war großartig!)

In der Art des Vortrags war er sachlich, aber natürlich nicht in der Bewertung. Denn da sagt die CDU: Es ist alles wunderbar; wir müssen an der HGO nichts ändern. – Die Frage, wie wir mehr Beteiligungsrecht ermöglichen können, ist ernsthaft und richtig, und hierzu sage ich zunächst einmal: indem man eine gute Politik macht. Denn wenn sich der Landrat Eichenlaub im Kreis WaldeckFrankenberg so verhält, wie er es tut, dann müssen wir über mehr Beteiligungsrechte nicht reden. Das schreckt die Bürgerinnen und Bürger ab.

Herr Bouffier, da sind wir uns einig, wie Sie aufgrund der leidvollen Erfahrungen der letzten Tage wissen.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU):Werden Sie nicht polemisch!)

Das war noch nicht einmal polemisch gemeint; es war sachlich. Das war eine ganz sachliche Feststellung.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Birgit Zei- metz-Lorz (CDU): Ich bin nicht beeindruckt!)

Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, Sie sind nicht mehr – –

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Er weiß nicht, was Polemik ist!)

Na, klar weiß ich das.

(Heiterkeit)

Ich wende sie auch gelegentlich an, denn es nützt nichts, wenn man um etwas herumredet. – Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, aber dies war nun nicht ausgesprochen nett. Aber Sie sind nicht mehr lange im Hause und werden bald einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgehen – alles Gute.

(Heiterkeit)

Sie werden sich aber sicherlich noch an das eine oder andere erinnern. – So einfach wie die CDU machen wir es uns nicht.

Nun zum ersten Punkt. Die Absenkung des Quorums für die Einleitung von Bürgerbegehren haben wir hier schon öfter diskutiert.Der Antrag der GRÜNEN ist sachlich gerechtfertigt, und bei einer Grenze bis zu 50.000 Einwohnern bleibt es bei den 10 %. Das ist die derzeitige Gesetzeslage. Es wird aber in der Tat für größere Gebietskörperschaften schwieriger, weil es dort einfach anonymer ist. Daher wird es in den Großstädten schwieriger, diese Quoren zu erreichen. Deshalb sind die 5-%- sowie 3-%Vorschläge durchaus nachzuvollziehen. Da spricht auch sachlich nichts dagegen, weil der Anteil der Bürgerbegehren mit der Größe der Kommunen sehr deutlich abnimmt. Deshalb sollte man hier ernsthaft über eine Erleichterung reden, und dem können wir zustimmen.

Zum zweiten Punkt, zu dem Vorschlag, das aktive Wahlalter von 18 auf 16 Jahre zu senken. Das ist ein Vorschlag aus rot-grünen Regierungszeiten. Wir haben das damals eingeführt. Es wurde von CDU und FDP wieder abgeschafft. Ich denke, auch das ist ein Vorschlag, über den man reden kann.

Frau Kollegin Beer, damit ist nicht, und da haben Sie recht, das passive Wahlrecht impliziert, sondern das bleibt bei 21 Jahren.

(Nicola Beer (FDP): 18 Jahre!)

18 Jahre; früher waren es 21 Jahre, nun sind wir bei 18 Jahren – so ist es. Eine Altersgrenze von 16 Jahren ist eine Möglichkeit; ob diese genutzt wird, bleibt dahingestellt. Dieser Vorschlag war schon einmal in der Welt, und wir sagen: Man sollte ihn wieder einführen – einverstanden.

Nun kommen wir zu den weiteren Vorschlägen. Zur Einführung eines Petitionsrechts auf kommunaler Basis. Damit sollten wir uns im Rahmen einer Anhörung intensiv auseinandersetzen. Wir haben das Petitionsrecht in der Verfassung verankert – ob es auf der kommunalen Ebene sinnvoll und sachgerecht ist, dies muss man unter verschiedenen Aspekten noch einmal beleuchten.Wir haben derzeit im Landkreis Kassel eine Diskussion darüber, und zwar mit recht interessanten Aussagen der Kommunalaufsicht.

Wir werden den Innenminister noch einmal im Zusammenhang mit Kassel-Calden befragen, und zwar dazu, ob die Bürger – Sie kennen die Problematik – eine Petition stellen können. Zunächst hieß es, es gehe nicht; nun gehe es doch. Wir wollen nun von dem obersten Dienstherren wissen, wie dies zu bewerten ist, weil es, je mehr Juristen befragt werden, umso schwieriger wird, dies zu bewerten.

(Birgit Zeimetz-Lorz (CDU): Keine Polemik, Herr Kollege!)

Das war gegenüber Juristen durchaus freundlich gemeint.Wir wollen nun wissen, wie dies zu sehen ist.

Frau Kollegin Erfurth, hinsichtlich des Antragsrechts von Ortsbeiräten an die jeweilige Vertretungskörperschaft sage ich – auch aufgrund meiner langjährigen kommunalpolitischen Erfahrung –:Davon halte ich nicht viel.Wissen Sie auch, warum? – Wenn in Kommunen mit vielen Ortsund Stadtteilen jeder die Anträge stellte, die er sonst nicht durchbekäme, dann verlagerten Sie viel Kleinkram in die jeweilige Vertretungskörperschaft, weil auch der jeweilige Ortsbeirat sagen würde: Das ist für unseren Ort alles wichtig. Die Gemeindevertretung, die Stadtverordnetenversammlung sind aber für die ganze Kommune zuständig. Deshalb halte ich dies nicht für praktikabel und auch nicht für zielführend.Man würde Hoffnungen wecken,die in der Praxis nicht erfüllt werden können. Ich sage daher aus der Erfahrung heraus: Es ist vielleicht nicht so zielführend.

Zur Einführung einer Fragestunde. Ich meine, dies muss man nicht gesetzlich verankern,sondern könnte man auch auf freiwilliger Basis regeln. Wenn ich mir die Teilnahme vieler Tausend Bürger an den jeweiligen Gemeindevertretungen vorstelle, dann stelle ich fest: Das ist doch eher übersichtlich, und ob diese aufgrund der Fragestunde kommen würden, ist fraglich.

Es besteht dann möglicherweise auch die Gefahr, dass bestimmte Leute ihre Lieblingsthemen während dieser Stunde extensiv ausbreiten. Ich bezweifle, ob uns dies an dieser Stelle wirklich weiterbringt. Deshalb frage ich:Warum macht man dies nicht auf einer freiwilligen Basis? Kommunen wollten dies einführen, doch die Kommunalaufsicht entgegnete, es gehe nicht.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Frau Kollegin, das wäre ein Kompromiss, mit dem man leben könnte.

Hinsichtlich des Ansinnens,einen Einwohnerantrag zu ermöglichen, muss man auch diskutieren, ob dies zielführend wäre und ob man damit nicht auch wiederum viele Dinge von der Vertretungskörperschaft wegführte. Aber auch da sollten wir die Kommunalen Spitzenverbände und die Praktiker gemeinsam anhören, um dann zu einer Entscheidung zu kommen.

Wenn wir aber über die Hessische Gemeindeordnung reden, dann sollte man vielleicht in der nächsten Wahlperiode über den einen oder anderen Aspekt der HGO reden – das werden wir auch machen, doch wird das in dieser Wahlperiode wahrscheinlich nicht mehr zielführend sein, denn die CDU hat signalisiert, dass mit ihr eigentlich nichts zu machen ist –, und zwar wie folgt:Wir sagen Ja zu einer modernen Kommunalverfassung und zu einem modernen Kommunalrecht mit mehr Beteiligungsrechten für die Bürger. Wir sagen aber auch dazu: Es müssen echte Rechte sein, sonst macht dies wenig Sinn und schafft Verdruss.

Ich habe im Kern deutlich gemacht, dass wir für einige Vorschläge offen sind. Sie bringen ein Mehr an Beteiligung, und wir wollen auch gemeinsam, dass die Bürger Entscheidungen auf der untersten Ebene beeinflussen können, damit sie die Erfolge oder Misserfolge unmittelbar sehen können. Es spricht einiges dafür, dies so umzusetzen, doch halte ich anderes für weniger praktikabel. Aber für die Diskussion dessen ist eine Anhörung da, und

dies sollten wir gemeinsam tun. Im Gegensatz zur CDU sind wir für Diskussionen offen, weil ich glaube, die Kommunalpolitik hat es verdient, dass man ihr einen entsprechenden Stellenwert beimisst. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Für die Sicht der Landesregierung möchte ich einfach Folgendes in wenigen Punkten festhalten.

Die Hessische Gemeindeordnung und die Hessische Landkreisordnung sind historisch gewachsene Instrumente, die, wie ich glaube, im Ergebnis recht gut die verschiedenen Interessen miteinander in Einklang bringen.

Sehr verehrte Frau Kollegin Erfurth, ich halte es schlichtweg nicht für gut, dass punktuell einzelne Bereiche herausgegriffen werden, über die man im Einzelfall durchaus reden kann. Jetzt, fünf Monate vor Ende der Legislaturperiode, soll daran noch schnell etwas gemacht werden. Das ist nicht sinnvoll. Denn wenn Sie an einer Stelle in diesem Instrumentenkasten etwas ändern, hat das an vielen anderen Stellen eine Auswirkung. Herr Kollege Möller hat ein paar sehr gute Beispiele genannt und das aus der Praxis belegt.