Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

Eine solche Anzeige ist nicht ganz billig. Es handelt sich um eine Anzeige einer privaten Lottogesellschaft. Man kann daran erkennen,dass hier mit allen Haken und Ösen für die wirtschaftlichen Interessen gekämpft wird. Es stehen Zahlen im Raum, dass es allein beim staatlich lizenzierten Glücksspiel um rund 26 Milliarden c geht. Da geht es um richtig viel Geld,und man kann verstehen,dass Wirtschaftsunternehmen versuchen, über Lobbypolitik, über Anzeigen oder über das, was wir in den letzten Wochen und Monaten an Schreiben, an CD-ROMs, an E-Mails bekommen haben, den Versuch unternehmen, den Gesetzgeber zu beeinflussen bzw. ihn umzustimmen.

Wir haben es mit der Werbebranche zu tun, wir haben es aber auch mit den professionellen Sportverbänden zu tun. Auch die Bundesliga hat Interesse daran, aus Einnahmen, die sie aus Werbung generiert,ihren Spielbetrieb zu unterhalten. Wir bewegen uns hier in einem ziemlich breiten Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite haben wir das Interesse, das wir verfolgen müssen, nämlich die Suchtprävention und den Schutz der Spielerinnen und Spieler, auf der anderen Seite kann man verstehen, dass für wirtschaftliche Unternehmen andere Interessen im Mittelpunkt stehen.

Das, was hier vorliegt, ist ein gutes Angebot, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Ich sage das auch deshalb, weil der Vorsitzende der FDP-Fraktion gleich seinen Standpunkt vorstellen wird.Wir wissen letztlich nicht, wie der Europäische Gerichtshof und andere Gerichte entscheiden werden. Wir machen hier auch keine Gesetze für die Ewigkeit.Wir machen hier Gesetze, von denen wir meinen, dass Sie den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden.

Auch wenn man die Stellungnahme der EU-Kommission betrachtet, erkennt man, dass nicht alles ganz einheitlich dargestellt wird. Aus der Ecke derer, die für die Dienstleistungsrichtlinien und für die Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit zuständig sind,heißt es,unser Gesetzentwurf stehe nicht mit der Dienstleistungsfreiheit in Einklang. Auf der anderen Seite bekommt man von der EU auch die Hinweise, von denen, die für Verbraucher- und Jugendschutz zuständig sind, dass das Ausufern der Spielertätig

keiten im Internet einem effektiven Jugendschutz und auch einem effektiven Spielerschutz zuwiderläuft.

Bei der EU-Kommission ist keine einheitliche Linie zu sehen, sondern dort gibt es unterschiedliche Auffassungen in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Ich glaube, wir sind im Grundsatz auf dem richtigen Weg.

In Richtung derer, die alles liberalisieren möchten, sage ich: Es gibt bisher 16 Ministerpräsidenten, die diesen Staatsvertrag unterschrieben haben. Es gibt also 16 Staatskanzleien, die diesen Gesetzentwurf geprüft haben.Es gibt einen umfangreichen Schriftwechsel zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Union.Viele dieser Schriftwechsel beziehen sich eigentlich noch auf die Zeit vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Schauen wir erst einmal, was die Europäische Union dazu sagen wird, wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist.

Es gibt auch andere Möglichkeiten, die ich hier nicht verschweigen möchte. Es gibt die Möglichkeit, auf der einen Seite Monopole zu organisieren, auf der anderen Seite gibt es die Forderung, diesen Markt über Konzessionsbzw. Steuermodelle zu liberalisieren.

Unser Hauptziel bei diesem Gesetzentwurf ist, dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden. Als Hessischer Landtag müssen wir natürlich auch die Einnahmenseite bedenken. Da haben diejenigen, die sich für eine Liberalisierung des Wettmarktes eingesetzt haben, bisher noch kein schlüssiges Konzept vorgelegt, wie man ausreichend Einnahmen generieren will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will hier noch ein paar Zahlen nennen, die auch im Gesetz stehen. Der Landessportbund verfügt über 19 Millionen c Einnahmen, die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände über 5 Millionen c,der Hessische Jugendring über 2 Millionen c, die außerschulische Jugendarbeit über 6 Millionen c, der Ring politischer Jugend über 550.000 c. Hier wird eine ganze Menge Geld für Kultur und Sportpflege ausgegeben. Ich sage nicht, dass es Hauptziel eines Gesetzes sein kann,dieses Geld wieder zu generieren. Ich fordere aber diejenigen auf, die durch die Lande ziehen und fordern, diesen Markt zu liberalisieren, auch die Antwort darauf zu geben, wie man diese Einnahmenausfälle ersetzt.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ein Landeshaushalt kann für dieses Geld nicht einstehen. Ich fordere also diejenigen auf,die der Liberalisierung das Wort reden, ein Finanzkonzept vorzulegen, ob dies nun ein Steuer- bzw. ein Konzeptionskonzept ist, das wird sich dann weisen. Ich möchte es aber einmal auf dem Tisch des Hauses haben.

Es gibt auch andere Länder in Europa, die ihren Wettund Spielmarkt unterschiedlich organisiert haben. Es gibt Lotterien, die als Monopole organisiert sind, und es gibt Quasimonopole. Es gibt hier nicht die Antwort der reinen Lehre. Man kann auch nicht der Argumentation folgen, dass es in Europa einen einheitlich liberalisierten Markt gebe und das einzige Land, das sich abschottet und wo es ein Monopol gebe, die Bundesrepublik Deutschland sei.

Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetzentwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllen. Wir haben gerade in der Mittagspause beschlossen, dazu eine Anhörung durchzuführen. Diejenigen, die an diesem Gesetz

entwurf und an dem Staatsvertrag Interesse haben, können ihre Interessen in der Anhörung artikulieren. Insgesamt sind wir hiermit auf dem richtigen Weg. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Klee das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den beiden Vorrednern ausdrücklich zustimmen, ihre Ausführungen kann ich weitgehend unterstützen. Ich muss nur eine Abweichung bekannt geben: Bei mir passiert es sehr, sehr oft, dass ich dem Innenminister zustimme.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann sich auch noch ändern!)

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung betreffend Hessisches Glücksspielgesetz gibt es ein Vorblatt. Hieraus ist erkennbar, dass das zurzeit geltende Gesetz über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen verfassungswidrig ist und bis zum 31.12.2007 durch ein neues verfassungskonformes Gesetz abgelöst werden muss.

Dieser Aufforderung ist die Landesregierung in vollem Umfang nachgekommen. Minister Bouffier hat die Vorgaben, die durch das Bundesverfassungsgericht vom 26. März 2006 zu Sportwetten in Bayern aufgestellt wurden und deren Grundsätze für alle Länder und alle Glücksspiele anwendbar sind, in den Gesetzentwurf eingearbeitet.

Ausgehend vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts waren sich die Länder im Klaren, dass nur ein Staatsvertrag diesen Anforderungen entsprechen kann. Monatelang wurde die Frage gestellt, ob denn alle Ministerpräsidenten diesen Vertrag unterschreiben. Inzwischen ist dies geschehen.

Dass der Staatsvertrag von vielen interessierten Kreisen angezweifelt wird, ist kein Geheimnis.Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehen einige Leitlinien hervor. Eine Entscheidung für das Monopol sichert die Erreichung der Ziele:präventiver Schutz der Spieler vor den Gefahren der Spielsucht,Lenkung des Spielbetriebs in geordnete und kontrollierte Bahnen, Vermeidung von Begleit- und Folgekriminalität und Betrug, Gewährleistung eines ordentlichen Spielverlaufs und nachhaltige Erträge für die Förderung des Gemeinwohls – die Spielsuchtbekämpfung als Gemeinwohl.

In dem Urteil heißt es, die Bekämpfung der Spielsucht ist „ein besonders wichtiges Gemeinwohlziel.“ Zum Monopol als geeignetes Mittel – ich zitiere ebenfalls aus dem Urteil –: „Die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols stellt grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Erreichung der legitimen Ziele dar.“

Ist die Abschöpfung von Steuern/Zweckabgaben legitim? – Zu diesem Punkt wird ausgeführt, dass zu diesen legitimen Zielen die Abschöpfung von Mitteln gehöre, die als Weg zur Suchtbekämpfung und als Konsequenz aus einem öffentlichen Monopolsystem gerechtfertigt sei.

Ist das Monopol besser geeignet als eine Öffnung des Glücksspielmarktes? – Die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Sucht und problematischen Spielverhaltens ausgerichteten Wettmonopols mit staatlich verantwortbarem Wettangebot besser beherrscht werden als im Wege einer Kontrolle privater Wettunternehmen. Vonseiten der EU-Kommission müssten noch weitere, klärende Erörterungen in Einzelfragen erfolgen. Dies geht ebenfalls aus der Vorlage hervor.

Der Minister hat überzeugend dargelegt, mit welch großer Materialschlacht meine Vorredner, Abgeordnete bombardiert worden sind, um sich auf den liberalen Weg hin zu bewegen – in erster Linie zur Freigabe des Wettbewerbs bei den Sportwetten.

Aus keiner dieser Druckschriften ist jedoch auch nur ansatzweise hervorgegangen, wie die zurzeit an Destinatäre erfolgten Zahlungen erwirtschaftet werden sollen. Die Unwahrheiten, die uns überrollt haben, gipfelten in der Feststellung,die EU-Kommission hätte an Bund und Länder ein Verhandlungsangebot gemacht.Dem ist nachweislich nicht so.

Ich will nun abkürzen und zur Feststellung kommen, dass die CDU-Fraktion die Gesetzesvorlage unterstützt. Der EU-Kommission – der Europaminister ist da – kann angeraten werden,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Gott sei Dank! – Norbert Schmitt (SPD):Aber nicht mehr lange!)

sich in wichtigen Politikfeldern zu tummeln und die Bevormundung ihrer Mitgliedstaaten auf ein Minimum zu begrenzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat ihr Vorsitzender, Herr Hahn, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muss etwas Besonderes sein, wenn die Fraktionen CDU, Sozialdemokraten und GRÜNE bei einem Sachthema alle einer Meinung sind.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das müsste eigentlich jeden der Redner, die eben ans Pult gegangen sind, stutzig machen, und sie müssten noch einmal hinterfragen, ob man denn tatsächlich damit richtig liegt, wenn man über einen Sachverhalt dasselbe denkt und sagt, obwohl man sich damit eigentlich viel differenzierter auseinandersetzen müsste.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe auch bei dem Redebeitrag von Herrn Klee ein bisschen das Gefühl gehabt, dass die Emotionen relativ hoch sind.

(Horst Klee (CDU): Das stimmt!)

Wenn man sich mit der Art und Weise der Kampagne, die private Wettanbieter durchgeführt haben, auseinandersetzt sowie damit, mit welcher Tonlage Sie, Herr Klee, unser lieber Ausschussvorsitzender, das tun, wird deutlich, wie seitens der Regierungsmehrheit, leider auch seitens

der anderen Fraktionen in diesem Hause sowie seitens der anderen Bundesländer an dieses Thema herangegangen wird – nämlich nicht so emotionslos, wie man das bei einem solchen Thema tun sollte.

Ich halte für die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag fest: Wir möchten, dass auch in Zukunft mittel- und langfristig Gelder aus dem Spielwettenbereich heraus in die Gesellschaft transferiert werden, damit wir weiterhin Zahlungen für den Sport, den Denkmalschutz, den Ring politischer Jugend und andere vornehmen können.Das ist das Ziel unserer Tätigkeit.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn man dieses Ziel vor Augen hat – das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, man könnte so ein Ziel vor Augen haben, das sei verfassungsgemäß –, dann muss man sich aber auch fragen: Wie organisiere ich das? – Meine Damen und Herren, natürlich so wie in der sozialen Marktwirtschaft all das, was erfolgreich ist, organisiert wird – nämlich ohne Monopol, Gängelung der Anbietungsart, aber mit einem Modell der Abschöpfung der Gewinne, dem Modell des Herausnehmens von Zahlungen aus dem Sportwettenbereich, hinein in die Gesellschaft und hin zum Staate. Das geht nicht über ein Monopol.

(Beifall bei der FDP)

Jeder hier im Raum, auch der Präsident des Landessportbunds weiß, dass der Weg, der jetzt von den Ministerpräsidenten gewählt worden ist, einer ist, der da heißt:Augen zu und durch! Welcher Kopf rennt zuerst gegen die Wand?

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine verantwortungsvolle Politik. – Was meine ich damit? Schauen Sie sich die Summen an, die in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren noch aus dem Sportwettenbereich in die Gesellschaft geflossen sind. Hier fand eine drastische Reduzierung statt – auf 20 bis 25 % der Beträge des Jahres 2004.

Das ist das „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennenMonopol“, das zum einen die Sportverbände – nicht alle – und zum anderen die Ministerpräsidenten – nunmehr alle – dazu treibt, diese Arbeit weiterhin derart falsch fortzuführen. Sie haben sich, weil sie das Monopol wollten, das war von Anbeginn der Denkfehler, das Bundesverfassungsgerichtsurteil genommen und haben gefragt: Wie kann ich dieses Monopol retten?

Lieber Präsident des Landessportbundes, da gab es nicht die Idee, zu fragen, wie man möglichst viel Geld aus dem Bereich der Sportwetten in den ehrenamtlichen Fußball bzw. Sport bekommen könnte, sondern die Denkweise lautete:Wie rette ich das Monopol?